Cover-Bild Von Vögeln und Menschen
23,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 272
  • Ersterscheinung: 19.02.2018
  • ISBN: 9783446258198
Margriet de Moor

Von Vögeln und Menschen

Roman
Helga van Beuningen (Übersetzer)

Vor dem Amsterdamer Hauptbahnhof klafft eine Baugrube. Auf dem schmalen Steg davor begegnen sich zwei Frauen. Schreiend beginnt die jüngere auf die ältere einzuschlagen, bis diese in die Grube stürzt und den Tod findet. Seit ihrer Kindheit hat Marie Lina den Gedanken an Rache im Herzen getragen, an diesem Tag bricht er sich Bahn. Marie Linas Mann ist Vogelvertreiber am Flughafen, sie führen eine gute Ehe. Die tiefe Wut seiner Frau aber kann er nicht vertreiben. Warum hat Marie Linas Mutter einst einen Mord gestanden, den sie nicht begangen hat? Von Vögeln und Menschen ist ein Roman über drei starke Frauen – spannend, dicht und unglaublich raffiniert erzählt.

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 04.08.2018

Ein Roman wie ein Gemälde

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Immer wieder schafft es Margriet de Moor, ihre Leser zu überraschen: kein Roman weist Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger auf. Dabei geht es in ihren Aussagen doch stets um Menschen, ihr Tun und die Beweg- ...

Immer wieder schafft es Margriet de Moor, ihre Leser zu überraschen: kein Roman weist Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger auf. Dabei geht es in ihren Aussagen doch stets um Menschen, ihr Tun und die Beweg- und Abgründe, die dahinter stehen.

In „Von Vögeln und Menschen“ geht es um ganz unterschiedliche Frauen, die auf unterschiedliche Weise miteinander in Beziehung stehen. Den Dreh- und Angelpunkt jedoch bildet Marie Lina. Ihr Leben gerät nicht erst als Erwachsene aus den Fugen, da sie eine Tat begeht, die sie ins Gefängnis bringt, sondern schon in Kinderjahren, als ihre Mutter eine Zuchthaustrafe verbüßen muss - für einen Mord, den sie nicht begangen hat. Warum hat Louise Bergman ein falsches Geständnis abgelegt? Wer ist der wahre Täter und warum bleibt er im Hintergrund? Stück für Stück trägt de Moor eine spannende Geschichte zusammen, nicht chronologisch, sondern in Zeitsprüngen und wechselnden Erzählperspektiven.

Die Autorin besitzt die Fähigkeit, mit Worten Bilder zu erschaffen. Ihr ruhiger, sachlicher Stil und ihre Art, besonders anschaulich zu beschreiben, erinnern mich an alte holländische Gemälde: Wie in einem Bild festgehalten erscheinen die Personen in diversen Situationen: mal als idyllisches Familienporträt, ein andermal als Momentaufnahme einer Ausnahmesituation, wobei der Hintergrund stets ein wenig vage im Dunkel bleibt. Und - wie bei einem Gemälde - empfindet der Leser/Betrachter doch stets eine gewisse Distanz zu den Protagonisten, obwohl er zahlreiche Details erfährt.

Auch wenn das Ende des Romans eigentlich zu Beginn bereits bekannt ist: Margriet de Moor versteht es brilliant, uns in das Geschehen hineinzuziehen und zu fesseln.

Veröffentlicht am 21.03.2018

Das Buch der Schuld

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In Margriet de Moors Roman "Von Vögeln und Menschen" geht es klar um Schuld: um echte, um nicht eingestandene und um solche, die anderen angehängt wurde. Es geht um schuldige und unschuldige Männer und ...

In Margriet de Moors Roman "Von Vögeln und Menschen" geht es klar um Schuld: um echte, um nicht eingestandene und um solche, die anderen angehängt wurde. Es geht um schuldige und unschuldige Männer und Frauen. Vor allem um Frauen. Ich sehe das Buch als einen Familienroman, gewissermaßen aber auch als Krimi, einer, der quasi rückwärts erzählt wird.

Denn die Geschichte beginnt in der Gegenwart mit Rinus Caspers, der als Vogelvertreiber am Amsterdamer Flughafen arbeitet - und zwar mit Begeisterung - und mit seiner Frau Lina, einer Krankenschwester, die ebenso wie er Vögel liebt. Scheinbar hat sich etwas ereignet, doch bald schwenkt der Fokus auf ein lange zurückliegendes Ereignis:

Ein alter Mann wird in seinem Zimmer im Seniorenheim ermordet aufgefunden: ein sehr netter Herr, der, obwohl schon sehr bejahrt, noch eine ganze Weile hätte leben können, so gut wie er beisammen war. Doch er hatte Geld - Geld, das nun fehlt und das kann auch bei lieben Menschen ein Grund für Mord sein. Eine Schuldige - nämlich seine Haushaltshilfe Louise ist schnell gefunden und gibt den Mord nach anfänglichem Leugnen zu, wofür sie lange Jahre ins Gefängnis muss. Ihre Familie geht daran zugrunde und sie selbst letztendlich auch.
Jahre später stirbt eine Frau durch das Zutun von Louises Tochter Lina. Diese, längst glücklich verheiratet und Mutter eines elfjährigen Sohnes, gibt ihre Schuld sofort zu, ja, sie macht diese sogar größer als diese in der Anklage ist, wo nämlich von einem Unglück, schlimmstenfalls einem Totschlag ausgegangen wird. Doch Lina sagt aus, diesen Mord seit Jahrzehnten geplant zu haben.

Eine traurige Geschichte um große Themen wie Schuld und Sühne, aber auch Reue und Hingabe - wie auch um deren Fehlen. Und zwar durchaus auch auf anderen Ebenen als in diesem ganz besonders dramatischen, im Zentrum der Handlung stehenden Fall. Doch Margriet de Moor hat sie mit einer Leichtigkeit, einer Klarheit - die in der deutschen Übersetzung sehr gut transportiert wird - geschildert, die Charaktere ebenso eigenwillig wie plastisch dargestellt, dass ich sie schnell gelesen hatte. Im Vergleich zu anderen Werken der Autorin empfand ich es als besonders zugänglich. Da die Autorin stets einen gewissen Abstand zu ihren Figuren und der Handlung wahrt, bleibt man auch als Leser ein Beobachter von außen, was ich mit Blick auf die Handlung als sehr passend empfinde. Man wird dadurch quasi davor bewahrt, sich selbst zu sehr zu involvieren.

Ein aus meiner Sicht spannender und vielschichtiger Roman, der jedoch durch seine nüchterne Erzählweise sicher auf einige Leser auch (zu) kalt wirken kann. Ich empfehle ihn dennoch als ein ungewöhnlichen Roman, den ich gerade durch den fernen Blick, den man als Leser hat, als besonders wirkungsvoll empfunden habe. Wenn auch viele Fragen offen blieben. Doch das ist sicher Absicht und Teil des Romankonzepts.