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Veröffentlicht am 23.03.2024

Lil - die Geschichte einer eigensinnigen Frau

Lil
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In eine Welt der höheren Gesellschaft in New York im Jahre 1880 überführt uns Markus Gasser in seinen neuesten Roman „Lil“.
Es war nicht leicht den Gepflogenheiten der damaligen Reichen und Schönen zu ...

In eine Welt der höheren Gesellschaft in New York im Jahre 1880 überführt uns Markus Gasser in seinen neuesten Roman „Lil“.
Es war nicht leicht den Gepflogenheiten der damaligen Reichen und Schönen zu entsprechen. Lil Cutting, selbst vermögend und als Unternehmerin sehr erfolgreich, bekam dies auf eigenem Leibe zu spüren. Mit ihrem exzentrischen Führungsstil und fortschriftlichen Ansichten hat sie die in New York herrschenden Familien gegen sich aufgebracht.

Zu ihren erbittertsten Feinden gehörte auch ihr einziger Sohn Robert, der nach dem Tod seines Vaters das gesamte Erbe übernehmen wollte. Dem hinterlistigen Robert gelang es leicht Lil in eine psychiatrische Klinik einsperren zu lassen und alles in die Wege zu leiten, um sie zu entmündigen.
Das Aufgeben kam für Lil jedoch nicht in Frage; ein Kampf ums Überleben begann.

Im Sommer 2017 findet man Lils letzten Brief – ein Hilferuf, die Verwaltung der psychiatrischen Klinik beschlagnahmt und nie abgeschickt hat. Der Brief ist für die Journalistin Sarah, eine Nachfahrin von Lil, ein Anlass um die ganze Geschichte zu erzählen.
Ein lebendiges Bild der erlauchten Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts präsentiert Markus Gassner in seinem Roman. Die edlen Damen und Herren der vornehmen Gesellschaft waren jedoch alles andere als fein. Es herrschte ein Kampf um Macht und Geld, ein Kampf voller Missgunst, Neid und Heimtücke. Eine Frau wurde nur dann als ebenbürtig akzeptiert, wenn an ihrer Seite ein starker Mann stand. Unter dem Mantel der Barmherzigkeit und Wohltätigkeit verbargen sich die Respektlosigkeit gegenüber den Bedürftigen und das Streben nach Anerkennung der eigenen Überlegenheit.

Auch die eigene Familie bat oft keine Unterstützung. Das beste Beispiel dafür ist Robert, der - ohne Geld - keine Liebe für seine Mutter empfinden konnte. Jedes Mittel war ihm recht, um an das Vermögen seiner Eltern zu kommen.

Einen wichtigen Part der Geschichte nimmt die psychiatrische Behandlung der Frauen in der Klinik von Doktor Fairwell. Diese Passagen sind meistens schwer zu ertragen, sie wecken starke Emotionen, das ganze Leid der misshandelten Lil berührt sehr.
Eine Genugtuung bieten dann die Worte, die sie an ihren Psychiater richtet: „Irrenhäuser werden gebaut, (…) weil sich ein paar Dilettanten mit drei Semestern Medizinstudium im Rücken einbilden, sie wüssten, was in den Köpfen anderer vorgeht. Und da die Irrenhäuser nun einmal da sind, muss man sie eben auch mit Irren fühlen, obwohl keiner dieser sogenannten Irrenärzte mit Sicherheit sagen kann, wer irre ist und wer nicht.“ (49)

Scharfsinnig und humorvoll sind Sarahs Gespräche mit ihrer Hündin Miss Brontë, der sie die ganze Geschichte erzählt. Die Hündin spendet der krebskranken Sarah Trost und Unterstützung, ihre pfiffigen Kommentare sind einfach genial und lockern das schwierige Thema auf.

