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18,00
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  • Verlag: Hanser, Carl
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 168
  • Ersterscheinung: 27.01.2020
  • ISBN: 9783446263758
Marion Messina

Fehlstart

Roman
Claudia Steinitz (Übersetzer)

„Houellebecq hat eine Erbin.“ (Marianne). Marion Messina blickt auf das Leben und Scheitern einer jungen Frau in Paris – ihr furioses Debüt ist ein Stich ins Herz unserer krisengeschüttelten Gegenwart.

Als ihre erste Liebe scheitert, zieht die neunzehnjährige Aurélie von Grenoble nach Paris. Dort will sie endlich in vollen Zügen leben und mit ihrem Jurastudium die provinziellen Arbeiterbiographien ihrer Eltern hinter sich lassen. Aber in Paris reicht es gerade mal für einen Job als Empfangsdame, der Wohnungsmarkt entpuppt sich als anarchische Zone und die Liebe ist eine Farce zwischen freundlichen Arrangements und Pornographie. Doch dann setzt Aurélie alles auf Anfang. Voll Zorn, Klarsicht und gnadenloser Ironie blickt Marion Messina auf das Leben einer jungen Frau und ins Innerste einer neuen verlorenen Generation. „Ein furioses Debüt; beißend und unverschämt gut geschrieben“ (Le Monde).

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Lesejury-Facts

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.01.2020

Marion Messina – Fehlstart

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Das Abitur bestanden, steht ihr die Welt im egalitären Frankreich offen. Sie weiß, wofür sie all die Jahre hart gearbeitet hat, doch dann muss Aurélie Lejeune eine herbe Enttäuschung nach der anderen erleben. ...

Das Abitur bestanden, steht ihr die Welt im egalitären Frankreich offen. Sie weiß, wofür sie all die Jahre hart gearbeitet hat, doch dann muss Aurélie Lejeune eine herbe Enttäuschung nach der anderen erleben. Das Jurastudium an der Universität von Grenoble ist uninspiriert, mit ihren Kommilitonen verbindet sie nichts und zunehmend begreift sie sich als Außenseiterin. Mit den kolumbianischen Austauschstudenten scheint sie viel mehr zu verbinden und in Alejandro, den sie bei ihrem Nebenjob als Putzfrau kennenlernt, verbindet sie bald schon eine innige Liebe. Doch als dieser der Enge der Kleinstadt entflieht, fällt auch Aurélies Leben in sich zusammen, es stand ohnehin nur auf tönernen Füßen. In Paris hofft sie auf einen Neuanfang und die Realisierung ihrer Träume, die sie eigentlich schon gar nicht mehr hat. Sie will ihre soziale Herkunft als Kind einer Arbeiterfamilie hinter sich lassen, sieht sich bald aber schon einer viel prekäreren Situation ausgesetzt als ihre Eltern es jemals erlebt hatten.

In ihrem Debutroman stellt Marion Messina gleich mehrere Mythen ihres Heimatlandes infrage. An ihren jungen Protagonisten zeigt sie auf, dass das voller Versprechen begonnene Leben sich oftmals anfühlt, als sei es schon vorbei, bevor es überhaupt begonnen hat, wie die ungeliebte B-Seite einer Schallplatte, die niemand hören will und die nur die Aufgabe hat, einen eben noch vorhandenen Platz zu füllen, an die jedoch nicht die geringsten Erwartungen gestellt werden. Wofür soll man in dieser Existenz kämpfen? Die Wirtschaftskrise von 2008, die ganz Europa unerwartet und heftig packte, hat vor allem die Jungen und Gebildeten getroffen, die sich nach jahrelanger Mühe um beste Startchancen um ihr Leben betrogen sahen, ein klassischer „Fehlstart“, sie waren zur falschen Zeit am falschen Ort.

Messina zeichnet ein erbarmungsloses Portrait einer Gesellschaft und einer Generation, das wenig Mut und Hoffnung macht. Wo sich Alejandro einer omnipräsenten Xenophobie in einem sich selbst als weltoffen und tolerant wahrnehmenden Land ausgesetzt sieht, fühlt sich Aurélie aufgrund ihrer sozialen Herkunft ausgeschlossen, sie kennt die Codes der Kleidung, des Verhaltens und der Sprache nicht und ihre Eltern sind schon lange nicht mehr in der Lage, sie zu unterstützen. Sie soll doch mit dem bescheidenen Dasein, wie sie es selbst führen, zufrieden sein. All die Bemühungen und der Verzicht werden sich nicht auszahlen, das elitär organisierte Land hat keinen Platz für Emporkömmlinge. Das muss auch Benjamin erkennen, der einzige Freund, den Aurélie in der 12 Millionen Metropole gefunden hat und der nach jahrelangem Ackern bereit ist, aufzugeben und in die Provinz zurückzukehren.

