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Veröffentlicht am 12.09.2017

Das unheimliche, schwarze Hotel an der Rabenschlucht

Kein guter Ort
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Der deutsch-norwegische Psychologe Arne Ericson hat sich in die Einsamkeit Telemarks zurückgezogen und arbeitet in einer psychiatrischen Klinik für Suchtkranke. Während er sich trotz Unwetter in den Bergen ...

Der deutsch-norwegische Psychologe Arne Ericson hat sich in die Einsamkeit Telemarks zurückgezogen und arbeitet in einer psychiatrischen Klinik für Suchtkranke. Während er sich trotz Unwetter in den Bergen in Trance versetzt, ist Kari Bergland hinter dem Schützen her, der ihren Kollegen Magnus angeschossen hat. Dabei trifft Kari auf die zugedröhnte Janne Nygård, die Tochter ihres Chefs. Schnell sind sich Jannes Vater und Kari einig, dass sie das Mädchen zu Arne in die Therapie schicken. Janne ist alles andere als begeistert von der Idee und interessiert sich für das Bild eines schwarz-gestrichenen Hauses, das über Arnes Schreibtisch hängt. Schnell findet sie heraus, dass es sich um ein ehemaliges, nun verlassenes Hotel an der Rabenschlucht handelt, in dem eine deutsche Familie wohnte. Eines Tages wurde dort die ältere Tochter vor den Augen ihrer Schwester von einem maskierten Mann mit dem Messer schwer verletzt und in die Rabenschlucht geworfen. Der herbeieilende Vater versuchte, seine Tochter zu retten und stürzte schließlich zusammen mit ihr in die Schlucht. Fasziniert und geradezu angezogen von dem düsteren Hotel beginnen Janne und auch Arne Nachforschungen anzustellen. Beide begeben sich in große Gefahr, denn das Hotel ist wahrlich „kein guter Ort“.
Bald stellt sich für alle Beteiligten die Frage: Können Orte das Unglück anziehen? Menschen werden von unheimlichen, düsteren Orten geradezu magisch angezogen. So geht es Janne, die nicht zuletzt ein Drogenproblem und Gewaltausbrüche hat. Ihre Neugier ist eine willkommene Ablenkung vor ihren Problemen und der anstehenden Therapie bei Arne Ericson.
Das Cover ist durch die unheilvollen, schwarzen Wolken geprägt von einer schaurigen Stimmung, die nur von einem roten Farbklecks in Form eines typischen norwegischen Hauses unterbrochen wird. Sofort fällt dem Leser der ungewöhnlich gestaltete Titel auf: das Kreuz, das sich mit dem letzten Buchstaben des Wortes Ort verbindet.
Der Autor hat mit Arne Ericson einen ungewöhnlichen Psychiater geschaffen, der sich durch seine Art sehr von anderen unterscheidet: er scheint noch recht jung zu sein und er setzt sich mit den Mythen und Bräuchen der Sami auseinander. Auch wenn er ungewöhnliche Methoden anwendet, hatte ich stets das Gefühl, dass er der Ruhepol der Handlung ist. Die Ermittlerin Kari Bergland ergänzt ihn mit ihrer Willensstärke und ihrer Hartnäckigkeit ganz gelungen. Bernhard Stäber hat bereits zwei Thriller mit diesen beiden Charakteren geschrieben, die ich jedoch nicht gelesen habe. Trotzdem hatte ich zu keiner Zeit, Mühe der Handlung zu folgen. Mit den Rückblicken in Arnes Leben habe ich ihn mir gut vorstellen können. Der flüssige und fesselnde Schreibstil des Autors hat mich mitten in die Handlung gezogen und die Spannung riss nie ab. Es fiel mir schwer, das Buch zur Seite zu legen – so hat es mich in seinen Bann gezogen. Die Charaktere sind durchweg glaubwürdig und Arne und Kari sehr sympathisch. Als Drogenkonsumentin ist Janne wirklich unberechenbar und geheimnisvoll dargestellt. Und nicht zuletzt sind die Rabenschlucht und das schwarze Hotel so bildlich beschrieben, dass ich das Grauen von Janne fühlen konnte. Die Aufklärung des Falles endet mit einem lauten Knall und war so nicht vorhersehbar. Meine Frage aus meinem Leseeindruck „Kann ein deutscher Autor so schreiben wie ein skandinavischer?“ kann ich kurz und bündig mit „JA!“ beantworten. Mich hat dieser Thriller von Anfang an gepackt, fasziniert und bis zum Schluss nicht mehr losgelassen. Ich kann ihn guten Gewissens weiterempfehlen.

