Cover-Bild Ich ging in die Dunkelheit
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13,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Atrium Verlag AG
  • Themenbereich: Belletristik - Thriller / Spannung
  • Genre: Krimis & Thriller / Krimis & Thriller
  • Seitenzahl: 432
  • Ersterscheinung: 19.06.2020
  • ISBN: 9783038821151
Michelle McNamara

Ich ging in die Dunkelheit

True Crime
Eva Kemper (Übersetzer)

Der Killer kam immer nachts: Von 1976 bis 1986 ereignete sich in Kalifornien eine Vergewaltigungs- und Mordserie, die das ganze Land erschütterte. Michelle McNamara war noch ein Kind, als dieser Mörder umging. Als Erwachsene hat sie sich auf seine Spur begeben. Um dem Killer zu folgen, musste sie sich selbst in die Dunkelheit wagen: in den Kopf eines geisteskranken Menschen. McNamara kam dem Monster immer näher – und starb, kurz bevor sie ihr Buch fertigstellen konnte. Zwei Freunde beendeten es für sie, es wurde zum Bestseller. Und als der Killer kurz darauf endlich gefasst wurde, gab es schließlich auch die letzte entsetzliche Antwort auf die Frage, wie es ihm gelungen war, so lange unerkannt zu bleiben.

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.05.2021

Dunkelheit - trotz Lichtscheine - für 44 Jahre ...

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Inhaltserzählung:
Die Beziehung zu meiner Mutter war die komplizierteste meines Lebens und wird es immer sein. Während ich das schreibe, werden mir zwei unvereinbare Tatsachen klar, die mich schmerzen. ...

Inhaltserzählung:
Die Beziehung zu meiner Mutter war die komplizierteste meines Lebens und wird es immer sein. Während ich das schreibe, werden mir zwei unvereinbare Tatsachen klar, die mich schmerzen. Niemand würde sich mehr über dieses Buch freuen als meine Mutter. Und wahrscheinlich hätte ich nicht den Freiraum verspürt, es zu schreiben, wenn sie noch leben würde.

(Seite 66)


Ich will nur auf eine Besonderheit hinweisen: In einer Stadt mit hartgesottenen Bewohnern und reichlich Gewalttaten gab es einen Verbecher, der hervorstach.
Vielleicht hilft auch folgendes Detail, sich ein Bild von Sacramento in den Siebzigern und auch vom EAR zu machen: Wenn ich neugierigen Bewohnern der Gegend sage, ich würde über einen Serienvergewaltiger aus Sacramento schreiben, wurde ich noch nie gefragt, über welchen.

(Seite 118)


Autorin:
Michelle McNamara (1970–2016) wurde als Jugendliche mit einem Gewaltverbrechen konfrontiert, als in ihrer Nachbarschaft ein befreundetes Mädchen ermordet wurde. Diese Erfahrung prägte ihr Leben. Als Erwachsene führte sie die Webseite True Crime Diary und setzte sich zum Ziel, den »Golden State Killer«, einen der schlimmsten Serienmörder in der Geschichte der USA, zu entlarven. Michelle McNamara starb kurz vor Fertigstellung ihres Manuskripts, das nach Erscheinen zu einem Bestseller wurde und allein in den USA über 400.000 Leserinnen und Leser fand.

Übersetzerin:
Eva Kemper, geboren 1972 in Bochum, studierte in Düsseldorf Literaturübersetzen. Neben Junot Díaz‘ ›Das kurze wundersame Leben des Oscar Wao‹ übersetzte sie aus dem Englischen u. a. Werke von Peter Carey, Louis de Bernières, Tom Rob Smith, Martin Millar und Penny Hancock.


Bewertung:

Anmerkung: Die folgenden Inhalte enthalten keine Spoiler, das können sie gar nicht, da es ein berühmter Fall ist, der oft von vielen Crime-Serien aufgegriffen wird, ebenso wie überall auf sozialen Netzwerken und Webseiten. Wer also keine Einzelheiten bestimmter Fälle lesen möchte, hört jetzt lieber auf zu lesen. Natürlich kommen einige Kleinigkeiten im Buch vor, die nur aus Michelles Sicht zu lesen sind, da sie ja auch ermittelte. Aber sie teilte ihre Ermittlungen mit den zuständigen Ermittlern und arbeitet bis zu ihrem Tod mit ihnen zusammen, wie auch diese Erkenntnisse medial verstreut wurden. Was ich also hier schreibe sind keine Geheimnisse.

👀 "Die Leute vergessen bei Rocky immer die erste Szene, in der er rausgeht und trainiert. Seine Beine tun höllisch weh. Er hat seine besten Jahre hinter sich. Es ist eiskalt. Er torkelt. Er kommt kaum die Treppe rauf. Rocky steht einfach jeden Morgen auf und macht weiter. Jeden Tag. Bei den Leuten, die sich mit ungelösten Fällen beschäftigen, ist es dasselbe. (...)Rocky hat Apollo Creed nicht geschlagen, weißt du noch?", sagte Patton. "Aber er hat ihn und die ganze Welt verblüfft, weil er einfach nicht aufgeben wollte."

(Seite 349/350)

Das Cover braucht keine Worte - es passt mehr als perfekt zum Riesen-Fall. Der Buchtitel bezieht sich auf etwas, was der Golden-State-Killer einem Opfer gesagt haben soll: «You’ll be silent forever, and I’ll be gone in the dark.» («Du wirst für immer schweigen, und ich werde im Dunkeln verschwunden sein.»). Dieses Detail kannte ich aus den Crime-Serien zu diesen Fall nicht. Ich ging davon aus, dass sich der Titel auf die Autorin und ihre Ermittlung bezieht. Es passt aber auch beides, eine gruselige Verbindung.

