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Veröffentlicht am 15.05.2022

„Ein Toter im Netz“ + eine hartnäckige Radioreporterin = gelungener Auftakt der neuen Usedom-Krimi-Reihe!

Der Tote im Netz
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Franziska Mai hat es nicht leicht… Obwohl sie ihr Herzblut in ihre Ostsee-Radioreportagen steckt, soll der traditionsreiche Lokalsender „Bäderland-Radio“ von einem großen Konkurrenten übernommen werden. ...

Franziska Mai hat es nicht leicht… Obwohl sie ihr Herzblut in ihre Ostsee-Radioreportagen steckt, soll der traditionsreiche Lokalsender „Bäderland-Radio“ von einem großen Konkurrenten übernommen werden. Gemeinsam mit ihrem Praktikanten Janis erarbeitet sie „Die Problemlöser“ als neues Radio-Format, dass auf die Mitbeteiligung der Hörerinnen und Hörer setzt und so die Bedeutsamkeit des Radios für die Menschen der Insel Usedom stärken will.
Dass gleich das erste Problem, dem sich Franzi und Jannis annehmen, allgemeines öffentliches Interesse erregt, damit hätte wohl niemand gerechnet… Denn anstatt eines angekündigten Interviews werden Franzi und Jannis Zeugen, wie ihr Kontakt als toter Fischer aus seinem eigenen Netz gezogen wird. Dass es sich hier um mehr als nur um einen Nachbarschaftsstreit handelt, wird beiden schnell klar und Franzi wittert die Chance ihres Lebens. Als Hobby-Ermittlerin gelingt es ihr schnell, sowohl die Aufmerksamkeit des Mörders als auch des für den Fall zuständigen Hauptkommissars Kay Lorenz auf sich zu ziehen, der sich seinen ersten Fall in seiner alten Heimat sicherlich anders vorgestellt hatte…
Und so werden Franziska Mai und Kay Lorenz ungewollt zu einem Ermittler-Duo, was für die Leserinnen unheimlich unterhaltsam ist.
Durch diese urigen Charaktere, die dosiert und somit sehr passend eingesetzt Mundart und die sehr realitätsnahen Beschreibungen gelingt es der Autorin Frauke Scheunemann auf besondere Art und Weise die Leser
innen bei diesem Fall mitfiebern zu lassen. Denn unter der Oberfläche schlummern viele Geheimnisse und so zeigt sich die Insel Usedom von ihrer spannenden Seite – ohne allzu verstörend und grausam zu sein.
Insofern bietet dieser Cosy-Krimi meiner Meinung nach alles, was für ein kurzweiliges und spannendes Leseerlebnis notwendig ist: einen Mord, ein sehr gegensätzliches, sich ergänzendes Ermittler-Team, verzwickte Entwicklungen sowie realitätsgetreue Ortsbeschreibungen der Insel-Usedom.

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Veröffentlicht am 02.04.2022

Hoffnung in Zeiten tiefer Hoffnungslosigkeit

Das rote Band der Hoffnung
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Mit Jugendlichen über die Themen „Holocaust“ und „Drittes Reich“ sprechen? Das gelingt aus eigener Erfahrung sehr gut mithilfe altersadäquater Jugendliteratur. Insofern suche ich immer wieder nach geeigneten ...

Mit Jugendlichen über die Themen „Holocaust“ und „Drittes Reich“ sprechen? Das gelingt aus eigener Erfahrung sehr gut mithilfe altersadäquater Jugendliteratur. Insofern suche ich immer wieder nach geeigneten Neuerscheinungen, die eine Erstbegegnung mit diesen Themen ermöglichen.
Nachdem mich das Cover zu „Das rote Band der Hoffnung“ bereits sehr angesprochen hat, war ich sehr gespannt auf die Geschichte rund um die „Näherinnen von Auschwitz“.
Die leidenschaftliche, vierzehnjährige Schneiderin Ella, die bereits in ihrer Kindheit die Schneiderkunst von ihrer Großmutter erlernt und seither von einer eigenen Boutique geträumt hat, wird während des Krieges plötzlich aufgegriffen und in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert.
Dort wird sie der Nähwerkstatt zugewiesen, in der exklusive Kleidungsstücke für die Offiziersgattinnen maßgeschneidert werden, und lernt dort die träumerische Rose kennen, die mit ihren fantasievollen Geschichten kleine Fluchten aus dem grausamen Lageralltag ermöglicht. Den Näherinnen ist bewusst, dass jeder Fehler und jede Unaufmerksamkeit letztendlich über Leben und Tod entscheidet…
Indem die Autorin Lucy Adlington die Geschichte aus Perspektive der jugendlichen Ella beschreibt, gelingt ein besonderer Blick auf den grausamen Lageralltag im Konzentrationslager, der nichts beschönigt, aber trotzdem nicht verstörend ist.
Da ich „Das rote Band der Hoffnung“ gemeinsam mit meiner dreizehnjährigen Tochter gelesen habe, kann ich aus unserer Perspektive berichten, dass es sich sehr gut für eine Erstbegegnung mit dem Thema eignet. Wir hatten viele gemeinsame Erzählanlässe und haben zu den Hintergründen viel recherchiert, sodass diese Geschichte eine sehr einprägsame, ganzheitliche Lernerfahrung war. Inwiefern das etwas fantastische Ende kritisch zu sehen ist, kann man diskutieren.
Insgesamt ist „Das rote Band der Hoffnung“ eine besondere Lektüre, die wir für Jugendliche im Teenageralter sehr empfehlen können, da es sehr nachdenklich macht und zum Reflektieren anregt, was angesichts der derzeitigen weltpolitischen Entwicklungen wichtiger denn je erscheint.