Insbesondere das Bild der Arbeitswelt, in der die Angestellten in den niedrigen Positionen nicht nur schnell austauschbar sind, sondern die durch vorgegebene Kleidung, Make-up und Phrasen auch austauschbar wirken und dafür mit dem Mindestlohn abgespeist werden, der kaum ausreicht, um Wohnung und ausreichend Nahrung zu finanzieren, wirkt brutal, aber authentisch. Die prekäre Existenz mit Zweit- und Drittjob laugt sie so dermaßen aus, dass sie gar nicht mehr am Leben teilnehmen und von Paris außer den Gängen der U-Bahn nichts mehr sehen. „Métro-Boulot-Dodo“ wird so nicht mehr nur ein ironisches Wortspiel, sondern schlichtweg Realität.

Marion Messina untermauert die falschen Versprechungen sprachlich versiert, in kursiv erscheinen die immer wieder bemühten Phrasen, die sich jedoch als leere Worthülsen entpuppen. Ihr Roman erschien 2017 noch vor den aktuellen Protesten der Gilets Jaunes, sie legt aber den Finger in genau dieselbe Wunde und erfüllt damit eine der wesentlichen Aufgaben der Literatur: sie hält der Gesellschaft und vor allen denjenigen, die diese lenken, den Spiegel vor, in dem sie bei genauen Hinschauen eine schmerzverzerrte Fratze erkennen können. Auch 2020 noch einer DER Romane der Stunde.

Veröffentlicht am 19.02.2020

Beeindruckendes Debüt

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„Fehlstart“ ist ein wirklich beeindruckendes Debüt der Journalistin und Autorin Marion Messina.

Nachdem Aurélies Beziehung zu Alejandro gescheitert ist, möchte sie ihrem Heimatort Grenoble entkommen, ...

„Fehlstart“ ist ein wirklich beeindruckendes Debüt der Journalistin und Autorin Marion Messina.

Nachdem Aurélies Beziehung zu Alejandro gescheitert ist, möchte sie ihrem Heimatort Grenoble entkommen, da sie an der Universität dort keinen Bezug zu ihren Kommilitonen hat und sich als Außenseiterin fühlt. Sie hofft auf einen Neustart in Paris. Mit ihren neunzehn Jahren zieht sie von Grenoble nach Paris, um dort das Leben zu genießen und die Provinz hinter sich zu lassen. Schnell wird klar, dass es nicht so einfach ist, sich aus der Schicht der Arbeiter zu befreien.

Mit erschreckend klaren Worten zeichnet Marion Messina das Portrait einer Gesellschafft, für die es keine Zukunft gibt. An dem Beispiel der Protagonistin rechnet sie mit dem französischen Gesellschafts- und Bildungssystem ab. Aurélie ist total desillusioniert, die Umstände scheinen sich permanent zu verschlechtern und die Grundstimmung ist düster und beklemmend. Keiner der Charaktere hat ein ausgeglichenes und zufriedenstellendes Leben. Alle scheinen nur zu existieren, arbeiten um zu leben und lenken sich mit Alkohol, Sex und Partys ab.

Einiges erscheint mir extrem überzogen, es ist ein Rundumschlag der Autorin an die Gesellschaft. Der Schreibstil ist sachlich, teilweise fast emotionslos. Eigentlich mag ich das gar nicht, aber hier finde ich es stimmig und passend. Der gesellschaftskritische Aspekt wird ausgesprochen gut und überaus deutlich dargestellt.

Ich finde, dass es der Autorin sehr gut gelungen ist, die katastrophalen Verhältnisse der Gesellschaft darzustellen. Mit ihrem ungewöhnlichen Schreibstil und einer Menge Zynismus hat sie ihre Gesellschaftskritik ausgesprochen gut verpackt.

Mich hat dieser Roman wirklich beeindruckt, auf nur knapp 170 Seiten beschreibt Marion Messina eindringlich und sarkastisch die erschreckendsten Seiten der Gesellschaft. Ein Buch, das keineswegs schön zu lesen ist, das aber einen unglaublichen Sog entwickelt und das ich noch lange im Gedächtnis behalten werde.

