Cover-Bild Licht über dem Wedding
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20,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Piper
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 320
  • Ersterscheinung: 01.03.2019
  • ISBN: 9783492059411
Nicola Karlsson

Licht über dem Wedding

Roman

Schonungslos und zärtlich erzählt Nicola Karlsson von Hoffnung, Schuld und von der ungreifbaren Nähe zwischen uns Menschen.

Ein Hochhaus in Berlin. Zwischen S-Bahnhof und tristen Grünanlagen prallen Welten aufeinander. Hannah verdient ihr Geld mit einem Modeblog und lebt erst seit kurzem hier. Dem alleinerziehenden Wolf ist von seiner Zeit im Nachtleben nur der Alkohol geblieben. Und seine Tochter Agnes will weder von ihm noch von dem Püppchen aus dem 10. Stock etwas wissen. Und doch kreuzen sich ihre Wege. Sie verbindet die existenzielle Einsamkeit der Großstadt. Sie sind auf der Flucht und zugleich wie getrieben auf der Suche. Sie ahnen, dass es jemanden gibt, der ist wie sie. Und trotzen dem Leben eine Überraschung ab.

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Lesejury-Facts

  • Dieses Buch befindet sich bei Girdin in einem Regal.
  • Girdin hat dieses Buch gelesen.

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.12.2019

Einfühlsam geschrieben und nachdenklich stimmend

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Nicola Karlsson hat mit „Licht über dem Wedding“ einen ausdrucksstarker Roman über die Bewohner des titelgebenden Stadtbezirks in Berlin geschrieben. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Hannah Hoch sowie ...


Nicola Karlsson hat mit „Licht über dem Wedding“ einen ausdrucksstarker Roman über die Bewohner des titelgebenden Stadtbezirks in Berlin geschrieben. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Hannah Hoch sowie Wolf Hermann und seine Tochter Agnes. Sie wohnen im selben Hochhaus, Wolf und Agnes im Erdgeschoss, Hannah mit einer Freundin im zehnten Stock.



Wolf ist ein Mittvierziger, hat sein Studium abgebrochen und sich als ungelernter Tischler mit allen möglichen Jobs über Wasser gehalten bis er immer mehr dem Alkohol verfallen ist. Agnes ist inzwischen 15 Jahre alt. Ihre Mutter hat die Familie vor zehn Jahren verlassen und sich nicht mehr gemeldet. Hannah ist Anfang 20, interessiert sich nicht mehr für ihr Studium, sondern bloggt über Mode. Meistens postet sie sich selbst in der ihr zugesandten Kleidung, die sie vor konträren Hintergründen inszeniert, um den besonderen Chic des Outfits herauszustellen. Erst nach und nach ergibt sich ein Gesamtbild, das die Drei in eine eigenwillige Verknüpfung bringt und sie in ihrer je eigenen Gedankenwelt zeigt, durch die ihre Handlungen geleitet sind.



Agnes wirkt so, wie in einer Welt zwischen Kind und Erwachsenem gefangen. Früh wird sie selbständig, sieht ihr Kinderzimmer als Rückzugsort, dessen Zutritt ihrem Vater stillschweigend verboten ist. Schon mit 13 Jahren hat sie einen festen Freund, der gemeinsam mit seinen Freunden, alle einiges älter als sie, ihre Peergroup bildet. Ich erlebte Agnes in ständiger Abwehrhandlung, immer zu schnellen Schlägen und Tritten bereit, wenn sie sich angegriffen fühlt, meist ausschließlich durch Worte. Sie ist auf der permanenten Suche nach Respekt, nach Freundschaft, nach Vertrauen und fragt sich letztlich, was ihr als Persönlichkeit fehlt, um als Tochter und Freundin mit Liebe angenommen zu werden.



Wolf fühlt sich als Versager. Der zunehmende Alkoholgenuss verursacht bei ihm gelegentliche Bewusstseinsaussetzer. Er weiß, dass er sich selbst damit schadet und sich aktiv Hilfe suchen muss. Seine von ihm gefühlte eigene Schwachheit führt ihn dazu, sich noch mehr dem Alkohol hinzuwenden, um seine Sorgen zu vergessen. Von Anfang an hoffte ich für ihn, dass er einen Weg finden wird, diese Abwärtsspirale zu durchbrechen.



Hannah hielt ich zunächst für durchaus clever, auch wegen der Art und Weise auf die sie Geld verdient. Doch schnell zeigte sich, dass sie ihr eigenen Sorgen hat. Schon als Kind hat sie bemerkt, dass kleine Lügen Bestrafungen verhindern können. Doch leider ist diese Angewohnheit nicht unbemerkt geblieben. Ihr Verhalten hat sie bisher nicht geändert und so begegnen ihren Aussagen nicht nur ihre Freunde, sondern auch ihre Familie mit einer gewissen Skepsis in Bezug auf deren Wahrheitsgehalt. Auch sich selbst gegenüber versucht sie eine Wirklichkeit zu schaffen, die zwar für eine augenblickliche Lösung sorgt, aber nicht für eine dauerhafte.