Die Geschichte über Lil Cutting ist fiktional, doch genauso wie damals, gibt es auch heute viele Frauen, die das ähnliche Schicksal erleiden müssen. „Lil“ ist ein vielschichtiger, kluger Roman, über viele wichtigen Themen, die immer noch brisant sind. Dank der lebendigen und anschaulichen Erzählweise des Autors ist der Roman ein wahrer Lesegenuss, den ich wärmstens empfehlen kann.

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Veröffentlicht am 23.03.2024

Interessant, nachdenklich stimmend

Marschlande
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In dem Roman „Marschlande“ erzählt Jarka Kubsova über zwei Frauen aus dem Hamburger Marschland.
Eine von ihnen ist die Hufnerin Abelke Bleken, die im 16. Jahrhundert einen großen Hof von ihren Eltern übernommen ...

In dem Roman „Marschlande“ erzählt Jarka Kubsova über zwei Frauen aus dem Hamburger Marschland.
Eine von ihnen ist die Hufnerin Abelke Bleken, die im 16. Jahrhundert einen großen Hof von ihren Eltern übernommen hatte. Sie liebte ihre Heimat und lebte für ihre Aufgaben als Bäuerin. Ihr florierender Bauernhof war dem anderen Dorfbauern ein Dorn im Auge, der Neid um ihren Erfolg und Besitz wuchs.

Ein neues Zuhause findet im Marschland Britta Stöver, die mit ihrem Mann und zwei Kindern nach Ochsenwerder zieht. Ihre Geschichte spielt in der Gegenwart. Britta, die ihren Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geographie aufgegeben hat, um sich der Familie zu widmen, ist zuerst mit dem neuen Zuhause und ihren Aufgaben als nur Hausfrau und Mutter unzufrieden. Doch dann entdeckt sie die Hinweise auf das Leben von Abelke Bleken. Die Geschichte der starken Frau, die sich gegen alle Widrigkeiten ihrer Epoche und dem Hass der Mitmenschen stellen musste, fasziniert Britta.
Es gibt einige Parallelen in den Geschichten der beiden Frauen. Beide mussten um ihre Ziele und Überzeugungen kämpfen, beide zahlten einen hohen Preis dafür.

Besonders interessant fand ich die Geschichte über die Hufnerin Abelke, die auf historischen Tatsachen beruht. Im Nachwort zum Buch schreibt die Autorin ausführlich darüber. Nicht nur das Schicksal der Bäuerin hat mich bewegt; auch viele historischen Fakten, wie das damalige Deichrecht oder die Enteignung der Bauern, weckten mein Interesse.

Etwas mehr dagegen hätte ich von der Geschichte über Britta erwartet. Ich hätte viel mehr über ihr bisheriges Leben, über Beweggründe für ihre Entscheidungen erfahren wollen.

Genossen habe ich die bildhafte Schreibweise der Autorin, die ausdrucksvoll über die Marschlandschaft schreibt:
(ein) Stück Land, in dem Glück und Unglück sich abwechselten, wie die Gezeiten,
wo Überfluss und Verderben kamen und gingen, wie Ebbe und Flut.“
(103)

„Marschlande“ ist ein hochinteressanter, nachdenklich stimmender Roman, sehr zu empfehlen!

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Veröffentlicht am 02.03.2024

Das Gottesrätsel

Ingenium
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Vor fünf Jahren wurde Jess Price wegen Mordes verurteilt und seitdem sitzt sie ihre Strafe im Gefängnis ab. Ab diesem Zeitpunkt spricht Jess nicht mehr, dafür aber zeichnet sie verstörende Bilder, zuletzt ...

Vor fünf Jahren wurde Jess Price wegen Mordes verurteilt und seitdem sitzt sie ihre Strafe im Gefängnis ab. Ab diesem Zeitpunkt spricht Jess nicht mehr, dafür aber zeichnet sie verstörende Bilder, zuletzt ein außergewöhnliches Rätsel.
Mike Brink gilt seit dem Unfall beim Fußballspiel als Rätselgenie. In Folge einer Schädelhirntraumata besitzt er die besondere Gabe - das sog. Savant-Syndrom. Auf eine Bitte der Gefängnispsychologin besucht Mike die verstummte Jess im Gefängnis. Bald erkennt er, dass Jess in ständiger Todesangst lebt und nicht nur sie an der Lösung des Rätsels interessiert ist.