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Veröffentlicht am 04.04.2020

Auf der Suche nach einer Perspektive

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Als die 19-jährige Aurelie von ihrer ersten großen Liebe, dem kolumbianischen Studenten Alejandro, von einem Tag auf den anderen verlassen wird, beschließt sie, ihr bisher fremdbestimmtes Leben selber ...

Als die 19-jährige Aurelie von ihrer ersten großen Liebe, dem kolumbianischen Studenten Alejandro, von einem Tag auf den anderen verlassen wird, beschließt sie, ihr bisher fremdbestimmtes Leben selber in die Hand zu nehmen. Sie zieht sich aus dem Einflusskreis ihrer Eltern heraus und will in Paris ein Jurastudium beginnen. Aber hier stößt sie mit ihren gesparten siebenhundert Euro auf eine wenig soziale und gnadenlose Welt. Anstatt das Studium anzutreten übernimmt sie einen Hostessjob um sich damit über Wasser zu halten. Die Illusion einer 180-Grad-Wende in ihrem Leben, scheint sich nicht zu erfüllen...
Der Debüt-Roman der jungen französischen Autorin Marion Messina hat für viel Aufsehen gesorgt, so dass ich mit hohen Erwartungen in das Buch gestartet bin. Der außergewöhnliche und nicht immer leicht zu lesende Schreibstil verleiht dem Buch sicherlich schon einmal einen besonderen Charakter, die Handlung kann da aber aus meiner Sicht nicht ganz mitziehen. Natürlich nimmt Marion Messina in ihrem Roman die oberflächliche und egomanische Gesellschaft der heutigen Zeit aufs Korn. Ohne einen gewissen finanziellen Hintergrund besteht für einen jungen Menschen kaum die Möglichkeit aus seinem Sozialstatus zu entfliehen und sich selbst zu entfalten. Dies verleiht dem Buch aber auch eine sehr depressive Stimmung, die nicht immer leicht zu ertragen ist. Das Ganze wirkt dann zwar auch mit einem fehlenden Happy-End authentisch, konnte mich aber nicht vollends überzeugen.
Nichts desto trotz halte ich den Roman "Fehlstart" für durchaus lesens-wert, in erster Linie aber aufgrund des außerordentlichen Erzähltalents der Autorin. Man wird sicherlich nach folgenden Werken von Marion Messina die Augen offen halten müssen und darf darauf gespannt sein. Ich bewerte das Buch mit vier von fünf Sternen.

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Veröffentlicht am 04.03.2020

Schonungsloser Roman-Essay über prekäre Lebenssituationen in Frankreich

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Fehlstart würde ich eigentlich gar nicht als „richtigen“ Roman bezeichnen, eher als eine Art Kolumne oder Essay über aktuelle soziologische und sozialpolitische Phänomene in Frankreich, wobei sich vieles ...

Fehlstart würde ich eigentlich gar nicht als „richtigen“ Roman bezeichnen, eher als eine Art Kolumne oder Essay über aktuelle soziologische und sozialpolitische Phänomene in Frankreich, wobei sich vieles auch auf andere europäische Länder übertragen lässt. Einerseits zeichnet die Autorin ein Generationenportrait, andererseits nimmt sie einen Teil der prekär lebenden Bevölkerungsgruppen besonders in den Fokus, nämlich Studenten mit unzureichenden finanziellen Mittel, zum einen aus aus Arbeiterfamilien stammend, zum anderen mit Migrationshintergrund.

Als Anschauung für ihre Thesen und Beobachtungen, alles vor dem Hintergrund der Finanzkrise 2008 und unter der Präsidentschaft von Sarkozy, beleuchtet die Autorin das Leben der 18 jährigen Studentin Aurelie sowie des etwas älteren kolumbianischen Studenten Alejandro.
Die Handlung an sich ist schnell erzählt. Aurelie nimmt auf Wunsch der Eltern ein Jurastudium in ihrem Wohnort Grenoble auf. Davon ist sie allerdings schnell ernüchtert. Bald lernt sie Alejandro während eines Putzjobs kennen und mit ihm die erste große Liebe. Das Studium bricht sie ab und als auch die Liebe zerbricht, geht Aurelie nach Paris, um nochmal neu anzufangen, doch auch dort ist es alles andere als einfach.
Paris, die „seelenlose Stadt“, ist sehr teuer, Wohnungen sind nicht zu finden, weite Wege sind mit der Metro zu bewältigen, so dass letztlich nichts übrig bleibt zum Leben. Arbeiter- und Mittelschicht verschmelzen hier zu „armen Werktätigen“.

