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Veröffentlicht am 09.11.2020

Mehr Märchen, mehr Heldenreise, weniger Grausamkeiten

Die Chroniken von Alice - Die Schwarze Königin
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Allgemein:

Mit den "Dunklen Chroniken" schuf die amerikanische Autorin Christina Henry eine Erfolgsreihe düsterer Märchenadaptionen, die im Jahr 2020 Deutschland erreichte. Der 2. Band "Die Chroniken ...

Allgemein:

Mit den "Dunklen Chroniken" schuf die amerikanische Autorin Christina Henry eine Erfolgsreihe düsterer Märchenadaptionen, die im Jahr 2020 Deutschland erreichte. Der 2. Band "Die Chroniken von Alice - Die schwarze Königin" erschien im August 2020 bei Penhaligon und erzählt eine andere Version von "Alice im Wunderland" weiter: Nach dem Sieg in der alten Stadt begeben sich Alice und Hatcher auf die Suche nach Jenny, Hatchers verschollener Tochter. Ihr Weg führt sie durch das Reich der Weißen Königin, ein Territorium ungeahnter magischer Gegebenheiten, denen Alice sich stellen muss, um die Hoffnung auf ein normales Leben behalten zu können. Doch was hat es mit den verschwundenen Kindern aus dem Dorf auf sich? Und was ist aus der Schwarzen Königin geworden?

Mein Bild:

Ultragroße Coverliebe, erneut! Mal abgesehen davon, dass sich Penhaligon an dem englischen Original orientiert, mag ich den kantigen Schnitt des Hardcovers, die kompakte Größe und den Buchschnitt mit Pfotenmuster. Schon allein deswegen würde es wohl schon bei vielen LeserInnen einziehen, auch wenn das oberflächlich klingt.

Das Buch wirkt dick, doch spreche ich gerade einmal von 330 Seiten. Für Fantasy ist das glatt wenig, doch bis auf Kleinigkeiten hätte Alice` Abschluss tatsächlich nicht mehr Platz benötigt. Christina Henry hat interessanterweise die Aufteilung der Geschichte geändert. Waren es in Band 1 noch Kapitel, sah ich nun 3 große Teile mit Überschriften und innerhalb dieser höchstens längere Leseabschnitte. Ich bin kein Fan davon, weil ich an einigen Tagen nicht viel zum Lesen komme und bei diesem Buch musste ich tatsächlich immer wieder mittendrin aufhören zu lesen. Ihr kennt das: Normalerweise liest man sich von Kapitel zu Kapitel, das war hier nicht machbar.

Ansonsten verfolgte ich Alice personale Perspektive, die sich nach wie vor ehrlich und direkt ausdrückte. Ihre Entwicklung bekam hier mehr Raum als bisher. Das lag hauptsächlich daran, dass Alice ab einem gewissen Punkt auf sich allein gestellt war und Hatcher nicht mehr den Beschützer raus hängen lassen konnte. Ich meine, einerseits ist das in einer aussichtslosen Situation verständlich, andererseits verhielt sich Alice nicht immer so als würde sie aus der "Komfortzone" des männlichen Beschützers herausbrechen wollen. Trotz des ein oder anderen "Nein" hat sie ihn doch machen lassen. Wobei Hatcher, der Schlächter, in seinem animalischen Drang fast nicht zu stoppen ist. Seine Sehnsucht nach Gemetzel konnten weder Alice noch ich verstehen. Ein wirklich heftig traumatisierter Charakter.

Dagegen reflektierte Alice sich ständig selbst und wurde für mich zumindest mehr zu der selbstbewussten Frau, die ich mir gewünscht habe. Ihr war klar, dass sie keine strahlende Heldin ist und erst recht kein Preis, den man gewinnen kann, genauso wenig, würde sie sich mit fremden Federn schmücken. Sie steht zu sich selbst, ihren Fehlern, Hoffnungen, Zweifeln und verharrt nicht an Ort und Stelle. Mir gefiel es sehr, dass innerhalb des Verlaufs das Ziel sehr schnell feststand, und zwar ohne wenn und aber: Die Weiße Königin und ihre Kumpanen erledigen. Das war glatt erfrischend. Die Gefühle zu Hatcher werden nicht vergessen, keine Angst. Er ist und bleibt wichtig für Alice. Mir kam es jedoch ganz recht, dass es sich mehr um Alice drehte.

