Profilbild von Archer

Archer

Lesejury Star
offline

Archer ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Archer über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.09.2023

Spione für England

Spionieren ist (k)ein Kinderspiel
0

May Wong ist die jüngere Schwester von Hazel und sie hasst, hasst, hasst es auf der Deepdean-Mädchenschule - oder ganz allgemein in England. Und dann befindet sich England im Jahre 1940 auch noch im Krieg ...

May Wong ist die jüngere Schwester von Hazel und sie hasst, hasst, hasst es auf der Deepdean-Mädchenschule - oder ganz allgemein in England. Und dann befindet sich England im Jahre 1940 auch noch im Krieg und sie kann nicht einfach nach Hongkong zurückkehren. May, die immerhin fast elf Jahre alt ist (also so in einem halben Jahr oder so) beschließt, etwas gegen den Krieg zu unternehmen. Sie büxt aus der Deepdean aus und begibt sich nach London, um Spionin zu werden. Natürlich ist sie viel zu jung und wird abgelehnt, doch sie lernt einen wertvollen Verbündeten kennen: den gleichaltrigen Eric. Zusammen mit ihm lässt sie sich zum Schutz vor den Bomben aufs Land bringen, nach Elysium Hall, wo sie Spione der Nazis vermuten. Wenn sie die entlarven, steht ihrer Karriere als Agenten für England nichts mehr im Wege! Doch dann geschieht ein Mord ... und ein zweiter.

Ich liebe ja schon die Reihe um Wells und Wong, Mays ältere Schwester Hazel und deren beste Freudin Daisy. Mit May haben wir eine wunderbare eigene Persönlichkeit vorliegen, die gleichzeitig völlig natürlich kindlich naiv, stur und anstrengend ist, aber auch extrem clever und mutig sein kann. Zusammen mit ihren neuen Freunden - dem Schwarzen Eric, der aus Deutschland fliehen musste - und Nuala, der Enkelin des Herrenhauses, bildet sie ein perfektes Team, um nicht nur ihre Ziele zu erreichen, sondern auch Freundschaft, Missgunst, Hass, Angst und all die anderen Gefühle rüberzubringen, die mitten in einem furchtbaren Weltkrieg auftauchen. Dabei ist die Bedrohung des Krieges keine subtile; man bekommt den permanenten Druck selbst dort auf dem Land gut zu spüren. Verdunkelung, Gasmaskentaschen, mögliche Spione und Agenten der Gegenseite, dazu die Morde, die Intrigen, die falschen Fährten: Robin Stevens webt wieder ein unglaublich spannendes Netz, in welchem sich nicht nur die jungen Protagonisten schnell verheddern können. Her mit dem zweiten Fall!

Veröffentlicht am 05.09.2023

Schnüffler, Katzen und Cold Cases

Hals- und Pfeilbruch
0

Mit diesem Buch haben wir den zweiten Band der Niederbayernkrimireihe um Ronja, Veit und Kitten vorliegen. Gleich vorneweg: Auch der hat mich wieder kurzweilig unterhalten und amüsieren können.

Ronja ...

Mit diesem Buch haben wir den zweiten Band der Niederbayernkrimireihe um Ronja, Veit und Kitten vorliegen. Gleich vorneweg: Auch der hat mich wieder kurzweilig unterhalten und amüsieren können.

Ronja und Veit, ihr Kriminalkommissar, mit dem sie seit Band 1 zusammen ist und den sie mit ihrer Vorliebe fürs Bogenschießen angesteckt hat, sind zusammen auf einem Bogenparcours, als ihnen plötzlich eine tote Frau vor die Füße fällt. Unfall? Selbstmord? Ronja ist sich sicher, dass sie kurz vorher jemanden mit der Frau hat sprechen hören. Als sie erfährt, dass die Tote die Vorsitzende einer Autorenvereinigung ist, kommt sie unverhofft in Kontakt mit seltsamen Menschen der schreibenden Zunft. Doch dann gibt es einen zweiten Todesfall unter den AutorInnen und irgendwie möchte sie auch noch herausfinden, was es mit dem vierzig Jahre alten Mord auf sich hat, der sich in ihrer Gegend ereignete ...

