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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.10.2021

Gelungener Auftakt mit ein paar verzeihlichen Schwächen

Liber Bellorum. Band I
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Heimatlos ziehen die Brüder Kyle und Raven durch das Land. Nie kommen sie wirklich an, immer zerstört irgendetwas die Idylle wieder. Kyle ist dabei der impulsivere der beiden; er beschwört Konflikte herauf ...

Heimatlos ziehen die Brüder Kyle und Raven durch das Land. Nie kommen sie wirklich an, immer zerstört irgendetwas die Idylle wieder. Kyle ist dabei der impulsivere der beiden; er beschwört Konflikte herauf und missachtet Regeln, wo immer sich solche finden. Raven dagegen, der jüngere der Brüder, ist ruhig, schüchtern und einfühlsam und versucht, die negative Energie seines Bruder aufzufangen. Als sie sich nach einem Streit aus den Augen verlieren, gelangen sie beide unabhängig voneinander in eine völlig fremde Welt der Magie, die nicht nur ganz anders ist als die ihre, sondern auch einige Geheimnisse zu bergen scheint. Und diese Geheimnisse bedrohen nun den Frieden im Land, gerade als die Brüder zum ersten Mal in ihrem Leben die Chance auf ein richtiges Zuhause an der Akademie in Lunaris finden.

Auf Dauer ist keiner der Protagonisten ein echter Sympathieträger; insbesondere Kyle macht es einem nicht leicht. Er ist nicht nur arrogant und egoistisch, sondern verhält sich auch abwertend und wirklich eklig Frauen gegenüber und bringt regelmäßig alle um sich herum in Gefahr. Dennoch war er für mich der aus psychologischer Sicht mit Abstand interessanteste Charakter und mit der Zeit stellt sich auch heraus, dass sein Verhalten zumindest bis zu einem gewissen Grad logische Gründe hat.

Raven ist im Kontrast zu ihm eher der "nette Kleine", der zwar nichts falsch macht, den man aber schnell mal aus den Augen verliert, weil er doch eher von der langweiligeren Sorte ist. Später treffen die beiden dann noch auf Melenis, die an der Akademie lernt, mit ihrer Magie umzugehen, und die das Ganze positiv ergänzt.

Handlungs- und Spannungsaufbau mochte ich, ein paar Längen im Mittelteil gibt es zwar, aber darüber kann man gut hinwegsehen. Was mich auf Dauer jedoch etwas mehr gestört hat, als es vielleicht sollte, sind die ständigen doppelten Ausrufe- und Fragezeichen. Kein Drama, aber wenn man erstmal anfängt, darauf zu auchten... Davon abgesehen gibt es noch ein paar kleinere Unstimmigkeiten, die einem Debütroman aber verziehen werden können - mir hat der Ausflug nach Lunaris jedenfalls gefallen und ich freue mich auf die Fortsetzung!

Veröffentlicht am 19.10.2021

Wunderbarer Auftakt einer Reihe, die Highlight-Potenzial hat

Ansuz – Das Flüstern der Raben (1)
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Ein rothaariges Mädchen. Ein verschneiter Wald. Ein Mann in heller Jacke und eine dünne Lederschnur, die sich langsam um den Hals des Mädchens zuzieht. Nacht für Nacht erwacht Anne schweißgebadet aus diesem ...

Ein rothaariges Mädchen. Ein verschneiter Wald. Ein Mann in heller Jacke und eine dünne Lederschnur, die sich langsam um den Hals des Mädchens zuzieht. Nacht für Nacht erwacht Anne schweißgebadet aus diesem immergleichen Albtraum, ohne je die Gesichter des Mannes oder des Mädchens sehen zu können und ohne Antwort auf die Frage, warum sich ausgerechnet dieser eine Traum ständig wiederholt. Denn sie hat zwar häufiger solche Visionen, in denen sie Ereignisse aus der Vergangeheit sieht, doch normalerweise durchlebt sie solche Szenen nur ein einziges Mal.

Dass einige Dinge gerade großen Veränderungen unterliegen, merkt Anne auch, als sie gleich am ersten Schultag zwei neue Freunde findet - sie, das Mädchen, das 17 Jahre lang Einzelgängerin war und immer von allen entweder angefeindet oder mindestens ignoriert wurde. Und als sich dann ganz in der Nähe einige Morde ereignen, die die Menschen in Angst und Schrecken versetzen, ist klar - das alles kann nicht bloß Zufall sein.

Ohne dass sie recht weiß, wie ihr geschieht, findet Anne sich plötzlich mitten in einer Welt wieder, die direkt einem Lehrbuch zur nordischen Mythologie entnommen zu sein scheint. Aufgewachsen in einer ganzen Reihe an Pflegefamilien und Wohnheimen steht sie, die immer nur auf Ablehung gestoßen ist, mit einem Mal im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, und muss bald feststellen, dass ihre Unwissenheit sie in große Gefahr bringt.

