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Veröffentlicht am 15.01.2020

Eine Protagonistin, die mein Interesse nicht wecken konnte

Sofia trägt immer Schwarz
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Fast wäre schon Sofia Muratores Einstieg ins Leben missglückt, nachdem ihre Mutter Rossana während der Schwangerschaft verbotene Medikamente geschluckt hatte. Schon kurz nach der Geburt sinnt ihr Vater ...

Fast wäre schon Sofia Muratores Einstieg ins Leben missglückt, nachdem ihre Mutter Rossana während der Schwangerschaft verbotene Medikamente geschluckt hatte. Schon kurz nach der Geburt sinnt ihr Vater darüber nach, wer wohl für das Leid der jeweils anderen verantwortlich ist – die Mutter für das Leid der Tochter oder doch eher umgekehrt? Denn ohne die Schwangerschaft wäre es nicht zur Ehe der Eltern gekommen und Rossana vielleicht nicht immer tiefer in Depressionen versunken. Vor den häuslichen Auseinandersetzungen flieht der Vater Roberto in die Arme einer jungen Kollegen. Für Sofia bedeutet das eine Kindheit in einem zerrütteten Elternhaus mit einer psychisch kranken Mutter und einem meist abwesenden Vater, Rebellion, Ängste vor dem Alleinsein und eine Essstörung. Nach einem Selbstmordversuch im Alter von 16 und einem Klinikaufenthalt nimmt die Schwester des Vaters sie bei sich auf, Sofia kann ihren Wunsch nach einer Schauspielausbildung verwirklichen, doch sie bleibt auf der Flucht vor sich selbst.

Ein nachträglich übersetzter Debütroman
Nachdem der 1978 in Mailand geborene Paolo Cognetti für seinen sehr lesenswerten Roman "Acht Berge" 2017 den renommiertesten italienischen Literaturpreis, den Premio Strega, erhielt, und auch in Deutschland einen großen Erfolg erzielte, veröffentlichte der Penguin Verlag 2018 seinen Debütroman "Sofia trägt immer Schwarz" aus dem Jahr 2012, 2013 ebenfalls auf der Shortlist dieses Preises.

Kein Zugang zur Protagonistin
Leider hat mich Paolo Cognetti mit diesem Roman nicht erreicht. Zwar mochte ich die Sprache und den Aufbau mit den unterschiedlichen Erzählperspektiven vom auktorialen Erzähler über das „Du“ bis zum Ich-Erzähler und die Herausforderung zur Neuorientierung in jedem der zehn, nicht streng chronologisch angeordneten Kapitel. Die Annährung an eine Protagonistin über Umwege und in Puzzleform, wie es beispielsweise auch Minna Rytisalo in ihrem Roman "Lempi, das heißt Liebe" so großartig macht, lese ich eigentlich gerne. Dass dabei zwangsläufig Unschärfen und Widersprüche entstehen, stört mich nicht. Allerdings hat Paolo Cognetti es zu keiner Zeit verstanden, mich für seine Protagonistin zu interessieren. Nicht nur, dass Sofia mir fremd geblieben ist, ich hatte gar nicht das Bedürfnis, mehr über diese egozentrische Figur zu erfahren. Mag sein, dass die schwere Kindheit ihr Verhalten in Teilen rechtfertigt, ihr Umgang mit Menschen, die es gut mit ihr meinen und sie mögen, hat mich trotzdem abgestoßen.

Interessante Nebenfiguren
Ganz anders wäre meine Beurteilung ausgefallen, hätte Cognetti eine seiner wirklich interessanten Nebenfiguren in den Mittelpunkt gestellt, Sofias Tante Marta, den angehenden Autor und Ich-Erzähler Pietro aus dem letzten Kapitel oder Emma, die Geliebte des Vaters. Ein „feines Gespür für die drängenden Fragen des Lebens“, das der Verlagstext verspricht, habe ich nicht wahrgenommen, viel eher schon das „Sittengemälde der Achtzigerjahre“ .

