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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.03.2024

Schräg gegenüber

Willkommen bei den Grauses 1: Wer ist schon normal?
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Ottilie ist neun Jahre alt und liest lieber zuhause ein Buch, als mit Gleichaltrigen etwas zu unternehmen. Das ändert sich aber, als eines Tages die Grauses schräg gegenüber in die Sackgasse einziehen. ...

Ottilie ist neun Jahre alt und liest lieber zuhause ein Buch, als mit Gleichaltrigen etwas zu unternehmen. Das ändert sich aber, als eines Tages die Grauses schräg gegenüber in die Sackgasse einziehen. Die sind schon sehr seltsam. Der Junge hat kleine Hörner auf dem Kopf und heißt Muh, das Mädchen namens Wolfi hat sehr spitze Zähne und das dritte kleine Kind ... ist meistens unsichtbar - und außerdem ein Geist. Die ganze Familie besteht aus übernatürlichen Wesen, aber natürlich darf Ottilie das offiziell nicht wissen. Als sie sich anfreunden, merkt sie schnell, wie anders die Grauses sind und dass sie unter Menschen noch viel lernen müssen; besonders, weil es im hellgrauen Buch der Verfehlungen schnell zu dunkelgrauen Punkten kommen kann.

Das Buch wird sehr niedlich und begeistert von der Autorin selbst gelesen. Normalerweise mag ich es nicht, wenn die AutorInnen das selbst tun, aber hier gibt es wirklich überhaupt nichts zu meckern. Die Messages der Geschichte sind auch klar: Seid nett und tolerant zueinander, Anderssein ist mehr als okay und überhaupt gibt es Wichtigeres als immer alles gleich zu tun, zum Beispiel Familienzusammenhalt. Für Erwachsene kommt das vielleicht manchmal ein bisschen zu sehr mit dem Holzhammerchen und es wird alles wirklich sehr einfach gelöst. Aber für mein Vorlese- in dem Fall Mithörkind war das wohl völlig in Ordnung, denn sie hat dazu nichts gesagt und sich gut amüsiert.

Veröffentlicht am 29.02.2024

Eisen, erwache!

Essex Dogs
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Wir befinden uns im Jahre 1346, mitten im Hundertjährigen Krieg. Die Essex Dogs sind eine zehnköpfige Söldnertruppe, die in der Normandie an Land geht, um für ihren König Eduard III. Anspruch auf den französischen ...

Wir befinden uns im Jahre 1346, mitten im Hundertjährigen Krieg. Die Essex Dogs sind eine zehnköpfige Söldnertruppe, die in der Normandie an Land geht, um für ihren König Eduard III. Anspruch auf den französischen Thron zu erheben. Sie sind Teil einer großen Armee und beginnen schon bei ihrer Ankunft, die französischen Truppen anzugreifen, die Zivilbevölkerung zu töten und zu drangsalieren und das Land gezielt zu verwüsten. Sie sind zu zehnt: fünf Bogenschützen, darunter zwei Waliser, die kein Wort Englisch verstehen, ein sechzehnjähriger Junge und zwei erprobte englische Langbogenschützen, dazu der riesige Scotsman, Father, der irre Ex-Priester, Pismire, klein und drahtig, Millstone, der lieber Söldner ist als als Mörder verurteilt zu werden und Loveday, der Anführer.

Und wenn man es genau nimmt, ist mit dieser Beschreibung alles gesagt. Die Armee zieht von Ort zu Ort, sie kämpfen, bluten, töten, brennen nieder. Und auch, wenn es sich bei den Dogs um Söldner - also nichts anderes als bezahlte Killer - handelt, lässt man sich schnell und gern in die Handlung ziehen und fängt vielleicht an, den einen oder anderen sympathisch zu finden. Man merkt, dass der Autor Ahnung von der Materie hat und es ihm Spaß macht, die Geschichte ein bisschen anders darzustellen. Wo der Schwarze Prinz (also Eduards Sohn) in der historischen Überlieferung ein edler, aufrechter, sechzehnjähriger Held ist, kommt er hier als weinerlicher Jammerlappen herüber, der nicht einmal von seinem eigenen Vater ernstgenommen wird.

