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Veröffentlicht am 13.04.2020

Gut geschrieben, aber mir fehlte die Spannung

Maigret in der Liberty Bar
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Bisher kannte ich keinen der 120 Romane und 150 Erzählungen des Belgiers Georges Simenon (1903-1989), weder einen seiner Krimis mit dem ewig Pfeife rauchenden Kommissar Maigret noch einen seiner Non-Maigret-Romane. ...

Bisher kannte ich keinen der 120 Romane und 150 Erzählungen des Belgiers Georges Simenon (1903-1989), weder einen seiner Krimis mit dem ewig Pfeife rauchenden Kommissar Maigret noch einen seiner Non-Maigret-Romane. Nachdem ich nun dank eines Überraschungspakets des Atlantik-Verlags, der gerade die Neuübersetzungen Simenons herausbringt, zunächst den 1948 erstmals und nun im November 2019 veröffentlichten Roman "Der Schnee war schmutzig" gelesen hatte - ganz ohne Maigret und kein Krimi -, der mir ausnehmend gut gefallen hatte und den ich sehr gern weiterempfehle, las ich nun den bereits 1932 erstmals und nun im Februar 2020 in neuer Übersetzung erschienenen Krimi "Maigret in der Liberty Bar": Der Mord an einem Australier führt Kommissar Maigret an die Côte d’Azur, wo er sich im milden Mittelmeerklima wie im Urlaub fühlt. Erst nach dem Anblick des Toten, der ihm verblüffend ähnelt, beginnt sich Maigret für den Mann zu interessieren, der für den französischen Geheimdienst arbeitete, mit zwei Frauen zusammenlebte und Verbindungen in eine seltsame Bar hatte - die Liberty Bar. Auch in diesem Maigret-Krimi liegt der Schwerpunkt des Romans [wie angeblich bei den anderen Maigret-Romanen auch] weniger auf äußerer Handlung als auf dem inneren Prozess Maigrets, der zunächst einmal das Geschehen zu verstehen versucht. Nach einigem Hin und Her ist die Tat endlich aufgeklärt, doch am Ende gibt es keine Verhaftung, sondern Maigret überlässt die Täterin ihrem ohnehin schweren Schicksal. Ist "Maigret in der Liberty Bar" nun einer von Simenons schwächeren Krimis? Ich hatte mir nach meinem ersten Simenon-Roman (siehe oben) jedenfalls mehr vom berühmten „Maigret“ versprochen. Stellenweise langweilte mich der Krimi sogar. Liegt es vielleicht am Alter des Krimis, der immerhin vor fast 90 Jahren geschrieben wurde? Mag sein. Heutzutage verlangt man nach mehr Tempo, mehr Action, noch mehr Psycho – alles dies fehlte mir hier. Der Roman schien mir zudem nicht schlüssig, die Auflösung allzu überraschend. Nach diesen zwei Erfahrungen kann ich mir durchaus vorstellen, einen weiteren Non-Maigret-Roman von Georges Simenon zu lesen, einen weiteren "Maigret" aber wohl eher nicht.

Veröffentlicht am 13.04.2020

Eine liebevolle Mahnung zur Verständigung

Hineni
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REZENSION – Es ist kein biblischer Text, und doch ist es eine Geschichte aus der Bibel: „Hineni“, der aktuelle Roman des serbischen Schriftstellers Ivan Ivanji (91), schildert – ohne biblischen Pathos, ...

