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Veröffentlicht am 02.10.2022

Aus der Geschichte lernen!

Denk ich an Kiew
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Eine spannende Geschichtsstunde bietet Erin Litteken in ihrem Debütroman „Denk ich an Kiew“ an.

Es ist die bewegende Geschichte von Katja, die in der Ukraine großgeworden ist, dort die Liebe ihres Lebens ...

Eine spannende Geschichtsstunde bietet Erin Litteken in ihrem Debütroman „Denk ich an Kiew“ an.

Es ist die bewegende Geschichte von Katja, die in der Ukraine großgeworden ist, dort die Liebe ihres Lebens kennengelernt hat und schließlich ums Überleben kämpfen musste. Ihre ganze Lebensgeschichte hat sie in einem Tagebuch festgehalten, jedoch nie über das Erlebte gesprochen.

Nach Jahren findet die Enkelin Cassie im Zimmer ihrer Großmutter das geheimnisvolle, auf Ukrainisch geschriebene Buch. Nachdem Cassie merkt, dass ihre Bobby sich merkwürdig verhält: Lebensmittel versteckt, Cassie mit einer unbekannten Alina verwechselt, spricht sie die Großmutter darauf an. Bobby schenkt Cassie ihr Tagebuch mit der Bitte es zu übersetzen und zu lesen. So erfährt Cassie die ganze Wahrheit über die schicksalhafte Vergangenheit ihrer Oma und lernt die tragische Geschichte der Ukraine vor dem 2. Weltkrieg kennen.

In dieser bewegenden Geschichte bin ich versunken. Bobbys Lebensgeschichte erschüttert zutiefst – es ist gleichzeitig die Geschichte der Ukraine und ihrer Bevölkerung, die man unter Stalins Herrschaft zu Tode aushungern versuchte. Nicht alle haben den Holodomor überlebt, die Überlebenden -genau wie Bobby- konnten das Erlebte nicht vergessen und haben jahrelang darunter gelitten.

Auch Cassie hat nach dem Unfallstod ihres Mannes lange mit ihrem Schicksal gehadert. Sehr feinfühlig und voller Empathie erzählt Erin Litteken über die Schicksale der Großmutter und ihrer Enkelin; gekonnt verbindet sie die beiden Geschichten. Ihre Erzählung wirkt authentisch und weckt - besonders in Angesicht der aktuellen dramatischen Lage in Ukraine - tiefe Emotionen.

Wunderschön ist auch das Cover des Buches mit einem Bild des reifen, goldgelben Getreide auf einem Feld und den heranziehenden, dunklen Gewitterwolken – ein Sinnbild des Landes in seiner tragischen Lage.
Das Buch bekommt meine wärmste Empfehlung.

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Veröffentlicht am 10.09.2022

Bewegende Geschichte!

Das Leben vor uns
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Kristina Gorcheva-Newberry schreibt in ihrem Debütroman über das Leben in Moskau in den Achtzigerjahren.

„wie unsere Obstgärten, die nach jedem dunklen, regnerischen Herbst und kalten, schneereichen ...

Kristina Gorcheva-Newberry schreibt in ihrem Debütroman über das Leben in Moskau in den Achtzigerjahren.

„wie unsere Obstgärten, die nach jedem dunklen, regnerischen Herbst und kalten, schneereichen Winter von Neuem erblühen. Und dann fühlen wir uns wieder jung und sind voller Hoffnung“ (310)

Der Titel des Romans „Das Leben vor uns“ bringt das Thema seiner Handlung genau auf den Punkt: es geht hier um die jungen Menschen, die sich für ihre Zukunft ein besseres Leben erhoffen.

"Unsere Freundschaft war wie die Apfelbäume ringsum." (78)

Anja, die in behüteten Verhältnissen aufwächst und ihre beste Freundin Milka aus einer zerrütteten Familie, die Hauptfiguren dieser Geschichte, verbindet eine tiefe Freundschaft. Sie verbringen viel Zeit miteinander, lernen und träumen zusammen. Vor allem die Welt hinter dem Eisernen Vorhang zieht sie magnetisch an; sie wollen reisen und fremde weite Welt kennenlernen, im Ausland studieren, das Leben in vollen Zügen genießen. Dies alles scheint auf einmal erreichbar zu sein, denn ihre Heimat Sowjetunion befindet sich im Umbruch, geht neuen Zeiten entgegen.