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Veröffentlicht am 26.03.2022

Wie ein Puzzle, dessen einzelne Teile eine erfahrungsreiche Lebensgeschichte offenbaren

Der Papierpalast
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„Der Papierpalast“ von Miranda Cowley Heller ist ein ganz besonderer Roman, der mich unheimlich berührt hat.

Nachdem Cover und Titel - und insbesondere der Werdegang und die Auszeichnungen der Autorin ...

„Der Papierpalast“ von Miranda Cowley Heller ist ein ganz besonderer Roman, der mich unheimlich berührt hat.

Nachdem Cover und Titel - und insbesondere der Werdegang und die Auszeichnungen der Autorin - mich sehr angesprochen haben, war ich zunächst durch die ersten Sätze etwas abgeschreckt, weil ich fragmentarische und naturalistische Beschreibungen wie die einleitenden leider nicht so gerne lese und mich meist gegen Bücher mit so einem Schreibstil entscheide...

Umso mehr bin ich nun froh und dankbar, dass ich diesem Debüt eine Chance gegeben habe, denn die einzelnen Szenen, die hier beschrieben werden, gehen so unter die Haut, dass man sich der Aura dieses Romans nicht entziehen kann!

Der Roman wird aus Perspektive der 50-jährigen Eleanor „Elle“ Bishop erzählt, die ihren Sommer wie gewohnt in dem idyllisch an einem See gelegenen Ferienhaus der Familie, dem „Papierpalast“, gemeinsam mit ihrem Mann, den Kindern und ihrer Mutter verbringt. Obwohl alles wie gewohnt erscheint, überschattet ein unverhofftes, folgenreiches Wiedersehen mit Elles Jugendliebe die Zeit am See. Und auch wenn eigentlich nur ein Tag in Elles Leben vergeht, lässt ihr Gedankenstrom, der fragmentarisch verschiedene Erinnerungen aus der Vergangenheit zusammensetzt, ihr bisheriges Leben und die getroffenen Entscheidungen Revue passieren.

Insofern ist der „Papierpalast“ nicht nur eine besondere, teils auch tragische Lebensgeschichte, sondern auch eine Familiengeschichte, in der insbesondere die Rolle der Frauen mehrperspektivisch betrachtet wird.
Demgemäß gehört der sehr lesenswerte Roman "Der Papierpalast" bereits jetzt zu meinen Favoriten dieses Lesejahrs!

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Veröffentlicht am 25.03.2022

Eine Seniorenheim-Tour mit Folgen...

Heimvorteil
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Jutta hat es nicht leicht. Obwohl ihr Mann bereits vor Jahren plötzlich und unerwartet gestorben ist, begleitet er sie in Gedanken immer noch. Nach Juttas Einschätzung war die gemeinsame Ehe nicht schlecht ...