Das magische Rätsel führt Mike auf eine gefährliche Reise, auf der die mysteriösen Ereignisse aus der Vergangenheit die ganze Zukunft der Menschen beeinflussen wollen.

Ein magisches Rätsel - nach dessen Lösung mehrere Menschen suchen, ein ungeklärtes Mord - dessen Jess beschuldigt wurde, eine verschwundene kostbare Porzellanpuppe – die unbedingt gefunden werden musste, Kabbala – eine mystische Tradition des Judentums, und nicht zuletzt die außergewöhnliche Gabe, die Mike besitzt – all das wird unbedingt aufgeklärt werden; das Buch entwickelt einen Sog, muss immer weitergelesen werden.

Ich fand den Thriller sehr spannend, die Rätseln und die mystischen Geheimnisse faszinierend, die Handlung temporeich, fesselnd. Dank der bildhaften Erzählweise der Autorin lässt sich das Buch flüssig lesen. Die fesselnde Handlung mit vielen überraschenden Wendungen machen den Thriller zu einem wahren Pageturner, den ich wärmstens empfehlen kann.
Auf die Fortsetzung mit dem Titel „Invictum“, die im September 2024 erscheint, bin ich sehr gespannt.

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Veröffentlicht am 10.02.2024

Durchwachsener Thriller

Gehe mit den Toten
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Die Kurzbeschreibung und die hochspannende Leseprobe haben mich neugierig auf den neuesten Thriller von Alexander Hartung gemacht.
„Gehe mit den Toten“ fängt mit einem perfiden Mord an:
ein vermummter ...

Die Kurzbeschreibung und die hochspannende Leseprobe haben mich neugierig auf den neuesten Thriller von Alexander Hartung gemacht.
„Gehe mit den Toten“ fängt mit einem perfiden Mord an:
ein vermummter Täter, der sich offensichtlich sehr gut im Hause des Opfers auskennt, und sein Opfer- der einflussreiche Wirtschaftsboss Döhring, der mit mehreren Messerstichen getötet wurde. Die gut beschriebene Szene wirkt theatralisch: der nichtsahnende Döhring ist allein zu Hause, genervt von der lauten Musik, die er selbst nicht angemacht hatte, erschrocken vom Anblick des Täters – stirbt, während im Hintergrund die letzten Takte der Carmen Oper laufen.

Der Mord sorgt für große Aufruhr, die Frankfurter Kripo beginnt mit den Ermittlungen. Lara Plank, seit fünf Jahren im Dienst, geht dabei sehr motiviert vor. In einigen Alleingängen macht sie Entdeckungen, welche den Mord an Döhring im ganz anderen Licht als vermutet darstellen. Doch ihr Chef warnt sie vor Konsequenzen ihrer Disziplinlosigkeit, droht ihr sogar mit der Suspendierung. Daraufhin bittet Lara ihren vorzeitig pensionierten Kollegen Simon um Hilfe und zusammen ermitteln sie weiter.

Der Mordfall selbst ist sehr spannend. Bei den Ermittlungen tauchen immer wieder neue Indizien auf, die die Spannung eigentlich konstant halten müssten. Auch Lara und Simon stoßen in dem Zusammenhang auf weitere Verbrechen auf, die bisher nicht vollständig aufgeklärt wurden. Diese Wendungen und die ständig wachsende Zahl der neuen Charaktere führen dazu, dass die Handlung leicht unübersichtlich wird und demzufolge an Spannung verliert.
Auch die Gespräche zwischen Lara und Simon, in denen die beiden ihre bisherigen Ermittlungserfolge und neue Entdeckungen besprechen, sorgen nicht gerade für die temporeiche Handlung und Erhöhung der Spannung.
Der Thriller ist insgesamt durchwachsen: mit einigen explosiven Szenen sorgt der Roman für spannende Unterhaltung, während die langatmigen Besprechungen und die wachsende Zahl der Beteiligten das Interesse an der Handlung deutlich mindern.

