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Veröffentlicht am 14.06.2020

Idylle mit Hindernissen

Tod in Saint Merlot
3

Für Penelope Kite ist die Provence ein Sehnsuchtsort. Kurzentschlossen erwirbt sie ein altes, verwittertes Steinhaus, das malerisch in den Hügeln des Luberon liegt. Was hält die Frührentnerin noch in London, ...

Für Penelope Kite ist die Provence ein Sehnsuchtsort. Kurzentschlossen erwirbt sie ein altes, verwittertes Steinhaus, das malerisch in den Hügeln des Luberon liegt. Was hält die Frührentnerin noch in London, wo die undankbaren Kinder in ihr nur ein praktisches Kindermädchen sehen? Nun ist sie also stolze Besitzerin von „Le Chant d’Eau“ und ein zweiter, realistischerer Blick zeigt, dass sie noch eine Menge Arbeit haben wird. Mit Garten und Pool will sie beginnen, doch da lauert eine Überraschung, denn im brackigen Wasser des Pools liegt eine männliche Leiche. Es ist der Vorbesitzer, dessen unangenehme Bekanntschaft sie schon am Abend ihrer Ankunft machte.
Weil die Polizei nur allzu gerne einen Unfall sehen möchte, Penny aber gehörige Zweifel hegt, beginnt sie auf eigene Faust zu schnüffeln. Das erregt natürlich den Unwillen der Polizei und des Bürgermeisters und Penny macht einige unliebsame Erfahrungen.
Ein Lavendelfeld und ein mittelalterliches Dorf zieren das Titelbild und verweisen sogleich auf einen richtigen Urlaubskrimi. Das Setting stimmt und eine ältliche Dame als Ermittlerin wider Willen klingt doch richtig spannend.
Diese Versprechungen löst der Roman auch ein, aber mir fehlte doch noch einiges um ein ganz rundes Lesevergnügen zu haben. Einige der Figuren, wie z.B. die Maklerin, die ständig um Penny herumschwirrt, wirken unglaubwürdig. Penny selbst kann der Verlockung eines gekühlten Rosés nie widerstehen und so enden ihre Ermittlungen oft in Weinseligkeit.
Das Buch liest sich amüsant und unterhaltsam, allerdings waren nicht alle Spuren logisch abgeschlossen. Mancher Handlungsstrang versandet im Lauf der Geschichte. Der Plot war gar nicht schlecht, aber in der Ausführung gibt es doch noch reichlich Luft nach oben.
Genießen kann man auf alle Fälle die stimmungsvoll geschilderte Atmosphäre der Provence und für wen wäre so ein altes Gut nicht ein Sehnsuchtsort?
Kurz- ein Cosy Crime mit viel Urlaubsfeeling.

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Veröffentlicht am 08.05.2020

Schuldig

Blutige Düne
3

Liv Lammers hat ein gespaltenes Verhältnis zu Sylt. Sie liebt die Insel, auf der sie geboren und aufgewachsen ist, doch ein schlimmer Zwist mit der Familie führte zum endgültigen Bruch. Allerdings gehört ...

Liv Lammers hat ein gespaltenes Verhältnis zu Sylt. Sie liebt die Insel, auf der sie geboren und aufgewachsen ist, doch ein schlimmer Zwist mit der Familie führte zum endgültigen Bruch. Allerdings gehört Sylt zu ihrem Zuständigkeitsbereich als Kommissarin. Als nun in Tinnum, ausgerechnet in der Mörderkuhle ein Toter gefunden wird, an einen Baum gefesselt und mit schwarzem Nagellack „Schuldig“ auf seiner Brust geschrieben steht, kehrt sie zurück.

Der Tote gehörte zu einer Rockergang und war Geschäftsführer eine Tabledance-Bar. Alle Hinweise führen in ein Milieu, das man auf Sylt nicht erwartet hätte, aber Geld ist, ist auch das organisierte Verbrechen nicht weit. Illegales Glückspiel, Prostitution und Bandenkrieg machen eben auch vor einer Urlaubsidylle nicht halt. Als noch ein zweiter Überfall nach dem gleichen Muster geschieht, werden Livs Ermittlungen kompliziert, zumal sich eine SOKO für organisiertes Verbrechen vom LKA einmischt, besonders der Leiter agiert unsäglich arrogant und will Liv und ihr Team möglichst klein halten.

Außerdem eskaliert auch der Streit mit ihrem Vater, der seine Macht auch an Livs Tochter Sanna demonstrieren will.

Viele Baustellen, viele Handlungsstränge und viele Personen. Das ist eigentlich nicht schlecht und verspricht viel Spannung. Das garantieren die Bücher von Sabine Weiss immer, es ist schließlich schon der vierte Band mit Liv Lammers. Aber für mich war es nicht der Beste. Die Beschreibungen aus dem Rocker- und Prostititionsmilieu sind wohl sorgfältig recherchiert und zwangsläufig führt das auch zu harten Szenen, aber die Figurenzeichnung ist mir dieses Mal zu klischeehaft geraten. Da wird wirklich nichts ausgelassen. Der Familienzwist der Lammers zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bücher und man erfährt in jedem Buch ein weiteres Detail, aber es ergeben sich keine Konsequenzen daraus.