REZENSION – Es ist kein biblischer Text, und doch ist es eine Geschichte aus der Bibel: „Hineni“, der aktuelle Roman des serbischen Schriftstellers Ivan Ivanji (91), schildert – ohne biblischen Pathos, sondern eher augenzwinkernd geschrieben – die modern erzählte Lebensgeschichte Abrahams, der vor 4 000 Jahren auszog, um als „Vater vieler Völker“ im „gelobten Land“ Kanaan alle dort lebenden Stämme zu vereinen, ein eigenes Volk zu gründen und dem einen allmächtigen Gott zu dienen. „Hineni“ ist ein versöhnlicher Roman, geschrieben von einem Überlebenden der KZs Auschwitz und Buchenwald. Der 1929 in Serbien als „zufälliger Jude“ Geborene versteht sich noch heute, Jahrzehnte nach dem Zerfall Jugoslawiens, als Bürger des einst von General Tito zusammengehaltenen Vielvölkerstaates, dessen Dolmetscher Ivanji war. Dies zu wissen, hilft die Botschaft seines lesenswerten Romans zu verstehen.
Ivanji erzählt die Lebensgeschichte Abrahams als historischen Tatsachenroman, hält sich nach Vergleich von Thora, Koran und Bibel – wichtig deshalb auch sein diesbezügliches Nachwort – an überlieferte Fakten, scheut sich allerdings auch nicht, mit fiktiven Zutaten und eigener Interpretation der drei heiligen Schriften eine spannende Geschichte daraus zu machen. Bei ihm ist Abraham ein einfacher Kaufmann in der Handelsstadt Haran. Erst viele Jahre später zieht er als Vasall des politisch modern denkenden Pharaos Amenemhet I. in sein „gelobtes Land“ Kanaan, um die dort von Ägypten unabhängig lebenden Stämme zu vereinen und mit ihnen und eigenen Nachkommen sein eigenes Volk zu gründen. Dass der große Plan Abrahams schon in der nachfolgenden Generation seiner Söhne Ismael und Jakob misslingt, ist eine andere Geschichte.
So ernst dem Autor der Gedanke der Völkerverständigung und des friedlichen Miteinanders auch ist, schildert der Autor seinen Helden Abraham keineswegs als weise, von Gott geleitete biblische Persönlichkeit. Abraham scheint eher oft hilflos, wenn er grübelnd auf dem Flachdach seines Hauses steht und seinem Gott laut „Hineni – Hier bin ich“ zuruft. Dies klingt durchaus nicht als Ausdruck höchster Dienstbereitschaft und ist nicht der Ausruf eines von Gott Berufenen, sondern gleicht eher dem Ausruf Luthers: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen!“ Wie oft zweifelt Abraham an seinem Gott: „Hatte er selbst diesen Gott erfunden, weil er ihn brauchte für die Erfüllung seiner irdischen Vorhaben? …. Mit Sicherheit nicht! Elohim würde es richten. Hoffentlich. Gewiss! Amen!“
In dieser Hilflosigkeit meint Abraham in allen eigenen Gedanken, aber auch in Ratschlägen seiner Vertrauten die Stimme seines Gottes zu hören. Und wenn es ihm nicht gelingt, seinen Willen – also Gottes Willen – bei seinen noch mehrheitlich die heidnischen Gottheiten anbetenden Untertanen durchzusetzen, dann muss eben auch mal ein göttliches Wunder her, bei dem Abraham etwas nachhilft, oder ein paar Geschichten, „die interessanter und daher glaubwürdiger waren als die fade Wirklichkeit“. So fragt ihn Lot nach dem Untergang Sodoms und dem Tod seiner Frau: „Wieso Salzsäule?“ Und Ivanji lässt Abraham antworten: „Was weiß ich. Das klingt doch nach einer guten Geschichte, das werden die Leute sich merken.“
Ivan Ivanjis nachdenklich stimmender Roman „Hineni“ könnte mit seiner Ironie und seinem Witz manchem Bibelgläubigen missfallen. Doch er ist ein ernster Aufruf zur Verständigung zwischen Juden und Arabern als Nachkommen Abrahams, des „Vaters vieler Völker“. Dieser Roman passt als Mahnung ins 75. Jahr der KZ-Befreiung und in die Zeit des Corona-Virus, der doch alle Völker auf Erden gleichermaßen trifft – ohne Ansehen von Rasse und Religion.

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Veröffentlicht am 11.04.2020

Philosophisches Thema, locker und unterhaltsam

Felix und die Quelle des Lebens
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REZENSION – Ist es eine poetische Erzählung, eine zeitgenössische Fabel, ein modernes Märchen? Wie auch immer: „Felix und die Quelle des Lebens“, der achte Band seines 1997 begonnenen „Zyklus des Unsichtbaren“ ...

