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Veröffentlicht am 09.08.2019

Realistisch

Dry
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Na, da haben wir doch mal einen dystopisch angehauchten Jugendthriller, der gar nicht so weit hergeholt ist!

Eines Tages streiken plötzlich alle Wasserhähne. Die Supermärkte sind binnen kürzester Zeit ...

Na, da haben wir doch mal einen dystopisch angehauchten Jugendthriller, der gar nicht so weit hergeholt ist!

Eines Tages streiken plötzlich alle Wasserhähne. Die Supermärkte sind binnen kürzester Zeit geplündert, Wasser wird zur absoluten Mangelware.
Wir begleiten eine Handvoll Jugendliche durch diese Zeit, vom ersten Schreck bis zur Katastrophe.

"Dry" hat mir wirklich ausgesprochen gut gefallen. Was mir in den 90ern noch als total unmögliches Szenario vorgekommen wäre, ist heute vielleicht gar keine all zu ferne Realität mehr. Für den Klimawandel und unseren Unwillen, etwas daran zu ändern, werden folgende Generationen bezahlen müssen. Und sie werden uns dafür hassen.

Das Szenario fühlte sich für mich wahnsinnig echt an. Ich konnte mich total gut in die Geschichte rein finden und das Buch dann kaum noch aus der Hand legen.
Das ging so weit, dass ich eines Nachts total verschlafen zur Toilette geschlurft bin und vor dem Händewaschen plötzlich die kurze Panik hatte, dass kein Wasser kommen würde.
Außerdem kam ich nicht umhin mich zu fragen, was denn wäre, wenn so etwas bei uns passieren würde.
Wäre ich vorbereitet?
Nein, gar nicht.
Ich habe echt ein paar mal darüber nachgedacht, mir einen kleinen Wasservorrat anzulegen, so hat die Story bei mir eingeschlagen. (Hab's natürlich nicht gemacht :D)

Der Schreibstil ist flüssig und ich bin ziemlich schnell durch die Seiten geflogen. Am besten hat mir die langsame Steigerung bis zum Ausnahmezustand gefallen.
Erst sind alle nur ein bisschen nervös, denken aber, das geht bald wieder vorbei.
Dann greift langsam Panik um sich. Und am Ende gibt es regelrechte "Wasserzombies", die vor nichts zurückschrecken, um an ein bisschen Flüssigkeit zu kommen.
Dabei sind vor allem die gefährdet, die vorgesorgt haben.
Und hier komme ich zu ein paar kleinen Kritikpunkten, die mich jetzt aber auch nicht zu sehr gestört haben.

Vor allem Keltons Vater tat mir wahnsinnig leid. Das Buch meint es nicht gut mit ihm, obwohl er für mich der einzige Mensch mit ein bisschen Verstand war. Er wird wie ein durchgeknallter Prepper und Nerd dargestellt, da die Welt aber zu Beginn der Geschichte bereits ziemlich ausgedörrt ist, hat er für mich einfach nur sehr clever und berechtigt vorgesorgt.
Keltons Mutter ist dagegen das überdrehte Klischee der absolut empathischen Frau, die immer helfen will und ihre Vorräte auch auf Kosten der eigenen Familie mit anderen teilen möchte.
Sorry, aber wenn so etwas passiert und ich habe Vorräte und einen Schutzbunker, in dem es sich ziemlich lange leben lässt, dann könnt ihr sicher sein, dass ich meine Füße stillhalte, nichts abgebe und einfach nur versuche, mit meiner Familie zu überleben!
Zumal die Nachbarn sich vorher ständig beschwerten, Keltons Vater auslachten und als bekloppt hinstellten. Und ganz ehrlich? Umgekehrt hätten die ihnen auch nichts abgebeben.

Mein zweiter Kritikpunkt ist, dass es mir ein bisschen schwer viel, mit den Protas warmzuwerden. Alyssa stellt sich oft so doof an, dass es wehtut, Jacqui ist total drüber, Garrett ist oft nervig, Kelton wird gleich zu Anfang als Stalker vorgestellt, der total in Alyssa verliebt ist und von Henry will ich gar nicht erst anfangen... Ich habe da echt ein bisschen gebraucht, bis ich für die fünf mit gefiebert habe.

