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Veröffentlicht am 02.06.2021

Das Mädchen und der Schatten

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
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Aus Angst vor einem tristen Leben als Ehefrau und Mutter in einem kleinen französischen Dorf, tauscht die junge Addie LaRue ihre Seele ein. Doch weil alles einen Preis hat und die Götter, die nach Einbruch ...

Aus Angst vor einem tristen Leben als Ehefrau und Mutter in einem kleinen französischen Dorf, tauscht die junge Addie LaRue ihre Seele ein. Doch weil alles einen Preis hat und die Götter, die nach Einbruch der Nacht antworten, grausam sind, ist sie fortan zu einem Leben in Einsamkeit verdammt; denn egal wen sie trifft oder wie nahe sie jemandem steht, kaum trennen sich ihre Wege, wird sie vergessen. Sie kann keine Spuren hinterlassen, weder in der Welt noch in den Herzen und Gedanken anderer Menschen. Nur die Dunkelheit, der charismatische Luc, kreuzt über die Jahrhunderte regelmäßig ihren Weg; voller Versprechungen und mit immer der selben Frage: ob Addie nun zum Aufgeben bereit ist. Doch Addie ist stur und auch wenn ihr Schicksal sie ab und an ein Stück weit bricht und die Dunkelheit Erlösung verspricht, so ist das Leben doch voller Wunder..

Mit "Das unsichtbare Leben der Addie LaRue" hat V.E. Schwab eine ruhige, expressive und besondere Geschichte erschaffen die sich abhebt. Inhaltlich hat das Buch zwar seine Längen und Tücken und auch die schwere Melancholie hinterlässt Spuren, aber die Autorin hat alles dafür getan, dass man sich ihren Figuren nahe fühlen kann, sofern man sich darauf einlassen möchte. Die Emotionen kamen bei mir an, was zum Großteil an dem wunderschönen, poetisch anmutenden Schreibstil liegt, der den passenden Rahmen bildet. Man sollte allerdings wissen, worauf man sich bei dieser Lektüre einlässt; auf den ersten Blick erfährt man nämlich nichts darüber, dass die mentale Gesundheit hier einen großen Stellenwert einnimmt. Die Autorin sorgt aber stets dafür, dass die Dunkelheit lichtdurchlässig bleibt und am Ende wünscht man sich eine Addie LaRue an seiner Seite zu haben, denn von ihr kann man so einiges lernen: dass das Leben lebenswert ist und dass wir uns kümmern müssen damit es so bleibt.

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Veröffentlicht am 15.04.2021

Ein schwieriges Buch, aber eben auch ungemein wertvoll.

Zwischen Du und Ich
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Mirna Funk erzählt von zwei Menschen, die Ballast mit sich herumtragen. Die sich nicht darüber definieren zu gefallen. Die im Inneren etwas zerstört sind und trotzdem noch Hoffnung haben. Sie erzählt von ...

Mirna Funk erzählt von zwei Menschen, die Ballast mit sich herumtragen. Die sich nicht darüber definieren zu gefallen. Die im Inneren etwas zerstört sind und trotzdem noch Hoffnung haben. Sie erzählt von toxischen Beziehungen, Missbrauch, Gewalt, von Aufbruch, Selbstfindung und den Bruchstellen einer Weltreligion, von tiefen Wunden und davon, dass die Traumatas anderer manchmal zu unseren eigenen werden können.
Ein Buch mit einem harten Kern, andem sich manche sicherlich die Zähne ausbeißen werden. Ich komme mit schweren Büchern gut zurecht, oftmals sogar besser als mit lockerer Unterhaltungsliteratur. Nicht weil ich Unterhaltungsliteratur nicht mag, sondern weil sie mich auf lange Sicht nicht weiterbringt. Ich möchte niemand sein, dessen Entwicklung auf Stillstand steht und Bücher haben einen großen Anteil daran, meinen Verstand wach zu halten und ja, mich je nach ihrer Thematik sogar ein Stück weit zu heilen. "Zwischen Du u. Ich" hat mir all das gegeben und mehr. Es hat inhaltliche Lücken und am Ende wird nicht jede Frage beantwortet; ob das gefällt oder nicht, muss man für sich selbst herausfinden. Ein schwieriges Buch, aber eben auch ungemein wertvoll.

