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Veröffentlicht am 21.09.2018

Ein Leben wie kein anderes

Ruth und Billy Graham
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Dieser Rezension muss ich vermutlich eines ganz klar voraus stellen: Bevor ich dieses Buch gelesen habe, hatte ich keine Ahnung, wer Billy Graham ist. Das muss für viele unvorstellbar sein, denn schließlich ...

Dieser Rezension muss ich vermutlich eines ganz klar voraus stellen: Bevor ich dieses Buch gelesen habe, hatte ich keine Ahnung, wer Billy Graham ist. Das muss für viele unvorstellbar sein, denn schließlich war sein Wirken in den letzten hundert Jahren kaum zu übersehen. Allerdings möge man auch bedenken, dass ich zu dem Zeitpunkt, als Billy Graham aus dem öffentlichen Dienst zurück trat, eingeschult wurde. Ich bin die Generation danach, die keine Ahnung hat und erst durch Bücher dieses Phänomen erleben kann.

Mit das im Kopf versteht man vielleicht, wie sehr mich dieses Buch begeistert hat. Auch wenn es ironisch klingt war es für mich revolutionär – auch wenn es die Strömung seit bald 70 Jahren gibt. Aufgewachsen in einem sehr konservativen, evangelisch-lutherischen Haushalt habe ich über „die Evangelikalen“ (auch beliebt: „Hallelujas“) immer nur eher abwertendes gehört. Sie wären verklärt und würden alles durch die rosarote Brille sehen, gleichzeitig die Bibel an einigen Stellen zu wörtlich nehmen und nicht kritisch denken. (Was leider in meiner Umgebung auch nur all zu sehr zutrifft und dadurch mein Bild geprägt hat. Viele weigern sich, zum Arzt zu gehen, weil sie an Heilung allein durchs Gebet glauben und die Kleidungsrichtlinien wirk(t)en auf mich oft steinzeitlich.) In den letzten Monaten habe ich dann, durch amerikanische Blogger, mehr über die Szene gelernt – und es war nicht alles so schlimm, wie ich gedacht hätte. Trotzdem hat mich der evangelikale Glaube abgeschreckt. Und dann habe ich dieses Buch gelesen. Ich wurde dadurch nicht missioniert, aber die Einblicke, die Hanspeter Nüesch in seine und Billy Grahams Sichtweise des Glaubens gewährt haben mich tief berührt und vieles davon lässt sich auch auf mein eigenes Leben anwenden. Aber worum genau geht es in diesem Buch?

Anhand der Bibliographie und der zitierten Werke in „Ruth und Billy Graham – Das Vermächtnis eines Ehepaars“ lässt sich nur erahnen, wie viele Bücher bereits über dieses Thema geschrieben wurden. Warum also das Rad neu erfinden? Der Autor hat das ambitionierte Ziel, nicht nur das Leben der beiden einzelnen Personen, sondern ihr gemeinsames Wirken zu beschreiben und gleichzeitig die Wichtigkeit dieser Zusammenarbeit hervor zu heben. Gleichzeitig teilt er das Buch in 11 Abschnitte, die die unterschiedlichen Aspekte des Wirkens der Grahams beleuchten. Spannend für mich war dabei, dass er auch versucht, eine Verbindung zu unserem heutigen Leben herzustellen. Welche Rolle spielen Ruth und Billy Graham im 21. Jahrhundert?

Das Buch ist sehr unterhaltsam und gleichzeitig fundiert geschrieben. Statt einem belehrenden Textblock ähnelt es mehr einer Geschichte, die mit Anekdoten, Zitaten, Berichten von eigenen Begegnungen mit Graham und Bildern angereichert ist, so dass einem beim Lesen absolut nicht langweilig wird. Die Abschnitte liefern viele Impulse für das eigene Glaubensleben und regen zum Nachdenken an. An vielen Stellen sind die Beiden absolute Vorbilder, wobei trotzdem Raum für eigene kritische Gedanken bleibt.