So interessant ich diese Familienkonstellation finde und sie trägt auch zum Verständnis von Livs Charakter bei, so denke ich doch, dass es allmählich zu einer klaren Entscheidung kommen müsste. Aber auch dieses Mal endet dieser Handlungsstrang mit einem Cliffhänger, was mich trotz meiner kleinen Kritikpunkte schon dem nächsten Band entgegenfiebern lässt.

Sehr gelungen – wie in jedem Band – sind die Sylt Beschreibungen. Da kann die Autorin sofort die Insel lebendig werden lassen und Bilder in meinem Kopf hervorzaubern. Diese Atmosphäre schätze ich sehr.

Gegen Ende nimmt die Geschichte noch einmal ordentlich Tempo auf und die Auflösung ist gelungen, die ganzen Fäden, die zwischendurch arg zerfasert wirkten, werden schlüssig zusammengeführt. Kleine Hinweise waren schon früh eingestreut, deren Bedeutung aber erst im Laufe der Handlung sichtbar werden.

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Veröffentlicht am 24.02.2020

Absolut empfehlungswert

Der rote Judas
3

Mit „Der Rote Judas“ ist Thomas Ziebula ein spannender und kenntnisreicher Kriminalroman gelungen. Er siedelt seine Geschichte in Leipzig kurz nach dem Ersten Weltkrieg an.
Paul Stainer kehrt aus der französischen ...

Mit „Der Rote Judas“ ist Thomas Ziebula ein spannender und kenntnisreicher Kriminalroman gelungen. Er siedelt seine Geschichte in Leipzig kurz nach dem Ersten Weltkrieg an.
Paul Stainer kehrt aus der französischen Kriegsgefangenschaft zurück. Körperlich hat er die Zeit unverwundet überstanden, aber seine Seele ist beschädigt. Heute würde man wohl eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostizieren. Nicht nur Schlafstörungen und Alpträume machen ihm zu schaffen, auch an den Folgen einer Amnesie leidet er noch. Das alles darf nicht bekannt werden, denn Stainer will und kann zurück in den Polizeidienst. Dumm nur, dass einer der Ärzte aus dem Lazarett jetzt als Pathologe in Leipzig arbeitet.
Gleich der erste Fall hat es in sich. Ein Suizid erscheint Stainer zweifelhaft und je tiefer er nachforscht, umso sicherer wird er. Er erkennt bald ein Muster bei einen weiteren Selbstmord und immer wieder stößt er auf den Begriff „Roter Judas“. Aber auch privat läuft es nicht rund. Seine Frau Edith hat nach Jahren des Wartens einen neuen Partner und bittet um die Scheidung.
Im Augenblick sind die Jahre zwischen den Kriegen als Romanhintergrund sehr häufig geworden und meine Erwartungen waren hoch. Ich war von diesem historischen Kriminalroman begeistert. Der Plot ist raffiniert und mehrere Handlungsstränge laufen auf ein sehr spannendes Finale zu. Der zeitgeschichtliche Hintergrund wirkt sehr lebendig und kenntnisreich erzählt. Das Leipzig der Zwanziger Jahre wirkt tatsächlich greifbar
Außerdem sind die Figuren wirklich sehr vielschichtig und menschlich eingefangen worden. Nicht nur der Hauptprotagonist Paul Steiner, auch Nebenfiguren, wie die Schaffnerin Fine König sind gelungen und runden die Handlung sehr gut ab.
Ein Kriminalfall aus dieser Zeit kann die Politik nicht ausblenden, das Elend der versehrten Kriegsheimkehrer und die aus der Demütigung des verlorenen Krieges entstandenen Strömungen der Weimarer Republik machen den Kriminalroman auch zu einem Stück Geschichtsunterricht.
Ein toller historischer Kriminalroman und ich bin sehr auf eine Fortsetzung gespannt.

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Veröffentlicht am 17.02.2020

Der Lügenbaron

Münchhausenwut
3

Das beschauliche Bodenwerder ist erschüttert. Ausgerechnet am Münchhausenbrunnen wird die Leiche von Dr. Ebelski gefunden. Der war nicht nur als Gynäkologe bekannt, sondern vor allem durch seine Titelrolle ...

Das beschauliche Bodenwerder ist erschüttert. Ausgerechnet am Münchhausenbrunnen wird die Leiche von Dr. Ebelski gefunden. Der war nicht nur als Gynäkologe bekannt, sondern vor allem durch seine Titelrolle im Münchhausen-Musical, das Bodenwerder zu ein wenig überregionalem Ruhm verhelfen sollte.
Als die junge Kommissarin und zur Zeit allein erziehende Mutter Emma Sandford zu ermitteln beginnt, hat die öffentliche Meinung allerdings schon einen Täter ausgemacht. Mario Bergstedt, ein junger Schauspieler hatte ebenfalls fest mit der Titelrolle und einem Engagement gerechnet und war deshalb sehr wütend auf seinen Konkurrenten.

