Ein bewegender Familienroman, der den Hype verdient!
DschinnsKurzmeinung:
Fatma Aydemir hat es mit ihrem zweiten Roman "Dschinns" wieder geschafft, mich zu begeistern. Ein Familienroman, der uns die Geschichte der türkischen Migrantenfamilie Yilmaz aus verschiedenen ...
Kurzmeinung:
Fatma Aydemir hat es mit ihrem zweiten Roman "Dschinns" wieder geschafft, mich zu begeistern. Ein Familienroman, der uns die Geschichte der türkischen Migrantenfamilie Yilmaz aus verschiedenen Perspektiven mitverfolgen lässt. Das Buch hat mich bewegt und es ist lange her, dass ich ein Buch gelesen habe, was mich so sehr hat mit den einzelnen Personen mitleben und mitleiden lassen. Eine große Leseempfehlung.
Meine Meinung:
Ihr könnt euch vielleicht erinnern: Der Debüt Roman von Fatma Aydemir, Ellbogen, hat mich damals absolut begeistert. Entsprechend groß waren meine Erwartungen an den neuen Roman und entsprechend groß auch meine Angst, enttäuscht zu werden. Doch diese Angst war zum Glück absolut unbegründet. Denn auch mit ihrem zweitem Roman konnte mich die Autorin überzeugen. Die beiden Bücher sind sehr verschieden, daher fällt mit ein vergleich, welches nun besser ist, sehr schwer. Beide sind toll und sehr empfehlenswert. Der Stil ist anders als in „Ellbogen“. Weniger hart, weniger gewaltig, aber nicht weniger kraftvoll. Eher reifer.
Aber ich erzähle euch erstmal, worum es in dem Buch überhaupt geht. Es ist ein Familienroman, über eine türkische Familie, die nach Deutschland kommt. Es gibt das Familienoberhaupt, den Vater Hüseyin, der in Deutschland Arbeit in einer Fabrik findet und hart arbeitet, um so seine Familie besser versorgen zu können. Später kommen auch seine Ehefrau Emine und seine Kinder Hakan, Peri und Ümit nach Deutschland. Sevda muss zunächst noch in der Türkei bei den Großeltern bleiben.
„Und nun scheint [die Sonne] schon wieder, völlig unbekümmert davon, dass gerade ein Leben zu Ende gegangen und eine Familie zerbrochen ist.“ (Aus Dschinns, S. 28)
Dieses Buch beginnt mit dem Ende. Dem Ende des Lebens von Hüseyin, dem Oberhaupt der Familie Yilmaz.
In den folgenden Kapiteln lernen wir nach und nach die einzelnen Familienmitglieder kennen, die Ehefrau, die beiden Töchter und die beiden Söhne. Und durch ihre Schilderungen und Erinnerungen lernen wir auch den Verstorbenen kennen.
Jedes Familienmitglied kommt zu Wort und mit jedem Kapitel wird ein Stück von dem alten Bild, das man sich zuvor gemacht hatte, eingerissen. Jedes Kapitel und jede Perspektive wirft ein neues Licht auf die Geschichte. Die Charaktere sind so unterschiedlich. Jeder hat eine große Tiefe und jeder wirkt absolut stimmig und authentisch. Da ist der älteste Sohn, der "Klischee-Macho" Hakan, die zurückgelassene Sevda, ihre Schwester Peri, die eine ganz andere Bildungsbiografie hat, und das Nesthäkchen, der sensible Ümit. Und natürlich die Mutter und Ehefrau Emine.
Sie sind eine Familie, und doch sind sich alle so fremd. Die einzelnen Familienmitglieder haben oft keine Ahnung von den Leben der anderen. Sie halten sich gegenseitig für stark. Oder für schuldig.
Ein Schweigen steht zwischen ihnen, in dem für ehrliche, intime Fragen und das Offenbaren von echten Gefühlen kein Raum ist. Zurückhalten tut sie ihre Angst, Scham oder auch Neid und Wut.
Ihre Geschichten und Schicksale haben mich berührt und bewegt. Teilweise haben sie mich wütend und traurig gemacht. Aber Aydemir schafft es, dass ich mich so gut in die Personen hineinversetzen konnte, dass ich auch ganz viel Verständnis hatte.
„Jede Berührung ist ein Versprechen von Leben, jede Nähe ein bisschen weniger Tod.“ (Aus Dschinns, S.127)
Ich finde es immer wieder spannend, wie Geschichten das schaffen. In der einen Perspektive mache ich mir ein Bild über einen der Charaktere, denke, ich weiß Bescheid über ihn. Nur um dann mein ganzes Bild über den Haufen zu werfen, wenn die Person selbst zu Wort kommt, sich mir erklärt und ich sie besser verstehen kann. Das erinnert mich jedes Mal daran, mir weniger schnell ein Bild von anderen Menschen zu machen, weil ich im echten Leben eben leider nicht die Chance habe, ihr Innerstes zwischen zwei Buchdeckeln erklärt zu finden.
„Mütter können sich nicht krankmelden, Mütter gehen nicht in den Ruhestand. Kinder bleiben Kinder.“
„Denn alles allein zu bestimmen hieß, dass du immer zu funktionieren hattest, damit die Familie funktionierte.“ (Aus Dschinns, S. 255)
Fazit:
Ich mache es kurz: Der Hype ist absolut begründet. Dschinns von Fatma Aydemir ist ein großartiger Familienroman, in der uns die einzelnen Familienmitglieder der Familie Yilmaz mitnehmen auf eine Reise durch ihr Leben. Jeder Charakter ist authentisch und jeder hat seine einzigartige Perspektive auf die Familiengeschichte. Fatma Aydemir fängt die Wünsche, Träume, Geheimnisse und Bedürfnisse ihrer Protagonistinnen ein und schafft es meisterhaft, sie zu einem stimmigen Ganzen zu verweben und uns als Leserinnen ganz nah mitzunehmen. Ich habe mitgelitten und mich mit gefreut und werde dieses Buch noch lange in Erinnerung behalten. Ein große Leseempfehlung!