Interessant an diesem Werk fand ich vor allem seine Ehrlichkeit – Nüesch macht Ruth und Billy Graham nicht zu unfehlbaren Heiligen sondern zeigt sie als Menschen mit Macken und Fehlern. Auch kritische Stimmen werden nicht ausgeblendet, verschiedene theologische Denkweisen erhalten, neben den Ansichten der Grahams, ihren Raum und am Ende inspiriert ihre Haltung Andersdenkenden gegenüber: Man begegnet sich mit Respekt. Dass selbst katholische Würdenträger ihre Arbeit wertgeschätzt haben zeigt, dass es sich hier nicht um eine evangelikale sondern um eine allgemein christliche Mission handelt(e).

Was bleibt also als Fazit? Ich kann das Buch nur jedem empfehlen - egal ob mit oder ohne Vorwissen über das Leben der Grahams. (Raum für eigene, tiefere Nachforschungen bleibt so oder so.) Es ist, trotz allem, erfrischend und regt dazu an, den eigenen Glauben noch einmal neu zu betrachten. Ich kann nicht jede der Aussagen mit „Ja und Amen“ unterschreiben, aber ich denke, darum geht es auch gar nicht. Das Leben der Grahams war bereichernd und ich denke, dass es für jeden eine Inspiration bereit hält.

Veröffentlicht am 12.09.2018

Irrungen und Wirrungen mitten in Schweden

Ein besoffener Bär im Bergwerkswald
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In seinem neuen Roman beschreibt Petteri Nuottimäki das Leben auf dem Land, in all seinen Facetten und all seinem Wahnsinn. Dieses Buch ist tatsächlich zwingend notwendig, denn anders lässt sich das, was ...

In seinem neuen Roman beschreibt Petteri Nuottimäki das Leben auf dem Land, in all seinen Facetten und all seinem Wahnsinn. Dieses Buch ist tatsächlich zwingend notwendig, denn anders lässt sich das, was dort passiert nicht beschreiben.

Per, der Bürgermeister des Dorfs, begegnet samt Frau und Sohn einem "unbekannten Laufobjekt", dass sie während ihrer Pilzsuche heimsucht. Der Sohnemann ist natürlich fix dabei, filmt das schwankende Ungetüm, lädt den Film bei YouTube hoch - und das Video geht viral. Plötzlich wird der Ort von Touristen überschwemmt, die den unterschiedlichsten Verschwörungstheorien anhängen und natürlich wollen alle nur eins: Herausfinden, was es mit diesem Wesen auf sich hat. Mitten in all dem steckt Per fest und weiß sich bald nicht mehr zu helfen, denn selbst als er die Erklärung findet will niemand etwas davon wissen.

Die Charaktere des Buchs sind alle auf ihre Art und Weise nachvollziehbar - der gutmütige Per, seine immer positive Frau, die Teenagertochter, die immer mit den nettesten Namen bedacht wird und prinzipiell gegen alles ist, was ihr Vater sagt und tut, der pubertierende Sohn, der über Nacht vom normalen Gamer zum Waldführer wird, der alteingesessene Jäger, der das Tier am Liebsten schießen möchte und und und ...

Sprachlich ist das Buch nicht sonderlich auffällig. Erzählt wird aus der dritten Person, wobei der Fokus auf Per und seiner Sicht der Dinge liegt. Stilistisch besonders schön sind vor allem die herrlichen Spitznamen seiner Tochter - "Samtauge", "tanzender Glücksschmetterling" und "Marzipanröschen" sind nur einige von ihnen.

Das Cover ist interessant gestaltet, wirkt auf mich allerdings wesentlich düsterer als die Geschichte ist. Bei dem nebligen Nadelwald denkt man eher an einen Krimi oder Thriller und nicht an so ein lustiges und unterhaltsames Buch.

Insgesamt kann ich das Buch nur empfehlen, allerdings sei vor Verschrobenheit und verwirrenden Wendungen gewarnt. Die Geschichte ist an sich wirklich aberwitzig und wer weiß, ob es am Loch Ness damals, zur Zeit der Erstentdeckung von Nessie, nicht ähnlich aussah.

