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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.04.2018

Eindrücklich beklemmender Tatort

Tiefer denn die Hölle (Ein Martin-Bauer-Krimi 2)
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Polizeiseelsorger Martin Bauer wird zu einem Tatort gerufen, der so beklemmend und verstörend ist, dass ein Ermittler mit einer Panikattacke kämpft und Bauers Amtskollege Rüdiger Vaals, der zuerst am Tatort ...

Polizeiseelsorger Martin Bauer wird zu einem Tatort gerufen, der so beklemmend und verstörend ist, dass ein Ermittler mit einer Panikattacke kämpft und Bauers Amtskollege Rüdiger Vaals, der zuerst am Tatort war, beim Anblick der Leiche einen Herzinfarkt erlitten hat. Ebenjener scheint über den Toten mehr zu wissen und stammelt im Notarztwagen, er hätte „nicht aufgepasst… [vor] fünfzehn Jahre[n]“ (S.47), er sei verdammt und erwähnt den Namen Josef Hartwig, bevor er nicht mehr ansprechbar ist. Bauer versucht, mehr über Hartwig und auch über den Toten herauszufinden und übertritt dabei (wie schon zuvor?) seinen Kompetenzbereich. Einzig Kommissarin Verena Dohr hilft ihm wiederwillig, aber bis die beiden die Zusammenhänge hinter den Morden, den Anschuldigungen und längst vergangener Verbrechen erkennen, ist es beinahe zu spät.
Gallert und Reiter schaffen mit Martin Bauer einen Ermittler, der so untypisch ist und dessen Blickpunkte auf die menschlichen Abgründe so ganz anders sind als die gewohnten, der Schuld nicht nur im rechtlichen Sinn verurteilen will, sondern auch auf christlich-moralischer Ebene agiert, ohne irgendwie belehrend zu wirken. Der Aspekt, der den Krimi so herausragend, so eindrücklich macht, ist der ungewöhnliche Tatort und die äußerst gelungene Tatortbeschreibung: Die Ermittlungen, die in die Tiefe eines ehemaligen Bergwerkstollens führen, sind sehr bedrückend geschildert, man kann die Enge, die Klaustrophobie als Leser buchstäblich fühlen. Die Beschreibungen von Orten und Personen sind sehr anschaulich, sehr eingängig, dass sofort ein Film im Kopf entsteht, ohne dass die Beschreibungen zu detailreich, zu ausführlich oder langgezogen sind. Das der Fall dann noch gut konstruiert ist und bis zum Ende spannend bleibt und die eine oder andere Überraschung oder Wendung bereithält, rundet Lesevergnügen ab. Mir haben auch die Begriffe und Erklärungen aus dem Bergbau gefallen, die auch die Mentalität der Bewohner des Ruhrgebiets einfangen.
Die beiden Hauptcharaktere sind vielschichtig gezeichnet und durch ihre persönlichen Probleme irgendwie greifbarer, ohne dass es zu ausführlich beschrieben wird. Zwar werden immer wieder Hinweise auf den vorangegangenen Band gegeben, dieser Krimi lässt sich aber auch gut lesen, wenn man den Vorgänger nicht kennt.

Veröffentlicht am 02.04.2018

Spannend, abstoßender Täter, bis zum Ende rätselhafter Fall

Im Kopf des Mörders - Kalte Angst
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Kalte Angst – Im Kopf des Mörders
Oberkommissar Max Bischof bekommt es im zweiten Fall der Trilogie mit einem Serienmörder zu tun, der scheinbar wahllos mordet. Die Fälle weisen wenig Gemeinsamkeiten auf, ...

Kalte Angst – Im Kopf des Mörders
Oberkommissar Max Bischof bekommt es im zweiten Fall der Trilogie mit einem Serienmörder zu tun, der scheinbar wahllos mordet. Die Fälle weisen wenig Gemeinsamkeiten auf, außer, dass der Täter jedes Mal eine groteske Fliegenmaske trägt und einen Zeugen zurücklässt, der seine Nachricht vermitteln soll: „Sag es den anderen“. Bischof und sein Kollege Böhmer finden keinen Hinweis auf den Täter und auf die Gesetzmäßigkeiten, nach denen er seine Opfer auswählt. Als sie einen Anruf aus der geschlossenen psychiatrischen Anstalt bekommen, in der der verurteilte Mörder Siegfried Fissmann einsitzt, der jetzt Hinweise auf die Taten und auf folgende Taten geben kann, versucht Bischof mit ihm zu verhandeln. Fissmann scheint aber mit ihnen zu spielen und versucht, Vorteile für sich herauszuhandeln. Was weiß er tatsächlich? Kann er die entscheidenden Hinweise geben? Und schaffen es die Ermittler, zu ihm durchzudringen?
Der Thriller startet direkt mit der Beschreibung des ersten Mordes, sodass man als Leser sofort mitten im Geschehen ist und sofort Spannung aufkommt. Hauptsächlich ist der Roman in Er-Form aus der Sicht von Max Bischof geschrieben, wird aber unterbrochen von Schilderungen, die aus der Perspektive der Opfer beschreiben, wodurch beim Leser zusätzlich Spannung und Grauen erzeugt wird. Man ist quasi live und hautnah dabei.
Die Charakterbeschreibung des Psychopathen Fissmann ist sehr gut gelungen. Er ist so wirr und krankhaft dargestellt, dass man nicht weiß, wieviel der Informationen, die er zu besitzen vorgibt, verlässlich sein können. Er ist in seinem Wahn und seiner asozialen Einstellung so nervig, macht so wütend, dass man ihn am liebsten schütteln würde und daher die Beamten gut verstehen kann, die einerseits alles versuchen, um an Informationen zu kommen, andererseits aber mit ihrer Geduld bald am Ende sind und in ihren Versuchen bald beinahe verzweifelt wirken.
Die anderen Charaktere sind irgendwie blass und ihnen fehlen die persönlichen Besonderheiten. Da es sich um den zweiten Teil der Reihe handelt, gibt es viele Hinweise und Verweise auf den ersten Band, auch was die Vorgeschichte und die Persönlichkeiten der Ermittler angeht, was etwas stört, wenn man den ersten Teil nicht gelesen hat. Daher würde ich beim nächsten Mal wahrscheinlich den ersten zuerst lesen. Den Fall versteht man auch so.