800 Seiten wirken auf den ersten Blick vielleicht ersteinmal ziemlich abschreckend. Tatsächlich lohnt es sich aber, sich an diesen Wälzer heranzutrauen, denn langweilig wird es hier keine einzige Seite lang. Anne war mir vom ersten Moment an sympathisch, weil sie ganz anders ist, als man es von einer klassischen Fantasy- oder YA-Protagonistin vielleicht erwarten würde: sie geht anderen Menschen lieber aus dem Weg und macht ihr eigenes Ding, ist mürrisch und verschlossen und irgendwie von einer düsteren Aura umgeben. Einziger Begleiter ist ihr etwas furchteinflößender Riesenhund Monster und sie hat eine Vergangenheit, bei der die meisten lieber gleich einen großen Bogen um sie machen. Weshalb ich sie trotzdem gleich ins Herz geschlossen habe, kann ich gar nicht mal so genau sagen. Tatsache ist aber, dass sie und auch die anderen Figuren sehr authentisch geschrieben sind, seien es nun ihre etwas überdrehte Freundin Luna, ihr immer gutgelaunter und freundlicher Chef Frank oder der auf charmante Art hinterlistige Elias. Einzig Varnar, der stets in Annes Nähe ist und für den sie schon bald Gefühle entwickelt, mochte ich nicht, und für meinen Geschmack hätte die Geschichte diese Liebesbeziehung überhaupt nicht gebraucht.

Davon abgesehen hat mir das Buch aber wirklich gut gefallen. Die Mischung aus nordischer Mythologie und Krimielementen ist genau richtig, es ist düster (aber auch nicht zu sehr; an vielen Stellen ist es auch wunderbar humorvoll), man fiebert mit Anne mit und will am liebsten immer weiterlesen. Daher sind dann auch die 800 Seiten erstaunlich schnell geschafft und sollten kein Grund sein, sich diese Geschichte entgehen zu lassen. Dass ein solch dickes Buch keine einzige Seite lang die Spannung vermissen lässt, spricht eigentlich schon für sich. Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt auf die Fortsetzung!

Veröffentlicht am 19.10.2021

Super für Pferdefreunde, die auch mal ein bisschen humorvolle Kritik ertragen können

Essen Pfützen kleine Pferde?
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Sharif wird auf einem Gestüt für Vollblut-Araber geboren. Seine ersten Lebensjahre verbringt er dort, und von der ersten Sekunde an ist ihm klar: Diese Welt ist wirklich gruselig, und die Huflosen um ihn ...

Sharif wird auf einem Gestüt für Vollblut-Araber geboren. Seine ersten Lebensjahre verbringt er dort, und von der ersten Sekunde an ist ihm klar: Diese Welt ist wirklich gruselig, und die Huflosen um ihn herum scheinen das nicht mal zu merken. Wie sie so überleben wollen? Absolut unverständlich! Genauso sehr wie das meiste andere auch, was sie tun und von ihm wollen. Trotz der etwas schwierigen Kommunikation entdeckt Sharif aber bald, dass die Huflosen ihm auch zu einer steilen Karriere verhelfen können: und zwar zu der als preisgekröntem Showhengst. Das ist fortan sein Traum, und daran muss hart gearbeitet werden! Trotz aller Schrecken um ihn herum.

Das Buch wird komplett aus der Sicht Sharifs erzählt. Von seinen ersten Schritten als Fohlen bis ins Erwachsenenalter hinein begleitet man beim Lesen den kleinen Vollblut-Araber, der mit seinem Charakter besticht - denn auch, wenn er sich manchmal vielleicht "aufführt" oder "echt überreagiert", macht er das doch vor allem, um sich und seine Huflosen zu beschützen! Und dass er mal ganz groß rauskommen will... Nun, man darf doch Träume haben. Und wenn man dafür ein bisschen nach den anderen Unwürdigen treten muss, ist das doch auch vollkommen legitim!

Ganz besonders gelungen finde ich die Entwicklung, die Sharif im Laufe seines Lebens aus charakterlicher Sicht durchmacht. Er ist ehrgeizig, keine Frage, und doch lernt er mit der Zeit, dass es nicht immer nur darauf ankommt, der Chef zu sein und von allen bewundert zu werden. Manchmal ist es vielleicht auch ganz schön, geliebt zu werden für den, der man ist, und nicht für das, was man erreicht hat.

Die sehr humorvolle Darstellung dieses Pferdelebens hat mir im Großen und Ganzen sehr gut gefallen. Auch, wenn es nicht immer ganz meinen Humor getroffen hat und ich eine Weile gebraucht habe, um mit der recht starken Vermenschlichung von Sharifs Gedanken und Handlungen warmzuwerden, habe ich oft auch wirklich lachen müssen. Die hübschen Illustrationen tragen auch viel dazu bei, dass man sich viele Situationen wirklich sehr gut vorstellen konnte - insgesamt ein sehr schönes, humorvoll-kritisierendes Buch, dessen Lektüre sicher dem ein oder anderen Pferdehalter guttun würde!