Veröffentlicht am 06.09.2018

Durch die Lunge ins Herz

Der Bibelraucher
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Wilhelm Buntz hatte es schon als Kind nicht leicht: Ausgesetzt von der eigenen Mutter und anschließend bei seinem Vater aufgewachsen, wurde er schon früh in verschiedenste Heime gesteckt, weil niemand ...



Wilhelm Buntz hatte es schon als Kind nicht leicht: Ausgesetzt von der eigenen Mutter und anschließend bei seinem Vater aufgewachsen, wurde er schon früh in verschiedenste Heime gesteckt, weil niemand ihn bändigen konnte. Sein Leben wird zu einem Strudel, immer und immer weiter rutscht er ab und landet schließlich im Gefängnis – wo er nach vielen Jahren zum Glauben findet.


Der Schlüssel dazu war tatsächlich die Bibel, der einzige Gegenstand den Häftlinge mit in die Arrestzelle nehmen dürfen und dessen Papier sich hervorragend zum Zigarretten drehen eignet. Um sich die Zeit zu vertreiben, las Wilhelm die Seiten, bevor er sie rauchte und erkannte so, dass auch Leute wie er bei Gott willkommen sind.


Das Cover ist trotz seiner Schlichtheit sehr ansprechend – es strömt eine Art innere Anziehungskraft aus, die neugierig auf den Inhalt des Buchs macht. Gleichzeitig ist es haptisch sehr ansprechend, da die Schrift rau hervorgehorben ist, so dass man sie fühlen kann.


Sprachlich hat mir das Buch sehr gut gefallen. Auch wenn es keine literarische Extravaganza ist überrascht der Text doch immer wieder durch besonders schöne Formulierungen – auch wenn hier natürlich die Geschichte im Vordergrund steht.


Und die ist wirklich bewegend! Es ist verrückt, was manche Menschen alles erleben und was Gott für Wunder geschehen lassen kann. Für mich persönlich war auch die Beschreibung des Gefängnisses sehr interessant, da ich persönlich bisher noch überhaupt nichts über das Thema wusste und so einiges dazu lernen konnte.


Insgesamt kann ich das Buch nur absolut weiter empfehlen! Hat man einmal mit dem Lesen angefangen, kann man es kaum noch zur Seite legen, weil man unbedingt wissen möchte, wie es weiter geht! Es ist unglaublich bereichernd, miterleben zu dürfen, wie Gott im Leben anderer Menschen wirkt und ich hoffe, dass vielleicht auch der Eine oder Andere durch dieses Buch (zurück) zum Glauben findet.

Veröffentlicht am 15.08.2018

Eine ungewöhnliche Reise!

Helle Tage, helle Nächte
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Am 25. Juli bei Fischer Krüger erschienen hat "Helle Tage, helle Nächte" eine interessante Besonderheit: Es wurde von einer nach Lappland ausgewanderten Deutschen über eine ebensolche Frau geschrieben. ...

Am 25. Juli bei Fischer Krüger erschienen hat "Helle Tage, helle Nächte" eine interessante Besonderheit: Es wurde von einer nach Lappland ausgewanderten Deutschen über eine ebensolche Frau geschrieben. Der Text wirkt also von Anfang an authentisch und ist nicht aus dem Blauen herbei gezaubert.

Hauptfigur ist Frederike, Anfang 50, die sich aktuell von ihrem Mann scheiden lässt. Ihre 20 Jahre alte Tochter Paula verbringt aktuell ein Jahr in Australien und da ihre Eltern beide schon seit 40 Jahren Tod sind hat sie viel Zeit, die sie mit ihrer Tante Anna verbringen kann.