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Veröffentlicht am 12.01.2020

Ein Foto und die fatalen Folgen

Blumentod
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Zwölf Jahre liegen zwischen den beiden Haupthandlungssträngen dieses Romans, der auch als Krimi oder Thriller durchgehen könnte. 2006 wurden auf dem Hof einer alternativen Gemeinschaft um den Wunderheiler ...

Zwölf Jahre liegen zwischen den beiden Haupthandlungssträngen dieses Romans, der auch als Krimi oder Thriller durchgehen könnte. 2006 wurden auf dem Hof einer alternativen Gemeinschaft um den Wunderheiler Roman Bozanski in der Eifel acht Frauen ermordet, dringend tatverdächtig ist der flüchtige Guru. Bereits zwei Jahre zuvor hatte es einen anonymen Hinweis auf unerhörte Vorgänge dort gegeben, die Bozanski jedoch wortgewandt entkräften konnte. Als sich die Anschuldigungen nun in vollem Umfang bestätigten, war es zu spät und Bozanski längst über alle Berge, nicht ohne zuvor einem Polizisten seine Dienstwaffe abzunehmen. Zwölf Jahre lang verfolgt der ungelöste Fall den inzwischen zum Kriminalrat und Leiter des Polizeipräsidiums Düren aufgestiegenen Benedikt Kramer und seine Fragen bleiben unbeantwortet. Doch plötzlich ist alles wieder da: Ein Foto in der Bildzeitung zeigt die 33-jährige Amy Maiwald mit ihrem soeben von einem Bundeswehreinsatz aus Afghanistan zurückgekehrten Mann und Kramer erkennt in ihr eine Überlebende des Massakers. Amy selbst steht ebenfalls unter Schock, drohen doch ihre gesamte mühsam aufgebaute neue Identität und Existenz schlagartig in sich zusammenzufallen und die Bedrohung ist mehr denn je zurück. Wenig hilfreich ist da, dass ihre erst vor kurzem geschlossene Ehe mehr ein Racheakt ihres Mannes an seiner Exfreundin als echte Zuneigung war, und dass er in Bezug auf Amys Vergangenheit ebenso ahnungslos wie ihr komplettes Umfeld ist.

Maria Langner ist ein Pseudonym der Autorin Barbara Wendelken, deren Ostfrieslandkrimis für mich zu den bestkonstruierten, spannungsreichsten und sprachlich ansprechendsten deutschen Krimiserien gehören. Auch „Blumentod“ hat mich mit seinem Aufbau, den geschickt ineinander verwobenen Handlungs- und Zeitebenen und dem durchgehenden Spannungsbogen überzeugt und durch immer wieder unvorhersehbare Wendungen überrascht. Besonders gut ist die Zeichnung der Charaktere bis hin zu den Nebenfiguren gelungen, wobei der Ermittler Benedikt Kramer mein Favorit wurde. Einmal angefangen, konnte und wollte ich dieses vom Piper Verlag als „Psychospannungs-Roman“ bezeichnete Buch nicht mehr aus der Hand legen und habe mich über 400 Seiten bestens damit unterhalten.

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Veröffentlicht am 05.01.2020

O wie Offenbarung des Bösen, V wie Vergebung

Vergesst unsere Namen nicht
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Während der norwegische Literaturzug mit dem Kronprinzenpaar und zahlreichen Autoren, unter ihnen auch Simon Stranger, seinem Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse entgegenrollt, habe ich mit ...

Während der norwegische Literaturzug mit dem Kronprinzenpaar und zahlreichen Autoren, unter ihnen auch Simon Stranger, seinem Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse entgegenrollt, habe ich mit großer Anteilnahme Strangers Holocaust-Roman "Vergesst unsere Namen nicht" gelesen. Inspiriert vom Stolperstein für den Urgroßvater seiner Frau in Trondheim, hat er mit Familienangehörigen gesprochen, Handlungsorte aufgesucht und in Archiven recherchiert. Trotzdem ist sein Buch ein Roman, denn nicht alles ließ sich rekonstruieren und Lücken galt es mit Fantasie zu füllen.