Doch das Schicksal schlägt erbärmlich zu und nur Anja gelingt es, ihre Jugendträume zu erfüllen. Sie geht als Austauschstudentin in die USA, und beginnt dort ein neues Leben. Sie kann jedoch weder ihre Eltern, ihre Freunde noch die alte Heimat vergessen. Als Literaturwissenschaftlerin beschäftigt sich mit der russischen Literatur und der Geschichte des Landes, privat versucht sie die tragischen Erlebnisse ihrer Vergangenheit zu verarbeiten.

Kristina Gorcheva-Newberry, die selbst in Moskau aufgewachsen ist, stellt authentisch das Leben der russischen Gesellschaft dar. Keine Probleme der damaligen unruhigen Zeit sind der Autorin fremd; das beweist sie hervorragend in ihrem Roman. Die Alltagsszenen wirken realistisch, die Romanfiguren mit all ihren Sorgen, Problemen und Träumen lebendig, echt.

Bestechend schön ist die erzählerische Sprache der Autorin, mal poetisch, mal informativ und ständig bewegend.
Ein literarischer Genuss!

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Veröffentlicht am 27.08.2022

Der böse Wolf?

Wo die Wölfe sind
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„Im Wald schlägt ein Herz, das wir nicht sehen können“ (26)

Inti leitet das Projekt der Wiederansiedlung der Wölfe in den schottischen Highlands. In ihrer Kindheit hat ihr Vater die Liebe zur Natur in ...

„Im Wald schlägt ein Herz, das wir nicht sehen können“ (26)

Inti leitet das Projekt der Wiederansiedlung der Wölfe in den schottischen Highlands. In ihrer Kindheit hat ihr Vater die Liebe zur Natur in ihrem Herzen eingepflanzt. Der Wald mit all seinen Bäumen und Wildtieren war schon immer ihr zweites Zuhause. Inti liebt Wölfe und freut sich mit ihrem Projekt zur Verlangsamung des Klimawandels beitragen zu können.

Doch am Ort gibt es viele Gegner des Projekts; die Menschen haben Angst von wilden Tieren, Landwirte und Bauern fürchten um ihre Existenz. Die Lage eskaliert, als ein Farmer wahrscheinlich von Wölfen getötet wurde.
Nicht nur das wissenschaftliche Projekt ist für Inti ein Neuanfang. Sie hofft auch ihr Leben in Schottland neu ordnen, die schlimmen Erlebnisse der Vergangenheit verarbeiten zu können. Dabei steht ihr ihre besondere Gabe: Mirror-Touch-Synästhesie oft im Weg. Denn sie kann alle sinnlichen Eindrücke, wie Schmerz, Berührung oder Gefühle, der anderen Menschen und Tiere körperlich nachempfinden.

Das Hauptthema des Romans „Wo die Wölfe sind“ ist unbestritten die Wiederansiedlung der Wölfe in der freien Natur. Ein Thema, das hochaktuell ist und sowohl viele Befürworter wie auch Gegner hat. Mit viel Empathie beschreibt die Autorin das Leben der Wölfe in der freien Natur, ihre Anpassungsfähigkeit, ihr Sozialverhalten, ihren ausgeprägten Familiensinn. In so Manchem ähneln sich der Wolf und der Mensch, und nicht grundlos fragt man sich bei der Lektüre, wer hier die Bestie ist.

„Manche Sprachen habe keine Worte, und die der Gewalt gehört dazu.“ (54)

Gewalt ist das andere wichtige Thema dieses Buches. Die begleitet einige Protagonisten tagtäglich, und wird nicht immer als solche empfunden oder erkannt. Auch Inti und ihre Schwester Aggie, die nach schlimmen Erlebnissen nicht mehr sprechen kann, müssen mit den Erinnerungen an ihre verhängnisvolle Vergangenheit fertigwerden. Es gibt viele bewegende Szenen im Roman, über die man unbedingt nachdenken muss.

Genossen habe ich die sprachlichen Bilder der Natur in einer wunderschönen, poetischen Sprache dargestellt. Faszinierend und fesselnd ist der Roman, gefühlvoll und emotional seine Handlung mit authentisch wirkenden Protagonisten – ein wahrer Lesegenuss!