REZENSION – Ist es eine poetische Erzählung, eine zeitgenössische Fabel, ein modernes Märchen? Wie auch immer: „Felix und die Quelle des Lebens“, der achte Band seines 1997 begonnenen „Zyklus des Unsichtbaren“ des französischen Schriftstellers Eric-Emmanuel Schmitt (60), ist einfach schön zu lesen und macht dem Wortsinn der „Belletristik“ alle Ehre. Schmitt, der 2001 mit „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Korans“ seinen internationalen Durchbruch hatte, verzaubert wohl jeden Leser mit dieser anrührenden und lebensklugen, dabei recht locker und humorvoll geschriebenen Geschichte um den 12-jährigen Felix, der mit seiner aus Senegal stammenden Mutter Fatou in Paris lebt und ihr, die bislang mit ihrer Lebensfreude strahlender Mittelpunkt seines Lebens war, nun in verzweifelter Situation aus tiefster Schwermut hilft.
Die bis vor kurzem noch lebensfrohe Fatou ist Wirtin eines kleinen Cafés, um die sich eine bunt gemischte Schar schrulliger Stammgäste schart, die - wie Fatou und Felix als Schwarze unter Weißen – in ihrem Wesen zur benachteiligten, auch diskriminierten Minderheit gehören, alle aber in Fatous Café Anerkennung und Heimat finden. Da trifft das lesbische Pärchen auf eine Transe, ein verkappter Philosoph auf einen Mann, der ein Wörterbuch auswendig lernt. Fatous Leben scheint soweit wunderbar, bis ihr Traum eines größeren Cafés durch Betrug und Geldgier von Immobilienhaien zerplatzt und die Enttäuschung sie in tiefe Depression stürzen lässt. Fatous vermeintlicher Bruder Bamba aus Senegal, den Felix zu Hilfe ruft, kann nicht helfen. Erst sein Vater, der nach zwölf Jahren unerwartet auftaucht, ahnt die Lösung: Er reist mit Mutter und Sohn in Fatous afrikanisches Heimatdorf - an die „Quelle des Lebens“, wo Fatou auch tatsächlich wieder gesund wird.
In „Felix und die Quelle des Lebens“ geht es nicht um das Elend alleinerziehender Mütter mit Migrationshintergrund, sondern um die Kraft von Herkunft, Abstammung und Familie. Schmitt verbindet völlig Gegensätzliches, Rationales mit Irrationalem, Sichtbares mit Unsichtbarem. Der Autor lässt Welten aufeinander prallen, die kaum gegensätzlicher sein können: Paris und das senegalesische Dorf, medizinische Wissenschaft und die traditionelle Heilkunst der Schamanen Er lässt uns über philosophische Weisheiten und spirituelle Themen nachdenken, die, aus dem Blickwinkel eines Zwölfjährigen geschildert, einfach und plausibel erscheinen.
Letztlich geht es in „Felix und die Quelle des Lebens“ um die Frage, wie wichtig die Vergangenheit eines Menschen für sein gegenwärtiges Leben ist, und dass wir lernen müssen, auch mit negativen Erfahrungen umgehen zu können. Der Autor mahnt uns mit einfachen Worten auf humorvolle und trostreiche Weise, uns zur eigenen Identität, zur eigenen Geschichte und Spiritualität zu bekennen. So fordert uns und Felix der senegalesische Schamane auf, der in Wahrheit aufgeklärter ist, als er sich mit seinem zeremoniellen Äußeren gibt, uns nicht durch den vordergründigen Schein des Materiellen vom tieferen Sinn des Lebens ablenken zu lassen: „Blicke hinter das Sichtbare. Betrachte das Unsichtbare. …. Die unsichtbare Quelle ist überall, immer dort, wo du dich befindest.“ Denn das afrikanische Sprichwort, das Eric-Emmanuel Schmitt seinem Buch vorangestellt hat, weiß: „[Nur] derjenige, der genau hinschaut, sieht sie schließlich.“

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Veröffentlicht am 10.04.2020

Enttäuschend, oberflächlich, wenig spannend

Pandora
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REZENSION – Als „historischer Thriller“ über die Nachkriegszeit in Berlin angekündigt, durfte man auf das Krimi-Debüt „Pandora. Auf den Trümmern von Berlin“ des in Berlin lebenden Autoren-Duos Liv Amber ...