Ich habe schon den ersten Band richtig abgefeiert. Man merkt, dass die Autorin weder sich noch ihre Charaktere allzu ernst nimmt und alles mit einem Augenzwinkern erzählt. Was die Katze von Ronja jedes Mal abzieht, ist so extrem aus dem Leben gegriffen - Katzenbesitzer wissen, was ich meine. Richtig gut finde ich, dass hier der männliche Part nicht als supercool, sondern als einfach feiner, netter Kerl dargestellt wird und Ronja keine Zicke ist. Und wenn sie doch Zickenanwandlungen hat, das selbst merkt und blöd findet. Das Buch ist nicht lang, punktet aber mit viel Sympathie, Charme und Humor. Wo bleibt Teil 3?

Veröffentlicht am 05.09.2023

Kampf dem Tyrannen!

Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)
0

Einst war Krasnia ein Land, in dem Bildung und Kultur geschätzt wurde. Dann übernahm der Tyrann Charles Putin ... Verzeihung, Charles Malstain die Regierung und alles, was schön und gut war, wurde verboten. ...

Einst war Krasnia ein Land, in dem Bildung und Kultur geschätzt wurde. Dann übernahm der Tyrann Charles Putin ... Verzeihung, Charles Malstain die Regierung und alles, was schön und gut war, wurde verboten. Kinder dürfen nicht mehr draußen spielen, sie dürfen nur zur Schule und werden danach zuhause eingesperrt. Die zwölfjährige Rachel Klein und ihr Bruder wachsen nach dem Tod ihrer Mutter bei ihrem Vater auf. Als der eines Tages festgenommen wird, gelangt ein wertvolles Buch in ihren Besitz - das Buch der gestohlenen Träume, mit dessen Hilfe man angeblich den Tod überwinden kann. Ausgerechnet dieses will der todkranke Tyrann Charles Malstain in die Finger bekommen und so beginnt eine Jagd, die bis in ein anderes Land und zurück, über Waisenhäuser zu Geistern und hilfreichen Dieben führt ...

Zugegeben, anfangs war das Buch ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Doch sobald man sich in den Schreibstil, bei dem der Autor manchmal die vierte Wand bricht, eingefuchst hat, macht es nur noch Spaß. Nicht, dass es wirklich lustig oder amüsant zu lesen wäre, das nicht. Aber wir haben hier ein spannendes Kinderabenteuer vorliegen, bei dem die beiden Jugendlichen immer in höchster Gefahr waren und über sich hinauswachsen mussten. Dabei spart der Autor auch nicht mit Anspielungen auf historische und jetzige Ereignisse, auch Tod, Folter, Tyrannei spielen eine gewichtige Rolle. Manche werden genau das anprangern - ich finde es jedoch gut, wenn auch Kinder schon mit diesen Themen konfrontiert und auf kindgerechte Weise rangeführt werden. Für mich hätte das Buch mit diesem Ende auch abgeschlossen sein können, aber ich bin trotzdem gespannt, was uns im nächsten Band erwarten wird.

Veröffentlicht am 12.08.2023

Alltagsrassismus

Weiße Tränen
0

Wenn man sechzehn ist, hat sich die ganze Welt gegen einen verschworen. Zumindest empfindet das Lenny so. Zum Glück hat er gute Freunde, zum Beispiel Serkan und dessen Schwester Elif, die er schon so lange ...

Wenn man sechzehn ist, hat sich die ganze Welt gegen einen verschworen. Zumindest empfindet das Lenny so. Zum Glück hat er gute Freunde, zum Beispiel Serkan und dessen Schwester Elif, die er schon so lange kennt und die plötzlich neue Gefühle in ihm auslöst. Doch alles ändert sich, als Benjamin neu an die Schule kommt. Der Schwarze Jugendliche spricht Alltagsrassismus knallhart an, lässt sich nicht in Schubladen einsortieren, bringt die Theater-AG zum Kochen und zeigt die Denkweise eines beliebten Lehrers auf, der deutsche und weiße Kinder immer bevorzugt. Und plötzlich weiß Lenny nicht mehr, was er denken soll: Wie kann er ein Rassist sein, wenn doch sein bester Freund Türke ist?

