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Veröffentlicht am 15.04.2024

Ein Epos für die Frauen Siziliens, wie ein antiker Heldengesang

Die Frauen der Familie Carbonaro
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Wunderschöner Roman, der es geschickt vermag, unterschiedliche Zeit- und Handlungsebenen zu verbinden. Der Schreibstil ist ruhig, erzählerisch, ohne je hastig zu werden, auch wenn das Thema schrecklich ...

Wunderschöner Roman, der es geschickt vermag, unterschiedliche Zeit- und Handlungsebenen zu verbinden. Der Schreibstil ist ruhig, erzählerisch, ohne je hastig zu werden, auch wenn das Thema schrecklich oder brutal ist. Als ob die Sonne Siziliens alles verklären aber auch alles ans Licht zerren würde. Das Wunderschöne und Begeisternde, aber auch das Harte, Tödliche. Alles liegt offen, vor den Augen der Sizilianer.

Die Münchner Jahre der Familie Carbonaro hingegen sind von der deutschen Wirklichkeit der Zwischenkriegszeit und den Bombennächten und Terror während des Zweiten Weltkriegs, der fanatischen Nazi-Ideologie einiger Nachbarn und Schulkinder. geprägt.

Zu den schönsten und auch bedeutendsten Szenen des Buches gehört gleich die Eröffnungsszene. Der Autor erzählt von der Begegnung mit drei Carbonaro-Frauen: Urgroßmutter Pina, Großmutter Anna, Tante Maria, als Vertreterinnen aller Carbonaro-Frauen: “Ich weiß, wo ich bin. Dies ist das Haus der Zeit, dort, wo Vergangenheit und Zukunft verschmelzen. In den Zimmern, Sälen, Kammern und Nischen sitzen die Geister eines vergangenen Jahrhunderts, raunen sich Dinge zu und runden die Kanten. Eines Tages werde ich einer von ihnen sein oder bin es bereits. Die drei Frauen vor mir sind meine Familie. Ich bon hier, um ihnen zuzuhören.” (S. 13). Der Autor hält Wort, er hört diesen Frauen zu, lässt sie geduldig zu Wort kommen, lässt sie von ihrem harten Leben erzählen, von den vielen Kindern, die sie geboren haben, von denen nicht viele überlebt haben, wie sie ihr Schicksal auf sich genommen haben und um ihr bisschen Glück und Freiheit gekämpft haben.

Allen dreien blieb der Lebenstraum verwehrt: die eine wollte ihrem Mann im Geschäft zur Seite stehen, die andere wäre gern Sängerin geworden, die dritte wäre gern Großhändlerin geworden, um sizilianische Früchte und Säfte nach Deutschland zu exportieren. Sie durften oder konnten es nicht tun, weil sie Frauen in einer strikten Männerwelt waren. Und doch hat jede von Ihnen es den Frauen in der nächsten Generation ermöglicht, wenigstens einen Teil ihrer Träume zu verwirklichen. Sei es die Tochter, die öffentlich auftreten und singen darf, oder die Tochter, die eine höhere Schule besuchen kann. Diese drei Frauen besitzen einen doppelten Schatten, der sie als Nachfahrinnen von Meeresnixen ausweist. In Sizilien können andere Frauen ihre Schatten sehen und meiden sie. In München hingegen sind diese Schatten nicht mehr sichtbar, sie können sich ungehindert auf den Straßen bewegen.

Alle drei Frauen heiraten den Mann, den sie lieben, doch die Männer der ersten beiden Generationen sind Patriarchen, oder wären es gern, zu stolz und zu schwach zugleich, auf Ihre Frauen zu hören. Nur Maria, die Frau aus der dritten Generation, heiratet nach einer großen Enttäuschung in der Liebe endlich einen Mann, den sie liebt, der sie liebt, und der ihr vor allem zuhört und ihr helfen will, ihren Traum zu verwirklichen. doch er stirbt viel zu früh an einer unerbittlichen Krankheit und Maria muss ihre Firma verkaufen und kehrt mit ihrem Kind nach Sizilien zurück.