Und zu guter Letzt haben mich auch die Snapshots zwischendrin ein bisschen genervt, die aus der Sicht von eigentlich völlig Unbeteiligten geschrieben waren. Am schlimmsten fand ich den Teil eines Mädchens, von dem angedeutet wird, dass sie sich für eine Flasche Wasser prostituieren wird - nicht nur das, sie gibt sogar ihre ach so wichtige und heilige Jungfräulichkeit her (Amis, ey...).
Die Tatsache, dass es normal erscheint, dass es auch in diesen Zeiten einen Typen gibt, der mit minderjährigen Mädchen für eine Flasche Wasser in seinem Auto Sex hat, spricht schon wieder Bände über Männer(bilder).

Insgesamt finde ich das Buch aber sehr gelungen, spannend und gut geschrieben. Vielleicht regt es auch ein bisschen zum Nachdenken an, das wäre doch schön. :)

Veröffentlicht am 09.08.2019

Hat mir gefallen

#ichwillihnberühren
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Was für eine kurzweilige und schöne kleine Geschichte, mit vielen Anregungen zum Nachdenken!

OJ und Er stehen auf einander, wissen aber natürlich nicht, was der jeweils andere denkt. OJ holt sich Tipps ...

Was für eine kurzweilige und schöne kleine Geschichte, mit vielen Anregungen zum Nachdenken!

OJ und Er stehen auf einander, wissen aber natürlich nicht, was der jeweils andere denkt. OJ holt sich Tipps online und Er bei einer Freundin. Beide kratzen ihren Mut zusammen und tasten sich vor...

Grade OJs Unsicherheiten sind so plausibel. Nicht nur die Angst vor einer regulären Abfuhr, sondern auch die vor eventuellem Ekel des Gegenübers hält ihn zurück und macht ihn schüchtern.
Ich kenne all das nur zu gut, auch wenn meine Sorge in eine etwas andere Richtung geht:
Sobald das erste mal zur Sprache kommt, dass meine letzte Beziehung mit einer Frau war und ich bi bin, habe ich Angst, dass Frauen denken könnten, ich wolle nun automatisch was von ihnen. Und tatsächlich ist es mir schon passiert, dass dann so Sätze wie "Oh, äh, ach so, naja Hauptsache du stehst jetzt nicht auf mich, haha" kommen. Am besten ist dann aber das Gesicht dieser Personen, wenn ich ihnen versichere, dass sie nun wirklich überhaupt nicht mein Typ sind und ich so gar nichts von ihnen will.
Dann sind sie irgendwie beleidigt..
Ist das nicht verrückt? Erst haben sie Angst, dass ich was von ihnen wollen könnte und dann sind sie sauer oder verletzt, weil ich es nicht tue. Versteh eine die Heten. ;)
Mir gefielen die Gedanken, die sich OJ so macht, jedenfalls richtig gut.
Z.B. hier:

"Wenn also zwei Männer eine Beziehung eingehen wollen, müsse eben einer die Frau sein. Bin ich zu empfindlich, wenn ich das schon diskriminierend finde?" (Nein!)
"Die Anerkennung einer Homo-Beziehung klingt jedenfalls anders" (Ja!)

Traurig, dass ich das erwähnen muss, aber ein großes Plus dieser Geschichte ist auch, dass es keinen frauenfeindlichen Quatsch gibt (im deutschsprachigen Raum in Verbindung mit diesem Genre leider keine Seltenheit).
Es wird zwar Anfangs von "Männergerede" und "flachlegen" gesprochen, allerdings nicht explizit und mehr um die Eifersucht darzustellen, die sich ergibt, wenn man heimlich auf jemanden steht.
Gut finde ich bei dem Thema übrigens auch die Einordnung:

"Es ist schon echt verrückt, wie eifersüchtig man auf jemanden sein kann, ohne dass man auch nur ansatzweise ein Recht dazu hätte."

Klar sollte man sexuelle Orientierungen nicht fetischisieren oder gar Menschen direkt belästigen (passiert mir als "Bi-Frau" ständig, sexualisierte Sprüche und Ekligkeiten von Männern sind keine Seltenheit) und dennoch fand ich es für die Sichtbarkeit toll, dass Ers Text-Freundin offen zugibt, dass sie es "hot" findet, wenn "zwei Männer rummachen". Zu oft wird vergessen, dass Frauen eben auch eine Libido und Vorlieben haben und dass es - wenn es doch schon so normal ist, dass Männer "auf Lesben stehen" - dabei eben auch um zwei Männer gehen kann. Und das gar nicht mal so selten!
Außerdem erwähnt OJ in seinen Gedankengängen Männer und Frauen, bzw. Schwule und Lesben auch gemeinsam und bezieht sich eben nicht ausschließlich auf die Männer (zu oft ist nur von "den Schwulen" die Rede, wenn es doch eigentlich um Homosexuelle allgemein geht).