Der Klappentext lässt einen vermuten, dass die Autorin durch die Such des Täters umkam, er sie vielleicht auch getötet hat - dem ist aber gar nicht so. Sie stark an einer unglücklichen Überdosierung von Medikamenten überraschend. Auch vermittelt der Klappentext, dass die Auflösung des Riesen-Falles detailliert beschrieben wird. Auch dem ist nicht so. Der Täter wird kurz genannt, ganz zum Schluß. Er bildet sozusagen den Schluß. Und es wird nicht erläutert, wie er so lange entwischt ist, wie das im Klappentext steht. Ich habe einige Infos dazu beigeschrieben. Aber für den Leser ist das frustrierend. Wenn man den Klappentext auf eine andere Weise liest, stimmt es schon; die Autorin hat sein Entwischen detailliert geschildert, anhand der einzelnen Fälle und Schlampereien von Ermittlern und Bürgern. Denn jeder Täter kann nur solange fliehen, wie er wissentlich und unwissentlich geschützt wird.

Den poetischen Text von Weldon Kees ("Krimi-Club") finde ich wirr und habe ich auch nicht verstanden. Poesie mag ich sehr, aber dieses hier ist nicht zu verstehen für mich. Klar, es zeigt die Dimension der Überfälle auf literarische Weise, aber das kann auch im Bezug zu anderen Fällen genommen werden. Es steht auch keine Anmerkung des Autors bei; hat er das speziell für diesen Riesen-Fall niedergeschrieben? Ein Rätsel.

Es gibt ein Inhaltsverzeichnis, was ich generell ja sehr mag. Hier ist es allerdings unnötig, da das Buch und seine Kapitel sehr chaotisch zugeteilt sind. Da verschafft auch das Inhaltsverzeichnis keinen Überblick, leider. Ich hatte ja während des Lesens die Vermutung, dass die Kapitel so unchronologisch gesetzt sind, weil Michelle kurz vor Fertigstellung des Buches gestorben ist. Aber beim zweiten Nachdenken erscheint es sinnfrei, denn die zwei Freunde, die das Buch beendet haben, haben ja nicht willkürlich gearbeitet, sondern das so übernommen, wie Michelle es hinterlassen hat. Außerdem starb sie ja kurz vorher, der übermäßige Teil war also schon fertig und somit auch von ihr zusammengesetzt worden. Am Ende kommen die zwei freunde von ihr zu Wort und erklären, dass das Buch bei Autorin Michelles Tod zur Hälfte fertig war. All das widerlegt also meinen ersten Gedanken.

Es gibt eine Einleitung von Gillian Flynn. Hier meine Kritik, dass nicht dabeisteht, wer das ist. Ich kenne sie, sie ist Thriller-Autorin, aber sie ist keine große Berühmtheit wie die Harry-Potter-Autorin, die jeder kennt. Solche fehlenden Deklarationen nerven mich. Dann folgt ein Prolog der Autorin. Am Ende gibt es sozusagen ein Nachwort der beiden Freunde von Autorin Michelle und eines von ihrem Mann. Dann folgt ein Brief von ihr an den alten Täter, für sich, da bis dato keine Überführung stattfand. Als letztes folgt das Foto des Täters und drei Sätze zu ihm. Das ist ziemlich mau, daher habe ich als Anhang dieses Essays - äh, dieser Rezension ein paar Infos hinzugefügt. 😏

📋 Zur besseren Übersicht (die Fälle, von denen wir wissen):


Visalia Ransacker (Visalia-Plünderer)

April 1974 bis Dezember 1975 - Über 100 Einbrüche, Raub und 1 Mord


East Area Rapist (EAR)

Juni 1976 bis Juli 1979 - Über 50 Vergewaltigungen an Frauen und Raub


Original Night Stalker (ONS)

Oktober 1979 bis Mai 1986 - 2 Übergriffe auf ein Paar, konnten gefesselt fliehen (zwei Beinahe-Morde)

- 6 Paar-Morde, Vergewaltigungen von den Frauen (das bleibt unerwähnt im Angesicht von Mord) und Raub, davon 2 Morde nicht 100 % dem ONS zuordbar


❕ Von Autorin Michelle "Golden State Killer" genannt



Was mich zu Beginn irritiert hat, war, dass die Autorin Michelle nur fünf Vergewaltigungsopfer aufgeführt hat, obwohl es fünfzig gemeldete ! gemeldete Fälle gibt. Beim Lesen jedoch erkannte ich, dass sie nur die Namen gelistet, die auch in dem Buch Erwähnung finden. Jedenfalls kann ich das so zuordnen, bei all den Namen - gerade bei der Ermittler-Liste - habe ich den Überblick verloren. Aber es ergibt Sinn. Denn es irritiert zudem, dass vor der Auflistung der Opfer und Ermittler, eine Ortskarte mit den verschiedenen Verbrechen (auch die Anzahl dieser) abgedruckt ist. Ein Mord wird in Verbindung mit den ganzen Einbrüchen noch untersucht bzw. wurde bis zur Fertigstellung des Buches untersucht. Ich konnte aktuell kein Ergebnis dazu im Internet finden.

Ich kenne den Fall aus verschiedenen Crime-Serien, dieser Fall ist oft verfilmt worden für die Serien. Das macht es für mich sogar noch etwas persönlicher, dass hier eine Autorin in einen Fall ermittelt hat, den ich recht gut kenne und von dem man sehr viel hört, sieht und liest. Jedenfalls ist den Crime-Liebhabern dieser Fall bestens bekannt, trotzdem war ich gespannt, was die Autorin selbst ermittelt hat.

