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Veröffentlicht am 10.06.2018

Ausgekocht

Beim Morden bitte langsam vorgehen
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In ihrer langjährigen Ehe ist Irene von Ehemann Horst immer mehr an den Rand gedrängt worden. Er ist ein kaltherziger, ichbezogener Mensch, der seine eigenen Bedürfnisse über alles stellt und Irene kommt ...

In ihrer langjährigen Ehe ist Irene von Ehemann Horst immer mehr an den Rand gedrängt worden. Er ist ein kaltherziger, ichbezogener Mensch, der seine eigenen Bedürfnisse über alles stellt und Irene kommt sich immer mehr wie ein überflüssig gewordenes Möbelstück vor, das in den Keller verbannt wurde. Das kann man buchstäblich so sehen, denn Horst hat sich im Haus ausgebreitet, für Irenes geliebte Bücher bleibt nur ein altes Regal im Keller, wohin sie sich zwischen Waschmaschine und Krempel zurückziehen kann. Dort findet sie auch alte ausrangierte Gardinen ihrer Mutter, am Saum noch mit Bleigewichten beschwert. So kommt sie auf die makabre Idee – als Bibliothekarin ist sie sehr belesen – in Chemiebüchern nachzusehen, wie sie daraus Bleizucker herstellen kann. Der erste Schritt zu ihrer Befreiung.

Nachdem sie die ersten Portionen Bleizucker gekocht und Horst in kleinen Dosen verabreicht hat, wird sie ihren Weg zielstrebig bis zu Ende verfolgen. In ihren Notizen beschreibt sie die vergangenen Jahre, wobei die kleinen Episoden ein Licht auf die lieblosen Jahre ihrer Ehe werfen. Doch diese Fesseln hat sie nun abgestreift, ein neues Leben – ganz wie sie es sich wünscht, steht vor ihr.

Der Roman dieses Gattenmords beginnt leise und makaber, aber je weiter die Geschichte und Irenes Aktivität fortschreitet, umso mehr tritt die farblose Ehefrau aus ihrem Schatten. Sie spürt den Hauch der Freiheit und das macht sie mutig. Als Leserin stand ich anfangs auf Irenes Seite, obwohl es bitterböse und rabenschwarz ist, wie sie handelt. Sie lässt Horst leiden, nicht nur am Gift, auch an seiner zunehmenden Schwäche, die es ihr ermöglicht, ihm nun ihren Willen aufzuzwingen. Die Machtverhältnisse haben sich umgekehrt und Irene genießt es. Dadurch wird auch ihr Charakter zwiespältig und die Geschichte zynischer.

Obwohl das Ende schon von Anfang an feststand, bleibt die Faszination des Romans bis zum Schluss erhalten, weil ich als Leserin ganz in die Gedankenwelt Irenes eintauchen kann.
Eine sehr böse und zynische Alternative zur Scheidung

Veröffentlicht am 05.06.2018

Hiddensee in Aufruhr

... und am Dornbusch fällt ein Schuss
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Volker Flosbach, der berühmte und umstrittene Klimaforscher wurde auf Hiddensee ermordet. Seine Leiche wurde auf dem Leuchtturm am Dornbusch gefunden. Erst kürzlich kam es bei einem Vortrag auf Fischland ...

Volker Flosbach, der berühmte und umstrittene Klimaforscher wurde auf Hiddensee ermordet. Seine Leiche wurde auf dem Leuchtturm am Dornbusch gefunden. Erst kürzlich kam es bei einem Vortrag auf Fischland zu einem handgreiflichen Eklat, nachdem er den Untergang Zingsts durch die Klimaerwärmung prognostiziert hatte. „Viel Feind, viel Ehr“ schien das Motto des streitbaren Forschers gewesen zu sein, aber es scheint, es waren zu viele Feinde geworden.

Sylke Bartel wird zur Untersuchung nach Hiddensee geschickt und die Beamtin hat keinen guten Start. Es gelingt ihr nicht die Polizeistellen zu einem Team zu formen und so steht sie von allen Seiten unter Beschuss. Unglückliches Agieren und ein arrogant scheinendes Auftreten, mit dem sie ihre Unsicherheit kaschiert, tun ein Übriges. Außerdem ist da noch Tom Brauer, der Privatermittler, den Flosbachs Tochter engagiert hat, weil sie der Polizei kein rechtes Vertrauen entgegenbringt.

Beide arbeiten mit unterschiedlichen Ansätzen, aber nach einigen Zusammenstößen scheint es, dass sie sich gut ergänzen. Der Fall ist auch überaus komplex, denn nicht nur Flosbachs Thesen, auch sein Privatleben birgt einiges an Sprengstoff. Er ist einfach zu vielen Leuten auf die Füße getreten. So stellen sich die Spuren sehr verzwickt dar, was mich als Leser natürlich freut. Denn grade beim Krimi möchte ich nicht schon nach wenigen Kapiteln den Täter kennen, auch wenn das Miträtseln viel Spaß macht.