Alle drei Protagonisten suchen nach einem Anker, an dem sie sich festhalten können und der ihnen über die Wellen des Lebens hilft. „Licht über dem Wedding“ ist eine unangenehme Geschichte, die in einem Berliner Bezirk spielt, in dem Schwäche nicht sein darf. Sie ist eng verbunden mit Alkohol und Joints, mit unterschiedlichen Ansichten über Besitz, mit Machtspielen und Gewaltanwendung. Der Roman stimmt nachdenklich darüber, wie viel Vater, wie viel Mutter der Mensch braucht und ob eine Lücke im Elternsein ersatzweise zu füllen ist. Gerne empfehle ich den einfühlsam geschriebenen Roman, der Raum für Hoffnung lässt, uneingeschränkt weiter.

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Veröffentlicht am 27.09.2019

Schonungslos. Krass. Menschlich.

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Menschlichkeit ist heute so ein großer Begriff, teilweise ganz unvorstellbar, dass jeder mit jedem harmonieren könnte. Zu verschieden sind die Ansichten, Erwartungen, die Kindheit, die familiäre Bindung, ...

Menschlichkeit ist heute so ein großer Begriff, teilweise ganz unvorstellbar, dass jeder mit jedem harmonieren könnte. Zu verschieden sind die Ansichten, Erwartungen, die Kindheit, die familiäre Bindung, das Leben als solches. Ein jeder verrennt sich in seiner Vorstellung. Manche schüren Hass, Neid und Missgunst und äußern dies mit Gewalt. Andere hingegen scheinen alles andere verdrängen zu wollen und flüchten in eine visuelle Scheinwelt. Unterschiedliche Welten prallen tagtäglich aufeinander und doch begleitet uns alle der Drang des Lebens und irgendwie damit auch die Angst des Versagens, der Einsamkeit, der Leere.
In Nicola Karlssons Roman Licht über dem Wedding beschäftigt sich genau mit den verschieden stark ausgeprägten Differenzen. Hannah hat einen Modeblog und verdient ihr Geld als Influencer und Model im SocialMedia. Doch gerade ihre Bilder beschreiben nicht ihr Leben, denn eben dieses gerät nach und nach aus den Fugen. Und die unliebsame Begegnung mit der einen Nachbarstochter könnte dabei eine recht große Rolle zu spielen. Wolf ist alleinerziehender Vater, ist dem Alkohol verfallen und scheint nichts mehr in den Griff zu kriegen. Er und seine Tochter Agnes, wohnen in dem Hochhaus, in dem auch dieses 'Püppchen' vor kurzem eingezogen ist. Sie sind bereits unten angekommen. So kaputt und gewalttätig. Handgreiflichkeiten sind in ihrem Leben keine Seltenheit und auch ihre Ängste scheinen mehr in Aggression zu münden, als Zutraulichkeit zu erzeugen. Und doch sind sie alle sind auf der Suche, nach dem großen Ganzen, dem Leben und der Hoffnung. Aber sie verrennen sich und werden vom Strom der Einsamkeit mitgerissen, bis...



Dieser Roman ist ein gewaltiger Brocken, im wahrsten Sinne des Wortes. Und das kann man jetzt nicht mal auf den Umfang beziehen, denn tatsächlich reißen die 57 Kapitel einen einfach so mit. Schon nach den ersten Seiten wird man als Leser schonungslos in das Leben der Protagonisten gezogen und so schnell auch nicht mehr losgelassen. Man könnte beinahe meinen es wäre ein übelst spannender Krimi und doch ist es eigentlich 'nur' ein Gegenwartsroman, der die aktuelle Situation innerhalb der Großstadt nicht besser darstellen könnte. Welten die auf kleinsten Raum aufeinanderprallen und trotz der gewaltigen Unterschiede so viel gemein haben.
Hannah, Agnes und Wolf sind Figuren, mit denen ich in meinem Umfeld so gar nichts anfangen könnte, zu groß wären hier Spannungen und so war ich dann auch innerhalb des Romans recht wütend, aufgebracht, hassend. Hannah, die irgendwie alles für ein Bild machen würde und in einer so oberflächlichen Welt lebt, alles andere verdrängt und doch so recht wenig vom Leben versteht. Sie hat eine ganz spezielle und für heute recht typische Einstellung, die mich bereits im Geiste herausfordert und zum Teil auch auf die Palme bringt. Wolf, der Schläger und Säufer, und seine Tochter, hingegen sind Menschen denen ich recht wenig über den Weg traue und um die ich wahrscheinlich auch stets einen großen Bogen machen würde. Und so bauten sich dann zwischen dem ganzen Unverständnis, auch Aggressionen in mir auf, die ich gar nicht beschreiben kann. In dieser Form hat mich die Situation und jede Handlungen der einzelnen Protagonisten so wahnsinnig aufgewühlt und wütend gemacht. Doch mit der Zeit wirkten sie dann eher verletzlich, leicht neben der Spur und neben der Wut empfand ich plötzlich Mitleid, Trauer und Hoffnung, dass sich für sie alles zum Besseren wenden wird. Und irgendwie ändert sich in ihrem Leben ja auch was, nur eben so ganz anders als erwartet, mehr überrumpelt, krass und... puh.