Das Buch ist nicht chronologisch erzählt, was mich hin und wieder irritiert hat. Das Buch kann man nicht einfach so runterlesen, aber es ist fesselnd. Mal schreibt die Autorin in der Vergangenheitsform, dann wieder in der Gegenwartsform. Sie verknüpft es auch, es ist jetzt nicht aus dem Zusammenhang durcheinander gewürfelt ... Aber für eine Analytikerin, wie sie es wahr (und wie ich es bin), ist das sehr ungewöhnlich und wirr.

Wir erfahren unter anderem auch, wie Michelle aufwuchs und was sie zu dem Ermittlungs-Hobby brachte, die Entwicklung der DNA-Analyse und wie es mit anderen Hobby-Ermittlern auf verschiedenen Webseiten aussieht. Insgesamt erzählt sie wie in einem Tagebuch, nur auf sachlicher Ebene. Sie drückt zwar auch ihre Gefühle aus, aber nie überschwänglich und richtig greifend für den Leser.


👀 Rat suchte ich bei pensionierten Ermittlern, die an dem Fall gearbeitet hatten und von denen ich viele mittlerweile als Freunde betrachtete. Sie hatten irgendwann die Hoffnung verloren, aber das hielt sie nicht davon ab, mich zu ermutigen. Die Jagd nach dem Golden State Killer, die beinahe vier Jahrzehnte andauerte, kam mir weniger wie ein Staffellauf vor, eher wie eine sonderbare Seilschaft, die versucht, einen Berg zu besteigen. Die betagten Jungs mussten aufgeben, bestanden aber darauf, dass ich weiterging. Bei einem beklagte ich mich, es käme mir vor, als würde ich nach Strohhalmen greifen. "Soll ich dir was raten? Schnapp dir den Strohhalm", sagte er. "Klammere dich an allem fest, was du in die Hände bekommst."

(Seite 24/25)


Was mich immer wieder wütend macht, ist die Gedankenlosigkeit der Ermittler, die scheinbar nur auf ihren Gehaltscheck aus sind und Menschen, die bestimmte Dinge beobachten, aber nichts melden! Auch in vielen dieser Fälle hier hören Nachbarn mehrere Schüße nachts ! und bittende Sätze von Personen, aber keiner ruft die Polizei!! Niemand! Das kommt alles erst raus, als die Ermittler sie nach den Taten befragen. Es begibt sich ja niemand in Gefahr, wenn er in seiner Wohnung/seinem haus die Polizei verständigt. Er muss sich ja nicht ins Geschehen werfen! Das regt mich immer so auf! Das passiert so oft, nicht nur hier. Ich kenne zig Fälle, bei denen die Opfer hätten noch gerettet werden können, wenn jemand die Polizei oder den Krankenwagen gerufen hätte. So verbluten viele minutenlang, manchmal sogar mehr als eine Stunde ! ... Der berühmteste Fall ist der von Kitty in New York in den 80ern, wo mehrere Nachbarn sie beobachten und den Übergriff sahen, aber niemand die Polizei verständigte. Mehrere Nachbarn haben sie verbluten sehen und niemand half ihr. Erst nach mehr als einer Stunde kam eine Nachbarin sofort zu ihr, aber da war es schon zu spät. Hier war noch die Besonderheit, dass der Täter das ausnutzte, und nach dem ersten Angriff nochmal zurückkam udn sein Werk vollendete. Weil ja niemand etwas unternahm. Grauenvoll! Wie hilflos muss Kitty sich gefühlt haben, zu wissen, sie wurde gesehen, in Augen zu blicken, die einfach wieder ihre Türen schlossen und warteten, bis sie erstummte ...

In den Fällen im Buch war das mehr das normale Verhalten der Nachbarn; also die Opfer wussten nicht, dass andere etwas von dem Geschehen mitbekamen. Es wurden auch bei Nicht-Überfällen einiges merkwürdiges beobachtet, aber nicht gemeldet. Auch wirklich so handfeste Sichtungen, wie ein Nachbar, der den schleichenden Täter erwischt und freundlich hustet, um zu signalisieren, dass er ihn bemerkt hat. Eine Woche später wurde Opfer Nummer elf überfallen. Sie war im sechsten Monat schwanger. (Nur eines der vielen Beispiele, wo man nur den Kopf schütteln kann - der Täter wurde von vielen auf frischer Tat entdeckt, flüchtete und begann wenig später "Ersatz"-Taten.) Nicht umsonst sagt die Polizei, man solle auch noch so unscheinbare Dinge melden, die einem nicht wichtig erscheinen. Viele Fälle werden durch solche Mini-Puzzleteile gelöst.


👀 Was die Menschen sehen: Schweinwerfer auf dem freien Feld hinter ihrem Haus, wo kein Auto sein sollte. Aufgebrochene Türen. Einen Mann, der aus einem Entwässerungsgraben steigt und in den Nachbargarten schleicht. Geheimnisvolle Fußabdrücke im Garten. Einen Mann, der an die Tür klopft und wissen will, wie viele Personen in dem Haus wohnen, obwohl in diesem Jahr keine Volkszählung stattfindet. (Anmerkung von mir: Michelle schreibt fast eine Seite solcher Auffälligkeiten)
Was die Menschen hören: Wie sich jemand an der gläsernen Schiebetür zu schaffen macht. Kratzen an der Hausseite. Einen Hilferuf. Ein Handgemenge. Schüsse. Den lang gezogenen Schrei einer Frau. (Anmerkung von mir: Auch hier habe ich ihre Auflistung abgekürzt)
Niemand ruft die Polizei.
Diese Beobachtungen sammeln die Polizisten bei den Befragungen der Nachbarn nach vollbrachter Tat.