Der Schreibstil ist, sagen wir mal, ein wenig unausgereift.
Dennoch lassen sich die 167 Seiten schnell lesen, die Textnachrichten und Online-Beiträge lockern zwischendurch immer wieder auf.
Ich dachte mir die Ganze Zeit, ach, bis zum nächsten Tag liest du noch, dann packst du das Buch erstmal weg - nur um es doch in einem Rutsch durchzulesen.

Mit Er bin ich nicht so ganz warm geworden, OJ ist mir näher (ich zerdenke alles ähnlich), aber das ist auch gut so.
Wer Lust auf eine schnell zu lesende, süße und wahre (?) Geschichte hat, ist mit diesem Buch gut bedient, würde ich sagen.
Empfehlung!

(Hinten im Buch gibt es noch eine Seite für das Aktionsbündnis gegen Homophobie e.V. Ein Blick auf deren Website lohnt sich und wer da unterstützen kann, möge es bitte tun, denn die leisten wichtige Arbeit!)

Veröffentlicht am 09.08.2019

Für Fans des Genres

Skandal im Ballsaal
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Georgette Heyer steht schon ewig auf meiner To-Read-Liste, vor allem, weil einer meiner besten Freunde (ja, männlich) ein großer Fan ist. Und da er weiß, dass ich Jane Austen mag, liegt er mir seit Ewigkeiten ...

Georgette Heyer steht schon ewig auf meiner To-Read-Liste, vor allem, weil einer meiner besten Freunde (ja, männlich) ein großer Fan ist. Und da er weiß, dass ich Jane Austen mag, liegt er mir seit Ewigkeiten mit Heyer in den Ohren.
Als Skandal im Ballsaal nun also zur Anfrage verfügbar war, musste ich nicht lange überlegen.

Wir haben hier die Geschichte von Sylvester und Phoebe, die auf keinem guten Fuß miteinander starten.
Er such einfach irgendeine Frau, mit der es sich zumindest aushalten lässt, sie möchte nicht mit einem Mann verheiratet werden, den sie nicht ausstehen kann.
Als Sylvester dann zu Besuch kommt und alle davon ausgehen, dass er Phoebe einen Antrag machen wird, rennt diese Kurzerhand davon - wird aber von Syvester eingeholt.

Bei Büchern wie diesen, finde ich die Charaktere an sich meist spannender als die Story.
Es ist so interessant zu lesen, wie eine Frau, die 1902 geboren ist, über Männer, Frauen und Liebe schreibt.
Phoebe ist ein unkonventioneller Wildfang mit eigener Meinung und das ist etwas, das (zumindest für uns Lesende) als sympathisch gilt.
Es werden trotzdem bestimmte "weibliche" Attribute von ihr verlangt, während gleichzeitig "Modepüppchen" und "typische dumme Gänse" im Buch ständig abgewertet werden.
Schwierige Zeiten für Frauen, spannende Charakterisierung durch die Autorin.
Sylvester ist auf einer Seite sicher anziehend (zumindest ist er reich und sieht gut aus), aber auch das, was wir heute als Muttersöhnchen bezeichnen würden. Er erinnerte mich manchmal ein bisschen an John Thornton aus North & South.
Ich mochte beide Protas und hatte insgesamt viel Spaß dabei, ihre Gespräche zu verfolgen.

Kritikpunkte habe ich nur zwei eigentlich ganz kleine:
Zum einen sind manche Stellen ein wenig langatmig.
Zum anderen bin ich mit der Übersetzung nicht ganz warm geworden. Der Schreibstil hat mich nicht so richtig angesprochen, die Wortwahl manchmal irritiert und generell hat das alles ein wenig zu der Distanz beigetragen, die in dieser Art Geschichten ja sowieso manchmal ein Problem ist.
Zum Vergleich habe ich Venetia von Heyer, das noch ungelesen und auf englisch auf meinem Kindle lag, ein bisschen quergelesen und bin deshalb auf die Übersetzung als Ursache meiner Probleme gestoßen.
Das Englische hat mich in dem Fall deutlich mehr angesprochen, der Lesefluss war besser. Deshalb bleibe ich für die Zukunft wohl bei der Originalsprache, kann dieses Buch aber dennoch für Fans des Genres empfehlen!

