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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.12.2022

Waliser und Engländer - immer noch eine explosive Kombination

Die letzte Party
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Das dunkle und fast perfekt symmetrische Titelbild passt perfekt zum makabren Ausgang der Silvesterparty. Gleichzeitig weist die Symmetrie des Titelbildes auf eine andere Symmetrie hin, die im Buch vorkommt. ...

Das dunkle und fast perfekt symmetrische Titelbild passt perfekt zum makabren Ausgang der Silvesterparty. Gleichzeitig weist die Symmetrie des Titelbildes auf eine andere Symmetrie hin, die im Buch vorkommt.
Der Humor im Roman hat mich beeindruckt. Herrlich schräg die Szene, in der sich der englische Polizist mit der walisischen Polizistin in der Pathologie treffen, nachdem sie erst wenige Stunden zuvor einen One Night Stand unter falschen Namen hinter sich gebracht haben. Oder wie erleichtert Ffion ist, dass der Opernsänger tot ist: “Rhys Lloyd ist tot. Er ist wirklich tot. Gott sei Dank!” (S. 41)
Der Aufbau des Krimis ist interessant: Die Handlung beginnt mit der Silvesternacht und dem Morgen des Neujahrstags, in denen wir mehrere Personen kennenlernen. Zuerst einmal Ffion Morgan, die walisische Polizistin, die in diesem Fall ermittelt, und Leo Brady, englischer Polizist und One Night Stand Partner von Ffion. Dann wäre dann das Opfer selbst, Rhys Lloyd. Ehrlich? Wenn mir nicht jemand zuvorgekommen wäre, wäre ich selbst in die Seiten des Buches versunken, um Rhys zu töten. Wie viel berechtigter Hass ihm von allen Seiten entgegenschlägt, sei es aus dem walisischen Dorf oder von den Bewohner der Luxuslodges, ist kaum mehr auszuhalten. Die Ehefrau, die Töchter, die eigene Mutter, das halbe Dorf und die Bewohner der Lodges, sie alle haben berechtigte Gründe, Rhys Lloyd umzubringen.
Von dieser einen Nacht und dem Morgen danach geht die Handlung entlang der Zeitachse in beide Richtungen, als ob Silvester die Stunde Null ist. Die Erinnerungen der Familie und Bekannten gehen chronologisch nach hinten zurück, auf der einen Seite und auf der anderen Seite erfolgen die Ermittlungen der Polizisten vorwärts. Fast symmetrisch steigt die Handlung in beide Richtungen voran: So entsprechen die Erinnerungen vom Heiligabend den Ermittlungen vom 8. Januar, jeweils 8 Tage von der Stunde Null. Rückwärts geht die Handlung bis etwa Ende Juli, als immer mehr Personen präsentiert werden, mit einem Mordmotiv an Rhys Lloyd. Und die Handlung endet im Juni des Folgejahres, als Ffion endgültig den Mörder Lloyds stellt. So schießt sich der Kreis. Der symmetrische Aufbau ist nicht offensichtlich. Er agiert eher im Hintergrund und gibt dem Roman dadurch eine gewisse Struktur und macht das Ganze dadurch interessanter.
Manchmal schlägt der Humor der Autorin voll durch. Andere Male ist er verhalten, wird ironisch, öfters Mal sarkastisch. Die meisten Kapitel enden mit einer Aussage, die das vorher gesagte bestätigt, oder relativiert oder gar zurücknimmt. Und manchmal auf eines der nächsten Kapitel verweist. Am geheimnisvollsten sind diese Sätze, wenn sie ein mögliches neues Mordmotiv an Lloyd aufzeigen.
Oh ja, das Buch ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite.

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Veröffentlicht am 05.12.2022

Ein etwas anderer Western

Die tausend Verbrechen des Ming Tsu
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In diesem Buch ist der Held weder ein Cowboy, der einsam durch die Prärie reitet und die Viehherde vor sich hertreibt, noch ein Sheriff, der die Stadt gegen die bösen Viehbarone verteidigt. Nein, es ist ...