(Seite 233/234)


Da kommen Verbohrtheit und Egomanie sowie Machtspiele der Departments und Ermittler immer ins Spiel. Dieser große Fall mit vielen Einzelfällen bildet da keine Ausnahme. Und wie in vielen Kriminalfällen wurden auch hier eklatante Fehler begangen; Beweise wurden einfach vernichtet, ohne je einen Blick darauf geworfern zu haben, zum Beispiel. Dann kommen noch Aussagen hinzu, die sehr kurzgedacht sind, wie; der EAR stahl keine Rabatt-Marken wie der ONS, also konnte er nicht derselbe Täter sein. Da wurde die Entwicklungen des Täters gar nicht in Betracht gezogen, und dass der ONS noch vor dem EAR gewütet hatte. Wir reden (lesen) hier ja von jemadnen, der Jahrzehnte auf Achse ist. Dass sich der Täter da auch weiterentwickelt sagt einem jeder mit Verstand! Aber diese fehlerhafte Denkweise hat andere Ermittler behindert. Ebenso wie destruktive Aussagen wie "Verschwende nicht deine Zeit!" - "Er ist tot!" - "Er verrotet sicher im Gefängnis!" - "Warum kümmert dich das so?", die faule und uninteressierte Ermittler ihren aktiven und suchenden Kollegen vor die Köpfe knallen. Das zog sich bis zur Verhaftung des Übeltäters. Auch im Jahr 2000 kamen den alten Hasen nicht in den Sinn, der Täter hätte ja auch krank sein können oder bereits zu alt für seine akrobatischen Fluchten. Darüber wurde gar nicht nachgedacht, jedenfalls hat das kein Ermittler preisgegeben oder gar an anderen kritisiert. Dieses eklatante Fehlverhalten einiger Ermittler hat alles und jeden behindert, und somit auch die Ergreifung des Täters.


👀 Als ich die Tat in der Queen Ann Lane am 1. Oktober 1979 erwähnte, verhärtete sich Rays Miene.
"Ich glaube, in dieser Nacht hätten sie ihn schnappen können", sagt Ray.
Es war die Nacht, in der er begriff, dass er töten musste. Die Nacht, in der seine Opfer überlebten und ihr Nachbar, ein FBI-Agent, den Verdächtigen bei der Flucht auf einem gestohlenen Rennrad verfolgte. Ich bin die Strecke der Verfolgungsjagd anbgelaufen bis zu der Stelle, wo der Agent ihn verloren hatte. Der Agend stand in Funktkontakt mit den anrückenden Polizisten.
Ich habe nie begriffen, warum er nicht gefasst wurde.
"Ich wusste, was passieren würde", sagt Ray. Er schüttelt den Kopf. "Ich wusste genau, was die Polizisten machen würden."
Sie ließen ihn entwischen.

(Seite 334)


Wer das von den Crime-Serien nicht weiß: Dieser FBI-Ermittler hatte freies Schußfeld und hat das nicht genutzt. Er sah die Situation als unrechtmäßig für den Waffengebrauch. Natürlich war das heftig umstritten, da so eine Serien-Vergewaltiger und -Mörder entkommen konnte und weitere Menschen vergewaltigte und ermordete. Ich achte den FBI-Agenten für seine Entscheidung, kritisere aber auch, dass er ihn hätte ja nicht gleich töten müssen. Das ist auch etwas, was einem oft begegnet; dass die Täter statt ins Bein oder Arm, um sie handlungsunfähig zu machen, direkt tödlich erschossen werden. Da fragt man sich doch, ob die das gar nicht erst lernen, Gefangene zu nehmen. Der FBI-Agent hätte ihn nicht töten brauchen. Ich denke, daher kommt zum Teil auch die Kritik. Der andere Teil sind die typisch amerikanischen Werte zum Waffengebrauch. Viele zögern nicht und töten lieber als dass ein Mörder weiter frei herumläuft.

Diese Missstände bringt Michelle auch im Buch ein und ich war erleichtert, dass sie auch diese Aspekte betrachtete. Denn die gehören leider oft dazu. Was verkrampft sich alles in mir, wenn ich darüber nachdenke, wie die Fälle gelöst werden könnten (generell), wenn Ermittler und Zeugen rechtschaffener wären und zusammenarbeiten würden?! Und dieser Riesen-Fall hat so viele Puzzleteile, die nicht alle ordnungsgemäß zusammengeführt wurden, sodass der Täter immer wieder entkommen konnte! Das gleicht einem zynischen Götterspiel! Da waren nicht nur die Planung und Geduld des Täters ausschlaggebend, sondern auch massig viel Glück! Wie oft er gesichtet wurde, wie viele Phantombilder es von ihm gab, wie viele merkwürdigen Geschehnisse entdeckt wurden - vor vielen Verbrechen, die er danach begangen hatte ... Er ist mit allem davongekommen, selbst Beweise, die er zurückgelassen hatte, wurden einfach ohne Blicke darauf entsorgt. Nein, allein mit dem Können des Täters hat das nichts zu tun. Wie in vielen anderen Fällen kommen hier einfach viele Fahrlässigkeiten zusammen.