Licht über dem Wedding lebt gerade von der Sprache und diesen recht konträren Charakteren. Ein jeder hat seine spezielle Geschichte und gerade das macht diesen Roman so tief, nahbar und ganz besonders. Nicola Karlsson verleiht Menschen eine Stimme, die irgendwo auf dem Abstellgleis herumdümpeln und durch jeden Verlust und jede Begegnung sich neu herausfordern, sich verängstigen lassen und irgendwie auch menschlicher werden. Für mich war dieser Roman eine ganz besondere Lesererfahrung und daher gibt's von mir auch eine ganz, ganz große Empfehlung!

Veröffentlicht am 13.04.2019

Blicke hinter die Fassade

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Agnes, Wolf und Hannah leben alle in einem Hochhaus im Wedding in Berlin. Während Agnes dort mit ihrem Vater Wolf aufgewachsen ist, wohnt die Modebloggerin Hannah erst seit kurzem in einem der renovierten ...

Agnes, Wolf und Hannah leben alle in einem Hochhaus im Wedding in Berlin. Während Agnes dort mit ihrem Vater Wolf aufgewachsen ist, wohnt die Modebloggerin Hannah erst seit kurzem in einem der renovierten Wohnungen ganz oben. Sie ist in Agnes‘ Augen ein Püppchen und ihre bloße Anwesenheit macht sie aggressiv. In tollen Kleidern stolziert Hannah herum, während in ihrem eigenen Leben gerade so viel schief läuft: Ihr Freund hat keine Lust mehr auf sie, in die Schule geht sie nicht mehr und Wolf ist ein Alkoholiker, der zunehmend die Kontrolle verliert. Doch auch Hannahs Leben ist alles andere als perfekt…

Die Kapitel sind abwechselnd aus den Perspektiven der drei Protagonisten Agnes, Wolf und Hannah geschrieben und nehmen den Leser mit in den Wedding, der noch immer vorwiegend ein Arbeiterviertel ist, aber Stück für Stück modernisiert wird. Diese Situation spiegelt sich auch im Hochhaus wieder, in dem die drei wohnen: Oben Hannah in einer schicken Wohnung mit Ausblick, unten Agnes und Wolf, die dort seit Jahren mit wenig Geld über die Runden kommen.

Alle drei Charaktere sind alles andere als zugänglich. Gleich zu Beginn wird man Zeuge einiger krasser Szenen: Agnes schubst Hannah ins Gebüsch, Wolf schlägt Agnes ein blaues Auge und Hannah posiert für das perfekte Foto lebensmüde vor einer herannahenden Straßenbahn. Warum tun sie so etwas?

Mit jedem Kapitel lernt man die Protagonisten besser kennen und erhält Einblicke, was sie bewegt. Sie sind komplexe Charaktere, die man stückweise verstehen lernt. Agnes versteckt ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit unter einer Menge Wut und Aggression. Wolfs Wunsch, ein guter Vater zu sein, kommt die Alkoholsucht beständig in die Quere. Und Hannah kämpft mit Ängsten, die durch ihre schwierige familiäre Situation weiter verstärkt werden.

Nicola Karlsson erzählt mit einer schonungslosen, nichts beschönigenden Sprache. Sie packte mich emotional und zeigte mir einige der weniger schönen Seiten des Lebens. Es geht um Alkohol, Gewalt, Krankheit und Scheitern. Doch auch wenn die Situation oft trostlos erscheint, bleibt stets etwas Hoffnung erhalten. Immer wieder gibt schöne und rührende Szenen, die zerbrechlich sind und bald wieder von harten Momenten überdeckt werden, aber nachhallen und im Gefühl nicht verloren gehen.

Die Charaktere in „Licht über dem Wedding“ sind wie Kastanien: Außen stachelig, aber darunter verbirgt sich ein verletzlicher Kern. Agnes, Wolf und Hannah wollen unbesiegbar sein, doch ein Blick hinter ihre mühsam aufgebauten Fassaden offenbart Wünsche, Ängste und Hoffnungen. Ein wirklich lesenswertes Buch!