Veröffentlicht am 09.08.2019

Guter Ratgeber, der keiner sein will

How to be a girl
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Ich habe dieses Buch dankenswerterweise via NetGalley erhalten

Hätte es solche Bücher doch schon gegeben, als ich 13 war!
Sämtliche Ratgeber landeten damals in meinem Bücherregal und von Zeitschriften ...

Ich habe dieses Buch dankenswerterweise via NetGalley erhalten

Hätte es solche Bücher doch schon gegeben, als ich 13 war!
Sämtliche Ratgeber landeten damals in meinem Bücherregal und von Zeitschriften für Mädchen konnte ich gar nicht genug bekommen.
Wenn ich heute so zurück gucke, finde ich das alles ganz schlimm, denn ich kann mich noch an die schrecklichen Tipps dort erinnern ("tu so, als würdest du seine Hilfe brauchen, obwohl du die Sache eigentlich alleine könntest" und "zeig ihm nicht, wie klug du wirklich bist, er braucht das Gefühl, dir überlegen zu sein" sind z.B. zwei "Flirttipps", die mir ganz stark im Gedächtnis geblieben sind - wahrscheinlich, weil die besonders ekelhaft sind).

Umso schöner ist es, endlich ein Buch für junge Mädchen in den Händen zu halten, das wirklich bestärkt, wichtige Themen anschneidet und nicht nur heteronormativ daherkommt.

Leider musste ich mich erstmal durch die fürchterliche Formatierung wurschteln, allerdings gehe ich davon aus, dass die verkäufliche Endversion da keine Probleme mehr bereitet.
Bei meiner waren die Bilder aber zerstückelt, ganze Wörter und Überschriften fehlten, ein Text brach plötzlich mitten im Satz ab, dann kam etwas anderes, dann ging der Text auf einmal weiter.
Das war ziemlich verwirrend, aber ich glaube und hoffe wie gesagt, dass das behoben wurde.
Die Printversion stelle ich mir von der Aufmachung her jedenfalls ganz hübsch vor.

Obwohl mir das Buch insgesamt sehr gut gefallen hat, hatte ich beim Start ein paar Schwierigkeiten. Denn da wird immer wieder erwähnt, wie schwierig es ist, in der Pubertät zu sein, als Mädchen sowieso und wie verwirrend doch jetzt bestimmt alles ist, wie verunsichert man selber usw.
Ich habe mir mein 13-jähriges Ich vorgestellt und ich glaube, sie hätte das gar nicht gut gefunden.
Auch wenn die Autorin rückblickend recht hat (ich war sehr unsicher und gemocht werden war mein Wunsch Nummer 1, ich hatte Probleme mit meinem Äußeren und die Gefühle sind mit mir durchgegangen), so nimmt man das in dem Moment und in dem Alter doch eher nicht so wahr. Es könnte sogar etwas abschreckend wirken, nach dem Motto: "Was will die Autorin? Was beschreibt sie da? Ich komme klar!"
Meistens sieht man die Dinge ja doch erst mit einem gewissen Abstand etwas klarer.
Ich glaube, ich hätte manches auch ein bisschen bevormundend empfunden und einige der Tipps sind schlicht für viele Mädchen nicht umsetzbar.
Eine Protestaktion an einer Schule in einer ostdeutschen Kleinstadt gründen, sich gegen Rassismus einsetzen? Kann man gern versuchen, Mitstreiterinnen oder Mitstreiter werden sich da aber nicht finden und ob danach noch so viele Menschen mit einer sprechen...
Das Problem habe ich in feministischen Kreisen übrigens oft: Man hat das Gefühl, Feminismus ist nur was für Großstädterinnen und Frauen und Mädchen in kleinen Städten oder Dörfern werden vollkommen vergessen, bzw. in deren Lebensrealität können sich manche überhaupt nicht reinversetzen.
Ich kann die Autorin und ihre Intention aber trotzdem gut verstehen, denn ich kenne das Gefühl, dass man mehr will, dann jedoch feststellen muss, dass das Gegenüber eben nicht auf dem gleichen Stand ist, sich mit der einen Sache eben noch nicht so sehr beschäftigt hat.
Immerhin gibt es im Buch aber gute, einfache Erklärungen zu bestimmten Themen und Wörtern.