Michelle schreibt zu all dem, dass es bezeichnend für die siebziger war. Allerdings stimmt das nicht. Ja, das war so, aber ist heute immer noch so. Die Menschen haben die gleichen Gründe wie damals. Und es ist immer noch unverständlich und behindernd. Sie schreibt auch treffend dazu:

👀 Ich erwähnte Shelby gegenüber die allgemeine Verunsicherung in der Zeit nach Vietnam, doch Shelby schüttelte den Kopf. Die Passivität der Nachbarn war für ihn nur ein Problem von vielen. Nicht nur die Bürger hatten versagt, sondern auch Shelbys Vorgesetzte, die so sehr mit ihren Machtspielchen beschäftigt waren.

(Seite 235)


Sie bringt es genau auf den Punkt. Wer verschiedene Crime-Serien schaut, weiß um das Verhalten der Departments und ihre Vorgehensweisen. Sobald ein Fall mediale Aufmerksamkeit genießt oder sehr groß wird (was hier der Fall war), gehen die Ränkespiele richtig los. Das Ego wird aufgeplustert und es geht vorwiegend nur noch darum, wer die Ehre hat, ganz vorne dabei zu sein und den Fall abzuschließen, um die Karriere voranzutreiben. Opfer und Tat selber spielen da im Hintergrund Walzer.

Natürlich gibt es bei den Bürgern Unsicherheiten, was sie melden sollen und was nicht. Aber hier waren Gegebenheiten, die auf jeden Fall hätten gemeldet werden müssen. Auch ist es so, dass viele Ermittler Meldungen auch nicht ernst nehmen. Im besten Fall sagen sie dir, sie können da nichts machen, sie brauchen was handfestes. Im schlimmsten Fall lachen sie über dich, verhöhnen dich. Und nein, das ist nicht nur in Amerika so. Besonders in Deutschland herrscht die bekannte Philosophie unter der Bevölkerung, dass die Polizei erst etwas unternimmt, wenn etwas konkretes passiert ist. Ein Beispiel werde ich mal nennen: Eine ehemalige Umschulungs-Kollegin von mir erzählte mal, dass sie mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn im Auto auf der Autobahn von einem anderen Autofahrer massiv bedrängt wurden. Der rammte sie sogar. Als sie währenddessen bei der Polizei anriefen, meinte die nur, dass sie in diesem Fall nichts tun können, weil sie dafür kein Personal haben. Erst, wenn dadurch ein Unfall passiert, fahren sie raus. Ja, da schüttelt es sich doch bei jedem, oder? Wir schimpfen ja gerne über andere Länder und ihre Systeme, und plustert uns auf, wir würden es besser machen.

Das ist also ein Riesenproblem, das sich auch in diesem Riesen-Fall ereignet hat. Wie viel früher hätte der Täter gefasst, wie viele Leben gerettet werden können ... ? Man mag gar nicht darüber nachdenken, weil sonst die blanke Wut einen befällt. Mir ergeht es jedes Mal so, wenn ich sowas mitbekomme. Michelle stellt die gleichen Fragen, bleibt aber sachlich und emotional unberührt (für uns Leser). Aber das ist okay so, ich habe Wut für uns beide in mir. Und da brauchen wir auch gar nicht in die USA gucken, auch bei uns in Europa passieren ständig eklatante Fehler. Wir alle kennen Fälle, wo Sexualstraftäter ein super Gutachten erhalten und entlassen werden. Und daraufhin sofort den nächsten übergriff begehen. Und man muss auch kein Psychologe sein, um zu wissen, dass Sexualstraftäter die einzigen Kriminellen sind, die man nicht resozialisieren kann. Triebe kann man nicht stoppen. es gibt Programme, die diesen Menschen helfen, mit ihren Trieben umzugehen, aber das sind keine Schlösser, sondern Pflaster. Diese Menschen können jederzeit rückfällig werden. Und gerade solche straffälligen Täter dann in die Gesellschaft hinaus zu schicken, ist grob fahrlässig! Und das gibt es gerade bei uns in Deutschland viel zu viel. Weil wir einfach eine sehr milde Gesetzeslage haben. Auch andere Verbechensbereiche wie Raub und Tötung gibt es zu Haufen, bei denen lebensrettende Fehler gemacht werden.

Ganz präsent ist mir ein Fall, bei dem es um einen Asylanten geht. Dieser ist mir nicht hängen geblieben, weil er kein Deutscher ist, sondern weil der Fall international ist. Dieser Täter nämlich bewarb sich in verschiedenen europäischen Ländern als Asylbewerber mit falschen Dokumenten. Keinem fiel es auf. In Frankreich tötete er sein erstes Opfer (von dem wir wissen - wir wissen ja nicht, wie viele er bereits vorher ermordete oder eben nicht). Daraufhin sollte er ausgewiesen werden. Die Behörden versäumten dies aber und so zog er nach Deutschland und tötete eine weitere Person. Und blieb eine Zeit lang unerkannt. Beide Tötungen sahen die Behörden nicht im Zusammenhang, weil sie sich nicht miteinander austauschten, auch in kriminaltechnischem Bereich (wie in Amerika ebenfalls). Bei weiterer Kontrolle seiner Unterlagen stellten die Beamten dann fest, dass ein Haftbefehl und eine Abschiebung auf den Mann ausgestellt worden waren, in Frankreich. Muss ich dazu noch mehr schreiben? Statt nach Amerika zu schauen, mal lieber vor der eigenen Haustür kehren.


Auch so Fehler, die nicht direkt mit den Fällen aufkamen, sondern vorher schon begangen wurden, die dann mit in die Fälle reinspielten:

👀 Jahrelang scheint niemanden aufgefallen zu sein, dass die Notrufnummer 911 im gemeindefreien San Ramon nicht funktionierte, obwohl die Telefongesellschaft den Anwohnern diesen Service in Rechnung stellte. Eine Frau, die am Ende einer ruhigen Sackgasse wohnte, stieß auf diesen Missstand. Das schrille Fiepen aus dem Hörer, das eine nicht zustande gekommene Verbindung anzeigte, versetzte ihr nach zwei Stunden sexueller Gewalt durch einen Fremden einen zusätzlichen Schock.