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Veröffentlicht am 10.03.2021

Beeindruckend zu was Literatur imstande sein kann

Mädchen, Frau etc. - Booker Prize 2019
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"Mädchen, Frau etc.", aus dem Tropen Verlag - großartig übersetzt von Tanja Handels - ist ein "Mammutprojekt", dem sich die Autorin Bernadine Evaristo über mehrere Jahre gewidmet hat. Zwölf Geschichten ...

"Mädchen, Frau etc.", aus dem Tropen Verlag - großartig übersetzt von Tanja Handels - ist ein "Mammutprojekt", dem sich die Autorin Bernadine Evaristo über mehrere Jahre gewidmet hat. Zwölf Geschichten über zwölf Frauen, die mal mehr mal weniger miteinander verbunden sind; hauptsächlich "PoC", unterschiedlich in Alter, Klasse, Geschlecht, Ethnizität, Sexualität, Weltanschauung und Charakter. Und genauso bunt wie sich die Figuren hier präsentieren, sind auch die Themen die Evaristo in ihren Erzählungen anspricht. Es geht um Rassismus, Diversität, Gendergerechtigkeit, Ausgrenzung, die weibliche Identität und den Wandel, dem wir stetig ausgesetzt sind.
Eingerahmt werden die intersektionalen Erzählungen von der Premiere eines Theaterstücks mit dem Titel "Die letzte Amazone von Dahomy" am National Theatre in London. Das Stück bietet sich als Einstieg in das Buch durchaus an, denn jede der Frauen in diesem Buch trägt auf die ein oder andere Art einen Kampf aus; gegen Andere, gegen sich selbst, gegen das Establishment, für eine bessere Zukunft, gegenseitiges Verständnis und ein besseres Leben.
Als Leser:In wird man mit einer Flut von Informationen konfrontiert, die man erstmal verarbeiten muss. Das und der besondere Schreibstil, den Evaristo als "Fusion Fiction" bezeichnet, machen im wesentlichen den Knackpunkt aus, der darüber entscheidet, ob Evaristos Werk gefällt oder eben nicht.
Das Buch braucht einen wachen Geist. Es hat mich tief beeindruckt, meinen Kopf und mein Herz auf eine Art und Weise gefüllt, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Es sprüht nur so vor Leben, Leidenschaft, Kreativität und Energie. Jeder Charakter hat eine ganz eigene Stimme und da Evaristo fast gänzlich auf Satzzeichen verzichtet, haben die Erzählungen von Anfang an eine extrem starke Sogwirkung auf mich ausgeübt; auch wenn mich nicht jede Geschichte inhaltlich gleichermaßen stark für sich einnehmen konnte, aber das liegt in der Natur der Sache.
Wie anders ein Text plötzlich wirkt und bei einem ankommt, sobald gewisse Regeln außer Acht gelassen werden und er sich abseits ausgetretener Pfade bewegt. Fast wie Poesie, fließend und frei. "Mädchen, Frau etc." zeigt auf, zu was Literatur imstande sein kann. Ein wichtiges Buch, mit einem starken Kern, das Umdenken fördert, zur Selbstüberprüfung aufruft, Horizonte aufreißt und zu Recht mit dem Booker Preis 2019 ausgezeichnet wurde.

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Veröffentlicht am 26.02.2021

Potenzial verschenkt

Der Wald der verlorenen Schatten
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Mit "Geschichten aus Fernost" tue ich mich schwer. Die kühle Distanziertheit lässt mich meist keinen Zugang finden. Das ging mir zuletzt bei "Im Zeichen der Mohnblume" so und ist auch hier leider der Fall ...