Gemocht habe ich außerdem die kleinen Portraits von starken und bemerkenswerten Frauen (in der Schule behandelt man ja leider fast ausschließlich Männer) und dass die Themen Slut-Shaming und Girl-Hate ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen haben.
Ich finde, wir dürfen gar nicht aufhören unseren Mädchen beizubringen, wie sich diese Dinge auch negativ auf sie selber auswirken und dazu beitragen, dass Frauen und Mädchen kleingehalten werden und z.B. später schlechter Netzwerke im Berufsleben knüpfen können (die dringend notwendig wären).
Wenn immer mehr Menschen das verstehen und sich weigern, da mitzumachen und Begriffe wie beispielsweise "Schlampe" und "Hure" zu verwenden, sind wir auf einem guten Weg.
Ich war ein Mädchen, dass diese Wörter oft benutzt hat und schäme mich heute dafür. Denn natürlich wurde auch ich wiederum von anderen Frauen so betitelt und wusste, wie weh das tut.

Die Sprache im Buch habe ich als altersgerecht empfunden, aber das kann hier vermutlich die Zielgruppe am besten beurteilen.

Der kleine Geschichtsunterricht zur Frauenbewegung und Emanzipation hat mir sehr gut gefallen.
Sowas kommt in Mädchenbüchern sonst nicht vor, jedenfalls ist es mir noch nicht untergekommen.
Dabei ist das alles so wichtig, denn es zeigt, dass viele Selbstverständlichkeiten und Rechte, die Frauen heute genießen, noch gar nicht so alt sind - und wenn wir nicht aufpassen und genau hingucken, kann man sie uns vielleicht ganz schnell wieder wegnehmen.

Fazit: Wir brauchen definitiv mehr Ratgeber, in denen steht, wie wichtig Politik und politisches Interesse ist, wie Mädchen Sexismus und Belästigung erkennen (und wie sie damit umgehen, was sie dagegen tun können) und nicht, wie sie sich am besten zurückhalten, um einen Jungen weniger einzuschüchtern (WTF?) und welche Lidschattenfarbe am besten zu ihnen passt.

Veröffentlicht am 09.08.2019

Positive Überraschung

ONE OF US IS LYING
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Ich bin ehrlich gesagt ohne große Erwartungen in One of Us is Lying gestartet. Ich hatte das Buch vor einer Weile schon mal auf dem Schirm, es landete auf der Wunschliste, flog aber nach einiger Zeit wieder ...

Ich bin ehrlich gesagt ohne große Erwartungen in One of Us is Lying gestartet. Ich hatte das Buch vor einer Weile schon mal auf dem Schirm, es landete auf der Wunschliste, flog aber nach einiger Zeit wieder runter.
Die Kritiken waren durchwachsen und ich hatte die Befürchtung, dass es typische Klischees und Probleme gibt, die für mich normalerweise das Lesevergnügen kaputt machen.
Umso positiver war dann die Überraschung!

Unsere Story dreht sich um fünf Jugendliche, die alle zur selben Zeit nachsitzen müssen. Einer von ihnen, Simon, stirbt an diesem Nachmittag an einer allergischen Reaktion.
Die anderen vier können ihn nicht retten, denn sein EpiPen ist verschwunden und auch auf der Krankenstation gibt es komischerweise keine.
Schnell wird klar, dass es sich um Mord handeln muss. Ein Motiv haben viele, denn Simons App "About That" und seine Posts dort waren bekannt dafür, Privates aufzudecken und Leben zu ruinieren.
Der Fokus liegt aber natürlich auf denen, die im Raum waren, als Simon starb. Alle vier haben Geheimnisse, die Simon in einem noch nicht öffentlichen Post abgespeichert hat. Das macht sie zu den Hauptverdächtigen, die gleichzeitig den Narrativ bilden:

Bronwyn. Sie ist das typische Goodgirl, das ihr Aussehen herunterspielt (obwohl uns die Autorin mehrfach durch die Linse der anderen versichert, wie hübsch sie ist) und aus einem reichen Elternhaus stammt. Ihre Eltern sind Migranten, die es weit gebracht haben und die sie auf keinen Fall enttäuschen will.
Bereits zu Anfang ist klar, dass sich zwischen ihr und Nate eine leicht klischeehafte Romanze entwickeln wird.
Ihre Schwester Maeve ist ein kleiner Supernerd mit Krankheitsgeschichte und Hacker-Skills, was ich mega toll fand.
Ich mochte Bronwyn, allerdings hätte sie auch ein bisschen weniger Raum bekommen können. Es wirkte, als wäre sie der Liebling der Autorin, obwohl die anderen sehr viel mehr zu bieten hatten.