(Seite 272)


Das lasse ich unkommentiert.


👀 Nach etwa einem Jahr war die Untätigkeit der Nachbarn nicht mehr mit Ahnungslosigkeit oder Trägheit zu entschuldigen. Es war reine Wagenburgmentalität. Wenn sie etwas sahen, schlossen sie die Türen ab, schalteten das Licht aus, zogen sich ins Schlafzimmer zurück und hofften, er würde sie nicht holen. "Ich hatte Angst", gab eine Frau zu. Aber warum hatte sie nicht die Polizei angerufen? Meine Gedanken kreisten immer wieder um die Frage, wie es hätte laufen können.

(Seite 243)


Dazu brauche ich nichts mehr kommentieren. Sagt alles.


Viele Theorien kamen auf, wieso der Täter plötzlich aufhörte und woanders weitermachte, wieso er jahrelang bis zur Verhaftung gar nicht mehr in Erscheinung trat ... Ich finde das gar nicht so unergründlich. Auch Michelle hat diese Theorien beschrieben und wie die Antworten darauf aussehen. Und ihre Meinung dazu trifft auch auf meiner, denn sie ist mehr als logisch zu begreifen. Ich frage mich da, wie die Ermittler und andere das nicht sehen konnten. Es war nichts rätselhaftes, es war klar wie Brühe. Ich kann nicht ausdrücken, wie oft ich den Kopf geschüttelt habe und wütend geworden bin. So oft.


An einer Stelle musste ich schmunzeln, die ist so schön geschrieben:

👀 Um zu veranschaulichen, wie schwierig die Bewertung potenzieller Verdächtiger ist, zeigte er später, dass rein nach den Aufenthaltsorten und der Personenbeschreibung des EAR-ONS selbst Tom Hanks infrage käme. (Der, das möchte ich betonen, schon wegen des Drehplans der Serie Bosom Buddies ausgeschlossen werden kann.) 🤭

Sehr interessant fand ich die Stelle, bei der zwei Firmen Autosomale DNA von Menschen untersucht, deren Ergebisse dann anzeigen, welche Krankheiten in den Genen liegen bzw. die Auslöser, die möglicherweise diese Erkranken hervorbringen. Ich finde die Stelle sofern interessant, als das ich diese Art der Untersuchung bereits kenne. Ich habe einen Artikel dazu in einer meiner Wissensmagazinen, zu genau der zeit, als das Verfahren noch neu war. Man kann seine Speichelprobe für etwas mehr als hundert Euro in die Labore schicken. Die Ergebnisse werden per E-Mail mitgeteilt. Im Artikel hat ein Reporter das gemacht und davon berichtet. Natürlich alles aus den USA, die sind ja Vorreiter in diesen Bereichen. Ich war überrascht, dass das hier zu lesen ist. Aber auch sehr passend für das Kapitel.

Etwas zwiegespalten bin ich ja schon immer über die Hobby-Ermittler aus den Webseiten gewesen. Die kannte ich natürlich durch die ganzen Crime-Serien auch zu genüge. Aber diese Bürger-Initiativen sind zum großen Teil bei den Departments ungern gesehen. Andererseits sind sie auf solche Initiativen angewiesen. Es ist schon ein Armutszeugnis, neben den positiven Gründen. Denn es zeigt auch die Unfähigkeit der Ermittler und das Versagen des Staates, diese finanziell und personell ausreichend auszustatten. Stattdessen ermitteln die Bürger, um die Verbrechen aufzuklären. Selbstjustiz ist verpönt, aber gerade in Amerika, wo alle Waffen halten dürfen, ein Alltagsmodell. Sehr ambivalent! Und ob man es nun positiv oder negativ betrachten möchte - Faktisch bleibt es so, dass nicht die Bürger einer Stadt für die Verbrechensaufklärung zuständig sind, auch nicht als Assistenten. Sondern die Polizei, die dafür bezahlt wird.


Es ist mir ein Fehler bewusst im Gedächtnis geblieben, ganz zu Anfang, da wird ein Mord falsch in der Erzählung zugeordnet und eine Vergewaltigung hat mich irritiert, also die der Name des Opfers und ihre Lebensumstände. Der Verlauf war derselbe, wie auch der Sohn im gleichen Alter war, als der Übergriff geschah. Allerdings wird ganz vorne im Buch bei der Karte ein ganz anderer Name angegeben. Ich weiß nicht, ob Michelle sich einfach verschrieben hat oder das zwei verschiedene Frauen sind, mit demselben Lebensumstand und Verlauf. Auch bei den Ermittlern ist ein Fehler aufgetreten bzw. ist mir aufgefallen, dass auf Seite 122 ein Foto von einem William McGowan abgebildet ist und auch so deklariert. Aber der zuständige Ermittler damals hieß Bill McGowan. Das wird auch noch auf derselben Seite erwähnt. Scheint mir ein Schreibfehler zu sein, oder es sind wieder zwei verschiedene Personen, von denen aber nur einer erwähnt wird, während der andere nur auf dem Foto zu sehen ist. Sinnfrei ist das alle male. Im letzten Kapitel steht, dass die Suche mit DNA-Spuren in der Überschrift "Sacramento 2013" zu lesen ist. Aber diese Überschrift gibt es nicht.