Der Weg zum Ziel hielt viele Aufgaben bereit, die mich an fantastische Filme oder einige Märchen erinnerte. Die Begegnung mit trollartigen Riesen erinnerte mich an den Hobbit, der Kobold an Pans Labyrinth, der Aschekönig erinnerte mich wiederum an eine Erlkönig-Adaption, die Weiße Königin hatte natürlich den Charme einer Eiskönigin und selbst Alice schwelgte in so mancher Kindheitserinnerung, in denen ihr ein Märchen erzählt wurde. Der rote Faden gefiel daher mir richtig gut. Zudem stiegen mir Bilder vor Augen, die die Autorin in einem richtigen Grad ausmalte, so dass ich mir die gedanklichen Freiheiten nehmen konnte, eigene Feinheiten eines Ortes oder Aussehens hinzuzufügen. Außer vielleicht beim Kobold. Der war im Buch wirklich gruselig genug beschrieben! Er ist der Kandidat, der die Düsternis am meisten verkörperte und Angst einflößte. Ja, so ganz ohne Grusel kommen Christina Henrys Bücher eben nicht aus.

Ein weiterer Pluspunkt war, dass offene Dinge aus Band 1 weiter behandelt wurden. Zum Beispiel Alice mickrige magische Fähigkeiten und die Ursache dessen. Es war wichtig für sie herauszufinden, wer sie ist bzw. wer sie in Zukunft nicht sein möchte, denn ihre bisherigen Erfahrungen mit Magie besaßen immer einen bösen Ursprung. Mit von der Partie in dieser Selbstfindungsphase ist übrigens einer meiner Lieblingsnebendarsteller Grinser. Der Typ ist so genial und ich bin so froh, dass er in einer etwas anderen Art und Weise Platz gefunden hat. Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass mir der Show Down zu Alice Magie zu dramatisch war. Das hätte es nicht gebraucht. Mir fehlten eher noch ein bis zwei Erklärungen, zu der Anfangssituation im Buch. Zum Beispiel Flugobjekte, die eben mal auftauchen und dann nie wieder, wo nur vermutet wird, was es damit auf sich hat, aber mehr nicht. Das ist einfach bescheiden.

Das Ende hielt einen Twist bereit oder wie soll ich sagen, die Eröffnung eines Fakts, an den ich nicht gedacht hatte. Obwohl ich mich echt gefragt habe, was aus dem Ursprungsgrund der Reise nun werden soll. Ich wäre nie drauf gekommen und dachte dann nur „ok, gut, das passt“. Ich würde gern mehr verraten, aber hey, ich spoilere nicht. An sich ist es ein gerechtes Ende, kein strahlendes Happy End, kein verschönter Abschluss, nein, das Leben spielt eben anders. Wie sagte Alice so schön: „In der Welt gibt es nicht immer nur Schwarz oder Weiß, sondern auch viele Abstufungen von Grau.“ (Seite 318). Das ist eine von ganz vielen tollen Botschaften in diesem Buch.

Fazit:

Es bleibt spannend und düster bei Alice, aber nicht mehr ganz so blutig. Begleitet eine nicht strahlende, jedoch tapfere Heldin bei ihrer Reise voller Aufgaben, die an so manch andere Geschichte erinnern. Für LeserInnen, die Märchenadaptionen mögen und nicht nur in schwarz und weiß denken.

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Veröffentlicht am 14.10.2020

Kurzweilig, voller magisch-wunderbarer, aber auch unverblümter Momente

Märchenhafte Weihnachten
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Allgemein:
Unter der Überschrift "Unendliche Welten" hat sich der Wunderhaus Verlag das Ziel gesetzt, bekannte Märchen in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Illustratoren ...

Allgemein:
Unter der Überschrift "Unendliche Welten" hat sich der Wunderhaus Verlag das Ziel gesetzt, bekannte Märchen in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Illustratoren erscheinen so Jahr für Jahr liebevoll gestaltete Geschenkausgaben, wie zum Beispiel in diesem Jahr "Märchenhafte Weihnachten - Wintermärchen aus aller Welt". Natürlich begegnet man bekannten Erzählungen von Hans Christian Andersen bis hin zu den Gebrüdern Grimm. Doch wie sieht es aus mit Pavel Bazhov oder Manfred Kyber?

Mein Bild:
Es gibt Bücher, da ist es Liebe auf den ersten Blick. Zu diesen Büchern gehört dieses ca. 60 seitige Schmuckstück. Schon allein das Cover ist für mich winterlicher Zuckerguss mit dem süßen schlafenden Eisbären, den glänzenden Schneeflocken und dem goldenen Schriftzug. Sobald ich die erste Seite aufgeschlagen hatte, betrat ich durch ein Tor eine schneebedeckte Straße in einer Stadt, deren warm beleuchtete Läden mich einluden inne zu halten. Im übrigen ist das wirklich das Einstiegsbild, genauso wie es zum Ende eine passende Illustration gibt. Diese Art der Einladung gefiel mir.