In diesem Buch ist der Held weder ein Cowboy, der einsam durch die Prärie reitet und die Viehherde vor sich hertreibt, noch ein Sheriff, der die Stadt gegen die bösen Viehbarone verteidigt. Nein, es ist ein Chinese. Chinesen wurden im 19. Jahrhundert zu abertausenden als billige Arbeitskräfte in die USA herangekarrt für den Bau der Eisenbahnen. Sie waren rechtlos, wurden verachtet und wenn sie auch nur andeutungsweise murten, wurden sie kurzerhand erschossen. Auf einen Chinaman mehr oder weniger kam es nicht an. Und nun wird solch ein Underdog zum Helden des Buches. Was seine Widersacher nicht ahnen, Ming Tsu ist ein Auftragskiller. Als eine Gruppe weißer Männer ihm seine weiße Frau rauben und ihn halbtot prügeln, wird Ming Tsu zu seinem eigenen Auftraggeber. Gnadenlos jagt er durch mehrere Staaten die Bande und tötet sie kaltblütig. Unterwegs schließt er sich eier fahrenden Zirkustruppe an. Das ist ein sonderbarer Zirkus, seine Mitglieder können merkwürdige Wunder vollbringen. Da passen Ming Tsu und der alte blinde Chinese genannt “Prophet” dazu. Unterwegs erschießt oder ersticht Ming Tsu noch einige Bandenmitglieder, aber auch andere, die zwar nicht zur Bande gehörten, aber ihren Tod nicht minder verdient haben. Ming Tsu hinterlässt quer durch die USA und durch das Buch eine blutige Spur. Vom großen Salt Lake in Utah durch Nevada bis hinunter nach Sacramento in Kalifornien, wo es zum letzten großen Showdown kommt, in bester Hollywood Manier. Eigentlich zelebriert Tom Lin jeden Mord den Ming Tsu verübt wie einen kleineren oder größeren Showdown.
Das nüchterne, trockene Narrativ nimmt uns gefangen, schon bald zählen wir nicht mehr mit, wie viele Menschen in diesem Buch sterben, es ist, als würde das Motto der weißen Machthaber umgedreht werden: “Auf einen Whiteman mehr oder weniger kommt es nicht an”. Und wir empfinden auch so, denn trotz allem ist Ming Tsu ein Sympathieträger. Und seine Morde sind erklärbar und eigentlich gerechtfertigt. In einem Land und in einer Zeit in der zuerst geschossen wird und danach nach dem Namen gefragt wird, tötet Ming Tsu nur aus Notwehr und Rache. Keine Habsucht, kein Raub-Motiv. In einem Land, in dem Waffenbesitz auch heute noch als Grundrecht aller (weißen) Bürger angesehen wird, wirft dieses Buch Fragen auf. Wie die alten weißen Männer wohl Tom Lins aufgenommen haben?

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Veröffentlicht am 20.11.2022

Langatmig und trotzdem spannend

Die rätselhaften Honjin-Morde
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Ein Closed Room Krimi aus Japan. Schön. Titelbild und Schrift sind hinreißend. Die langatmigen Beschreibungen und Erklärungen unterstreichen den Charme dieses für uns fremden Universums. Das Buch wird ...