Veröffentlicht am 07.09.2017

Ein feinsinniger Roman über einen liebenswerten Gentleman

Ein Gentleman in Moskau
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Das Cover des Romans „Ein Gentleman in Moskau“ sticht mit seiner Schwarz-Weiß-Fotografie und den leuchtend neon-farbenen und erhabenen Buchstaben sofort ins Auge. Die Fotografie zeigt einen eleganten Herrn ...

Das Cover des Romans „Ein Gentleman in Moskau“ sticht mit seiner Schwarz-Weiß-Fotografie und den leuchtend neon-farbenen und erhabenen Buchstaben sofort ins Auge. Die Fotografie zeigt einen eleganten Herrn dar, der sich über die Brüstung eines offenen Fensters nach draußen beugt und nach unten sieht. Außerdem fühlt sich der Schutzumschlag wie von einer gummierten Schicht umgeben an. Edel sind der graue Buchrücken und das gleichfarbige Leseband samt Bindung.
Moskau 1922:
Es ist die Zeit nach der Entmachtung des Zaren und die Zeit der Bolschewiken in Russlang. Durch ein Urteil wird der charmante Graf Alexander Iljitsch Rostov – er hat das Pech, dem Adel anzugehören - von seiner Suite im Nobelhotel Metropol in Moskau in eine Abstell-kammer des Hotels verbannt und steht fortan unter lebenslänglichem Hausarrest. Sollte er einen Fuß vor das Hotel setzen, würde er erschossen. Graf Rostov muss sich von einigen Besitztümern trennen und richtet sich in dem winzigen Raum so gut es geht ein. Dabei verliert er weder seine Würde, seinen Optimismus noch seine Contenance. Er weiß sich durchaus mit Hilfe von edler Bettwäsche und der Lieferung eines Mille Fleurs in seiner kleinen Kammer einzurichten und pflegt einen geregelten Tagesablauf, um nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen. Zudem lässt er seinen Geist durch Moskaus Straßen treiben – im Bewusstsein, dass er sie nicht betreten kann. Etwas eigenwillig gibt er den Restaurants im Hotel Metropol ganz eigene Namen und behandelt die Angestellten mit ausgesuchter Höflichkeit.
Eines Tages trifft er auf die neunjährige Nina Kulikowa, die ein ähnliches Schicksal teilt. Sie ist seit 10 Monaten im Hotel Metropol in der Obhut einer Gouvernante und darf nicht nach draußen. So kundschaftet sie das Hotel von oben bis unten aus. Immer öfter nimmt sie den Grafen mit auf ihre Expeditionen und er erzieht sie auf ihren Wunsch hin nach dem Vorbild einer Prinzessin. Als Nina eingeschult wird, hinterlässt sie dem Grafen ihren Generalschlüssel für das Metropol – so kann er seine Exkursionen fortsetzen und hinter die Kulissen des Hotelbetriebes blicken.
Unter den Bediensteten des Hotels findet er viele Freunde und so entsteht für den Grafen eine Art Familie. Vor allem als der die Verantwortung für die 5jährige Sofia, Tochter von Nina, unerwartet und auf unabsehbare Zeit auferlegt bekommt. Auch diese Situation meistert er auf seine ruhige und besonnene Art und Weise. Russland befindet sich im Wandel, was sowohl Gutes als auch Schlechtes mit sich bringt.
Mein Lieblingszitat – von Mischka, dem Freund des Grafen: „Wer hätte damals geglaubt, als du zu Hausarrest im Metropol verurteilt wurdest, dass du eines Tages der glücklichste Mensch Russlands sein würdest.“
„Towles ist ein Meistererzähler“ steht als Zitat aus der New York Times Book Review. Mit seinem feinsinnigen und philosophischen Schreibstil ist Towles mit „Ein Gentleman in Moskau“ ein Porträt längst vergangener Zeiten heraufzubeschwören. Obwohl die Geschichte rund um den Grafen Rostov sich „nur“ im Hotel Metropol mitten in Moskau abspielt, vermittelt der Autor dem Leser sehr gelungen die politischen, gesellschaftlichen und geschichtlichen Änderungen in der Zeit nach dem Tod der Zarenfamilie, der Entmündigung des Adels und der Machtübernahme durch die Bolschwiken. Die Zeit des Umbruchs, der Veränderungen und des „Neuanfangs“ im Russland Anfang der 2012 Jahre fängt er genauso bildhaft ein wie die gesellschaftlichen und charakterlichen Unterschiede der Angestellten, der Bewohner und der Gäste im Nobelhotel ein. Neben wunderschönen Formulierungen, die den Charakter des Grafen gut zur Geltung bringen, finden sich im Roman auch kleine Anekdoten, die so manches Schmunzeln ins Gesicht des Lesers zaubern. Amor Towles ist wahrlich ein Meister der stilvollen, bildhaften und philosophischen Betrachtungen über das Leben und die Menschen. Er besitzt ein Gespür für Menschen und lässt den Spannungsbogen nie abbrechen. Kein Wunder also, dass ich oft das Gefühl hatte, dem Grafen und seinen Gefährten durch das Hotel zu folgen. Die unterschiedlichen Charaktere hat er sehr detailliert ausgearbeitet und deren Emotionen sind durchweg glaubhaft.
Mich hat der Roman von der ersten bis zur letzten Zeile begeistert!