Danach lernte ich Stück für Stück 10 sagenumwobene Geschichten erneut kennen oder überhaupt kennen. Jede nimmt durch eine ganz eigene Illustration ihren Anfang. Hier habe ich schnell gemerkt, dass mehrere Künstler am Werk waren. Es gibt super weich gezeichnete, fast gemäldeartige Winterlandschaften, markant skizzierte Figuren, sehr warme oder sehr geheimnisvoll anmutende Farbkompositionen, genauso wie traditionell aussehende Kinderbuchbilder bis zu heutigen niedlicheren Variante. Irgendwie konnte ich mich nicht satt sehen. Allerdings fand ich hier schnell meine Lieblingsbilder, unter anderem die zur Geschichte vom "Silberhuf". Ich denke, vielen LeserInnen wird es ähnlich gehen.

Die Inhalte der Märchen beschränken sich auf wenige Seiten, die ich schnell verschlang. Langeweile kam bei dieser kompakten Art nie auf. Ich bin mir nicht sicher, ob die Geschichten im Original genauso gestaltet sind, wenn nicht, tut es der Sache trotzdem keinen Abbruch. Mich versetzte "Der standhafte Zinnsoldat" oder die "Sterntaler" wieder in meine Kindheit und mit Neugier verfolgte ich die Geschichte vom "Tannenbaum" oder das russische Märchen vom "Silberhuf", weil ich diese nicht kannte.

Unterschiedliche SchriftstellerInnen erfordern auch unterschiedliche Perspektiven, Wortwahl und Übersetzungen. Einerseits gefiel mir die Abwechslung, andererseits gibt es auch hier Dinge, die mir mal mehr, mal weniger gut gefielen. Ich hatte so meine Schwierigkeiten bei der Überlegung für welches Alter das Buch geeignet wäre. Traditionelle Erzählweisen treffen manchmal nicht mehr den Kern der Zeit, haben aber etwas Herzerwärmendes und sind trotzdem verständlich. Das ist in Ordnung, so dass ich Kindern im Grundschulalter das Buch auf jeden Fall in die Hand geben würde bzw. genau so gern vorgelesen bekommen können. Und jetzt das aber: Aber für sensible Kinder könnte so manche Geschichte, die kein gutes Ende nimmt, eine traurige Miene bedeuten. Ich finde, es hat an mancher Stelle einen bitteren Beigeschmack, der mich beim Thema "Weihnachten", "Besinnlichkeit" und "Wunder" stört. Nichtsdestotrotz existiert Tragik nicht nur im realen Leben, sondern ebenso bei Andersen, Grimm & Co. - ein Zwiespalt.

Hervorheben möchte ich zum Abschluss das tollste Goodie ever. Ich hatte das Vergnügen über eine Möglichkeit im Buch dem Hörbuch online zu lauschen. Echt cool, dass ich als Leserin zusätzlich noch diese Chance erhalte. Der Sprecher Sebastian Lohse besitzt das Talent mit unterschiedlichen Stimmlagen verschiedene Figuren authentisch sprechen zu können. Es macht Spaß ihm zuzuhören, fast mehr als es selbst zu lesen. Richtig atmosphärisch kommt das Ein- und Ausläuten der einzelnen Geschichten daher, in Form weihnachtlicher Spieluhrmelodien. Gern würde ich dazu anfangen, meinen Weihnachtsbaum zu schmücken.

Fazit:
Für Liebhaber von traditionellen Märchen und Wintergeschichten. Für die, die es kurzweilig und ehrlich mögen, die Wunder lieben, mit Happy End, aber auch ohne können. Zum selbst lesen, vorlesen oder hören - such es dir aus.

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Veröffentlicht am 10.10.2020

Berührend und echt wie ich es von Danit Atkins mag, doch vorhersehbarer als gewohnt

Wohin der Himmel uns führt
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Allgemein:

Emotional, tiefgründig und überraschend, dass sind Dani Atkins Romane. Ihr aktuelles Buch "Wohin der Himmel uns führt" ist im September 2020 bei Knaur erschienen, ebenso wie "Der Klang deines ...

