kreativ, verzwickt und atemberaubend: wie ein Spiel?
Morgen, morgen und wieder morgenNach dem Beenden dieses Buches fehlen mir ein bisschen die Worte. Bereits nach dem Prolog habe ich gemerkt, dass mir dieses Buch unfassbar gut gefallen würde, alleine weil ich das drängende Bedürfnis hatte ...
Nach dem Beenden dieses Buches fehlen mir ein bisschen die Worte. Bereits nach dem Prolog habe ich gemerkt, dass mir dieses Buch unfassbar gut gefallen würde, alleine weil ich das drängende Bedürfnis hatte es zu annotieren (was bei mir eher selten ist)
"Morgen, Morgen und wieder Morgen" von Gabrielle Zevin ist ein aufwühlender Roman über Videospiele und das Leben, welches selbst sich kaum von einem Spiel unterscheidet. Berührend, schonungslos ehrlich und einzigartig nimmt die Autorin uns mit auf eine Zeitreise von den 80ern bis zu den spätesten 2000ern, bei der wir Sam und Sadie dabei begleiten, wie sie gemeinsam wachsen, individuell wachsen und auch auseinander wachsen, aber irgendwie immer wieder zurück zum Anderen finden.
Nicht nur durch die vielen Zeitsprünge, sondern auch durch den zeitlosen und intensiven Schreibstil der Autorin hat sich das Buch sehr nostalgisch angefühlt und einen dadurch förmlich in einen Sog gezogen aus dem es kein Entkommen gab! Das Buch hatte keine Längen und ist dadurch stets spannend und interessant geblieben. Der Schreibstil der Autorin ist so besonders, dass er seinesgleichen wohl noch sucht. Selten habe ich ein so detailverliebtes und gut durchdachtes Buch, wie dieses hier gelesen. Zevin ist definitiv die Meisterin, der Metaphern und hat diese teilweise so schön eingebaut, dass mir kurz der Atem geraubt wurde.
Besonders an dem Buch habe ich auch die Protagonisten gemocht. Sam und Sadie waren teilweise sehr kompliziert, unausstehlich und dann aber wieder komplett nachvollziehbar. Man konnte auch die Erzählstimmen der Beiden sehr unterscheiden und faszinierend fand ich es, wie sehr sich die Eindrücke, die man als Leser kriegt, anhand der Perspektive verändert, da Sam und Sadie viele Dinge sehr verschieden wahrgenommen haben. Durch diesen Faktor war es eine echte Abwechslung zwischen "Ich hasse Sam", "Ich hasse Sadie", "ich hasse beide" oder "ich liebe beide"
Denn die Beiden waren definitiv nicht perfekt. Sie waren vom Leben gezeichnet und durch den ständigen Perspektiven- und Zeitenwechsel hat es teilweise 100 Seiten gedauert, bis man gewisse Entscheidungen verstanden hat. Die Freundschaft zwischen Sam und Sadie ist ein wahrhaftiges Auf und Ab und fehlende Kommunikation spielt zwar eine große Rolle, aber keineswegs so, dass sie einen bloß aufregt. Dieses Buch zeigt perfekt, was es mit einer Freundschaft macht, wenn man den jeweils anderen nur auf eine egoistische Weise liebt, wie es Sadie und Sam getan haben.
Mein liebster Charakter war definitiv Marx, der beste Freunde der Beiden! Er war wie der Kleber, der sie zusammengehalten hat und ohne ihn, während Sam und Sadie bestimmt schon untergangen, bevor sie überhaupt oben angekommen wären. Er war selbstlos und durch seine hoffnungsvolle, aufopfernde und auch liebevolle Art konnte man ihn nur lieben! Wir alle brauchen einen Freund wie Marx! Er gehört definitiv zu meinen allerliebsten Nebencharakteren überhaupt.
Die Videospiele, die die drei gemeinsam produziert haben, fand ich allesamt interessant und hätte mir sofort gewünscht diese auch selbst spielen zu können! Denn das gesamte Buch dreht sich halt um Videospiele und ist vielleicht für Leute, die überhaupt nichts mit diesen zutun haben, teilweise schwer zu verstehen (auch im Bezug auf verwendete Begriffe und Spiele).
Mein einziger Kritikpunkt ist, dass meiner Meinung nach einige Themen zu schnell abgearbeitet wurden bzw. nie richtig aufgegriffen wurden. Klar, zu der Zeit, in der das Buch spielt, war es normal diese gewissen Themen unter den Teppich zu kehren, aber ich fand es teilweise unrealistisch, dass die Charaktere diese Ereignisse teilweise so leicht und wortlos verarbeitet haben. Auch hätte ich mir in der Mitte des Buches einen reflektierten Umgang mit Drogen gewünscht bzw. einfach nur einen kurzen Gedanken der Charaktere, dass das, was sie tun, ungesund ist (oder, dass das einfach im Nachwort erwähnt wird)
Ansonsten fand ich es toll, wie die Charaktere moralische Themen (kulturelle Aneignung, Sexismus oder Rassismus beispielsweise) in ihrem späteren Leben reflektierter behandelt haben, was gezeigt hat, wie sehr unsere Gesellschaft in diesen Themen innerhalb weniger Jahre gewachsen ist.
Alles in einem ist "morgen, morgen und wieder morgen" ein schonungslos, aufwühlender Roman über drei Freunde die ein Videospiele entwerfen und über ihre unendliche, teilweise egoistische Liebe zueinander. Gabrielle Zevin erforscht in diesem Buch die Tiefen der Rivalität in einer Freundschaft, genauso wie das teilweise komplizierte Arbeitsverhältnis zwischen Freunden. Der Klappentext beschreibt das Buch perfekt: es ist ein Buch über die Liebe, aber keineswegs eine Liebesgeschichte. Es geht um so viel mehr als romantische Liebe. Es geht um Selbstfindung, Freundschaft, Videospiele und die Frage nach dem Sinn des Lebens. Von meiner Seite aus kann ich das Buch nur empfehlen, denn diese Geschichte hat mich im Bezug auf Freundschaft so unendlich bereichert.