Im Laufe der Ermittlungen gab es viele Phantombilder von dem Täter. Mal sahen sie ihm ähnlich, mal weniger. Erschreckend finde ich (da gibt es vieles in diesem Riesen-Fall) besonders, wie eines der vielen Phantombilder dem Täter 1:1 zeigen! Zwei der Phantombilder sind im Buch abgebildet, das eine hat viele Ähnlichkeiten mit dem Täter. Das andere ist genau er! Ich habe wirklich noch nie (nicht, dass ich mich daran erinnere) ein Phantombilde gesehen, das genauso aussieht, wie der Täter. Und der Fotoabgleich, der auch im Buch ist, ist alt. Auf dem Foto ist er 72 Jahre alt, bei seiner Verhaftung. Das Phantombild entstand im Februar 1977!!! Wirklich alles - von Stirn über denselben Blick, Nase, Mund, Gesichtskontur - stimmt mit dem 41 Jahre alten Mann auf dem Foto überein! Und das, obwohl er auf dem Foto seinen Kopf etwas hochhält! Richtig gruselig! Du erkennst ihn, obwohl er 31 Jahre älter ist als auf dem Phantombild! Habe Gänsehaut. Immer noch. Wenn ich bedenke, wie viele Phantombilder wage sind und trotzdem die Täter dadurch geschnappt werden ... wieder etwas unerklärliches und voller Glück geprägt. (Siehe Anhang Bild GRUSELIG!)

Auf dem Foto 1973 von ihm lässt sich das Phantombild auch deutlich wiedererkennen. (Siehe Anhang Bild DEUTLICH! Als junger Mann) Aber auch das zweite Phantombild von August 1979 im Buch gleicht dem Foto unheimlich. (Siehe Anhang Bild UNHEIMLICH!)

Dann gibt es noch ein gutes Phantombild mit einem jüngerem Ich des Täters, dass auch wahnsinnig gut harmoniert! (Siehe Anhang Bild WAHNSINN!)

Auf einer weiteren Collage ist er von 1973 (Foto) mit einem wieder sehr ähnlichem Phantombild abgebildet! Beide Personen sind da jung. Leider kann ich die Collage nicht zeigen, mehr als fünf Bilder sind nicht erlaubt. 🙄

Dasselbe Phantombild mit dem alten Mann auf dem Polizeifoto - ebenfalls klar identifizierbar, trotz des Riesen-Altersunterschied! (Siehe Anhang Bild DEUTLICH! Als alter Mann)


https://www.lovelybooks.de/autor/Michelle-McNamara/Ich-ging-in-die-Dunkelheit-2479710823-w/rezension/2984528475/


(Und ja, die Collagen habe ich erstellt. Die zwei Phantombilder und das Polizeifoto sind vom Buch, alle anderen aus dem Internet. Ist ja - wie bereits erwähnt - ein berühmter Fall.)


👀 "Ein Verbrecher ist in seiner Vergangenheit ungeschützter als in seiner Zukunft."

(Britischer Kriminalpsychologe David Canter im Buch "Criminal Shadows")


Fazit:
Ich habe das Buch innerhalb zwei Tagen durchgelesen. Es hat einen Sog. Das Buch selbst ist im eigentlichen Sinne ein Puzzle zum Bild; es lässt sich noch so vieles dazu schrieben - zum Täter, zu den Opfern, zu den Hinterbliebenen, zu den Ermittlern, zum Verlauf ... So vieles bleibt ungeschrieben, aber Michelles Geschichte, ihre Ermittlungen, enden hier.


👀 "Ich bin überzeugt davon, dass niemanden außer ihr gelungen wäre, als Außenseiterin in diesem Fall zu erreichen, was sie erreicht hat, und mit der Zeit eine von uns zu werden. Ich glaube, eine solche Kooperation von privater und öffentlicher Seite ist bei einem Ermittlungsverfahren einmalig. Michelle war dafür perfekt."

(Paul Holes, Forensiker und Ermittler, der mit Michelle bis zu ihrem Tod zusammengearbeitet hat)


Dieser Riesen-Fall ist nicht nur einzigartig, weil er so viele Fälle an verschiedenen Orten und verschiedene Taten enthält, sondern auch unglaublich detailliert die Entwicklung des Täters aufzeigt. Zu Beginn nur Einbrüche und Raub (bis auf eine Ausnahme, die ungeplant war), wie ein Herantasten an seine zukünftigen Taten. Dann wird er mutiger und vergewaltigt alleinstehende (oder gerade allein im Haus stehende) Frauen, kombiniert das mit Raub. dann steigert er sich zu Pärchen-Überfällen mit Vergewaltigung, Raub und Mord. Und das zwei Jahrzehnte, von denen wir wissen! Das ist wie eine Pyramide, die sich langsam aufbaut und deren Entwicklung jeder sehen kann. Gleichzeitig sind einzelne Fälle auch komplex, weil sich Städte nicht miteinander austauschen und keine Verbindung gesehen wird, wo welche ist.

Man darf auch nie vergessen, dass all diese Fälle nur die sind, die wir kennen, die an die Öffentlichkeit gelangt sind. Uns allen ist klar (sollte es, es ist kein Geheimnis), dass gerade bei Sexualverbrechen viele Dunkelfälle existieren. Denn sexuelle Gewalt jeglicher Art ist in unserer Gesellschaft ein Riesen-Tabu-Thema und sehr intim und schambehaftet. Das liegt am patriarchen System weltweit, das von Männern aufgebaut wurde. Nicht selten werden Sexualopfer von Polizei und Gericht eine Mitschuld gegeben. Es ist also davon auszugehen, dass es hier viel mehr Opfer gibt, als wir wissen. Schon drei Morde konnten dem Täter nicht einwandfrei angelastet werden, weil Beweise fehlen oder unzureichend sind.