Anna wiederum ist Anfang 70, alleinstehend und schon seit Jahren Frederikes Mutterersatz. Allerdings hat sie, trotz der langen Zeit, die die beiden Frauen miteinander verbracht haben, noch einige Geheimnisse parat, von denen keiner weiß. Und die sind auch der Auslöser für Frederikes Lapplandreise, denn dort soll sie einem Samen einen Brief überbringen - warum, dass ist eines der vielen Dinge, über die Anna nicht gern redet.

Frederikes Reise nach Lappland ist gleichzeitig eine Reise zu sich selbst, in ihre Vergangenheit und gewissermaßen in eine reale Parallelwelt, die vielen von uns fremd ist.

Das Cover ist sehr schlicht und ansprechend gestaltet. Die hauchdünnen Streifen und die Beeren lassen es sehr nordisch wirken, einzig gestört hat mich das grelle Orange (obwohl es meine Lieblingsfarbe ist, aber an dieser Stelle passte es einfach nicht) - eine etwas gedecktere Farbe wäre schön gewesen, ein Rostrot zum Beispiel.

Die Sprache ist, wie auch das Cover, sehr schlicht gehalten aber ordentlich und liest sich gut. Zum Teil findet sich hier fantastisches "Show-don't-tell" sprich: Die Autorin sagt nicht einfach nur "Frederike fühlte sich traurig" sondern hinterlässt durch äußere Umstände etc. den Eindruck beim Leser, so dass der auch sofort mitfühlen kann.

Erzählt wird abwechselnd von Frederike und Anna, was sehr spannend ist, da sich so die vielen kleinen Puzzelteile zu einem Ganzen zusammenfügen.

Insgesamt fand ich das Buch sehr interessant und obwohl man sich zu Beginn bereits vieles denkt kommt dann doch alles ganz anders und man wird überrascht. Die Geschichte ist sehr gut durchdacht, hat einige verrückte Ecken und Kanten und ist voller liebevolle Details!

Deshalb und aus vielen anderen Gründen, die man dieser Rezension hoffentlich entnehmen konnte, würde ich das Buch sofort weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 21.07.2018

So nah und doch so fern!

Die Jahre der Leichtigkeit
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In ihrem Roman beschreibt Elisabeth Jane Howard sehr eindrücklich die Sommer der Jahre 1937/38 der Familie Cazalet. Dabei ist ihr Schreibstil sehr episodisch, man wandert mal von hier nach da, lernt unterschiedliche ...

In ihrem Roman beschreibt Elisabeth Jane Howard sehr eindrücklich die Sommer der Jahre 1937/38 der Familie Cazalet. Dabei ist ihr Schreibstil sehr episodisch, man wandert mal von hier nach da, lernt unterschiedliche Charaktere und unterschiedliche Blickwinkel kennen. Rhetorisch sehr gut gefallen hat mir der Wechsel der Perspektive innerhalb einer Szene, so dass man die Gedanken unterschiedlicher Figuren über die gleiche Situation kennenlernt.

Figuren allgemein - alle Mitglieder der Familie sind sehr eigen und wirken, zumindest auf mich, wie echte Menschen und nicht wie die platten Charaktere, die man in manch anderen Büchern trifft. Sie alle haben eine Geschichte, Geheimnisse und widersprüchliche Gefühle, die sich nur schwer unter einen Hut bringen lassen. Neben einigen absolut unsympathischen Figuren gibt es auch die, die einem sehr ans Herz wachsen, so dass am Ende die Frage nach dem Lieblingscharakter nur schwer zu beantworten ist.

Am Besten gefällt mir jedoch die inhaltliche Vielfalt - Taboothemen, über die sonst (selbst heute) nur selten gesprochen wird, die unterschiedlichen Einstellungen zum Krieg und so weiter und so fort. Auch wenn die knapp 600 Seiten zuerst ein wenig viel wirken mögen sind sie in keinster Weise langweilig und man möchte das Buch eigentlich gar nicht aus der Hand legen. Großes Kompliment an die Autorin und eine dicke Empfehlung an alle, die mit dem Gedanken spielen, dieses Buch selbst zu lesen!