Dieser, mit knapp 250 Seiten nicht sehr umfangreiche Krimi, nutzt die Münchhausen Stadt als farbigen Hintergrund und es ist ein wirklich witziger Einfall das Opfer auch mit dem „Lügenbaron“ in Verbindung zu bringen. „Lügenbaron“ lautete auch die letzte Textnachricht, die Ebelski bekam und Absender ist der Hauptverdächtige Bergstedt.

Emma Sandford als leitende Ermittlerin ist eine angenehm gezeichnete Protagonistin, die ganz zeitgemäß versucht, Beruf und Kind unter einen Hut zu bringen. Aber sonst sind ihre Handlungen nicht immer sehr realistisch. Sie befreundet sich in wenigen Tagen eng mit der Mutter des Hauptverdächtigen und konfisziert vertrauliche Patientenakten ohne jeden richterlichen Beschluss. Ich finde zwar, dass in ein Krimi nicht unbedingt den Polizeialltag detailgetreu abbilden muss, aber in groben Zügen sollte er schon der Wirklichkeit entsprechen.

Es hat mir gut gefallen, wie die Autorin Vorverurteilung und Häme schildert. Geschürt aus dem Kollegenkreis, von der Ehefrau des Getöteten weiter getragen, wird aus einem vagen Verdacht schon ein Urteil. Emma Sandford behält da den kühlen Kopf und ermittelt unbeirrt auch in andere Richtungen.

Deborah Emrath schreibt unterhaltsam und flüssig, aber nicht immer fand ich alle Handlungen ganz schlüssig und die Figurenzeichnung ist mir manchmal zu holzschnittartig geraten. Gerade die frische Witwe Ebelski-Heine ist da ein Paradebeispiel.

Ein typischer „Provinz-Krimi“ mit Charme, der die Münchhausen-Stadt ins Licht rückt, amüsant und recht spannend zu lesen. Genau das Richtige für eine Krimipause zwischendurch.

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Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein gelungener Westfalen Krimi

Todesgruß
3

Unna in Westfalen, eine Kleinstadt, die jährliche Kirmes ist ein Höhepunkt im Festkalender der Stadt. Mit der beschaulichen Ruhe ist es vorbei, als eine Leiche im Stadtpark gefunden wird, auffällig drapiert ...

Unna in Westfalen, eine Kleinstadt, die jährliche Kirmes ist ein Höhepunkt im Festkalender der Stadt. Mit der beschaulichen Ruhe ist es vorbei, als eine Leiche im Stadtpark gefunden wird, auffällig drapiert und mit einem Kirmes-Lebkuchenherz um den Hals „Ein letzter Gruß von G.“ steht darauf, mit Zuckerguss geschrieben. Eine Beziehungstat? Ein Racheakt? Ein zufälliges Opfer?

Die Kommissarin Maike Graf, erst kürzlich aus Dortmund hergezogen und ihr Kollege Max Teubner bearbeiten den Fall der ermordeten Zahnärztin. Doch es bleibt nicht bei einer Leiche, kündigt sich hier ein Serienmörder an? Aber dann stellen sich die Verbindungen zur ersten Leiche heraus und der Kreis der Verdächtigen wird eingeengt.
Der Krimi wirkt westfälisch geerdet, das macht das Regionale an diesem Krimi so angenehm zu lesen. Die Balance mit einem spannenden Plot und der typischen Eigenheiten von Mensch und Landschaft stimmt.

Die Figuren haben mir auch gut gefallen, allen voran Maike Graf, die auch als Hauptkommissarin menschlich agiert und immer auch einen Blick auf die Gesellschaft hat. Ihr Privatleben wird thematisiert, aber hier bleibt es ebenfalls im Gleichgewicht. Realistisch geschildert war die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Kommissariaten und die menschlichen Reibereien, die sich dadurch ergeben.

Die Autorin hat sehr geschickt Spuren gelegt, allein schon der Prolog wirft einige Fragen auf. Die Handlung schlägt einige Haken und die Spannung bleibt hoch, als Leserin habe ich mich gern auf falsche Fährten locken lassen.
Natürlich gab es auch ein – zwei Klischees, die ich überflüssig fand. Warum zum Beispiel, müssen die agierenden Staatsanwälte so oft eitle und cholerische HB Männchen sein, die immer zu dumm für naheliegende Argumente sind? Warum müssen junge Beamtinnen so oft geschwätzige Blondinnen sein, die sich zum Schluss doch zum Pferdestehlen eignen?
Aber sind nur ganz kleine Einwände, die den Lesegenuss nicht geschmälert haben.


Mein Fazit: ein gekonnter, immer spannender Regionalkrimi, den ich empfehlen kann.