Die Patruneddi, Hausgeister, sind faszinierend. Sie sind Teil der Familie, des Mobiliars, des Hauses.

Das Buch endet in einer versöhnlichen und bejahenden Stimmung: “Wir waren die Frauen der Familie Carbonaro… Wenn es Tag wurde, würden wir wieder zwei Schatten werfen, aber wir fragten nicht mehr, wer wir sind. Wir sind das, was man von uns erzählt.” (S. 503”

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Veröffentlicht am 31.03.2024

Wenn der geliebte Mensch geht

Noto
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Wenn der geliebte Mensch stirbt, plötzlich verstirbt, ohne Zeit zu haben, sich zu verabschieden, ist das wie die Amputation eines Gliedmaßes. Der Phantomschmerz wird immer bleiben. Irgendwann arrangiert ...

Wenn der geliebte Mensch stirbt, plötzlich verstirbt, ohne Zeit zu haben, sich zu verabschieden, ist das wie die Amputation eines Gliedmaßes. Der Phantomschmerz wird immer bleiben. Irgendwann arrangiert man sich mit dem Schmerz, lernt ihn ertragen. Adriano und Konrad waren ein Paar, waren verheiratet, hatten auf Sizilien ein Haus gebaut. Konrad lebte mehr in Rom, der Arbeit wegen, Adriano in Berlin. Sie trafen sich regelmäßig, in Berlin oder in Rom oder in Sizilien, wo sie der Gemeinschaft der deutschen Expats angehörten. Adrianos Tod in Berlin ist tragisch (wie jeder Tod) und absurd zugleich. Adriano ist mit brennender Zigarette eingeschlafen, die Couch hat angefangen zu glimmen, er ist am Sauerstoffmangel und den eingeatmeten Gasen erstickt. Das Buch setzt nach Adrianos Tod ein, Konrad fliegt nach Sizilien, um seine Asche da in den Ätna zu streuen. Aber diese Geste, die in Berlin noch so elegisch schön und bedeutsam erschien, war nach den Strapazen der Ätna-Besteigung weder symbolisch und elegisch schön noch bedeutsam Er wird die Asche aus einem Impuls heraus von einem Schiff aus wortlos und rasch ins Meer streuen.
Das Buch ist aber nicht nur über die Trauerbewältigung eines geliebten Menschen, sondern auch ein Plädoyer für eine wunderschöne Insel, Sizilien und mit allem, was diese Insel für Sizilianer, Italiener und deutsche Bewohner bedeutet. Die Insel wird mit all ihren zauberhaften aber auch hässlichen Facetten beschrieben und weckt die Sehnsucht nach Sizilien. Um mit Goethe zu sprechen:
“Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht?”
Genau in dieses Land versetzt uns Adriano Sack mit diesem Buch. Den überquellenden Müll am Straßenrand, die ausufernde Bürokratie der sizilianischen Verwaltung, all das wird auch im Buch beschrieben, aber dann kommt ein Sonnenuntergang oder eine Landschaftsbeschreibung zum Niederknien schön.
Konrad, der in Sizilien Corrado angesprochen wird, hört sich Adrianos Reden an, ohne etwas darauf entgegnen zu können. Er sehnt diese Reden herbei, sie bestätigen ihn in seinen Handlungen auf Sizilien, auch wenn er da diverse Liebesaffären hat. Im letzten Zwiegespräch Adriano - Konrad sagt Adriano: “Ich werde Dich mehr vermissen als mich selbst. Und vergiss nicht, dass Du leben musst.” (S. 332) Konrad ist auf der Heimfahrt zurück nach Deutschland, er befindet sich auf der Fähre von Messina auf das italienische Festland, als in seinen Gedanken Adriano diese Worte sagt. Konrad wird klar “... und ich werde niemals auf dieser Fähre stehen können, ohne Adriano zu vermissen. Denn auch das war unsere Liebe: nebeneinander in aufgewühltes Wasser blicken,” (S. 332).
Das Titelbild erinnert in seinen Farben und Gestaltung an ein Gemälde von Gauguin
Eine kleine Besonderheit sei noch erwähnt: Adriano Sack, der Autor lässt den verstorbenen und doch so präsenten Partner Konrads auch den Namen Adriano tragen. Das wirft die Frage auf, wie viel von einem Adriano steckt im anderen Adriano?