„Und am Dornbusch fällt ein Schuss“ ist ein typischer Regionalkrimi, der Landschaft und Umgebung mit in die Handlung einbezieht. Das ist grade bei Hiddensee, dieser naturnahen kleinen Insel besonders reizvoll. Ich mag es gern, wenn die Gegend auch einen Part am Kriminalroman hat und dieses Versprechen kann der Autor auch gut erfüllen. Nicht nur Kenner der Insel und der Ostseeküste werden daran ihre Freude haben. Der Plot ist ganz schön raffiniert ausgedacht, das Zusammenspiel von Polizei und dem Privatermittler, der immer wieder dazwischenfunkt, bringt noch eine besondere Würze. Die Figuren fand ich gut dargestellt, ich konnte mich an ihnen reiben, das finde ich immer interessanter, als sympathisch-glattgebügelte Ermittler.

Ein wirklich spannender Krimi, mit ganz viel Ostsee und Küsten Feeling.

Veröffentlicht am 04.06.2018

Kein Urlaub für Hannah

Tödliche Provence (Hannah Richter 2)
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Hannah Richter hat im letzten Jahr an einem europäischen Austauschprogramm für Polizisten teilgenommen. Dabei hat sie in der Provence echte Freunde gefunden. Nun möchte sie in ihrem Urlaub die Bindungen ...

Hannah Richter hat im letzten Jahr an einem europäischen Austauschprogramm für Polizisten teilgenommen. Dabei hat sie in der Provence echte Freunde gefunden. Nun möchte sie in ihrem Urlaub die Bindungen vertiefen. Als sie für ihre Freundin Penelope beim betagten Nachbarn Louis Printerre verbeischaut, finden sie den alten Herrn tot am Fuß der Treppe. Klar, es sieht nach einem tragischen Unfall aus, doch einige kleine Indizien lassen Hannah aufmerken, auch Polizistin Emma ist ihrer Meinung und bezieht Hannah in ihre Ermittlungen ein.

Louis schien an einem Buch gearbeitet zu haben, doch das Manuskript ist verschwunden, das Arbeitszimmer auf den Kopf gestellt und verwüstet. Hat das Thema einen Mörder aufgeschreckt, hatten Printerres Recherchen etwas mit seinem früheren Beruf als Staatsanwalt zu tun? Viele Fragen denen Hannah und die französische Kommissarin Emma nachgehen.

Sandra Aslund hat einen richtigen „Urlaubs“-Krimi geschrieben. Die Zutaten sind eine stimmungsvolle Beschreibungen der Provence und der Stadt Vaison la Romaine, die mit ihren römischen Ruinen ein touristisches Highlight ist. Immer wieder fließen interessante Details in die Krimihandlung mit ein, das macht – besonders wenn man die Provence kennt – viel Vergnügen beim Lesen. Auch dürfen die provenzalischen Spezialitäten nicht fehlen, die Hannah immer sehr bewusst genießt.

Die Handlung nimmt einige sehr findige Wendungen und bald steckt man in einer richtigen Familientragödie. Auch wenn Hannah als Ausländerin natürlich nicht offiziell ermitteln kann, arbeiten sie und Emma bestens zusammen. Da darf man als Leser mit rätseln und sich mit auf Spurensuche begeben. Mir gefielen auch die aktuellen Details aus Politik und Gesellschaft, die in die Handlung mit einfließen.

Ein spannender und entspannt zu lesender Krimi, den ich als Urlaubslektüre ideal finde. Sympathische Ermittlerinnen und ein flüssiger, flott zu lesender Stil tragen dazu bei.

Veröffentlicht am 04.06.2018

Erwachsen werden kann weh tun

Der rote Swimmingpool
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Adams Eltern scheinen ein Traumpaar zu sein. Sie ist Französin, eine etwas zerstreut - liebevolle Mutter, charmant und alle Schul- und Jugendfreunde Adams scheinen für sie zu schwärmen. Der Vater ist als ...

Adams Eltern scheinen ein Traumpaar zu sein. Sie ist Französin, eine etwas zerstreut - liebevolle Mutter, charmant und alle Schul- und Jugendfreunde Adams scheinen für sie zu schwärmen. Der Vater ist als erfolgreicher Unternehmensberater sehr viel unterwegs, aber die Vater-Sohn-Beziehung ist fest und vertrauensvoll.