Allgemein:

Emotional, tiefgründig und überraschend, dass sind Dani Atkins Romane. Ihr aktuelles Buch "Wohin der Himmel uns führt" ist im September 2020 bei Knaur erschienen, ebenso wie "Der Klang deines Lächelns" oder "Sag ihr, ich war bei den Sternen", um nur zwei weitere von den bisher erschienenen Titeln zu nennen. Worum gehts in der Geschichte? Wären sich Beth und Izzy vielleicht zu einem wahlloserem Zeitpunkt begegnet als diesen, hätten sie sich sogar angefreundet, so viel ist sicher. Doch der Grund ihrer Begegnung ist ein schrecklicher Fehler, der vor 8 Jahren gemacht wurde und beide zu "Gegnerinnen" werden lässt, die ihre Muttergefühle sprechen lassen. Und das, obwohl Izzy mit der Trennung von ihrem Ehemann Pete zurecht kommen muss und Beth ihre Hoffnung gerade erst wiedergefunden hatte.

Mein Bild:

Ihr glaubt gar nicht, wie ich auf dieses Buch gewartet habe, so hin gefiebert wie jedes Jahr, wenn es Herbst wird und Knaur mir um die 400 Seiten Emotionen im Klappenbroschur liefert. Meine Erwartungen bezüglich des Covers sind erfüllt. Es schmiegt sich vom Design sehr gut an seine Vorgänger und ruft auch irgendwie ein Gefühl der Erinnerung hervor, wenn man die dezent gemalte Situation des Bildes erfasst.

Ich möchte euch einen Tipp geben. Lasst euch bitte vom Inhalt überraschen, von dem eigentlichen Thema. Das ist, glaube ich, wichtig, um rein zukommen. Deswegen meine Bitte, lest nicht den Text innerhalb der Klappe oder die Inhaltsangabe aus dem Netz. Die Rückseite vom Buch reicht aus. Ansonsten spoilert man sich schon 90 Seiten zu früh. Ok, wer 1 und 1 zusammenzählt, so wie ich, ahnt vielleicht bereits nach 40 Seiten, was Sache ist. Doch Dani Atkins Bücher leben vor allem von einem Muster der Twists oder Überraschungen. Sie lenkt den Leser / die Leserin immer in eine Richtung, um eine Erwartungshaltung zu schüren und dann, ätsche bätsch, es ist anders, oft sehr anders ohne an Logik zu verlieren. Mich erwischte sie jedenfalls gleich zu Beginn, nur zur Abwechslung hielt das nicht lang an. Der Knackpunkt des Buches, das eigentliche moralische und absolut mörderisch emotionale Thema blieb für mich nicht so lange geheim wie ich gehofft hatte. Entweder bin ich inzwischen ein Atkins-Sherlock oder es war doch vorhersehbar. Allerdings blieb sehr lange offen, wie die Geschichte ausgeht und das auch in seinen parallel verlaufenden Handlungssträngen. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten im Leben und das macht es spannend, auch im Buch.

Ich werde euch bezüglich der Handlung nicht spoilern, weil ihr den Moment des "Klick machens" selbst erleben solltet und haltet den Gedanken gern fest, den ihr dabei habt. Es ist ungeheuerlich, ich hatte so ein Mitleid mit den Protagonistinnen, die beide ein Recht auf ihre Gefühle haben, in jeglicher Hinsicht. Ich war mindestens genauso hin und her gerissen wie sie. Dazu noch der moralische Aspekt. Die Frage, wie weit darf der Mensch eingreifen, Gott spielen, experimentieren und Verantwortung für Dritte übernehmen, wenn es nicht lebensnotwendig ist? Ich hab mir die Frage nie gestellt, wenn es eine Hilfe darstellt. Bis die Autorin die Möglichkeit eines gravierenden Fehlers aufgreift. Objektivität und Abstand ist hier tatsächlich fehl an Platz. Sensibilität, Emotionalität, Verantwortungsbewusstsein und Tragik schwingen in jedem Kapitel mit, genauso wie Hoffnung, sehr viel Liebe, Humor und Zärtlichkeit. Die Autorin arbeitet dabei mit zahlreichen bildlichen Vergleichen, Alltagssituationen, die man selbst kennt oder gut nachempfinden kann, genauso wie die Frauen in diesem Buch.

Ich mochte beide Protagonistinnen sehr gern, trotz oder gerade weil sie ihre Schwächen haben und in ihrer jeweiligen Ich-Perspektive zeigen. Izzy und Beth sind beide Anfang - Mitte dreißig und sind sich meines Erachtens schon ähnlich und irgendwie wieder nicht. Beide sind Kämpferinnen mit dem Herz am rechten Platz und zeigen ohne Probleme eine tiefe Empathie gegenüber anderen. Allerdings leben sie in unterschiedlichen Situationen, sozial wie auch materiell. Beth begegnete mir impulsiv, offen und manchmal naiv. Daher zog mich die aufkeimende Freundschaft mit dem Witwer Liam und seiner Jack Russell - Hündin Sally sehr in den Bann. Es war so schön zu lesen, dass ihre Nebenhandlung nicht, ja ich betone, nicht aus einer klassischen Liebesgeschichte besteht. Ich muss zwar zugeben, dass ich zwischen den vielen Möglichkeiten hin und her wankte, aber das ist eben typisch Dani Atkins.