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Veröffentlicht am 31.03.2024

Ein schmerzhaftes aber notwendiges Buch

Mutter ohne Kind
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Ich bin Gott dankbar, ich habe alle meine Schwangerschaften zu Ende und gut ausgetragen. Ich bin dankbar für meine Kinder. Falls ich mal eine Schwangerschaft verloren habe, dann war es in den ersten zwei ...

Ich bin Gott dankbar, ich habe alle meine Schwangerschaften zu Ende und gut ausgetragen. Ich bin dankbar für meine Kinder. Falls ich mal eine Schwangerschaft verloren habe, dann war es in den ersten zwei bis drei Wochen und ich habe nichts davon mitbekommen, höchstens mal eine etwas verspätete aber heftige Periode. Ich empfinde das heute als Gnade. Aus meinem persönlichen Umfeld weiß ich, wie schmerzhaft für eine Frau das ist. ich meine, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Wenn das kleine Herz im vierten oder sechsten oder gar Ende des 8.Monats aufhört zu schlagen und die Mutter stumm und verzweifelt und voller Trauer mit dem Schmerz allein gelassen wird. Psychische Betreuung und Begleitung in der Zeit der Trauer wären da zwingend notwendig. Oder Aufklärung, so in etwa wie dieses Buch das bringt.
Lindner behandelt alle Aspekte einer Fehlgeburt: wie sich die Mutter fühlt, wenn sie erfährt, dass sie die Schwangerschaft verlieren wird, wie sie sich danach fühlt, nachdem sie ein Sternenkind entbunden hat, wie sie sich nach der Trauer wieder in das “normale” Leben eingliedert. Oft zerbrechen die Beziehungen daran, weil beide Elternteile in ihrer Trauer wie in einer Blase gefangen sind und nicht mit dem Partner kommunizieren können. Lindner geht auch auf die gesundheitlichen Aspekte einer Fehlgeburt ein, die hormonellen Störungen im Körper der Frau, die Schmerzen, Wehen, starken Blutungen und Krämpfe.
Und was können wir, Außenstehende tun, wenn eine uns nahestehende Frau Ihr Kind verliert? Eva Lindner hilft uns dabei: “... zuhören und aushalten. Aushalten, dass ein geliebter Mensch traurig und am Boden zerstört ist. Aushalten, dass das Leben der Betroffenen vielleicht nie mehr so sein wird wie vorher. Aushalten, dass die Person Schmerzen durchleben muss, ohne dass man ihr dabei helfen kann. Und trotzdem da sein, Hilfsangebote machen, dranbleiben, den Namen des Kindes aussprechen, wenn die Eltern ihm einen gegeben haben. Immer wieder nachfragen.“ (S. 252)
Das Buch ist in 13 Kapitel eingeteilt, wobei nach der Einleitung die folgenden Kapitel Namen der Mütter tragen, die ein Kind während der Schwangerschaft verloren haben. Jede Muter steht für einen Aspekt, der Schwangerschaft und des Verlusts. Sehr einfühlsam geschrieben, vermittelt das Buch den betroffenen Frauen, dass sie nicht allein in ihrem Kummer sind, dass leider viele Frauen ihre Kinder an den Tod verlieren. Und uns anderen hilft das Buch, mit Frauen in dieser Situation besser und empathischer umzugehen.

