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Veröffentlicht am 11.11.2018

Tödliche Träume

Mörderische Renovierung
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A. ist dreiundzwanzig und der Erbe eines großen Anwesens in den Staaten. Zu dem Anwesen gehören praktischerweise auch ein paar Millionen Dollar, sodass er es sich leisten kann, Müßiggang zu betreiben. ...

A. ist dreiundzwanzig und der Erbe eines großen Anwesens in den Staaten. Zu dem Anwesen gehören praktischerweise auch ein paar Millionen Dollar, sodass er es sich leisten kann, Müßiggang zu betreiben. Zu ihm gehört ein stummes, irisches, etwa 15jähriges Mädchen und einige Zeit später ein Hund namens Help. Das Erbe ist riesig, nicht nur finanziell gesehen. Im Haus befinden sich so viele Türen und Zimmer, ein Garten zum Verlaufen samt einem Labyrinth und Grund, soweit das Auge reicht. Doch schon nach kurzer Zeit bemerken sie, dass irgendwas in ihrem neuen Zuhause nicht stimmt. A. träumt immer scheußlichere Träume und vielleicht, so die düstere Ahnung, hat es einen Grund, warum der Mann, der ihm das alles vererbt hat, Selbstmord begangen hat ...

Das ist mal eine originelle Geschichte, wie ich sie in der Art noch nie gelesen habe. Nicht nur, dass der Plot sehr interessant entwickelt wird und auch das ein oder andere Mal Humor nicht fehlt, ist die Art des Buches sehr cool gestaltet. In Tagebucheinträgen, Briefen an eine ominöse Tante Liza, Kameraaufzeichnungen und anderen Dokumenten wird vor dem Leser das Bild einer komplexen Story entworfen, die nur auf den ersten Blick einfach zu durchschauen ist. Ganz, ganz kurz gab es zum Ende des ersten Abschnitts einen kurzen Hänger, doch der endet mit einem solchen: einen Cliffhanger, der dazu zwingt, sofort weiterzulesen und Geheimnis um Geheimnis aufzudecken. Dabei bekommt man en passant Einblicke in Dechiffrierung und Decodierung - nicht immer leicht zu verstehen, aber wenn man sich reinfuchst, richtig faszinierend.

Zum Abschluss eine Warnung: Das Buch spielt Mitte der 90iger, vielleicht schreckt das den einen oder anderen ab, denn die Technik mutet teilweise antik an. Außerdem werden viele überhaupt nicht mit den verschiedenen Arten der Erzählung, die ich oben erwähnt habe, klarkommen, das ist nicht jedermanns Sache und ziemlich oft ist Mitdenken erforderlich. Wen das alles nicht stört, bekommt von mir eine dicke Leseempfehlung.

Veröffentlicht am 28.10.2018

Harry Potter im Wandel der Zeiten

Harry Potter: Eine Geschichte voller Magie
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Eine Geschichte voller Magie ist ein Zusatzband zu den Harry-Potter-Geschichten, welcher anlässlich des 20jährigen Jubiläums vom "Stein der Weisen" und der Ausstellung anlässlich dieses Ereignisses erschienen ...

Eine Geschichte voller Magie ist ein Zusatzband zu den Harry-Potter-Geschichten, welcher anlässlich des 20jährigen Jubiläums vom "Stein der Weisen" und der Ausstellung anlässlich dieses Ereignisses erschienen ist.

Eigentlich gibt es nicht viel dazu zu sagen. Es ist eine Sammlung - bestehend aus handschriftlichen Notizen und Zeichnungen von J.K.Rowling selbst, ersten Entwürfen in ihrer krakeligen Handschrift, mit der sie selbst Professor Snape Konkurrenz macht, Experten und Kuratoren der Archive der English Library, die nicht nur über alte Artefakte berichten, sondern auch, welche Beziehung sie zu den Harry-Potter-Büchern haben. Es ist aufgebaut wie die Unterrichtsfächer in Hogwarts und als solche geben sie Einführung in die Magie alter Zeiten, in Aberglauben, in Hexenkünste, Zaubersprüche, Symbole, Pergamente und fantastische Tierwesen.

Ergänzt wird vieles durch die Bilder von Jim Kay, der durch die illustrierten Ausgaben der Harry-Potter-Bücher bekannt wurde sowie Zeichnungen und Sketche von Rowling selbst, die auch hier viel Talent beweist. Interessant fand ich Anmerkungen von ihr selbst und der Lektorin/dem Lektor und wie sehr manche Szenen eigentlich für andere Stellen oder gar andere Bücher der Reihe geplant waren. Alles in allem ist das kein Buch zum einfach mal durchblättern. Stattdessen ist es wirklich wie eine Ausstellung, aber eine, die man im Regal stehen hat, immer wieder herausziehen und ansehen kann - und auch wird, um einfach jedes Mal aufs Neue etwas anderes Faszinierendes zu entdecken.

Veröffentlicht am 19.09.2018

I see dead saints

Heilige und andere Tote
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Maud Drennan ist Irin, Sozialbetreuerin und in der Lage, tote Heilige zu sehen, was weiß Gott nicht immer die einfachste Angelegenheit ist, da die dazu neigen, sich ungefragt in Gespräche einzumischen. ...