Doch dann bricht Adams Welt in Stücke, die Eltern trennen sich, über die Gründe schweigen sich Beide aus und Vater Wictor bricht den Kontakt völlig ab. Er weigert sich mit seinem Sohn zu sprechen, ist weder telefonisch, noch persönlich für ihn zu erreichen. Die Mutter geht zurück nach Paris und Adam ist völlig isoliert und dann verliert auch noch die letzte Bindung zu seinem Elternhaus, denn Wictor zieht sofort mit seiner neuen Beziehung und deren Kindern ein. Das führt zu einer Kurzschlusshandlung von Adam, die ihn vors Jugendgericht bringen wird und so lernen wir Adam kennen: bei der Ableistung seiner aufgebrummten Sozialstunden.

Das Buch zeigt das Innenleben eines Teenagers, dessen Leben völlig aus den Fugen geraten ist. Er hat Halt und Vertrauen verloren. Aber er reift auch an seinen Erfahrungen. Mir hat Adam als Figur besonders gut gefallen, sensibel und mit Sympathie schildert die Autorin diesen Charakter. Für mich strahlte der ganze Roman sehr viel Optimismus und Empathie für die Schwierigkeit des Erwachsen-werdens aus. Daneben gefiel mir auch der subtile Humor, die immer wieder witzigen Aktionen und Dialoge. Auch bei allen Nebenfiguren trifft der Roman immer den richtigen Ton.

Für mich war das Ende ein sehr befriedigender, weil optimistischer Abschluss. Es zeigt Adam als einen gereiften, gefestigten jungen Mann. Er ist mit diesem Familiendrama stärker geworden und kann auf seinen Vater zugehen. Mehr noch, er gibt seinem Vater nun den Halt und die Aussicht auf einen Neubeginn, die er zuvor gebraucht hätte und zu der der Vater nicht fähig war.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen, ich habe mich wie ein stiller Beobachter in dieser Familie gefühlt, war also immer ganz nah dabei. Das ist ein Buch, dem ich auch viele junge Leser wünsche.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Figuren
  • Geschichte
  • Dramaturgie
Veröffentlicht am 01.06.2018

Empfehlenswert

Das Grab unter Zedern (Ein-Leon-Ritter-Krimi 4)
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Paul Simon, der des Mordes an seiner Tochter angeklagt war, wird vom Berufungsgericht freigesprochen. Ein Sturm der Entrüstung fegt durch Le Lavandou, denn die Vorverurteilung der Bewohner und auch der ...

Paul Simon, der des Mordes an seiner Tochter angeklagt war, wird vom Berufungsgericht freigesprochen. Ein Sturm der Entrüstung fegt durch Le Lavandou, denn die Vorverurteilung der Bewohner und auch der Polizei ist fest zementiert, auch wenn nie die Leiche der kleinen Amélie gefunden wurde. Dann wird noch die Leiche eines Fischers an die Küste gespült, für Dr. Leon Ritter ist die einfache Erklärung eines Unfalls auf See keine Option, auch wenn er sich bei der Polizei damit keine Freunde macht. Mit seinen unkonventionellen Ermittlungsansätzen hat er schon mehrfach den Beamten ins Handwerk gepfuscht. Außerdem wird seine private Verbindung mit der Beamtin Isabelle beargwöhnt.
Das hält Leon Ritter nicht davon ab auf eigene Faust zu ermitteln, die Spuren führen zur Insel Porquerolles und in die Vergangenheit der Inselbewohner.
Der Aufbau des Krimis hat mir gut gefallen. Der Prolog deutet ein düsteres Geheimnis an, dass dann durch die Ermittlungen der Polizei und vor allem durch Leon Ritter einen starken Bezug zur Handlung bekommt. Der Spannungsbogen ist ebenfalls gut angelegt, zwei unabhängige Fälle, die allmählich Verbindungen aufweisen, das hat mich beim Lesen richtig gefesselt. Als Provence Fan war ich natürlich über die schönen Landschafts-und Ortsbeschreibungen erfreut, sie haben Erinnerung und Fernweh geweckt.
Das Buch ist der vierte Krimi um den „Médicin Légiste“ Leon Ritter. Ich kenne die Vorgängerbände nicht und hatte zu keiner Zeit das Gefühl, das mir ein Vorwissen fehlt. Das finde ideal, wenn man einfach zwischendurch einsteigen möchte. Die Figuren und das Setting haben mir auch sehr gut gefallen. Die vorherrschenden Vorurteile und die etwas engstirnige Weltsicht der Bewohner und auch der Polizei wurden sehr gut beschrieben und – wie ich finde – sehr realistisch dargestellt.
Schon durch meine Liebe zur Landschaft lese ich sehr gern und sehr viele Provence Krimis. Das Buch von Remy Eyssen hat mich wirklich überzeugt. Ein rundes und spannendes Lesevergnügen.