Ein Closed Room Krimi aus Japan. Schön. Titelbild und Schrift sind hinreißend. Die langatmigen Beschreibungen und Erklärungen unterstreichen den Charme dieses für uns fremden Universums. Das Buch wird nicht langweilig. Es tauchen immer wieder merkwürdige Hinweise auf. Ob sie von Bedeutung sind oder den Leser nur irreführen wollen, eine falsche Fährte legen, das wird sich noch zeigen. Letzten Endes finden sich für all diese Hinweise eine logische Erklärung. Sei es die tote Katze, die mal beerdigt wird, exhumiert und wieder beerdigt, die Saiten und Stege des traditionellen japanischen Zupfinstruments, das Samurai Schwert im Schnee, die verschlossenen Türen und Fensterläden, der zerlumpte Fremde dem einige Finger an einer Hand fehlen, die Tagebücher Kanzos, die Familienmitglieder, die erst am Tag nach der Hochzeit und nach den Morden eingeladen wurden, alles ist so geheimnisvoll und detailliert beschrieben, dass wir das Buch nicht loslassen, immer weiter lesen. Die Lösung ist logisch, aber wie bei guten Krimis merkt man das erst im Nachhinein, ja klar, das ist die einzig mögliche Erklärung für den geheimnisvollen Doppelmord. Der sympathische Privatermittler Kosuke Kindaichi ist so ganz anders, als sich die japanische Gesellschaft einen Detektiv vorstellt. Er wirkt leicht zerstreut, verfolgt aber gewissenhaft alle Spuren und geht allen Hinweisen nach, seien sie noch so merkwürdig. Kindaichi findet heraus, in diesem Fall wurde nichts, nicht das kleinste Detail außer Acht gelassen. So gelingt ihm die Auflösung dieses spektakulären Falls. Die langatmigen Beschreibungen, das Beharren auf scheinbar belanglosen Einzelheiten, die sich in die Länge hinziehen, machen das Buch auf seine ureigenste ARt und Weise doch anziehend und spannend. In einer Zeit der rasanten Krimis und Thriller zeigt uns Seishi Yokomizo die Schönheit eines “Slow-Krimis”. Genießt es!

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Veröffentlicht am 20.11.2022

Ein großartiger Thriller

EAST. Welt ohne Seele
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Jan Jordi Kazanski, CIA Agent erhält nach dem Tod seiner Frau und der damit einhergehenden Verzweiflung eine letzte Chance, sein Leben wieder in den Griff zu kriegen. Er muss einen undurchsichtigen Fall ...

Jan Jordi Kazanski, CIA Agent erhält nach dem Tod seiner Frau und der damit einhergehenden Verzweiflung eine letzte Chance, sein Leben wieder in den Griff zu kriegen. Er muss einen undurchsichtigen Fall im Ausland, genauer in Krakau, lösen. Da er auch erfahren will, wer seine Frau und seine Tochter auf dem Gewissen hat, willigt er ein.
In Krakau laufen alle Spuren zusammen. Polnische und russische Mafia, Agenten des CIA und des Interpols, sie alle geben sich hier, in der alten Kaiserstadt, die Klinken in die Hand. Über allem scheint eine geheimnisvolle Witwe zu schweben, die in der Vergangenheit die USA öfter mit geheimem Material versorgt hat. Doch die Witwe bleibt unauffindbar. Sie scheint den beiden Agenten immer eine Schritt voraus zu sein. Wie sich das Ganze dann löst, wie gefahrvoll es ist, vor allem für Jan Jordi Kazanski, bis er das Rätsel löst, und vor allem auch erfährt, wer Schuld am Tod seiner Familie hat, das ist ein langer Weg voller Mäander und Achterbahnfahrten. Die drei Hauptgestalten, Jan Jordi, Xenia Larsen Pizlo und Ewa Theresa Siwonia, kommen authentisch rüber, wirken sympathisch und ehrlich. Jan Jordi ist eine gequälte, zerrissene Seele, der erst spät wieder Wurzeln schlagen kann, Ewa Theresa wurde als junges Mädchen von Polizisten vergewaltigt, Xenia muss sich in einer Welt voller männlicher Kollegen behaupten. Jeder von ihnen hat seine eigenen Alpträume und Krisen zu bewältigen. Auch nach der restlosen Lösung des aktuellen Falls geht die Beziehung zwischen Jan Jordi und Ewa weiter, mit vielen Höhen und noch mehr Tiefen, aber sie suchen immer wieder die Nähe zueinander. “Es war eine Frage des Wagens.Wagen, zu geben - und wagen, zu nehmen.” Denn was ein Philosoph im 18.-19. Jahrhundert über die Liebe gesagt hatte, kann doch im 21. Jahrhundert nicht mehr stimmen, oder? Etwas geben und etwas nehmen. “Und wenn der Philosoph recht hatte?” (S,383)
Mehrere hollywoodreife Showdowns, Theaterschläge, inszenierte oder echte Morde, wechselnde Schauplätze, unglaubliche Actionszenen und Explosionen, böse Dialoge, kurz alles was einen guten Thriller ausmacht, begegnen wir auf den Seiten des Buches. Und am Ende Hegel.