Maud Drennan ist Irin, Sozialbetreuerin und in der Lage, tote Heilige zu sehen, was weiß Gott nicht immer die einfachste Angelegenheit ist, da die dazu neigen, sich ungefragt in Gespräche einzumischen. Ihr neuester Pflegefall ist Cathal Flood, ein alter, knorriger, mürrischer und möglicherweise gefährlicher Mann. Ist doch sowohl seine Frau unter merkwürdigen Umständen ums Leben gekommen als auch seine Tochter unter noch merkwürdigeren Verhältnissen verschwunden. Sein Haus ist eine Messiekatastrophe, und je mehr Maud entrümpelt, desto mehr enthüllen sich ihr, den Heiligen und ihrer neugierigen Vermieterin Geheimnisse, von denen einige hofften, dass sie für immer unter all dem Müll verschwunden geblieben wären.

Jess Kidd hatte mich schon letztes Jahr mit ihrem Erstling "Der Freund der Toten" in den Bann gezogen. Und wie auch schon dort sind die Hauptprotagonisten eigentlich nicht die Lebenden, sondern die Toten, die sich ein wenig in die Angelegenheit der Lebenden einmischen. Auch hier ist die Sprache von einer Poesie, die ich noch in keinem anderen Buch gefunden habe und trotz des Fantasieanteils gibt es wenige Bücher, die authentischer wirken. Die Autorin hat ein Händchen für völlig skurrile Typen, ausgefallene Handlungen und einen Schreibstil, der andere in den Schatten stellt. Dies ist eine Lektüre, die man über die Jahre immer wieder lesen kann, um Neues zu entdecken und mit alten Freunden einen Tee zu trinken.

Veröffentlicht am 06.08.2018

Das Monster vom See

Stella Montgomery und der schaurige See von Wormwood Mire
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Nach ihrem letzten Abenteuer ist Stella bei ihren schrecklichen Tanten endgültig in Ungnade gefallen und wird weit weggeschickt zu irgendwelchen fernen Verwandten, von denen sie noch nie was gehört hat. ...

Nach ihrem letzten Abenteuer ist Stella bei ihren schrecklichen Tanten endgültig in Ungnade gefallen und wird weit weggeschickt zu irgendwelchen fernen Verwandten, von denen sie noch nie was gehört hat. In dem Haus hat früher einmal ein berühmter Forscher der Familie gewohnt; jetzt sollen Stella, ihr Cousin Theodor und ihre Cousine Hortense dort in allen relevanten Unterrichtsfächern gedrillt werden. Zu ihrer Erleichterung stellt Stella bei ihrer Ankunft fest, dass sowohl ihre Verwandten als auch das Personal durchaus umgänglich sind und Theodor und Hortense für jedes Abenteuer zu haben. Eines Tages bemerken sie ein seltsames, gruseliges Ungeheuer im See, doch das sind nicht die einzigen bemerkenswerten Geschehnisse, die sich ereignen werden.

Ich fand diesen Band hier sogar besser als den ersten, vielleicht lag es an der Umgebung, mit so einem alten Familienstammsitz kann man nicht viel falsch machen. Die Figuren sind so sympathisch oder bösartig gezeichnet, wie sich das für ein Kinderbuch gehört und ich mag dieses altmodische Flair, das gleichzeitig entschleunigt und doch für Spannung sorgt. Ein bisschen schade fand ich, dass man von den anderen Kids aus dem ersten Abenteuer nichts mehr gehört hat, aber wenigstens kam man hier dem Geheimnis von Stellas Herkunft ein bisschen mehr auf die Schliche. Ja, ich bin jetzt tatsächlich gespannt, wie es mit Stella Montgomery weitergeht. 4,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Krieg in den Köpfen

Vergessene Seelen
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Sommer 1948: Es ist heiß in Dresden, so heiß, wie die vorherigen Winter hundekalt waren. Max Heller wird in kurzer Zeit zu zwei unterschiedlichen Fällen gerufen: zuerst ein toter Junge, der auf einer Baustelle ...

Sommer 1948: Es ist heiß in Dresden, so heiß, wie die vorherigen Winter hundekalt waren. Max Heller wird in kurzer Zeit zu zwei unterschiedlichen Fällen gerufen: zuerst ein toter Junge, der auf einer Baustelle gefunden wurde, dann ein Mann, der kopfüber in einem Kanalloch hängt. Gehören die Todesfälle zusammen? Warum reagiert die Familie des Jungen so seltsam? Zwischen prügelnden Vätern, bandenbildenden Jugendlichen, resignierten Frauen, dem Krieg in den Köpfen der Menschen und unterschiedlichen Weltanschauungen gerät Heller bald in ein moralisches Dilemma, das auch in seiner eigenen Familie nicht Halt macht und ihn weit in die Vergangenheit zurückkatapultiert.

Natürlich sind die Fälle interessant, zweifellos. Doch die große Stärke des Buches ist die Fähigkeit des Autors, uns zurück in diese Zeit zu nehmen, die so grauenvoll war trotz Ende des Krieges. Nur weil es keine Kampfhandlungen mehr gab, bedeutete das ja nicht, dass plötzlich alle Leute im Kopf klar wurden. Es bedeutete auch nicht, dass es allen Menschen über Nacht gut ging, im Gegenteil. Die Leute hungerten, hatten keine vernünftigen Unterkünfte, alles gab es auf Marken, der Schwarzmarkt boomte. Ist es ein Wunder, dass sie auf Biegen und Brechen versuchten, irgendwie über die Runden zu kommen? Goldammer hat hier ein beeindruckendes Stück Zeitgeschichte abgeliefert, bei dem sich jeder selbst fragen kann, wie er sich wohl verhalten hätte.