J wie Jude
Einer jüdischen Tradition gemäß stirbt ein Mensch zwei Mal: wenn das Herz aufhört zu schlagen und wenn sein Name zum letzten Mal gesagt, gelesen oder gedacht wird. Genau wie der Künstler Gunter Demnig mit den von ihm erdachten Stolpersteinen möchte auch Stranger diesen zweiten Tod hinausschieben. „A“ bis „Z“ sind die 26 Kapitel überschrieben, jeder Buchstabe liefert Stichwörter, die sich zuletzt wie ein Puzzle zur ganzen Geschichte zusammenfügen.

S wie Stolperstein
Die Familie von Hirsch Komissar, dessen Stolperstein in Trondheim liegt, kam nach den Judenprogromen in den 1880er-Jahren aus Russland nach Norwegen. In Trondheim führte er ein Bekleidungsgeschäft. Am Tag der Besetzung Norwegens durch die Wehrmacht floh Hirsch Komissar mit seiner Frau und den drei Kindern nach Schweden, kehrte aber kurz darauf wieder zurück. Am 12.01.1942 wurde er verhaftet, zeitweise im Lager Falstad gefangen gehalten und am 07.10.1942 hingerichtet. Dass sein Sohn Gerson später zusammen mit seiner Frau Ellen und den beiden Töchtern, eine davon Strangers Schwiegermutter, ausgerechnet in das Haus zog, in dem so viele Gefangene der norwegischen Gestapo gefoltert und ermordet wurden, mutet angesichts dieser Familiengeschichte unglaublich an.

R wie Rinnan
Noch mehr als dem Opfer widmet sich Simon Stranger einem Täter, dem norwegischen Gestapo-Vertrauten Henry Oliver Rinnan (1915 – 1947), 1945 einer der meistgesuchten norwegischen Kriegsverbrecher. Beim Prozess gegen die sogenannte „Bande“ trug er die Nummer eins am Revers und ein Gutachten bescheinigte ihm große Intelligenz, Anomalien im Gefühlsleben und eine eigentümliche Macht über seine Mitmenschen. Erstaunt war ich, dass Rinnan, so wie Stranger ihn beschreibt, keinerlei politische Überzeugungen hatte. Triebfeder für seinen Verrat an Widerstandskämpfern und Juden sowie für erbarmungslose Folterungen, Gewaltexzesse und Tötungen im sogenannten „Bandenkloster“ waren Machtstreben und Eitelkeit dieses ob seiner geringen Körpergröße mit tiefen Minderwertigkeitskomplexen behafteten Mannes.

M wie Machtlosigkeit
Ganz besonders interessant fand ich Strangers Gedanken zum Entzug der Menschlichkeit durch die Täter:

"Allen, die ermordet werden, muss die Menschlichkeit genommen werden… Alles, was an Persönlichkeit erinnert, muss verschwinden, um zu verhindern, dass die Henker sich in den Gesichtern ihrer Opfer selbst wiedererkennen. Diese notwendige Distanz ist die Voraussetzung. Ohne sie ist der nächste Schritt unmöglich, er wäre wie ein Angriff auf das eigene Spiegelbild."

Z wie Zukunft
Warum wurde in der Familie von Strangers Frau Rikke zu den Ereignissen des Krieges meist geschwiegen? „Es war der Wunsch zu vergeben und weiterzugehen… Dass wir etwas ändern können, das ist der Weg in die Zukunft.“ Und doch ist es wichtig, diesen Teil der Geschichte lebendig zu halten, nicht nur, um den zweiten Tod der Opfer hinauszuzögern, sondern auch, um der neuen Rechten entgegenzutreten und Außenseiter nicht zu Tätern werden lassen. Das Buch von Simon Stranger ist ein wertvoller Beitrag dazu.