REZENSION – Als „historischer Thriller“ über die Nachkriegszeit in Berlin angekündigt, durfte man auf das Krimi-Debüt „Pandora. Auf den Trümmern von Berlin“ des in Berlin lebenden Autoren-Duos Liv Amber und Alexander Berg gespannt sein, bieten doch gerade die Nachkriegsjahre vielerlei Ansatzpunkte für einen interessanten Roman um „alte Schuld und neue Sünden“. Doch „Pandora“ ist leider weder historisch interessant noch als Kriminalroman spannend genug. Stattdessen ist die Handlung um den aus dem britischen Exil in seine von Ost-West-Spaltung und sowjetische Blockade gebeutelte Heimatstadt heimgekehrten Hans-Joachim Stein, Kriminalkommissar in der neuen Westberliner Mordinspektion, allzu durchsichtig. Schon nach 100 der knapp 450 Seiten ist der Zusammenhang zweier Mordfälle zu durchschauen. Schnell wird deutlich, dass es um die mangelhafte Aufarbeitung von Euthanasie- und anderer Verbrechen geht, die in den Nachkriegsjahren bekanntermaßen, da viele Nazis in West-Berlin und in der jungen Bundesrepublik wieder in Justiz und Verwaltung eingesetzt waren, von alten NS-Seilschaften gezielt behindert wurde.
Gleich nach Dienstantritt in seinem neuen Job wird Stein die Aufklärung des Mordes an einem stadtbekannten früheren Schwarzmarkthändler und jetzigen Besitzer des Nachtclubs „Pandora“ übertragen. Zufällig findet er auch die Akte eines anderen Mordfalles auf seinem Tisch, bei dem wohl gleich nach Kriegsende fünf junge Frauen aus einer Klinik umgekommen sind. Dass sein Chef, Polizeirat Krüger, alles daran setzt, diese Akte unbedingt verschwinden zu lassen, weckt Steins Misstrauen, weshalb er sich gerade deshalb heimlich auch dieses Falles annimmt. Leider allzu frühzeitig wird dem Leser eine mögliche Verbindung beider Mordfälle offensichtlich.
Erwartet man von einer gebürtigen Schwedin und praktizierenden Anwältin wie Liv Amber als Autorin vielleicht die literarische Kraft eines skandinavischen Thrillers oder wenigstens einen spannenden Justizkrimi, wird der Leser bei „Pandora“ leider enttäuscht. Auch die Co-Autorenschaft des Psychiatrie-Professors und Sachbuch-Autors Alexander Berg hinterlässt in den handelnden Charakteren keine erkennbaren Spuren – im Gegenteil, die Figuren sind nur oberflächlich charakterisiert und verkörpern vielmehr bereits stark abgegriffene Klischees. Da ist natürlich der gute Deutsche in Person des Heimkehrers Hans-Joachim Stein, der „mit unbestechlichem Blick alte und neue Verstrickungen aufdeckt“ und bei seiner Suche nach Wahrheit gegen den „allgegenwärtigen Geist des Nationalsozialismus“ ankämpfen muss, wie es schon im Klappentext heißt. Dann lernen wir seinen Kollegen Max Wuttke kennen, der als typischer Mitläufer natürlich „niemals Nationalsozialist und nie in der Partei“ war, aber seinem Vorgesetzten Krüger in alter Kriegskameradschaft immer noch hörig ist. Und so setzen sich die altbekannten Klischees in anderen Romanfiguren fort. Auch in historischer Sicht bietet der Krimi nichts, was man in anderen Romanen nicht schon besser gelesen hätte.
Alles in allem enttäuscht also der Krimi „Pandora. Auf den Trümmern von Berlin“ – zumindest die älteren, schon erfahrenen Leser – durch die Oberflächlichkeit seiner Figuren, den wenig spannenden, da erwartbaren Handlungsablauf, die Verwendung allzu bekannter Klischees und den auch historisch wenig interessanten Handlungsrahmen. Anders mag das Urteil vielleicht bei jüngeren, in Nachkriegsromanen noch ungeübten Lesern ausfallen. „Pandora“ wurde als Auftakt zu einer historischen Thriller-Reihe angekündigt. Doch ein zweiter Band sollte nach diesem literarisch noch recht bescheidenen Debüt schon einiges mehr an Spannung, historischer Milieu-Beschreibung und Tiefenschärfe seiner Figuren bieten.

