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Veröffentlicht am 15.09.2016

Geht unter die Haut

Tod auf dem Kreuzbergl
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Peter Grohar wird aus der Haft entlassen. Er hat seine Strafe als Kindermörder abgesessen. Aber ist er wirklich frei? Sein Bewährungshelfer beäugt ihn misstrauisch, ein unglückliches Missverständnis auf ...

Peter Grohar wird aus der Haft entlassen. Er hat seine Strafe als Kindermörder abgesessen. Aber ist er wirklich frei? Sein Bewährungshelfer beäugt ihn misstrauisch, ein unglückliches Missverständnis auf dem Spielplatz bringt ihn sofort wieder in Verdacht.
Dann verschwindet ein Mädchen, sofort sind alle Vorurteile wieder da und Peter Grohar landet in U-Haft. Kathie kann einige Hinweise auf ihre Freundin geben, aber sie bringen keinen Erfolg bei der Suche. Dann verschwindet auch noch die kleine Maisy und der Ort gerät in Aufruhr.
Wie immer bei Andrea Nagele wird man sofort in Sog des Geschehens gezogen. Die Spannung, die dabei entsteht, hat nicht so sehr mit Action zu tun, sondern mit der dichten, ungeschminkten Beschreibung der Charaktere. Schaut man hinter die Fassaden der bürgerlichen Familien, tun sich Abgründe auf. Das ist bei den wohlsituierten Eltern von Maisy nicht anders, als bei Kathies Mutter, die kaum über die Runden kommt und mit einem gewalttätigen Ehemann gestraft ist. Auf heile Welt in einem touristisch schön beschriebenen Klagenfurt darf man nicht hoffen.
Dass dieser Roman – Krimi wäre eine fast zu einseitige Kategorisierung – aber mitreißend und spannend und keinesfalls trist ist, liegt einfach an der Kunst der Autorin mit wenigen Beschreibungen komplexe Charaktere und Situationen zum Leben zu erwecken. Sicher hat das auch mit der Profession von Andrea Nagele zu tun. Ein Kriminalroman der schon zum Psychothriller tendiert und dafür keine krankhaften Phantasien und Szenarien braucht.
Ein tolles Buch und ein fast schmerzhaft dichtes Psychogramm der Gesellschaft.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine ungewöhnliche Ehe

Zwischen den Meeren
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Zwischen den Meeren ist eine berührende Geschichte, die sich dem Leser aber nicht einfach erschließt, was vielleicht auch an der Distanz zu den zwei Hauptfiguren liegt.
Alathea hat als eine der ersten ...

Zwischen den Meeren ist eine berührende Geschichte, die sich dem Leser aber nicht einfach erschließt, was vielleicht auch an der Distanz zu den zwei Hauptfiguren liegt.
Alathea hat als eine der ersten Frauen einen medizinischen Doktorgrad erworben, das macht sie in den Augen der Gesellschaft aber eher verdächtig. Aufwachsen ist sie in einer kalten, lieblosen Atmosphäre, die Mutter ist eine religiöse Eiferin, die Selbstkasteiung zum Lebensprinzip erhoben hat. So waren Wärme und Nahrung für Ally ihr Leben lang Mangel, von Liebe ganz zu schweigen.
Wir lernen sie als Ehefrau von Tom Cavendish kennen, der als Ingenieur seinen Weg machen will, der führt ihn dann auch kurz nach der Eheschließung für viele Monate nach Japan. Nach seiner Rückkehr ist die Fremdheit zwischen dem Ehepaar augenscheinlich, es scheint nicht möglich an die kurze Zeit des Eheglücks anzuknüpfen, zu sehr haben sich beide in verschiedene Richtungen entwickelt.
Die Kapitel wechseln sich ab, wir sehen Tom eine neue Kultur erfahren und mit allen Sinnen erleben. Er taucht in die fremde Welt Japan ein, unsicher anfangs, aber dann immer interessierter, er verlängert seinen Aufenthalt und Cornwall und seine Frau ist in weite Ferne gerückt.
Ally dagegen scheint in ihrer ersten unbezahlten Anstellung als Irrenärztin an den Umständen scheitern. Sie kämpft gegen die Vorurteile, die ihr entgegen gebracht werden, genauso, wie die lieblose und demütigende Behandlung der Insassen. Das kalte und feuchte Cottage, das Tom für sie gemietet hat, bietet keine Zuflucht. Die Einsamkeit, die Unwirtlichkeit der winterlichen Landschaft machen ihr immer mehr zu schaffen. Die Unterschiede zwischen den Beiden treten schmerzhaft zu Tage. Diese Wechsel tauchten mich als Leserin in ein Gefühlschaos, hier das Elend einer viktorianischen Anstalt, dort die schöne Welt der japanischen Kultur. Für beide Seiten findet die Autorin wunderbare stimmige Bilder und gelungene Beschreibungen.
Überhaupt ist die Sprache das tragende Element dieses Buches. Fein, zurückgenommen und doch nuancenreich hat sie mir aufmerksames Lesen abgefordert. Das war ein Lesegenuss, auch der Wechsel der Perspektiven ist sprachlich hervorragend ausgearbeitet.
Großartig geschildert finde ich die Gegensätze – hier das viktorianische England mit all seiner sozialen Ungerechtigkeit und der großen Fortschrittsgläubigkeit – dort die feinsinnige, fremde Kultur, die sich nur sehr langsam nach außen öffnet.