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Veröffentlicht am 12.11.2019

Wunden, die nicht heilen

Der Wintersoldat
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Der begabte 22-jährige Medizinstudent Lucius Krzelewski ist weder mental noch fachlich auf seine Tätigkeit als Sanitätsoffizier im Ersten Weltkrieg vorbereitet, als er im Februar 1915 während der großen ...

Der begabte 22-jährige Medizinstudent Lucius Krzelewski ist weder mental noch fachlich auf seine Tätigkeit als Sanitätsoffizier im Ersten Weltkrieg vorbereitet, als er im Februar 1915 während der großen Karpatenschlacht zwischen Russland und der Donaumonarchie in Galizien eintrifft. Anstatt wie erwartet in einem Stab von Ärzten zu arbeiten, findet sich der gänzlich Unerfahrene alleine in einer zum Behelfslazarett umfunktionierten Holzkirche wieder, in die immer wieder neue Verwundete gebracht werden. Eine ungeheizte Erste-Hilfe-Station, ein aus Holzbänken gezimmerter OP-Tisch und eine bewaffnete, operierende Krankenschwester und Nonne namens Margarete, vor der sich Lucius zu Beginn mehr fürchtet, als vor der gesamten Professorenschaft in Wien, sind alles, was er vorfindet. Sein theoretisches Wissen nützt ihm wenig, es gibt weder Röntgengerät noch Labor, und es dauert einen Monat, ehe er Margarete wenigstens bei den einfachsten Fällen zu assistieren vermag.

Ein Jahr arbeiten Lucius und Margarete Hand in Hand, richten sich in einem primitiven Klinikalltag ein, tauschen sich mit ihrem theoretischen und praktischen Wissen aus und verlieben sich ineinander, als im Februar 1916 ein Soldat mit rätselhaften Symptomen eingeliefert wird. Er ist einer der „Nervenschock-Patienten“, jenes geheimnisvolle Krankheitsbild, das vor dem Krieg unbekannt war. Lucius verbeißt sich in den Fall, stellt die eigene Eitelkeit gegen Margaretes dringenden Rat über das Wohl des Patienten und begeht damit eine medizinische Todsünde, die ihrer aller Leben verändert. Als er Margarete in den Wirren des Krieges verliert, beginnt für ihn eine schwere Zeit des Suchens und der Alpträume.

Der US-amerikanische Arzt und Psychiater Daniel Mason hat vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs einen Roman über das viel zu schnelle Erwachsenwerden eines jungen Mannes geschrieben, der kein Held sein möchte, und dem zu früh zu viel Verantwortung aufgebürdet wird. Besonders deutlich wird das bei Lucius‘ Erschrecken über die Kriegsversehrten in Wien – eben solchen Männern, denen er durch seine am Fließband durchgeführten Amputationen das Leben gerettet, über die Konsequenzen aber nie nachgedacht hat. Dabei spart Mason nicht mit medizinischen Details, mit Gerüchen und mit den Schmerzenslauten der Verwundeten und Sterbenden. Manche Passagen des Romans, der sich für mich wie das Drehbuch zu einem wunderbaren Kinofilm liest, hätte ich mir straffer gewünscht und die strenge Einteilung der Figuren in Gute und Böse war mir ein wenig zu glatt. Dagegen habe ich die nahezu kitschfreie Liebesgeschichte sehr gerne gelesen und der ausgesprochen gelungene Schluss hat mich positiv überrascht.

"Der Wintersoldat" ist daher ein empfehlenswerter, gut geschriebener, flüssig zu lesender Unterhaltungsroman über die Rolle der Medizin und die Liebe vor dem Hintergrund der Kriegsgräuel.

Veröffentlicht am 05.11.2019

Vergangenheitsfahrerin wider Willen

Die Königin schweigt
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Fanny ist alt, einsam und fühlt die Müdigkeit aus all den vielen Jahren ihres Lebens. Sie lebt alleine in einer Kleinstadt in dem Häuschen, das sie nach dem Tod ihres Mannes einst für sich und ihren Sohn ...