Mit "Geschichten aus Fernost" tue ich mich schwer. Die kühle Distanziertheit lässt mich meist keinen Zugang finden. Das ging mir zuletzt bei "Im Zeichen der Mohnblume" so und ist auch hier leider der Fall gewesen.
Mir ist natürlich klar, dass Faktoren wie z.B. mir fremde Traditionen, Lebensweisen und Bräuche eine Rolle spielen und versuche daher stets offen zu bleiben, aber ich brauche nunmal Bücher, in denen die Gedanken und Gefühle der Charaktere zumindest so weit ausformuliert sind, dass ich den Weg mit ihnen gehen und ansatzweise mitfühlen kann.
Hyoju hat in ihrem Leben viele traurige Dinge erlebt, die ihr Dasein beschwert haben und darauf hätte die Autorin aufbauen können, anstatt das in kurzen Tatsachenberichten oder Nebensätzen abzuhandeln. Auf die Art gibt die Geschichte natürlich nicht viel her, um ein Buch von knapp 250 Seiten zu füllen. Stattdessen findet sich in dem Buch viel unnötiger Füllstoff: ewig lange Beschreibungen darüber, wie Hyoju immer mit ein und der selben Person zusammen isst, auf der Veranda sitzt, die Gegend oder das Wetter beobachtet, den Geräuschen in ihrer unmittelbaren Umgebung lauscht oder ihren Gedanken zu Muyeong nachhängt.
Solange sie sich im Wald aufhällt, funktionieren zumindest die Beschreibungen von Geräuschen und Beobachtungen ab und an ganz gut, weil damit eine stimmige Atmosphäre geschaffen wird, die wunderbar mit dem Fantasyanteil des Buches harmoniert; abgesehen davon verliert sich das Stilmittel aber irgendo im Nirgendwo und nutzt mit der Zeit ab.
Auch mit den anderen Bewohnern des Dorfes, in dem ihre verstorbene Großmutter gelebt hat, finden kaum Interaktionen statt. Da hätte es mit Sicherheit das Potenzial gegeben, dem Buch ein bisschen mehr Dynamik mitzugeben.
Einzig die Liebesgeschichte konnte mich überzeugen, hier zeigt die Autorin ihr schriftstellerisches Können. Viele schöne Momente, große Gefühle und ein nachvollziehbares Miteinander. Ich glaube, dass die Geschichte als Novelle einen bleibenderen Eindruck bei mir hinterlassen hätte, aber so werde ich das Buch wahrscheinlich bald wieder vergessen haben.

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Veröffentlicht am 07.01.2021

Was ist ein Mensch wert?

Die Entbehrlichen
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„Wir sind wie glückliche Kühe oder freilaufende Hühner. Der einzige Unterschied ist, dass die Kühe und die Hühner – hoffentlich – das Glück haben, von etwas anderem als dem Jetzt nichts zu wissen." [S.55]

Dorrit ...

„Wir sind wie glückliche Kühe oder freilaufende Hühner. Der einzige Unterschied ist, dass die Kühe und die Hühner – hoffentlich – das Glück haben, von etwas anderem als dem Jetzt nichts zu wissen." [S.55]

Dorrit Weger ist 50, unverheiratet, kinderlos, hat als Schriftstellerin keinen nachhaltigen Mehrwert und leistet auch sonst keinen nennenswerten Beitrag, der Wohlstand und Wachstum der Gesellschaft zugutekommt. Damit gehört sie automatisch dem Kreis der „Entbehrlichen“ an und wird kurz nach ihrem Geburtstag in eine streng überwachte Reservebankeinheit für biologisches Material eingeliefert. Fortan muss sie sich für psychologische bzw. Medikamententests und Organentnahmen zur Verfügung stellen, bis es dann schlussendlich zur sogenannten „Endspende“ kommt, die unweigerlich zum Tode führt.

„Ich ging weiter; nickte, lächelte oder sagte Hej zu den Leuten, denen ich begegnete. Einige von ihnen kannte ich schon. Die meisten erkannte ich wieder. Eine geringe Anzahl sah ich zum ersten Mal. Den ein oder anderen sah ich zum letzten Mal.“ [S.76]

Ein schreckliches Szenario, was den Gedanken der absoluten Leistungsgesellschaft auseinandernimmt und das Miteinander in der Gesellschaft im allgemeinen kritisch hinterfragt.
Das Buch hat eine gewisse Schwere, bleibt dabei aber zutiefst menschlich. Scharf beobachtet und klug erzählt kratzt es an den Grenzen des Vorstellbaren und zeigt auf, dass der Wert eines Menschen nicht messbar ist und sich oftmals in kleinen Dingen wiederfindet.
Für mich ein Volltreffer aber sicherlich nicht für jeden geeignet.

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