Während des Lesens ist mir klar geworden, dass es ein Vorgängerbuch gab. Ich hatte öfters den Eindruck, dass mir Wissen aus diesem Buch fehlt, um die Beziehung zwischen Ally und Tom restlos zu verstehen. Ich habe oft das Gefühl gehabt, zwischen den Beiden ist das Meer immer noch da, selbst als Tom zurück ist. Deshalb fand ich den Titel auch besonders gut gewählt.


Außerdem rundet der wunderschön konzipierte Einband des Buches den Eindruck ab. Die Kirschblüten auf dem Schutzumschlag zieren in Negativdruck auch den Bucheinband. Eine sehr gelungene Gestaltung für ein empfehlenswertes Buch.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Loslassen und ein Neubeginn

Alle meine Kinder
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Ika Beaufort steht vor den offenen Türen ihres Schranks und versucht sich von vielen Dingen zu trennen, aber alles ist mit Erinnerungen belastet und diese Erinnerungen wiegen schwer. Sie taucht in Gedanken ...

Ika Beaufort steht vor den offenen Türen ihres Schranks und versucht sich von vielen Dingen zu trennen, aber alles ist mit Erinnerungen belastet und diese Erinnerungen wiegen schwer. Sie taucht in Gedanken in die Vergangenheit ein, ihre Dreiecksbeziehung über viele Jahre, die ihre Partnerschaft wohl doch schwerer belastet hat, als gedacht. Der lange Loslösungsprozess von ihrem Geliebten und vor allem der Schwangerschaftsabbruch, der kurz danach einem leidenschaftlichen Kinderwunsch auslöste, der sich auf natürlichem Weg nicht erfüllen wollte.


Ika ist eine Frau fast Ende der Sechzig. Zusammen mit ihrer langjährigen Freundin wollte sie sich in einer neuen Wohnung inmitten der Stadt neu finden. Raus aus dem viel zu großen Haus und dem riesigen Garten, ein Neuanfang ohne den Ballast der Vergangenheit, ganz abgesehen von den praktischen Erwägungen – wie Ärzte, Geschäfte und Kultur in unmittelbarer Nachbarschaft. Doch Hilde verstirbt unerwartet und Ika muss nun allein den Neuanfang wagen.


Das Buch wird durch die Rückblicke interessant. Ika ist ein Kind ihrer Zeit, aufgewachsen als die Pille den Frauen neue Freiheit gewährte, als Partnerschaften und Sexualität neu definiert wurden. Die Beziehungen waren offen und Seitensprünge wurden diskutiert und toleriert. Dieses Zeitbild hat mir ausgesprochen gut gefallen, ich kenne vieles aus eigenem Erleben und die Schilderung hat mich zurück katapultiert in diese Zeit. Die Hauptfigur Ika ist mir sehr nahe gekommen, ja sie war mir sympathisch, wenn ich auch manche ihrer Handlungen nicht gut fand. Fast hatte ich das Gefühl, ich müsste es jetzt mir ihr ausdiskutieren. Das spricht für die lebensnahe Charakterisierung.


Die ausufernden Schilderungen der Reproduktionsmedizin fand ich allerdings zu viel. Nicht jeder vergebliche Zyklus hätte in dieser Ausführlichkeit geschildert werden müssen. Wenn ich noch einmal den Begriff „Follikel“ lese, schreie ich – diese Empfindung drängte sich mir beim Lesen auf.
Der verhalten optimistische Schluss hat mich dann aber versöhnt und über diese Klippe getragen.


Das Buch hat mich berührt, ich bin der Hauptfigur fast immer gern in ihren Erinnerungen gefolgt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein gelungener Westfalen Krimi

Todesgruß
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Unna in Westfalen, eine Kleinstadt, die jährliche Kirmes ist ein Höhepunkt im Festkalender der Stadt. Mit der beschaulichen Ruhe ist es vorbei, als eine Leiche im Stadtpark gefunden wird, auffällig drapiert ...