Veröffentlicht am 29.08.2017

Ein ungewöhnlicher, sehr anschaulicher Reise- und Geschichtsführer durch Italien

Sehnsucht Italien
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Die akustische Reise „Sehnsucht Italien“ führt den Hörer von Venetien im Norden über Florenz, Rom und Neapel bis weit in den Süden auf die Insel Sizilien, begleitet von Hintergrundgeräuschen, Musik oder ...

Die akustische Reise „Sehnsucht Italien“ führt den Hörer von Venetien im Norden über Florenz, Rom und Neapel bis weit in den Süden auf die Insel Sizilien, begleitet von Hintergrundgeräuschen, Musik oder den Stimmen von Italiener/innen, garniert mit Kochrezepten und kleinen Anekdoten. Abseits der Tourismusströme kann man sowohl in die italienische Kultur als auch die kulinarischen Genüsse den herrlichen Landes eintauchen. Die ganz unterschiedliche Gestaltung der Geschichten und Stimmen machen das Hören sehr abwechslungsreich und besonders interessant. Der Hörer sollte die Reise allerdings in kleinen Abschnitten genießen, um sich die Landschaft, die Menschen, die Städte und Dörfer und auch die Gerüche vergegenwärtigen zu können. Zudem schweifen die Gedanken sonst gerne ab und man überhört die eine oder andere Begebenheit. Durch „Sehnsucht Italien“ werden vergangene Epochen lebendig, Geschichte neu entdeckt und das dolce vita kommt auch nicht zu kurz.
Ich bin begeistert von dem ausführlichen Bericht über das „Casa Verdi“ – die Idee, einen Altersruhesitz für Künstler (Sänger/innen, Musiker/innen, Komponisten) zu schaffen, finde ich wunderbar. So bleibt nicht nur das Andenken an Verdi erhalten, sondern die „pensionierten“ Künstler/innen können ihren Erfahrungsschatz auch an die Studierenden weitergeben. Bei der Reportage über Friaul und Piemont ist mir das Wasser im Munde zusammengelaufen, als ich von den vielen Leckereien und nicht zuletzt vom Wein hörte.
Mit den Geschichten um Don Camillo und Peppone von Guareschi bin ich aufgewachsen. Als Kind habe ich diese alten Schwarzweißfilme gerne gesehen und über die ständigen Streitereien zwischen den beiden Italienern herzhaft gelacht - ist mir doch durch meine italienische Verwandtschaft das Temperament der Südländer wohl bekannt.
Ich möchte nicht alle Geschichten und Stationen vorwegnehmen und schließe nun mit meiner Meinung zum Hörbuch ab.
Das Hörbuch „Sehnsucht Italien“ ist mein erster akustischer Reise- und Geschichtsführer überhaupt und hat mir sehr gut gefallen. Ich bin überrascht, dass es möglich ist, nur durch das Hören einen Eindruck von einem „fremden“ Land zu bekommen. Gut, ich war schon in Venedig und Florenz, in Südtirol habe ich bereits als Kind so manchen Berg erklommen und ich bin im Lago Maggiore geschwommen und habe den Gardasee entdeckt – doch das sind nur Bruchstücke dieses wunderbaren, abwechslungsreichen Landes. Mit geschlossenen Augen habe ich den teils spannenden und mir völlig unbekannten Themen gelauscht. Die kleine Broschüre und die Landkarte runden den Hörgenuss wunderbar ab. Die nummerierte Landkarte hilft, die Orientierung nicht zu verlieren und sich in den Regionen zurechtzufinden. Zum Schluss ist sie da: die Sehnsucht nach Italien!