Die Adligen treiben ihr böses Spiel nicht nur mit der Bevölkerung, sondern auch mit ihren eigenen Leuten. Und die einfachen Leute in der Armee haben eigentlich keine Ahnung, worum es hier eigentlich geht; sie marschieren, leiden selbst, verursachen Leid und das alles im Namen einer Sache, die sie selbst überhaupt nicht betrifft. Mir hat dieser Ausflug ins Mittelalter - nun, Spaß gemacht kann man wohl nicht sagen, dafür sind die Geschehnisse einfach wirklich hart. Aber gern gelesen habe ich das Buch allemal.

Veröffentlicht am 24.02.2024

Juniper Song

Yellowface
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Sie kennen sich seit dem Studium: die junge amerikanische Autorin June Hayward und die chinesischstämmige Athena Liu. Athena ist dabei das gefeierte Wunderkind der Literaturbranche - welches Buch sie auch ...

Sie kennen sich seit dem Studium: die junge amerikanische Autorin June Hayward und die chinesischstämmige Athena Liu. Athena ist dabei das gefeierte Wunderkind der Literaturbranche - welches Buch sie auch schreibt, welches Thema sie anpackt, es wird zu Gold. June hingegen dümpelt maximal in der Backlist herum; ein Zustand, der ihren Neid genauso wachsen lässt wie den Erfolg von Athena. Athena ist trotz ihrer Jugend eine altmodische Autorin, die ihre Werke zuerst auf einer Schreibmaschine schreibt und nirgends sonst speichert. Das kommt June entgegen, als Athena in ihrer Anwesenheit plötzlich stirbt. Sie stiehlt das Manuskript, überarbeitet es und gibt es als ihr eigenes Werk aus. Bald jedoch werden die ersten Stimmen laut, die ihre Urheberschaft bezweifeln.

Ich kenne von der Autorin nichts, obwohl ich natürlich vom hochgelobten "Babel" gehört habe. Und auch der Hype für Yellowface ging nicht an mir vorbei und ich gebe zu, er ist nicht unverdient. Athena dürfte viel von Rebecca selbst haben: eine großartige Autorin, deren Genialität erkannt und gefeiert wird, wobei sich die Verantwortlichen wegen ihres Sinns für Diversität auf die Schultern klopfen. Mit spitzer Feder deutet die Autorin in dem Buch auf alles, was gerade mega aktuell ist. Die Diskussionen um Diversität, Rassismus, kulturelle Aneignung, Plagiat. Ich bin nicht ganz sicher, ob es ein genialer Trick ist, June zwar als menschlich, aber doch eher wenig liebenswert darzustellen, oder ob sie damit Gnade zeigt, denn das Buch ist mit dem Shitstorm und allem, was June dann passiert, keine leichte Kost und teilweise fast unerträglich zu lesen. Wie oft wird hier die Frage - abseits vom Plagiat - gestellt, ob June mit ihrer Herkunft überhaupt das Recht hat, über das Leiden eines anderes Volkes zu schreiben.

Unglaublich scharfsichtig seziert Rebecca F. Kuang hier die Literaturszene, die gegenwärtige Diskussionskultur (ob man das überhaupt so nennen darf?), das Ablehnen jeglicher Verantwortung von Seiten der Verlags/Agenturgrößen. Und am Ende stellt man sich selbst - nicht völlig unernst gemeint - eine weitere Frage: Hätte eine andere Autorin als Rebecca, eine mit Junes Herkunft zum Beispiel, überhaupt dieses Buch schreiben dürfen?

Veröffentlicht am 12.02.2024

Schatztruhe

Der Wortschatz
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Oscar buddelt gerade so vor sich hin einem Wald herum, als er auf eine Truhe stößt. Eine Truhe, in der Erde? Das kann doch nur eine Schatztruhe sein, oder? Nach nicht ganz kurzer Zeit - aber auch garantiert ...