Unna in Westfalen, eine Kleinstadt, die jährliche Kirmes ist ein Höhepunkt im Festkalender der Stadt. Mit der beschaulichen Ruhe ist es vorbei, als eine Leiche im Stadtpark gefunden wird, auffällig drapiert und mit einem Kirmes-Lebkuchenherz um den Hals „Ein letzter Gruß von G.“ steht darauf, mit Zuckerguss geschrieben. Eine Beziehungstat? Ein Racheakt? Ein zufälliges Opfer?

Die Kommissarin Maike Graf, erst kürzlich aus Dortmund hergezogen und ihr Kollege Max Teubner bearbeiten den Fall der ermordeten Zahnärztin. Doch es bleibt nicht bei einer Leiche, kündigt sich hier ein Serienmörder an? Aber dann stellen sich die Verbindungen zur ersten Leiche heraus und der Kreis der Verdächtigen wird eingeengt.
Der Krimi wirkt westfälisch geerdet, das macht das Regionale an diesem Krimi so angenehm zu lesen. Die Balance mit einem spannenden Plot und der typischen Eigenheiten von Mensch und Landschaft stimmt.

Die Figuren haben mir auch gut gefallen, allen voran Maike Graf, die auch als Hauptkommissarin menschlich agiert und immer auch einen Blick auf die Gesellschaft hat. Ihr Privatleben wird thematisiert, aber hier bleibt es ebenfalls im Gleichgewicht. Realistisch geschildert war die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Kommissariaten und die menschlichen Reibereien, die sich dadurch ergeben.

Die Autorin hat sehr geschickt Spuren gelegt, allein schon der Prolog wirft einige Fragen auf. Die Handlung schlägt einige Haken und die Spannung bleibt hoch, als Leserin habe ich mich gern auf falsche Fährten locken lassen.
Natürlich gab es auch ein – zwei Klischees, die ich überflüssig fand. Warum zum Beispiel, müssen die agierenden Staatsanwälte so oft eitle und cholerische HB Männchen sein, die immer zu dumm für naheliegende Argumente sind? Warum müssen junge Beamtinnen so oft geschwätzige Blondinnen sein, die sich zum Schluss doch zum Pferdestehlen eignen?
Aber sind nur ganz kleine Einwände, die den Lesegenuss nicht geschmälert haben.


Mein Fazit: ein gekonnter, immer spannender Regionalkrimi, den ich empfehlen kann.


Veröffentlicht am 15.09.2016

Kommt an nicht ganz an Band 1 und 2

Die Ernte des Bösen
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Robin Ellacott, die Assistentin des sehr eigenwilligen Privatdetektivs Cormoran Strike öffnet ein Paket. Statt der erwarteten Einmalkameras enthält das Paket ein abgetrenntes Frauenbein. Cormoran hat sofort ...

Robin Ellacott, die Assistentin des sehr eigenwilligen Privatdetektivs Cormoran Strike öffnet ein Paket. Statt der erwarteten Einmalkameras enthält das Paket ein abgetrenntes Frauenbein. Cormoran hat sofort mehrere Personen im Visier, mit allen hat sich bereits sein Lebensweg gekreuzt, ob beim Afghanistan Einsatz oder als zeitweiser Stiefvater, den er bis heute als Mörder seiner Mutter verdächtigt.
Die Polizei verfolgt andere Ansätze, deshalb ermitteln Robin und Cormoran auf eigene Faust. Immer klarer wird es, das sie einem psychopathischen Serienmörder auf der Spur sind, so nah, dass auch Robin ins Visier gerät.
Robert Galbraith ist – wie inzwischen jeder weiß – das Pseudonym von J.K.Rowling und unter diesem Namen schreibt sie klassische Detektivromane. Die beiden Vorgänger habe ich auch ausgesprochen gern gelesen. Der spröde Strike und Robin, die immer mehr Gefallen an der Detektivarbeit findet sind ein gutes Gespann. Die Geschichte ist sehr spannend und zeichnet ein authentisches London Bild. Den Krimi empfand ich dieses Mal auch erstaunlich brutal. Aber ich fand in diesem Buch die Story zu ausufernd, es gibt unzählige Rückblenden in Strikes Kindheit und Jugend, dazu die weiteren Nebenspuren, die mit verfolgt werden und das führt zu Längen, ganz besonders im Mittelteil.
Auch war mir dieses Mal das ewige Hin und Her mit Robins Hochzeit zu viel, drei Bücher um die Entscheidung pro oder contra Hochzeit mit Matthew muss nicht sein.
Der Schluss kam dann sehr schnell und in die letzten Kapitel wurde alles an Auflösung gepackt, was an Fragen noch offen war. Nicht immer fand ich es logisch. Es kann aber auch an mir liegen, denn ich merkte einige Male, wie meine Konzentration abschweifte und ich manche Kapitel sehr oberflächlich las.
Jetzt bin ich gespannt, ob ich der 4. Band wieder besser finde.