Veröffentlicht am 18.08.2017

Jede Menge falsche Fährten und Hochspannung bis zum Ende

Die Fährte des Wolfes
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Ein beeindruckendes Cover, das durch seine Farbgebung besticht. Es zeigt den Kopf eines Wolfes in schwarz-weiß, nur die Augen leuchten orangerot und der Titel sowie der Rahmen greifen diese lodernde Farbe ...

Ein beeindruckendes Cover, das durch seine Farbgebung besticht. Es zeigt den Kopf eines Wolfes in schwarz-weiß, nur die Augen leuchten orangerot und der Titel sowie der Rahmen greifen diese lodernde Farbe wieder auf. Ich finde es absolut gelungen und es ist mir sofort aufgefallen. Der Kurztext auf der Rückseite lässt auf einen ganz unkonventionellen Ermittler mit einem zweifelhaften Nachtleben schließen.
Die Autoren haben einen neuen, sehr ungewöhnlichen Ermittler geschaffen, der nachts zum Junkie mutiert und sich zu hypnotisierenden Beats die Seele aus dem Leib tanzt: Zack Herry. Der Vergleich mit Harry Hole und Lisbeth Salander kommt nicht von ungefähr und erscheint mir sehr passend.
Obwohl er noch sehr jung ist, gehört Zack Herry bereits einer Sonderkommission der Stockholmer Polizei an, was ihm nicht nur Freunde einbringt. Da ist auch der eine oder andere Neider unter den Kollegen und Kolleginnen. Zack Herry kämpft mit den Dämonen seiner Vergangenheit. Der Tod seiner Mutter lässt ihn nicht los und auch die Krankheit seines Vaters ist immer noch präsent. Die Freundschaft zu Abdula, mit dem er in Bredäng aufwuchs, ist trotz der unterschiedlichen Lebenswege, die die beiden eingeschlagen haben, sehr eng und ehrlich. In dem ersten Fall von Zack und seinem Team kann der Leser bereits einiges aus dem Leben und über den Charakter des neunen Ermittlers erfahren. Er gehört nicht zu den geradlinigen und zurückhaltenden Polizisten und geht oft ein sehr hohes Risiko ein – was sicherlich auch an seinem Kokainkonsum und seinen Dämonen liegt. Doch er hat meistens den Überblick und ein gutes Gespür – und ein gutes Herz besitzt er auch. Allerdings bleiben ein paar Verbrecher auf der Strecke, bis der Täter gefasst wird, was die interne Ermittlung auf den Plan ruft. Sein Vorgesetzter Douglas Juste stärkt ihm genauso den Rücken wie seine Partnerin Deniz Akin.
Eines Tages wird Zack Herry zu 4 Frauenleichen gerufen. Die Asiatinnen wurden brutal in einer kleinen Wohnung ermordet und verstümmelt. Sie waren in einem Massagesalon angestellt und hatten ihre Chefin in einer SMS noch um Hilfe gebeten. Zack und sein Team verfolgen erste Spuren und fragen sich, ob es sich um einen Fall von Rassismus handelt oder ob sich zwei in Konkurrenz stehende Gruppen (Bikerclub und Türkenmafia) in die Quere gekommen sind. Die Andeutung einer Zeugin lässt zudem vermuten, dass es um Frauenhandel gehen könnte. Allerdings erklärt dies nicht die Bisswunden, mit denen eine weitere Frau übersät ist. So fischen die Ermittler lange im Trüben und es geraten immer mehr potentielle Täter in das Blickfeld von Zack. Schnell wird klar, dass die Masseurinnen ihren Kunden weitere Dienste angeboten haben. Allerdings ist fraglich, ob dies freiwillig geschah. Plötzlich befinden sich Zack, Deniz, Sirpa, Rudolf und Kolllegen mitten in einem Strudel aus Gewalt, Frauenhass und Rassismus. Nebenbei müssen sich Zack und Deniz immer wieder mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinandersetzen und sie haben kein Problem, auch mal Grenzen zu überschreiten, um in ihren Ermittlungen vorwärts zu kommen. Dies gilt auch für die IT-Spezialistin Sirpa, die sich richtig in den Fall verbeißt. Leider unterlaufen Zack - umnebelt vom Kokain - auch Fehler und er hadert mit sich und seinem Beruf.
Bei „Die Fährte des Wolfes“ handelt es sich um einen rasanten, grausamen und super spannenden Thriller, der mit einigen Schockmomenten aufwartet. Nichts für empfindliche Leser! Die beiden Schriftsteller haben einen vielschichtigen, komplizierten, aber auch coolen neuen schwedischen Ermittler geschaffen, der Potential zu weiteren fesselnden Thrillern hat. Dabei bleibt Zack auch immer menschlich. Die Charaktere des Buches sind glaubhaft und tiefgründig dargestellt – die Sprache ist sehr direkt und derb. Der Spannungsbogen reißt nie ab, denn es ergeben sich immer neue, falsche Fährten und der Leser wird oft in die Irre geführt. Schließlich mündet der Thriller in einem atemberaubenden Ende. Ich fühlte mich geradezu in die Handlung hineingezogen – ein absolut gelungener Thriller, der einen nicht mehr loslässt.