Die liebe Izzy ist eine hingebungsvolle, aufopfernde und ja, helikoptermäßige Mutter für ihren achtjährigen Sohn Noah. Zu Noah sei nur gesagt: Er ist ein wahrer Goldschatz, ein tolles Kind. Wegen ihm habe ich oft gelächelt. Izzy macht sich das Leben nicht nur mit der Helikoptereigenschaft schwer, nein, sie schweigt viel zu oft. Ihre Gefühle beben innerlich und sie bekommt den Mund nicht auf. Ganz oft wollte ich sie schütteln und habe sie trotzdem verstanden. Sie reflektierte sich auch selbst. Bewundernswert, doch es hilft nicht, gerade bei der Situation mit ihrem Ehemann Pete (natürlich ebenso ein Bombentyp und ein toller Vater). Wie soll man so seine Ehe retten?

Kennt ihr das, wenn ihr einen emotionalen Ausbruch hinter euch habt, tief durchatmet und die Welt, beispielsweise nach einem Schlüsselmoment, wieder anders seht? Ich glaube, das durchlebte ich mit Beth und Izzy, und das knapp am Taschentuch vorbei. Egal, welche der möglichen Wege die beiden Frauen gegangen wären, ich wäre sie so oder so mitgegangen. Nichts fühlte sich für mich bezüglich ihrer Entscheidungen falsch an, sondern richtig bis zum Schluss. Das Ende verhielt sich wie ein Herzschlag nach einem Augenblick der Stille.

Fazit:

Ein Dani Atkins - Roman, wie er sein soll: Nahe an der Taschentücherbox und doch nie zu viel. Emotional, lebensecht, moralische Fragen aufgreifend und zwei Protagonistinnen, die vor allem eine Sache verbindet. An mancher Stelle der Handlung überraschend, doch da geht normalerweise mehr.

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Veröffentlicht am 30.09.2020

Einmal mit den Schubladendenken aufgeräumt, denn der Schein trügt oft!

Der Schein
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Allgemein:

Ella Blix ist das Autorinnenduo um Antje Wagner und Tania Witte, die bereits zwei Jugendromane beim Arena-Verlag veröffentlichten. Darunter die im Jahr 2018 erschienene Geschichte der jungen ...

Allgemein:

Ella Blix ist das Autorinnenduo um Antje Wagner und Tania Witte, die bereits zwei Jugendromane beim Arena-Verlag veröffentlichten. Darunter die im Jahr 2018 erschienene Geschichte der jungen Alina. Von ihrem Vater auf die viel zu ruhige Ostseeinsel Griffiun geschickt, um 6 Monate das Internat Schloss Hoge Zand zu besuchen, reagiert sie alles andere als begeistert. Alina will nur eins, zurück nach Berlin. Doch es heißt es Augen zu und durch. Was sie allerdings nicht erwartet hat, sind die merkwürdigen Ereignisse und Regeln auf Griffiun. Warum darf man das Naturschutzgebiet nicht betreten? Was ist das für ein blitzewerfendes Schiff mitten in der Nacht? Was steckt hinter dem neuen Kioskbesitzer und der heimlich Camperin? Fragen, denen Alina mit den „Lonelies“, ihren neuen Mitschülern, auf den Grund gehen will.


Mein Bild:

„Der Schein“ lag über 2 Jahre auf meinem SUB, eine echte Schande, wenn ich bedenke, wie gut mir die Geschichte um Alina und vieles mehr gefallen hat. Doch erst einmal von vorn. 2018 hatte ich das Buch auf der LBM ergattert, natürlich nach einer Lesung der Autorinnen inklusive Signiermöglichkeit, ist ja wohl logisch. Irgendwie klang es spannend und der Klappentext wahrte eindeutig mehr den „Schein“ (haha, Wortspiel!) als das er viel preis gab. Dass ich zudem völlig in dieses Cover verliebt bin, brauch ich wohl nicht sagen. Gold auf schwarzem Untergrund geht immer und eh ich mitbekommen habe, dass dieser verschlungene Nebel ein Wort bildet...Meine Überraschung war groß.