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Veröffentlicht am 15.08.2022

Ein Thriller mit Sogwirkung

Flug 416
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Es geschieht gleich am Anfang der Geschichte: die unvorstellbare Forderung des Entführers, das Bild der gefesselten Frau und des 10-jährigen Sohnes, das weinende Baby, das Bedrohung durch einen Komplizen ...

Es geschieht gleich am Anfang der Geschichte: die unvorstellbare Forderung des Entführers, das Bild der gefesselten Frau und des 10-jährigen Sohnes, das weinende Baby, das Bedrohung durch einen Komplizen am Bord des Flugzeuges mit 149 Passagieren – all das prasselt gleichzeitig auf den pflichtbewussten Kapitän und den Ehemann und Vater seiner geliebten Familie. Was wird Bill Hoffman tun? Wem kann er noch vertrauen? Kann er diese schier unmögliche Aufgabe allein bewältigen?

Die Anspannung, Wut, Schmerz und Trauer, die Bill ergreifen, konnte ich vollkommen nachempfinden. Bills Lage scheint aussichtslos zu sein. Trotzdem muss er einen kühlen Kopf bewahren und vernünftig handeln.

T. J. Newman, die jahrelang als Flugbegleiterin gearbeitet hat, versteht es, die Szenen des Kampfes ums Überleben, die sich am Bord des Flugzeugs abspielen, glaubwürdig darzustellen. Mit jeder Seite des Buches wächst die Spannung ins Unermessliche. Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, ein Teil der ergreifenden Handlung spielt sich am Boden ab und lässt das Buch nicht aus der Hand legen.

„Flug 416“ – ein großartiger Thriller mit einem atemberaubenden Szenario, gut skizzierten Charakteren und so viel Spannung, dass man sie kaum ertragen kann. Absolut lesenswert!

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Veröffentlicht am 02.08.2022

Spannender Abschied

Violas Versteck (Tom-Babylon-Serie 4)
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Die Suche nach der vor Jahren verschwundenen und inzwischen für tot erklärten Viola geht in dem Band weiter. Der Preis dafür ist hoch: Tom muss sein Job bei der LKA kündigen und seine Ehe mit Anna geht ...

Die Suche nach der vor Jahren verschwundenen und inzwischen für tot erklärten Viola geht in dem Band weiter. Der Preis dafür ist hoch: Tom muss sein Job bei der LKA kündigen und seine Ehe mit Anna geht in die Brüche.
Die Suche nach Viola verläuft mehr als dramatisch. Tom steht allein da, verliert fast sein Leben und riskiert das Leben der Mitmenschen, die seinen Weg kreuzen. Der psychische Druck ist enorm; er weißt nicht mehr, wem er noch überhaupt trauen kann.

Während Tom Violas Spuren in London nachgeht, recherchiert die Psychologin Dr. Sita Johanns auf eigene Faust in Deutschland. Auch sie muss einen hohen Preis für ihre Treue und das Glauben an Toms Geschichte bezahlen.

In zwei Handlungssträngen erzählt Marc Raabe über die abenteuerlichen Nachforschungen der beiden Protagonisten. Die Ereignisse wurden aber nicht zeitgleich dargestellt, was am Anfang für wenig Verwirrung sorgt.

Genauso wie in vorherigen Teilen der Reihe sind die aktuellen Ereignisse mit den Handlungsfäden aus der Vergangenheit verknüpft. Um das aktuelle Geschehen mühelos nachvollziehen zu können, wäre es vorteilhaft zuerst die Vorgängerbücher zu lesen.

Nichtdestotrotz bietet „Violas Versteck“, das vierte Buch aus der Reihe mit Tom Babylon, eine erstklassige Unterhaltung. Fesselnd geschrieben, mit vielen Gänsehautmomenten und temporeichen Szenen will das Buch in einem Zug gelesen werden. Denn die Spannung ist enorm und die Auflösung des Rätsels um Violas Verschwinden überwältigend.

Die Reihe endet mit dem Buch, aber ich hoffe, dass Tom nicht untätig bleiben kann und dass Marc Raabe uns mit neuen Büchern mit ihm bald überraschen wird.

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