Veröffentlicht am 05.04.2020

Lesenswerter Umweltroman und literarischer Genuss

Der brennende See
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REZENSION – Alles Leben kommt aus dem Wasser. Vielleicht spielt deshalb das Wasser immer wieder eine gewichtige Rolle in den so lebensnahen Werken des preisgekrönten deutschen Schriftstellers John von ...

REZENSION – Alles Leben kommt aus dem Wasser. Vielleicht spielt deshalb das Wasser immer wieder eine gewichtige Rolle in den so lebensnahen Werken des preisgekrönten deutschen Schriftstellers John von Düffel (54). „Vom Wasser“ (1998), „Schwimmen“ (2000) und „Wassererzählungen“ (2014) zeigen dies in ihren Titeln. Aber auch in „Houwelandt“ (2004) zieht es den Patriarchen ans Meer als wichtigstes Lebenselixier, und sogar John von Düffels Vortragssammlung „Wovon ich schreibe“ (2009) zeigt ihn selbst als Schwimmer bis zum Hals im Wasser. Auch sein neuester Roman „Der brennende See“ zeigt im Zusammenhang mit dem Klimawandel wieder das Wasser als teils verbindendes, teils trennendes Element im Generationenkonflikt zwischen den Protagonisten.
Hannah, Tochter eines kürzlich verstorbenen Schriftstellers, kehrt in die Stadt ihrer Kindheit zurück und findet bei der Wohnungsauflösung am Totenbett das Foto einer ihr unbekannten jungen Frau. Es ist die Gymnasiastin Julia, Tochter der früheren Schulfreundin Vivien. Hannah muss feststellen, dass die junge Umweltaktivistin beim alternden Vater ihre Stelle als Ersatztochter eingenommen hatte und beide sich – der eine literarisch, die andere im Straßenkampf – sich dem Umweltschutz verschrieben hatten, vor allem dem Erhalt des in einer Kiesgrube entstandenen Natursees. Diesen See nicht wie von der Stadt geplant in eine Müllhalde zu verwandeln, ist auch Matthias und Viviens Bestreben. Doch der Einsatz des Ehepaares für den See ist nur vorgeschoben, geht es beiden doch in erster Linie um ihr am See-Ufer noch im Bau befindliches Seniorenheim. Am Rande einer Müllhalde wäre ihr Projekt zum Scheitern verurteilt und das bereits investierte Geld verloren.
„Der brennende See“ zeigt einerseits in der Person Hannahs das gleichgültige Desinteresse vieler Menschen an ihrer Umwelt, andererseits in den Bauherren Matthias und Vivien deren Egoismus und gewinnorientierte Ausbeutung der Natur. Die Gymnasiastin Julia steht in John von Düffels Roman für die nächste Generation, die unter den verheerenden Folgen des von früheren Generationen zu verantwortenden Klimawandels konkret zu leiden haben wird, wie es der Autor in seinen die Kapitel einführenden, sich zum Schluss dramatisch steigernden Wetterberichten zeigt. Es geht in diesem Roman letztlich um die verheerenden Hinterlassenschaften der einen und das Umwelterbe für die nächsten Generation, die nicht einfach, wie Hannah es mit der materiellen Hinterlassenschaft ihres Vaters macht, dieses Erbe verweigern und sich eine neue Welt suchen kann.
Klimawandel und Umweltschutz geben verständlicherweise jedem zeitgenössischen Roman in seiner Kernaussage eine vorbestimmte Einseitigkeit. Welcher Schriftsteller will sich schon nachsagen lassen, nicht frühzeitig in seinem Werk seine Leser vor den Langzeitgefahren des menschlichen Raubbaues an der Natur gewarnt zu haben. Dies nimmt dann allerdings auch dem Leser des Romans „Der brennende See“ eine gewisse Dramatik. Dessen ungeachtet bleibt John von Düffels aktuelles Buch ein lesenswerter Roman, gelingt es ihm doch, die einerseits verlorene Dramatik durch ein spannendes Beziehungsgeflecht seiner menschlich so verschiedenen, überaus interessanten Charaktere mehr als zu ersetzen. Hinzu kommt, dass der angenehme, warmherzige Sprachstil des Autors und die starke Empathie für seine charakterlich so unterschiedlichen Figuren die Lektüre seines neuesten Romans zu einem literarischen Genuss machen.

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