Oscar buddelt gerade so vor sich hin einem Wald herum, als er auf eine Truhe stößt. Eine Truhe, in der Erde? Das kann doch nur eine Schatztruhe sein, oder? Nach nicht ganz kurzer Zeit - aber auch garantiert nicht länger als zu lange - gelingt es Oscar, diese Truhe zu öffnen. Doch als er hineinschaut, ist er enttäuscht. Wo sind die Schätze? Statt des erwarteten Goldes, Silber oder Piratenjuwelen findet er ... Wörter. Zwar kann man sie biegen, sie dehnen, zusammenknüllen - aber ansonsten? Er wirft deshalb Quietschegelb einfach weg. Und fällt beinahe aus allen Wolken, als plötzlich ein quietschegelber Igel an ihm vorbeisaust. Begeistert benutzt er alle anderen Wörter aus der Truhe. Bis er plötzlich wortlos ist. Und jetzt?

Wir haben hier eine sehr kurze, sehr kindgerechte Geschichte vorliegen, die mit vielen Illustrationen erzählt wird. Tatsächlich sprechen die Bilder eine fast deutlichere Sprache als die Wörter. Ich habe das Buch mit meinem Vorlesekind gelesen/angesehen. Und ja, wir haben uns über einige der Wörter und Oscars Handlungen gut amüsiert. Aber so schön das ist, wenn darauf hingewiesen wird, dass man mit Worten viel tun und daher achtsam mit ihnen umgehen soll, so wäre es doch trotzdem auch vernünftig gewesen, die Macht von Sprache und Worten kindgerecht auch im negativen Sinne zu behandeln. So hat mir im Endeffekt doch ein bisschen was gefehlt, was ich jetzt meinem Vorlesekind irgendwie anders vermitteln muss.

Veröffentlicht am 10.02.2024

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Stars In Your Eyes
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Es sind die News in Hollywood: Der junge, aufstrebende Sunnyboy Matthew Cole wird zusammen mit dem ehemaligen Kinderstar und jetzigem Badboy Logan Grey einen Film drehen. Und nicht nur, dass es sich bei ...

Es sind die News in Hollywood: Der junge, aufstrebende Sunnyboy Matthew Cole wird zusammen mit dem ehemaligen Kinderstar und jetzigem Badboy Logan Grey einen Film drehen. Und nicht nur, dass es sich bei beiden um PoC handelt, werden sie auch ein schwules Paar darstellen. Doch bevor es noch richtig losgegangen ist, behauptet Grey gegenüber Journalisten, dass Mattie Cole ein mieser Schauspieler ist. Der Skandal droht dem Film Verluste einzufahren, also beschließen die Produzenten, dass Cole und Grey auch abseits vom Set ein Paar darstellen müssen - das beliebte Enemies-to-Lovers-Trope. Doch aus dem Fake wird für Mattie bald viel mehr - doch Logan ist und bleibt beziehungsunwillig ... Oder?

Es ist bis etwa ein Drittel der Geschichte recht süß, eine nette, kleine Liebesgeschichte, die das oben erwähnte Trope bedient und sich eigentlich nur von anderen abhebt, weil es sich bei den Protagonisten um People of Color handelt. Doch auch da wird schon unterschwellig auf Missbrauch hingedeutet und das, was es mit den jüngsten Schauspielern anstellt, in Hollywood ein Star zu sein. Ein bisschen störend sind dabei, dass viele Dinge immer wiederholt werden. Andererseits sind das wirklich wichtige Messages: Jeder Mensch ist es wert, geliebt oder wenigstens respektiert zu werden, sich selbst nicht zu verlieren und für andere da zu sein. Spätestens ab dem letzten Drittel wird es sehr dramatisch und konnte mich mit den ernsthaften und gut dargestellten Problemen und Themen richtig packen. Aus der süßlichen Lovestory wird eine Geschichte über Respekt, Freundschaft, Liebe, Consent und Selbstachtung und das mochte ich sehr. Es gibt ein paar Trigger, die in einer Warnung am Ende des Buches enthalten sind und die man ernstnehmen sollte. Richtig gut fand ich, dass eben nach Drehschluss die Helden nicht zusammen in den Sonnenuntergang reiten, sondern an sich und ihren Problemen arbeiten müssen.