Den Schreibstil der Autorin empfand ich im ersten Teil als etwas anstrengend, da sie aufzählend und herunter rasselnd berichtet, doziert und lamentiert. Im zweiten Teil lockert das etwas auf, es kommen mehr Dialoge und Interaktionen hinzu und wahrscheinlich habe ich mich auch eingelesen..:) Sie schreibt sehr scharfzüngig, direkt, schonungslos, teilweise gar brutal oder auch zynisch. Viele ihrer Beobachtungen und Thesen treffen allerdings genau ins Schwarze. Sie zeichnen ein bitteres Bild, machen traurig und betroffen. Dennoch sollte man vor der Situation nicht die Augen verschließen!

Messina kritisiert das Schul- und Hochschulsystem sowie die neoliberale/ kapitalistische Arbeitswelt. Sie macht die sozialen Ungleichheiten sichtbar sowie die „Chancengleichheit“, die daraus bestehe, dass `Hase und Schildkröte an einer Startlinie stehen`. Die angebliche Wahlfreiheit wird hier ad absurdum gefühlt, es wird gezeigt, wie junge Menschen ohne finanzielle, intellektuelle oder generell protektive Unterstützung scheitern, vor allem wenn die Eltern, aus welchen Gründen auch immer, dazu nicht in der Lage sind.
Zudem sensibilisiert sie für die Situation von Migranten, die von der Heimat entfremdet sind und im Einwanderungsland als nicht dazu gehörig wahrgenommen werden.
Darüber hinaus zeichnet sie ein, durchaus auch widersprüchliches Portrait einer ganzen Generation. Eine Generation, die auf Instabilität und Veränderung geeicht und pornogesättigt ist, Beziehungen ohne Verantwortung und Verpflichtung führt (zumeist zu Lasten der Frau), dabei aber letztlich einsam bleibt. Die mutlos und voller Überdruss ist, zwar nie echte Schwierigkeiten hatte, aber auch nicht die geringste Perspektive hat.

Fazit: Sehr interessante soziologische Gedanken und Beobachtungen, in Form eines „Roman-Essays“, die einen Teil des aktuellen Bildes von Frankreich erhellen und zudem viele Parallelen zu Deutschland aufzeigen. Lesenswert!

Veröffentlicht am 27.02.2020

Paris – die Stadt der Hiebe!

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Das Leben in Paris ist ein Schlag ins Gesicht! Nichts ist schön in dieser „Monsterstadt“ (S.155), wo sich „unter dem Arsch des Eifelturms“ (S. 83) ganz Frankreich drängt, eine Stadt voll mit „Ramschläden, ...

Das Leben in Paris ist ein Schlag ins Gesicht! Nichts ist schön in dieser „Monsterstadt“ (S.155), wo sich „unter dem Arsch des Eifelturms“ (S. 83) ganz Frankreich drängt, eine Stadt voll mit „Ramschläden, Taubenkacke (S.78), eine Stadt, in der für Familien kein Platz mehr ist und somit zur „Stadt ohne Seele“ (S.103) wird.

Es ist ein interessantes Buch, ich kann nicht sagen, ob es gut oder schlecht ist, da ich richtig zwiegespalten bin wie schon lange nicht mehr. Ich bin auf Sätze gestoßen, die mich fasziniert haben, da ich ihn ihnen irgendwie ein Tiefe, wenn nicht sogar sprachliche Eleganz gesehen habe. Gleichzeitig war ich aber schockiert von banalen und vulgären Äußerungen, die ich abstoßend fand und die Leselust gehemmt haben. Ich hatte oft den Eindruck, dass Sex – neben 'Saufen' - das Einzige ist im Leben junger Sinn suchender, aber zum Scheitern verurteilter junger Menschen ist, diesem stressigen und widrigen Alltag zu entkommen.