Nate. Er ist der typische Badboy, der immer schwarz trägt (inklusive Kajal), Drogen verkauft, die Schule schwänzt und aus einem problematischen, armen Elternhaus stammt.
Im Laufe der Geschichte wird natürlich deutlich, dass er all das macht, weil er dringend Geld braucht und der Vater nicht mehr arbeiten kann... generell ist da ziemlich wenig bad, sondern einfach nur boy.
Er verliebt sich in Bronwyn, denkt aber, er ist ihrer nicht wert, was für mich ein bisschen nervig war.

Addy. Sie ist die typische Beautyqueen und spielt in der Liga der coolen Kids.
Sie war mein absoluter Liebling, denn ihre Entwicklung war die beste. Anfangs klammert sie an ihrem Freund, der eigentlich jeden Aspekt ihres Lebens kontrolliert, später wird sie dann zum Badass mit eigener Meinung und (wiederentdeckten) Hobbies.
Ihre Schwester Ashton und das Verhältnis der beiden waren Gold wert!

Cooper. Er ist der typische, beliebte Supersportler, der es vor allem seinem Vater recht machen möchte und sich dabei gezwungen fühlt, eine Rolle zu spielen, die ihn unglücklich macht und nicht zu seinem wahren selbst stehen lässt.

Am besten gefiel mir die Freundschaft, die sich zwischen den Protas entwickelte. Alle sitzen im selben Boot und ziehen an einem Strang, sind am Ende füreinander da und bleiben es auch nach der großen Auflösung. Tolle freundschaftliche Beziehungen, vor allem zwischen Frauen, sind rar gesät. Darum war das für mich ein dicker Pluspunkt.

Kleines Fazit: Spannende Story mit (für mich) überraschendem Ende und vielen Aspekten, die mich sonst manchmal stören, aber hier sehr gut umgesetzt wurden.

Ab hier geht es dann leider nochmal kurz mit Spoilern weiter, da es fast unmöglich ist, das Buch ohne diese anständig zu rezensieren und das unterzubringen, was ich unbedingt noch loswerden möchte.

!SPOILER!

Einer der größten Kritikpunkte für einige (zumindest im englischsprachigen Raum), war Coopers Sexualität.
Nach etwas über der Hälfte der Geschichte stellt sich heraus, dass er schwul ist und manche hatten das Gefühl, das wäre wie ein schockierender Plot Twist behandelt worden.
Das kann ich zumindest aus meiner subjektiven Sicht nicht bestätigen. Ich hatte eher den Eindruck, dass die Autorin den Finger auf Heteronormativität legt. Mir war so ziemlich von Anfang an klar, was es mit Cooper auf sich hat. Es gibt zahllose Hinweise und eine ziemlich offensichtliche Szene.
Für mich war die Message: Wer davon ausgeht, dass Charaktere automatisch hetero sind und auch Offensichtliches übersieht, sollte in erster Linie sich selbst hinterfragen.
Die Darstellung von Coopers Ängsten, das unfreiwillige Outing durch die Polizei und die Homophobie, die er daraufhin erlebt, war in meinen Augen sehr feinfühlig und fühlte sich ehrlich an.

Allerdings gibt es grade bei Cooper auch einen Kritikunkt:
Er hat heimlich einen Freund, betrügt also das Mädchen, mit dem er öffentlich zusammen ist. Am Ende schafft er es zwar, zu sich und seiner Liebe zu stehen, allerdings wird der Betrug nie als solcher erwähnt und anerkannt.
Addy dagegen, deren Geheimnis ein einmaliger Ausrutscher unter Alkoholeinfluss ist, wird von ihren ehemaligen "Freunden" sofort geschnitten und geslutshamed, nachdem es heraus kommt.
Es ist Hauptthema bei ihr, beeinflusst ihren ganzen Schulalltag und erschwert ihr das Leben sehr.
Es wird zwar die Doppelmoral solcher Fälle erwähnt, weil ein männlicher Nebencharakter, der das gleiche gemacht hat, noch immer Teil der Gruppe ist und Addy das auch explizit als unfair und frauenfeindlich einstuft. Bei Cooper verliert aber wie gesagt niemand ein Wort darüber.