Auf 470 Seiten erzählen Antje Wagner und Tania Witte mir, wie die bald 16-jährige Alina von ihrem „Pa“ auf die Ostseeinsel Griffiun geschickt wird und bereits die ersten Sätze verrieten, dass sie nicht viel davon hält. Generell habe ich wirklich herzlich geschmunzelt über manche Situation, die Alina erlebte. Der Schreibstil in Ich-Perspektive hatte genau den jugendlichen Slang, den es brauchte, um locker zu sein. Glücklicherweise nicht in einer dämlichen Art und Weise, sondern bildlich, emotional und glaubhaft. Was ich damit sagen sollte: Mein Herzchen fieberte mit und zauberte mir mit mancher Andeutung auf Game of Thrones oder Harry Potter ein Glitzern in die Augen.

Obwohl die Protagonistin es mir eingangs echt schwer machte. Ich mochte sie nicht. Alina kam rüber wie eine verwöhnte Göre, die jede Person, die sie sah in eine Klischee-Schublade schob. Dazu unnahbar, arrogant und für ein Mädel aus Berlin absolut nicht weltoffen. Für sie gab es nur wenige Menschen, die zählten, der Rest viel hinten runter. Sie war echt unfair, ließ den Menschen keine Chance an sie ran zu kommen. Jedoch war das ein guter Ansatz, um mich als Leserin selbst zu fragen, was ich in einer Situation gemacht hätte, in der ich nie landen wollte? Mit knapp 16! Ich muss daher echt zugeben, dass sie mich nicht nervte, ich wollte einfach wissen, wie sie sich im Verlauf veränderte. Denn das musste doch so kommen.

Und Griffiun? Eine Ostseeinsel mit knapp 600 Einwohnern, Solarautos, Naturschutzgebiet, Touristenkutschen und einem Internat in einem richtigen Schloss. Und wow, fand ich das Setting toll. Mal abgesehen davon, dass ich ein Ostsee-Freund bin, haben Ella Blix genau die richtige Atmosphäre geschaffen. Schon allein die Beschreibung des Schlosses, die Regeln dazu, so stellte ich es mir vor, ebenso wie die Nächte, die unvergleichlich dunkel und voller Sterne sind und einem Wind, den man nur von der See kennt. Ich als Großstadtkind konnte gut nachempfinden, wie Alina sich fühlte.

Die Handlung wurde durch viele Aspekte dominiert, wie unter anderem das bereits angesprochene Schubladendenken, ebenso wie Trauerbewältigung oder ganz besondere Mysterien der Insel. Ich glaube „Ausbrechen“ ist der richtige Ausdruck, um den weiteren Verlauf zu beschreiben. Hier kommt der Titel so oft ins Spiel: Man sollte den Schein nicht wahren, denn der Schein kann trügen. Mir wurde das Zusammenspiel aber erst viel später wirklich bewusst. Echt gut gemacht.

Dank der „Lonelies“ schwamm Alina bald in Gefilden, die die richtigen Vibes hatten. Denn die Gruppe von Jugendlichen sprühte nur so vor Vielfalt und Dynamik. Ich möchte nicht zu viel verraten, denn ihr solltet die Vier und auch die Nicht-Internatsschülerin Cara selbst kennenlernen. Sie geben der Geschichte nicht nur Vertrauen und Freundschaft, nein, mit einem weiteren Handlungsstrang werden sie zu wahrhaften Detektiven, deren einzelne Charaktereigenschaften sich entweder gar nicht für einen Fall oder erst recht dafür eignen. Im Übrigen gibt es am Anfang einen Aufhänger zum ersten Auftreten der Lonelies, der sich auf ihre vollen Namen und das Schubladendenken bezieht, bei dem ich mich im Endeffekt selbst erwischt habe, wie weit weg meine Erwartungen von dem wirklichen Bild der Personen waren. Touché!

Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass ich wahnsinnig viel vorausahnte, gedanklich schneller war als Alina und mich manchmal wirklich fragte, warum sie nicht einfach die Fakten zusammennahm. Lustigerweise gab es auch Dinge, die ich wieder verwarf aufgrund des einfachen Gedanken „Nee, das kann nicht sein“, um sie später wieder auszupacken. Denn der Plot ist mysteriös, geheimnisvoll und wirft viele Fragen auf. Ich meine, die Legende des dunklen Schiffs klingt nicht nur spannend, sie ist es auch. Außerdem arbeiteten die Autorinnen mit vielen Einschüben in Form von Alinas Tagebucheinträgen, die ihre Vergangenheit und die Trauer um ihre Mutter einwoben. Das ging schon ans Herz und es hing wirklich offensichtlich alles miteinander zusammen. Nur wie, das war die riesen Frage (die ich hier natürlich nicht beantworte).