Die in Frankreich viel gelobte Autorin Marion Messina ist 1990 in Grenoble geboren und studierte nach ihrem Abitur Politikwissenschaft und Agrarwissenschaft. Ihr Debüt-Roman „Fehlstart“ erschien in Frankreich bereits 2017 unter dem Titel „Faux départ“. Bei diesen Eckdaten könnte man fast meinen, dass der gesellschafts- und politikkritische Roman (auto)biographische Züge haben könnte, schließlich ist die Protagonistin Aurélie ebenfalls 1990 geboren und in Grenoble aufgewachsen. Es kann aber auch sein, dass diese biographische Übereinstimmung deshalb gewählt wurde, da sich Messina mit dieser Generation und den Problemen am besten auskennt und identifizieren kann und somit aus dieser Perspektive den hier angeprangerten Bildungsnotstand in Frankreich, die schlechte Wohnungs- und Arbeitsmarktsituation – vor allem der Hauptstadt - unter die Lupe nehmen vermag.

In dem Roman lässt sich für mich keine richtige Handlung erkennen. Die Probleme und der Alltag der Figuren werden aber gut beschrieben. Es sind aber immer deprimierende, triste und düstere Darstellungen, so dass man mit den Figuren nicht warmwerden kann, sondern eher mitleidig (von oben) betrachtet. Bei den fast schon animalischen sexuellen Bedürfnissen habe ich sogar schon etwas wie Abscheu und Verachtung empfunden.

Aurélie (19 Jahre), die nach dem Abitur glaubt, dem Arbeitermilieu mit dem Jura-Studium, das sie in ihrer Heimatstadt Grenoble beginnt, zu entkommen, wird bald ernüchtert. Sie kann in dieser neuen Welt keinen Fuß fassen und findet keinen Anschluss zu den Kommilitonen. Schon hier wird sie dermaßen ausgebremst. „Sie gehörte weder zur künftigen Elite noch zur nächsten Politkergeneration. Sie gehörte weder zur Zukunft noch zur Gegenwart“ (S.33). Zum Glück – oder zum Pech – lernt sie bei einem Putzjob den ein fünf Jahre älteren kolumbianischen Literaturstudenten Alejandro kennen. Es ist aber eine einseitige Liebe. Alejandro möchte ungebunden und frei bleiben. So bleibt es bei einer durch Gespräche und Sex geprägten Beziehung, für die sich Aurélie aber vollends aufgibt, sich schon beinahe nur durch ihn definiert: „Ohne Alejandro an ihrer Seite war sie niemand mehr“ (S. 71).
Alejandro, der sich immer mehr von seinem Heimatland Kolumbien entfremdet wird quasi zum Heimatlosen, zum Umherirrenden, da er auch in Frankreich nicht ankommt. Nachdem Alejandro den Studienort Grenoble verlässt um nach Lyon zu gehen, beschließt gleichfalls Aurélie in Paris ein neues Leben zu beginnen, was sich als Illusion entpuppt. Und auf einmal steht Alejandro wieder vor ihr; tja, man sieht sich immer zweimal im Leben.... Gibt es nach dem Fehlstart nun einen Neustart?

Ein in der Schwebe Existieren – es ist ja kein Leben – wird in diesem Buch gut herausgestellt. Weder Alejandro noch Aurélie finden eine richtige Wohnung (ist ja auch nicht bezahlbar); der Arbeitsstress in einem mehr oder weniger ihren Vorstellungen entsprechenden Arbeitsverhältnis laugt sie aus; es bleibt die Sucht nach dem und die Flucht in den Sex.

Dieses Buch ist nicht für zart besaitete gedacht, da Messina gnadenlos und schonungslos mit vielen Facetten des französischen Lebens abrechnet. Scheitern ist an der Tagesordnung. Sie teilt ordentlich aus, so dass man den Eindruck erhält, Frankreich (mit der seiner Hauptstadt Paris) ist ein zukunftsloser Ort auf einem absteigenden Ast.
Der Glanz und die Leichtigkeit, die man vom „savoir vivre“ hat, geht verloren – leider. Mut und Hoffnung ist vergeblich! Kein „vive la france!“

Die Idee, mit dem diesem kompakten Roman Kritik zu üben, gefällt mir. Beeindruckend, dass man so viel Anklagepunkte auf so wenig Seiten packen kann. Aber es ist schon ein mutig – wenn nicht sogar anmaßend – alles nur so einseitig schlecht und missmutig zu sehen. Deshalb konnte mich der Roman nicht vollends überzeugen.
Lesenswert aber kein ausgesprochenes Highlight!

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3,5 Sterne

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