Veröffentlicht am 16.10.2021

Die Ruhe der Berge

Das Glück des Wolfes
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Fausto und Silvia begegnen sich in einem kleinen Bergdorf namens Fontana Fredda in den italienischen Alpen, wo sie beide die Skisaison über im Restaurant des Ortes aushelfen. Sie entdecken ihre Gefühle ...

Fausto und Silvia begegnen sich in einem kleinen Bergdorf namens Fontana Fredda in den italienischen Alpen, wo sie beide die Skisaison über im Restaurant des Ortes aushelfen. Sie entdecken ihre Gefühle füreinander und genießen die winterliche Ruhe der Berge und das Leben in Fontana Fredda, die Stille am Tag und den Trubel am Abend, wenn Arbeiter und Urlauber von der Piste zurückkehren.

Dabei ist es weniger ihre Liebesgeschichte, die im Vordergrund des Romans steht, als vielmehr die Beschreibung der Natur und die Ruhe und Harmonie, die Fausto hier erfährt. In seiner Zeit in den Bergen erhält er Einblick in den Alltag der Menschen dort, abseits von dem, was die Touristen sehen, und verliebt sich nicht nur in Silvia, sondern vor allem auch in Fontana Fredda.

Die Sprache ist wunderbar ruhig und passt perfekt zu dem Gefühl, das der Protagonist während seiner Zeit in den Bergen hat. Trotz seiner Arbeit als Koch und der zeitweise vielen Menschen um ihn herum kommt er hier zur Ruhe und fühlt sich angekommen. Die Berge und die Tier- und Pflanzenwelt, die sie beherbergen, werden eingänglich beschrieben, und die Charaktere, die sich alle auf ihre Art auf einer Suche nach etwas befinden, haben sich gut in dieses Bild eingefügt.

Das kleine Etwas hat mir am Ende zwar gefehlt, warum genau kann ich aber gar nicht wirklich sagen - denn mir haben die ruhigen Töne, die authentische Figurenzeichnung sowie die präzisen Naturbeschreibungen sehr gefallen. Obwohl ich am Schluss des Romans nicht volkommen zufrieden war, habe ich ihn sehr gerne gelesen.

Veröffentlicht am 01.10.2021

Lesenswert

Wenn ich wiederkomme
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Daniela ist eine von vielen Müttern, die ihr Heimatland Rumänien verlässt, um anderswo Arbeit zu finden und ihen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Es verschlägt sie nach Mailand, wo sie wie so ...

Daniela ist eine von vielen Müttern, die ihr Heimatland Rumänien verlässt, um anderswo Arbeit zu finden und ihen Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Es verschlägt sie nach Mailand, wo sie wie so viele andere Menschen aus Osteuropa als billige Arbeitskraft in der Pflege für Kinder und Alte eine Anstellung sucht. Für sie ist dieser Schritt nicht einfach - sie muss ihre Familie zurücklassen und alles, was sie kennt. Doch auch Danielas Kinder, besonders ihr Sohn Manuel, leiden unter der Trennung.

Im ersten Teil des Romans stehen die Gedanken und Gefühle Manuels im Mittelpunkt. Er muss damit zurechtkommen, dass seine Mutter plötzlich fort ist und er nur noch telefonisch mit ihr Kontakt haben kann. Das Geld, das sie verdient, schickt sie ihrer Familie nach Hause - aber kann das wirklich ein Ersatz für ihre Liebe und eine intakte Familie sein? Im zweiten Teil wird dann die Perspektive der Mutter geschildert; ihre Gründe fortzugehen, ihre Ängste und das ständige schlechte Gewissen, weil ihre Kinder ohne sie aufwachsen müssen. Im letzten Abschnitt kommt dann Manuels ältere Schwester Angelica zu Wort, die jahrelang die Verantwortung für ihren Bruder getragen hat und diesen Druck, die Familie zusammenhalten zu müssen, nun nicht mehr weiter hinnehmen und aus ihrem alten Leben ausbrechen will.

Zentrales Thema des Romans ist die armutsbedingte Migration. Danielas Situation ist alles andere als ein Einzelfall, sie steht exemplarisch für unzählige Andere, die ihre Heimat und die Familie zurücklassen, um anderswo bessere Chancen zu finden. Der Ansatz, mit der Prespektive Manuels zu beginnen, hat mir dabei sehr gut gefallen - denn seine Wut, seine Verzweiflung über den Verlust der Mutter sind so gut beschrieben, dass ich deren eigene Verzweiflung danach umso eingängiger nachempfinden konnte. Die Alternativlosigkeit, weil sie in einer Gegend aufgewachsen ist, in der große Armut für die Mehrheit zum Alltag gehört. Ihre Einsamkeit, als sie ohne ihre Kinder und ihren Mann in einem fremden Land von vorne anfangen muss, die körperliche und psychische Belastung, die ihre Arbeit dort oft mit sich bringt. Das alles wurde deutlich spürbar.