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Veröffentlicht am 21.03.2024

Endlich mal wieder gute Vampire

The Serpent and the Wings of Night (Crowns of Nyaxia 1)
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Seit den Cullens bin ich auch dem Vampir-Fieber erlegen. Aber nur wenn es liebe, kuschelige Vampire sind. Zumindest ein Teil von ihnen. Und hier haben wir genau das. Einen ganz akzeptablen Mix aus guten ...

Seit den Cullens bin ich auch dem Vampir-Fieber erlegen. Aber nur wenn es liebe, kuschelige Vampire sind. Zumindest ein Teil von ihnen. Und hier haben wir genau das. Einen ganz akzeptablen Mix aus guten Vampiren und bösen, niederträchtigen Vampiren, die Menschen töten und aussaugen. Oraya wurde in ihrer Kindheit aus einem noch unbekannten Grund, vom Vampirkönig gerettet und wuchs wohl bewacht und behütet in seinem Palast auf. Um aufzusteigen, muss sie ein Turnier, das Kejari, gewinnen. Nur so wird sie vor den anderen Vampiren in Sicherheit sein und auch die Menschen der Stadt vor ihnen schützen. Die aufregenden Abenteuer und harten Kämpfe, die sie während des Turniers aber auch in der Zeit zwischen den Prüfungen besteht, machen Gegenstand des Buches/Hörbuches aus. Wirklich atemberaubend und spannend geschildert.
Hinzu kommt noch eine Liebe über alle Barrieren hinweg, eine außergewöhnliche und doch eigentlich nur logische Allianz mit einem der Kontrahenten, um die Spannung im Buch zu erhöhen.
Einziges Manko (ohne Punktabzug), das Buch endet leider und wie so üblich in einem Cliffhanger. Nix zu machen. Da müssen wir durch.
Vanida Karun hat das Hörbuch zu einem Hörgenuss werden lassen. Eine Stimme voller Inflektionen und hoch modulierbar, zieht sie jeden Hörenden nach nur wenigen Worten in ihren Bann. Chapeau, wie sie das gesprochen hat.
Das geheimnisvolle und anziehende Coverbild und der interessante Klappentext lassen Buch/Hörbuch zu einem Eyecatcher werden.

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Veröffentlicht am 21.03.2024

Der Schein trügt

Wer zuerst lügt
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Der Schein trügt
Eine junge Frau, die aus (vorläufig nur ihr bekannten Gründen) ihrer Umwelt und vor allem ihrem Freund eine falsche Identität angibt, wird plötzlich mit einer anderen Frau konfrontiert, ...

Der Schein trügt
Eine junge Frau, die aus (vorläufig nur ihr bekannten Gründen) ihrer Umwelt und vor allem ihrem Freund eine falsche Identität angibt, wird plötzlich mit einer anderen Frau konfrontiert, die in ihre eigene Identität geschlüpft ist. Was geht da vor sich? Das Buch verspricht interessante Verwicklungen und Wendungen.
Anfangs ist das Ganze noch humorvoll, doch je weiter man im Buch voranschreitet, umso mehr lässt der Humor nach, um dann gegen Ende wieder hervorzukommen. Faszinierend für mich war zu beobachten, wie Evie/Lucca jede Klippe umsegeln kann, wie sie sich aus brenzligen bis gefährlichen Situationen heraus manövrieren kann, ohne je wirklich die Contenance zu verlieren und immer schlagfertige Antworten parat zu haben. Ich habe die Szenen richtig genossen, in denen sie die Damen aus Ryans Umfeld gekonnt im Zaum hält.
Ihr Freund ist nicht der gediegene Geschäftsmann, der er vorgibt zu sein. Eigentlich wurde Evie ja auch deshalb auf ihn angesetzt, um ihn auszuspionieren. Langsam beginnt sie das Spiel ihres Auftraggebers zu durchschauen und es gelingt ihr, ihn praktisch gegen sich selbst auszuspielen und das Vertrauen und die Liebe ihres Freundes zu bewahren oder gar zu vergrößern. Respekt, Evie!

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