So empfand ich diesen Thriller als einen verwirrenden Mordfall, der durch die unzählige Menge an Akteuren verkompliziert wurde. Die ehrgeizige und eigensinnige Lara Plank konnte mich nicht wirklich überzeugen, auch Simons Beweggründe bleiben für mich nicht nachvollziehbar.
„Gehe mit den Toten“ ist im Januar 2024 im Verlag EditionM erschienen.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Fesselnder historischer Kriminalroman

Paris Requiem
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Im Jazz Chaud, einem von Besatzern geschlossenen Pariser Jazzclub, findet man eine übel zugerichtete Leiche eines Mannes. Der Täter hat das Opfer an einen Sessel gefesselt und ihm den Mund mit groben Stichen ...

Im Jazz Chaud, einem von Besatzern geschlossenen Pariser Jazzclub, findet man eine übel zugerichtete Leiche eines Mannes. Der Täter hat das Opfer an einen Sessel gefesselt und ihm den Mund mit groben Stichen zugenäht. Inspecteur Giral, der die Ermittlungen übernimmt, kennt den Toten. Es ist ein Krimineller, der eigentlich noch vier Jahre im Gefängnis sitzen sollte. Bald stellt sich heraus, dass viele anderen Insassen aus dem Gefängnis vorzeitig entlassen wurden; es bleibt rätselhalft, wer dies angeordnet hat.
Bei seinen Ermittlungen taucht Eddie Giral in die Welt der Kriminellen ein, die mit Drogen und Lebensmitteln illegal handeln, besucht Jazzclubs, in denen sowohl die illegalen Händler wie auch die Besatzer gerne verweilen, trifft auf beiden Seiten auf alte Bekannte und lernt neue Gesichter kennen. Er gerät dabei mehrmals in Gefahr und kommt nur knapp mit dem Leben davon.
Er versucht auch die zerbrochenen Freundschaften wieder aufleben zu lassen und seine Fehler aus der Vergangenheit wieder gut zu machen.

Eddie Giral ist mir bereits im ersten Roman „Die Toten vom Gare d`Austerlitz“ ans Herz gewachsen. Von den Erfahrungen als Soldat im Esten Weltkrieg und später als Kriegsgefangener der Deutschen gezeichnet, kann er die Unterordnung der französischen Polizei dem deutschen Besatzer nicht wirklich akzeptieren. Das hat zur Folge, dass er ständig in Konflikt mit Wehrmacht und Gestapo gerät, auch die geheime Feldpolizei ist ihm auf den Fersen. Und diesmal hat er auch die organisierten Pariser Kleinkriminellen gegen sich, die scheinbar gemeinsame Geschäfte mit den Deutschen machen.
Sehr spannend, mit vielen Gänsehautszenen, verläuft die aktionsreiche Handlung des Romans. Meisterhaft vermittelt Chris Lloyd die bedrückende Atmosphäre im besetzten Paris, stellt die schwierigen Lebensumstände, Hunger, Angst und Verzweiflung der Menschen glaubwürdig dar. Auch viele von den im Roman enthaltenen Ereignisse sind tatsächlich geschehen; gekonnt wurden sie mit der fiktiven Handlung verwoben.

Es freut mich sehr, dass es eine Fortsetzung der Reihe mit Eddie Giral geben wird (Anmerkungen des Autors S.442). Für das erste Buch aus der Reihe mit dem Titel „Die Toten vom Gare d`Austerlitz“ hat der Autor den Historical Writers` Association Gold Crown Award für den besten historischen Roman des Jahres gewonnen.

„Paris Requiem“ von Chris Lloyd ist ein fesselnder historischer Kriminalroman, interessant und lesenswert! Wärmstens zu empfehlen!

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