Wow. Dieses Buch hat mich echt mitgenommen, aufgerüttelt, direkt ein bisschen durchgeschüttelt. Ohne erhobenen Zeigefinger und tatsächlich ohne, dass Benjamin überhaupt viel tut in diesem Buch, wird anhand von Lenny und seinem Entwicklungs- und Lernprozess auf kristallklare Weise gezeigt, wie extrem privilegiert wir sind, die wir weiß und deutsch sind. Was es bedeutet, eine andere Hautfarbe zu haben oder auch mit einer anderen (zweiten) Kultur aufzuwachsen, Anfeindungen ausgesetzt zu sein, benachteiligt zu werden, ohne dass sich jemand Gedanken darüber macht. Ganz besonders auch der positive Rassismus hat etwas in mir zum Klingen gebracht; dessen habe ich mich sicher nicht nur einmal schuldig gemacht. In diesem Buch wird so viel angesprochen, das man durchdenken sollte, macht es meiner Meinung nach zu einer perfekten Schullektüre mit Charakteren, wie sie überall und in jedem Umkreis auftauchen und mit denen man sich identifizieren kann.

Veröffentlicht am 21.07.2023

Ihr Auftritt, Mister Quin!

Der seltsame Mister Quin 1
0

Es ist ein Kommen und Gehen, erklärt in einer der Geschichten jemand dem erzählenden Mister Sattisway, und ja, auf den seltsamen und geheimnisvollen Mister Quin trifft das auf jeden Fall zu. Er scheint ...

Es ist ein Kommen und Gehen, erklärt in einer der Geschichten jemand dem erzählenden Mister Sattisway, und ja, auf den seltsamen und geheimnisvollen Mister Quin trifft das auf jeden Fall zu. Er scheint immer dann aufzutauchen, wenn unser kleiner, etwas versnobter, älterer, wohlhabender Mister Sattisway sich in einer seltsamen Situation befindet. Mal ist ein Mord geschehen, mal Einbrüche, mal wird erst etwas geschehen, mal scheint überhaupt nichts zu sein. Und dennoch: Wenn Mister Quin auftaucht, weiß Mister Sattisway, dass etwas im Argen liegt: Aber nicht mehr lange. Denn mit Hilfe von Mister Quins blitzgescheiten Fragen kommen Anwesende und Beteiligte auf die Spur von Verbrechen ...

Hier liegen die ersten vier Kurzgeschichten vor, die Agatha Christie mit diesem skurrilem Paar geschrieben hat. Da ist zum einen der seltsame Mister Quin: ein Sherlock Holmes, ein Richter, ein Gerechter, einer, der den Dingen auf den Grund geht. Immer höflich, zurückhaltend, zuhörend, Fragen stellend. Und sein Gegenstück, Agathas persönlicher Watson, der dank scharfsinniger Fragen scharfsinnige Gedanken wälzt und vom Beobachter zum Akteur wird. Es hat ein paar Minuten gedauert, bis ich mit dem Sprecher klarkam, zu sehr klingt er im ersten Moment wie eine Mischung aus alt, bedächtig, ja, geradezu altmodisch. Aber nicht nur die Geschichten entwickeln ihren eigenen Charme, auch die Stimme des Sprechers tut es und nein, ich kann mir mittlerweile niemanden anders vorstellen, der das noch besser lesen könnte.

Und dann ist da am Ende nicht nur die Befriedigung, interessante Geschichten gehört und mitgerätselt zu haben; da ist auch das leise, feine Amüsement über die Namen der Protagonisten. Mister Harley Quin, der Harlekin, aber kein lächerlicher Geselle, sondern der, der der Gesellschaft den Spiegel vorhält. Und sein Sidekick, der gute alte Mister Sattisway - Set this way, der immer dann außerhalb der Box, außerhalb der gesetzten Wege zu denken vermag, wenn der von ihm so geschätzte Mister Quin auftaucht. Ein rundum gelungenes Kurzgeschichtenvergnügen!