Jutta hat es nicht leicht. Obwohl ihr Mann bereits vor Jahren plötzlich und unerwartet gestorben ist, begleitet er sie in Gedanken immer noch. Nach Juttas Einschätzung war die gemeinsame Ehe nicht schlecht und auch wenn sie sich zuerst durch ihre Eltern und später durch ihren Mann in der Entfaltung ihrer Träume und Wünsche permanent bremsen liest, scheint Jutta doch zufrieden. Wären da nicht ihre Kinder, die plötzlich ein zunehmendes Interesse an ihrem Elternhaus haben und Jutta einzureden versuchen, dass sie in einem Seniorenheim viel besser aufgehoben sei.
Etwas trotzig entschließt Jutta sich, auch mal etwas Neues zu wagen.
In dieser Phase lernt sie die jugendliche Schwimmtrainerin Fritzi kennen, die Jutta zu einer Seniorenheim-Tour ermutigt. Ungewohnt spontan stimmt Jutta der Idee zu und eine erfahrungsreiche Reise, auf der Jutta nicht nur sich selbst, sondern auch die Liebe findet, beginnt.
Da ich sehr gerne Bücher von Susanne Fröhlich lese und mich die Rahmenhandlung begeistert hat, war ich auf „Heimvorteil“ sehr gespannt.
Umso überraschter war ich, dass ich diesmal etwas brauchte, um in dieses Buch reinzukommen. Juttas Gedanken waren anfangs eher trübe und so stimmte mich der erste Teil doch recht nachdenklich. Gut war, dass meine Mutter zeitgleich mitgelesen hat, denn dadurch hatten wir viele Erzählanlässe rund um die Frage, wie man sein Leben bis zuletzt selbstbestimmt leben kann.
Und je besser ich Jutta kennenlernen und mit ihr die verschiedenen Heime erleben durfte, desto mehr konnte ich „Heimvorteil“ nicht mehr weglegen. Die erhofften „Fröhlich-Momente“ gab es zunehmend und so hat mir das Buch letztendlich doch sehr gut gefallen. Insofern denke ich im Nachhinein, dass mich meine Erwartungshaltung an dieses Buch zunächst sehr gebremst hat und ich bin froh, dass ich dem Buch trotzdem eine Chance gegeben habe.
Empfehlen würde dieses Buch allen, die Roadtrips mögen und selbst noch unschlüssig sind, wo und wie sie im Alter leben möchten.

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Veröffentlicht am 07.03.2022

Realitätsnaher Israel-Thriller mit glaubhaften Charakteren und vielen interreligiösen Dialogen

Der Auftrag
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Die junge Rechtsanwältin Hana Abboud, die arabische Christin ist und aus Nazareth stammt, arbeitet in einer größeren Anwaltskanzlei in Atlanta und zu ihren Hauptaufgaben zählt, die Geschäftsbeziehungen ...

Die junge Rechtsanwältin Hana Abboud, die arabische Christin ist und aus Nazareth stammt, arbeitet in einer größeren Anwaltskanzlei in Atlanta und zu ihren Hauptaufgaben zählt, die Geschäftsbeziehungen zu internationalen Mandanten zu pflegen. Aufgrund ihrer umfassenden Sprach- und Landeskenntnisse wird sie jedoch unerwartet mit einem ganz besonderen Fall betraut:
Der etwas mittellose, jüdische Rechtsanwalt Jakob Brodsky ist auf der Suche nach einer großen Kanzlei, die ihn bei dem Fall „Neumann“ unterstützen. Die 31-jährige Gloria Neumann wurde in Israel im Beisein ihrer Tochter ermordet und Jakob Brodsky schätzt diese Tat als Akt „internationalen Terrorismus“ ein, sodass sein Mandant, Ben Neumann, Anspruch auf Entschädigung für diesen Verlust hätte.
Um zu entscheiden, ob es sich bei der Tat tatsächlich um einen terroristischen Anschlag handelte, kehrt Hana in ihr Heimatland Israel zurück und versucht vor Ort Kontaktpersonen und Ermittler zu treffen und gemeinsam zu ermitteln.
Zeitgleich versucht Jakob Brodsky in Atlanta mehr über die vermeintliche Terrorzelle herauszufinden und befindet sich so sehr schnell selbst in Gefahr…
Auch wenn dieser Thriller nicht unbedingt ein Pageturner ist, gewinnt er doch durch seine Authentizität und die glaubhaften Charaktere.
Als bekennende Christin sind die Entscheidungen von Hana durchweg durch ihren Glauben geprägt und so ist dieser Thriller auch durch viele interreligiöse Dialoge geprägt, die insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema „Terror“ sehr zum Nachdenken anregen.
So ist mir beispielsweise folgender Dialog, den Hana mit dem Besitzer ihres Lieblingsrestaurants führt, besonders im Gedächtnis geblieben. Nachdem Mr. Akbar mehr über Hanas Herkunft und ihren Glauben erfährt, sagt er:
"Ich möchte den Glauben Ihrer Väter nicht missachten. Als Junge hatte ich christliche Freunde, wir haben immer zusammen gespielt. Das war zu einer Zeit, als wir noch glaubten, die unterschiedlichen Gruppen könnten zusammenleben" (S. 140).
Nur weil beide offen über den Glauben sprechen und sich gegenseitig wertschätzen, ist dieser Dialog möglich und er verdeutlicht meiner Meinung nach auch, wie sehr Hana und Mr. Akbar durch das Leben im Nahen Osten geprägt sind. Ein friedvoller Umgang wird von beiden sehr geschätzt. Diese demütige Haltung vermisst man besonders in diesen Zeiten oft, obwohl es so ein großes Geschenk ist, in Freiheit und Demokratie leben zu dürfen.
Insofern ist „Der Auftrag“ von Robert Whitlow ein spannendes Leseerlebnis und für alle zu empfehlen, die glaubhafte Protagonist:innen mögen, an authentischen Anwaltsgeschichten interessiert sind und mehr über das religiöse Leben in Israel erfahren möchten.

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