Veröffentlicht am 18.08.2017

Ein etwas anderer Paasilinna

Weltretten für Anfänger
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Der Roman „Weltretten für Anfänger“ von Arto Paasilinna entstand bereits 1986 – also 4 Jahre vor meinem Lieblingsbuch „Der wunderbare Massenselbstmord“. Das hatte ich leider erst zum Ende des Hörbuchs ...

Der Roman „Weltretten für Anfänger“ von Arto Paasilinna entstand bereits 1986 – also 4 Jahre vor meinem Lieblingsbuch „Der wunderbare Massenselbstmord“. Das hatte ich leider erst zum Ende des Hörbuchs hin herausgefunden. Wie auch bei seinen anderen Büchern bestechen schon der Titel und das Cover mit seiner Originalität.
Surunen, seines Zeichens finnischer Sprachwissenschaftler, ist wahrlich ein Anfänger in Sachen Weltretten. Doch er ist wild entschlossen und verfügt über jede Menge Energie und Fantasie, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wie könnte ihn da ein unwissender Zollbeamter in Kalmanien (ein fiktives Land in Südamerika) aufhalten?! Der gute Mann denkt doch tatsächlich, dass es Finnland gar nicht gäbe. Mit seiner Freundin Anneli unterstützt Surunen seit Jahren politische Gefangene, so wie z. B. Ramon Lopez. Da allerdings die Obrigkeit in seinen Augen nichts unternimmt und nur wenig taugt, fühlt er sich geradezu berufen, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. So bricht er zu einem aberwitzigen und gefährlichen Befreiungsunternehmen auf. Seine Reise führt ihn zunächst über Moskau, wo er mit dem russischen Pinguinforscher Lebkov so manche Flasche Whiskey leert. Dies ist der harmlose Anfang einer unglaublich skurrilen Reise nebst Erdbeben, Folter und Flucht durch ein diktatorisches Land. Vieles läuft nicht so wie geplant, doch der „kleine Magister“ Surunen weiß sich stets zu helfen und bleibt sich und seinem Vorhaben stets treu.
Arto Paasilinna ist mit dem Roman „Weltretten für Anfänger“ eine Satire mit einer überspitzten, ironischen und wirklichkeitsfremden, aber auch bisweilen naiven Darstellung von Handlungen und Erlebnissen durch Surunen gelungen. Er reist dabei von einer Diktatur in die nächste – zwar nur fiktiv, aber erschreckend aktuell – und prangert das jeweilige Regime an. Sein Humor rutscht dabei oft in brutale Begebenheiten ab und der Leser sollte dies im Hinterkopf behalten, um nicht enttäuscht oder sogar entsetzt zu sein. In diesem Roman zählt nicht allein der überspitzte Humor des Autors. Jeder Charakter seiner Geschichte glaubt das, was ihm gerade passt und lässt sich von Titeln und einem entsprechenden Ambiente blenden. Das zeigt sich vor allem in Surunens Einladung zu einem Vortrag über die hellenistische Kultur, zu dem er die Frauen ranghoher Militärs und Politiker des südamerikanischen Landes Kalmanien einlädt. Letztlich lassen sich alle durch den Schein trügen, denn Surunen erzählt nur Mist. Er hat sich seinen Vortrag aus den Fingern gesogen und verkauft sich in einem ansprechenden Ambiente als Experte, um sich den Zugang zu hohen Kreisen zu verschaffen. Das mag in der Realität vielleicht nicht so gelingen, doch die Geschichte hat gezeigt, was alles möglich ist. Der Schreibstil des Autors ist stets einfach gehalten und sehr direkt. Durch Jürgen von der Lippe als Sprecher wird das Hörbuch sehr lebendig. Er gibt den Charakteren unterschiedliche Stimmen und eine ganz eigene Art zu sprechen, was dazu führt, dass innere Bilder entstehen. Besonders die letzte CD, die in Kytislawonien spielt, hat mich zum Lachen gebracht. Opa Flasza ist für mich ein typischer Paasilinna Charakter und war mir sofort sympathisch.

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