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Veröffentlicht am 20.11.2022

Es wird keiner zurückgelassen.

Die Sehnsucht nach Licht
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Das Motto der Bergleute in der ganzen Welt ist auch für das Schlemmatal gültig. Hier geht der Bergbau auf etwa 1170 zurück, zuerst Eisen und Mangan, dann Silber, Kupfer, Kobalt, Wismut, Uran. Das zieht ...

Das Motto der Bergleute in der ganzen Welt ist auch für das Schlemmatal gültig. Hier geht der Bergbau auf etwa 1170 zurück, zuerst Eisen und Mangan, dann Silber, Kupfer, Kobalt, Wismut, Uran. Das zieht sich durch die Jahrhunderte und durch die politischen Systeme durch, wobei es am schlimmsten es zur Zeit des DDR Regimes gewesen sein. Der Uranabbau war fest in sowjetischer Hand, wer es wagte, zu widersprechen oder aufzubegehren, wurde nach Moskau verschleppt und in den dortigen KGB Gefängnissen erschossen. Uranabbau ist tödlich für den Menschen. Wen nicht die Silikose in der Lunge umbringt, die Strahlung erledigt das locker.
Wir begleiten im Buch die Bergmannsfamilie Steiner, von 1908 bis 2019, mehr als 100 Jahre Geschichte. Es ist nicht nur Familiengeschichte, sondern auch die Geschichte der Gesellschaft. In all dieser Zeit hält die Familie zusammen und ist füreinander da. Durch gute und gefährliche Zeiten, durch magere Zeiten (und die gab es “im Überfluß”), durch Zeiten der unpolitischen Freiheit, in denen ein Wort oder eine Geste den Tod bedeutete. Anhand der Familie Steiner erfahren wir, wie das ganze Tal eigentlich lebte: ihre abendlichen Rituale wenn die Bergleute aus der Grube heimkehrten, mit den Lichtern für jedes Familienmitglied eines im Fenster, so dass die Bergleute wußten, alles gut daheim, keiner krank oder verletzt. Mit den Weihnachtsbräuchen, den Trachten, den Chören und Aufmärschen der Bergleute. Und über allem die wiederkehrenden Worte: “Ein Bergmann ist ehrlich” und “Wir lassen keinen zurück”, ohne denen wohl der tägliche Abstieg in die Grube undenkbar gewesen wäre. Generationen von Männern steigen Tag für Tag in die Grube hinab, nicht wissend, ob und wann sie wieder herauskommen, sehen nur an Sonntagen die Sonne und lieben trotzdem den Beruf.
Schöner, nachklingender Schreibstil den Kati Naumann da verwendet und meisterlich beherrscht. Die Kapitel alternieren zwischen 2019 und von 1908 aufwärts. So erhalten wir einen klaren Einblick in das harte und oft entbehrungsreiche Leben der Bergleute und ihrer Familien. Der Zusammenhalt der Familie wird durch das ganze Buch hindurch unter Beweis gestellt. Auch zum Schluss, als Luisa, Michaela und Irma Steiner und Gretchen, eine Freundin der Familie, nach Moskau reisen, um über den Verbleib von Michail, einem sowjetischen Soldaten und Michaelas Vater, und Rudolf Steiners zu forschen. Es gelingt ihnen, Michails Familie zu finden, nur leider ist Michail schon verstorben. Sie schließen Freundschaft mit seiner Familie in dem ukrainischen Dorf und fahren anschließend nach Moskau. Rudolf Steiner war von der KGB 1951 erschossen . Nun wollen die Frauen erfahren, warum, unter welchen Anschuldigung das geschah und wollen ihn rehabilitieren lassen. Doch das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Die Akten wurden noch unter Stalin vernichtet, eine Rehabilitation ist nicht mehr möglich. Doch Luisa Steiner ist findig. Sie überredet einen jungen russischen Studenten, eine fiktive Urkunde auszudrucken, in der Rudolf Steiner rehabilitiert wird. Irma und Gretchen sind glücklich, sie kehren mit dem Gefühl zurück, sie haben für ihren lang verschollenen Bruder, für die Familie etwas getan, ihre Pflicht erfüllt. Und sie haben keinen zurückgelassen.

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