Der Showdown, die ultimative Auflösung, die Antworten auf all meine und Alinas Fragen lief in eine Richtung, die ich mal wieder irgendwie ahnte, aber nicht wollte. Wie soll ich es am besten ausdrücken? Das Ende nimmt eine neue Möglichkeit in die Geschichte auf, an die vorher nicht zu denken war oder ich es nicht wollte. Ich bin zwiegespalten. Einerseits lösen sich so alle Stränge sauber auf ohne ein typisches Jugendbuchende zu haben. Andererseits ist mir der Cut bzw. Wechsel zu heftig gewesen, um mich darauf einzulassen. Das Schöne ist, Alina und ich fühlten dabei ähnlich. Das noch Schönere ist, dass wir Beide auf den letzten Seiten Zeit bekamen das Gefühl zu verarbeiten.

Fazit:

„Der Schein“ ist ein Jugendroman, der mehr beinhaltet als man ahnt. Es wird mysteriös, kriminalistisch, spaßig, gefühlvoll, vorausschauend und dann wieder überraschend. Folgt Alina und den Lonelies auf Griffiun – auch wenn ich mit Beginn und Ende warm werden musste.

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Veröffentlicht am 24.08.2020

2 besondere Liebesgeschichten zu verschiedenen Zeiten und Orten

Wie sagt man ich liebe dich
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Allgemein:
Claudia Winters Romane passen zu der Jahreszeit, in der sie erscheinen. Genauso hier bei "Wie sagt man ich liebe dich". Goldmann veröffentlichte das Buch im Juni 2020 und erzählt damit die Geschichte ...