Fanny ist alt, einsam und fühlt die Müdigkeit aus all den vielen Jahren ihres Lebens. Sie lebt alleine in einer Kleinstadt in dem Häuschen, das sie nach dem Tod ihres Mannes einst für sich und ihren Sohn gebaut hat. Nur zwei Menschen besuchen sie noch: Hanna, ihre ehemalige Ziehtochter auf Zeit, und ihre Enkelin. Der Wunsch der beiden jüngeren Frauen, Fanny möge sich zurückerinnern, bleibt allerdings unerfüllt, das Notizbuch, das die Enkelin ihr schenkt, leer, denn Fanny möchte auf keinen Fall eine „Vergangenheitsfahrerin“ sein. „Du kannst doch nicht nie über irgendetwas reden“, argumentiert die Enkelin, aber vergeblich. Was Fanny jedoch nicht verhindern kann, sind die Erinnerungsschnipsel, die Tag und Nacht auftauchen: „Seit sie die Zeiten nicht mehr im Griff hatte, war sie ihrem Körper auch in dieser Hinsicht ausgeliefert. Heimlich, ohne Fannys Zutun, hatte der Körper über die Jahre alles bewahrt. Und jetzt, da er so schwach war, da Fanny nur noch wenig Nahrung zu sich nahm und der Körper nichts mehr zu tun hatte, waren die Erinnerungen wie organische Prozesse, die eigenständig und ohne willentliche Steuerung vor sich gingen.“

Schon Fannys Vater, Bauer in fünfter Generation auf dem Hof in der Senke, war ein Schweiger. Als ihr Bruder Toni nicht aus dem Krieg heimkehrte, verstummte er fast vollständig. Da es nun keinen Hoferben mehr gab und Fannys Mann, der Schulmeister des Dorfes, sich mehr bei Parteisitzungen der Roten und im Wirtshaus als auf dem Hof engagierte, zudem Spielschulden machte, ging der Hof und damit jeglicher Lebensmut der Eltern verloren. Fannys Glück im Schulhaus auf dem Hügel, wo sie sich vorübergehend als Königin fühlte, war von kurzer Dauer. Sie schien das Unglück zeitlebens anzuziehen: „Das Unglück war ein Wesen, das manchmal verschwunden zu sein schien, weit weg und nicht zu sehen, aber es verlor nie die Spur.“ Dabei gab es immer wieder auch glückliche Fügungen in ihrem Leben, Männer, die sie über Jahre begleiteten, Reisen, Freundinnen, eine glimpflich verlaufene Erkrankung, Hanna, die Enkelin – doch die Angst vor dem nächsten Unheil und alte Schuldgefühle dominierten. Anders als der Sohn, der das Trauma der Mutter übernahm, sucht die Enkelin nach einem Weg der Bewältigung.

Als der Debütroman der 1984 geborenen Österreicherin Laura Freudenthaler 2017 im Literaturverlag Droschl erschien, habe ich ihn leider nicht wahrgenommen, obwohl sie dafür den Förderpreis zum Bremer Literaturpreis 2018 und die Auszeichnung als bestes deutschsprachiges Debüt beim Festival du Premier Roman 2018 in Chambéry erhielt. Nun, mit der Taschenbuchausgabe im Verlag btb, habe ich ihn glücklicherweise entdeckt. Der schmale Band erinnert mich stark an Robert Seethalers "Ein ganzes Leben" und doch ist die Form der Erinnerungsfetzen, die nur höchstens zwei Seiten umfassen und nahtlos ineinander überzugleiten scheinen, ganz eigen. Mich hat die Geschichte, hinter der ich niemals eine so junge Autorin vermutet hätte, von der ersten Seite an in Bann geschlagen und ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, nicht nur wegen der aufwühlenden Lebensgeschichte, sondern auch wegen der ruhig fließenden Erzählweise und der Musikalität der Sprache.