Mich hat das Buch laufend getriggert. Ich habe im März eine Kurzserie gesehen: "Unbelievable" (auf Netflix). Dort geht es um eine Vergewaltigungs-Serie in verschiedenen Bezirken, die sich natürlich nicht austauschen. Die Fälle sind in vielen Details genau wie die Fälle hier im Buch. Mich hat es immer wieder an die Serie erinnert. Vielleicht haben die Produzenten diese Fälle auch als Vorlage genommen und weitergespinnt ... ich weiß es nicht. Es gleicht sich nur sehr erschreckend. Übrigens eine super tolle Serie mit starken Schauspielern. Es lohnt sich diese anzusehen.

Ich war traurig, als ich das Buch untersuchte und nichts zu ihrem Tod fand und kein Foto von ihr, um mir ein Bild von ihr machen zu können. Aber auf den letzten Seiten ist ein Foto von ihr abgebildet, was ich für den Leser sehr schön finde. Ich möchte ja die Frau sehen, die dieses Buch geschrieben hat, wie ein Tagebuch, zu dem man Verbindung aufnimmt.

Das Buch insgesamt hat mir sehr gefallen, der große Schwachpunkt ist hier der chaotische Erzählstil. Ein unnötiges Inhaltsverzeichnis kommt noch hinzu, da man sich an ihm gar nicht orientieren kann. Die Daten sind - bis auf die Übersicht zu Beginn - in den Kapiteln chaotisch niedergeschrieben. Da die Kapitel nicht geordnet nach den Daten geschrieben sind, war es für mich schwer, alles beisammenzuhalten. Dafür sind das einfach zu viele Orte, zu viele Opfer, zu viele Ermittler. Ich konnte sie alle nicht immer richtig zuordnen. Man wird von einem Fall zum Nächsten geschleudert, der nicht immer direkt danach geschah. Von 1981 geht es zu 1980, dann zu 2009 ... dazwischen sind immer wieder Kapitel, die ohne Daten in der Überschrift auftauchen. Da sind die Daten der Geschehnisse, die dort erzählt werden, auch noch gemischt. Ein wirklich bunter Haufen, der mich irritiert und mich immer wieder aus dem Lesefluss genommen hat. Aber nur kurz - denn dann ging es fesselnd weiter und ich konnte gar nicht aufhören zu lesen. Es ist hier wirklich so einiges ambivalent, auch das Lesegefühl. Einerseits chaotisch und irritierend, andererseits fesselnd und eindringlich. Daher auch meine Gesamtbewertung von 4 Sternen.


👀 "Die Zukunft hält jede Menge Bösewichte für dich bereit", sagte er.
"Ich will nicht >jede Menge Bösewichte<", sagte ich. "Ich will nur den einen."

(Seite 350)

Niemand hatte geahnt, dass ihr beides verwehrt bleiben würde ... Sie starb am 21. April 2016. Fast genau zwei Jahre, bevor der EAR, ONS und vermeintlicher Plünderer festgenommen wurde.



So, nachdem ich für die Zusammensetzung dieser Bewertung knapp sieben Stunden (ohne Pausen) geschuftet habe, mag ich nicht mehr denken. 🥴









P.S.: Nähere Infos zum Täter werde in dem Buch leider nicht notiert, was für die Leser natürlich unbefriedigend ist. Vor allem für Diejenigen, die keine Crime-Serien gucken und den Fall auch nicht kennen. Daher hier meine Ergänzung:

Modernste DNA- und Ahnenforschungs-Datenbanken führten die Polizei erst zu entfernten Verwandten des Täters, dann schließlich bis zu seiner Haustüre in Sacramento. Josef James DeAngelo, damals 72 Jahre alt, ist ein Ex-Polizist, 1979 wegen Ladendiebstahls aus dem Dienst entlassen. Er wird nach 44 Jahren (von der ersten tat an, von der wir wissen) ! endlich verhaftet. Um der Todesstrafe zu entgehen, worauf die Staatsanwaltschaft als Deal verzichtet hat, gestand der dann 74-Jährige am 29.Juni 2020 13 Morde und über 160 Verbrechen wie Entführung, Einbruch, Raub und Vergewaltigung, teils bereits verjährt. Seine Opfer waren zwischen 13 und 41 Jahre alt (ohne die Kinder im Haus gerechnet, nur reine Übergriffe). Am 21. August 2020 wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Staatsanwalt Thien Ho zitierte DeAngelo: „Ich habe alle diese Sachen getan. Ich habe alle ihre Leben zerstört. Deshalb muss ich jetzt den Preis bezahlen.“ Die zuständige Distrikt-Staatsanwältin (District Attorney) erklärte es für möglich, dass es weitere unidentifizierte Verbrechensopfer DeAngelos gäbe und man wohl nie die wirkliche Dimension seiner Taten erfahren werde. (Von mir: Was ich ja auch für sehr wahrscheinlich halte)

Die kalifornischen Behörden ließen verlauten, McNamaras Erkenntnisse hätten nicht zur Ergreifung des Täters geführt. Der US-Pay-TV-Sender HBO sicherte sich die Rechte an McNamaras Buch für eine Doku-Serie.



Anmerkung von mir: Für mich ist es mehr Frustration als Sieg, dass er ganz normal sei Leben glücklich weiterleben durfte und erst im hohen Alter und hoher Gebrechlichkeit verhaftet wurde. Letzten Endes hat er gewonnen und sein Leben gelebt.





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