Allgemein:
Claudia Winters Romane passen zu der Jahreszeit, in der sie erscheinen. Genauso hier bei "Wie sagt man ich liebe dich". Goldmann veröffentlichte das Buch im Juni 2020 und erzählt damit die Geschichte der jungen Pariserin Maelys, die sich als Tellerwäscherin und Straßenkünstlerin ihren Unterhalt verdient statt an einer anerkannten Hochschule zu studieren. Ein ungeahntes Angebot könnte sie daraus befreien und so macht sie sich auf nach Lissabon, inklusive ihrer zeternden Tante Valerie, um für ihren Auftraggeber Antonio de Alvarenga ein Porträt zu malen. Doch der Großvater hält nichts davon porträtiert zu werden und damit beginnt eine Achterbahn der Gefühle - nicht nur zwischen Antonio und Maelys.
Mein Bild:
Ein unscheinbares Klappenbroschur mit knapp 460 Seiten Geschichte, passenden französischen und portugiesischen Rezepten, sowie ein Glossar mit portugiesischen Begrifflichkeiten, die innerhalb des Romans fallen. Ich sage bewusst unscheinbar, weil das Cover mit seiner zitronigen Farbe und dem flatterkleidigen Mädchen zwar zeigt für welche Jahreszeit der Schmöker geeignet ist. Doch ganz ehrlich, es passt absolut nicht zur Geschichte. Leider. Total schade. Wenn ihr mich fragt, dann wäre eine junge Frau in einem senffarbenen Mantel angesagt, vielleicht eine Staffelei noch dazu, im Hintergrund in leicht zurückgehaltenen Pastellfarben Hinweise auf Paris und Lissabon, von mir aus Sehenswürdigkeiten oder ähnliches. Es gäbe so viele Möglichkeiten. Auch ein Wink auf Coco Chanel wäre gut gewesen. Ok, vielleicht sollte ich erklären, wieso: Weil diese Dinge bzw. Aspekte eine Rolle spielen. Nicht Zitronen und ein blaues Kleid.
Die Autorin ist mir auf Social Media mit ihren Romanen öfter begegnet, doch keines ihrer Bücher hatte es bisher in mein Regal geschafft, derweil hat ihr Schreibstil so etwas Persönliches, Emotionales und Verständliches. Sie schafft es Charakterzüge prägnant in die verschiedensten personalen Perspektiven zu packen und mir die Personen nahe zu bringen.
Noch dazu ist dieses Buch eine persönliche Angelegenheit. Die Widmung "Für Mama und Papa." sagt es bereits aus. Claudia Winters Eltern sind gehörlos, ebenso wie die Protagonistin Maelys. Man kann hier also schon von Own Voice sprechen. Es ist so toll, wie die Autorin die Lautsprache beschreibt und integriert, wie Farben und Gerüche eingearbeitet werden, überhaupt wie der Alltag eines gehörlosen Menschen sein kann. Mir wurde vermittelt, welche Probleme das sprachliche Mittel Ironie bereiten kann oder wenn Menschen ihre Lippen beim Sprechen kaum bewegen. Maelys ist ein authentischer Charakter und noch viel mehr. Ich mag sie sehr. Trotz ihres Handicaps ist sie voller Liebe und Freundlichkeit gegenüber anderen Menschen. Doch Geldsorgen, Zweifel an ihrem künstlerischen Talent und ihre Hilfsbereitschaft lassen sie ihre eigenen Wünsche zurückstecken. Bis sie ein Angebot bekommt, dass sie raus aus dem kulturellen, schnelllebigen Paris rein in das genießerisch-erfrischende Lissabon führt.
Doch es ist nicht nur Maelys Geschichte. Denn eigentlich wird der Prolog aus einer völlig anderen Sicht erzählt. Nämlich von dem über 70-jährigen Portugiesen Eduardo, der aus einer spontanen Reaktion heraus eine Reise nach Paris unternimmt und alten Erinnerungen nachhängt, die ihn seit Ewigkeiten umtreiben. Ich wusste sofort, das kann nur eine alte Romanze sein, besonders als er Maelys begegnet. Doch so richtig rückt der alte Herr nicht mit der Sprache heraus. Stattdessen lerne ich seinen Enkel Antonio kennen, der die wahnwitzige Idee seines "Vovo" (Großvater) umsetzen darf, die junge Künstlerin nach Lissabon zu holen. Die Dialoge dieser Zwei habe ich sehr gerne verfolgt. Kennt ihr das? Wenn ihr genau wisst, wie ihre Situationen mit bestimmten Menschen angehen müsst, um dieses oder jenes zu bewirken. So ähnlich ist das bei den beiden temperamentvollen Portugiesen Antonio und Eduardo. Ich fand sie beide witzig, smart, charmant, aber nicht perfekt. Das sind Zwei, mit denen würde ich gern einen Abend verbringen, natürlich mit einem Glas Wein dazu, versteht sich.
Nicht ganz so ging es mir mit Nummer Vier im Bunde. Maelys alte Tante Valerie Aubert. Divalike, absolut geldverschwenderisch, eine Lebefrau und Spaßprotestlerin. Eigenschaften, die man entweder bewundert oder nur mit den Kopf schütteln muss, wenn man sie nicht kennt. Bei mir war es das Letztere. Das änderte sich jedoch im Verlauf, denn ich springe nicht nur zwischen den Vieren hin und her, nein, auch in der Zeit. Denn Valeries Geschichte, mit Beginn in den 60ern, als sie aus der dörflichen Bretagne nach Paris "flüchtet", spielt eine weitreichende Rolle. Ich kann ohne wenn und aber sagen, mir war nie langweilig, ich fand es immer aufregend und spannend, jedem zu folgen, zu jeder Zeit. Valeris Entscheidung nach Paris zu gehen, die Begegnung mit dem jungen Frederico Almeida, die Arbeit in einem renommierten Hotel und zahlreiche wunderbare Nebendarsteller, ebenso wie die Position der Frau zur damaligen Zeit waren mindestens genauso interessant wie Maelys und Antonios Zuneigung zueinander oder Eduardos Geheimnis zu entschlüsseln.
Keine Ahnung, wie die Autorin das gemacht hat, dass die Abschnitte der Gegenwart und der Vergangenheit so gut ineinander übergehen und ich mich sehr lange gefragt habe, wie das große Ganze zusammenhängt. Zum Teil lag ich richtig mit meinen Vermutungen, doch die Ursachen waren dann größerer bzw. sehr emotionaler Natur. Und das verpackt in ganz vielen richtigen Botschaften und hängen bleibenden Worten. Ich wurde überrascht, politisch gebildet, kulturell "geschockt", habe gelacht, mitgefühlt und mich fallen gelassen ohne den Überblick zu verlieren. Sicherlich sind Zeit-, Ort- und Personenangaben hier eine große Hilfe gewesen - keine Frage.
Passend eingearbeitet wurde die Atmosphäre der beiden Städte, deren Menschen, die Unterschiede, die Gemeinsamkeiten (besonders der gute Kaffee), die politischen Gegebenheiten zu früherer Zeit und kulinarische Genüsse. Ich finde es toll, dass es nicht in blumigen Beschreibungen untergeht, sondern mit der Handlung einhergeht. Die letzten 100 Seiten hatten es übrigens nochmal in sich. Ich habe gelacht und mitgefiebert, aber auch gedacht, wie man nur auf so geniale Ideen für Situationen kommen kann. Gerade die älteren Protagonisten in dieser Geschichte haben gehörig Pfeffer im Hintern.
Fazit:
Lesen, einfach lesen. Ein Sommerroman mit tollen Settings, tiefen Gefühlen zu verschiedenen Zeiten, mit markanten und doch liebenswerten Protagonisten. Zum Genießen, aber auch zum Durchsuchten. Empfehlenswert.

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