Das Ende zwar super überraschend aber zu abrupt. Am Ende wirkt es überstürzt und irgendwie fehlen Informationen und eine Art „Raffinesse“, vielleicht auch, weil im Laufe des ganzen Thrillers keine Hinweise auf den Täter gegeben werden, sodass man nicht richtig mitraten und miträtseln kann.
Der Thriller ist insgesamt spannend und irgendwie abstoßend, der Fall bleibt bis zum Ende rätselhaft und Arno Strobel schafft es am Ende, den Leser mit der Auflösung komplett zu überraschend. Es ist zu empfehlen, den ersten Teil zuerst zu lesen. Von mir gibt’s eine klare Leseempfehlung und ich werde mir den ersten und den dritten Teil (wenn er dann nächstes Jahr endlich erscheint) definitiv kaufen.

Veröffentlicht am 30.03.2018

Liebeserklärung an die Musik und an Außenseiter

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
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Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
„Es war einmal ein Plattenladen“ (S 9) und zwar ein ganz besonderer. In einer runtergekommenen Sackgasse in einer versteckten Gegend der Stadt wirkt er wie ...

Mister Franks fabelhaftes Talent für Harmonie
„Es war einmal ein Plattenladen“ (S 9) und zwar ein ganz besonderer. In einer runtergekommenen Sackgasse in einer versteckten Gegend der Stadt wirkt er wie ein letztes Aufbäumen gegen die Modernisierung, gegen den Kommerz. Der Besitzer, Frank, liebt Musik über alles und hat außerdem ein unglaubliches Wissen über beinahe alle Musikstile. Er besitzt ein besonderes Talent: Er kann erkennen, welche Musik, welches Lied seine Kunden brauchen, unabhängig davon, was sie selbst zu mögen oder zu glauben meinen. Er kann in jedem eine kleine Melodie hören. Als eine Frau im grünen Mantel vor seinem Laden auftaucht, bei der er nichts als Stille hört, ist er fasziniert von ihr und den Rätseln, die sie umgeben.

Rachel Joyce hat mit diesem Roman ein Buch wie ein Lied geschaffen, ein Buch voller versteckter Poesie. Sie zeichnet wunderbare, verschrobene und skurrile Charaktere, die man sofort liebgewinnt, gerade weil jeder seine Eigenheiten hat. Da ist Maud, die mürrische Tattookünstlerin, die oft wie eine Überlebende wirkt, Pater Anthony, der ehemalige Priester, der lange Zeit mit einem Alkoholproblem und vielleicht auch mit Lebensüberdruss zu kämpfen hatte und Kit, die unbeholfene Aushilfe, der verzweifelt auf der Suche nach seinem Platz im Leben ist. Frank selber ist ein sehr guter Zuhörer, der seinen Freunden und seinen Kunden das Gefühl gibt, dass er ihre Probleme ernst nimmt und sie versteht. Er ist Idealist, etwas rückständig und weigert sich standhaft, Veränderungen in sein Leben zu lassen. Er hat außerdem Probleme, sich ganz auf jemanden einzulassen. Die Gründe dafür lernt der Leser aus Rückblenden, die in unregelmäßigen Abständen in den Lesefluss eingestreut werden. An diesen Rückblenden haben mir besonders die Geschichten über Musik und Musiker gefallen, über die Besonderheiten einzelner Musikstücke und das Gefühl dafür.

Alle Charaktere wirken irgendwie etwas aus der Zeit gefallen, aber auch wie jemand, den man aus einem anderen Leben kennt. Die Grundstimmung ist eher melancholisch geprägt manchmal durchwebt mit einem Früher-war-alles-besser-Gefühl. Aber immer steht auch die Musik im Mittelpunkt, die Liebe zur Musik und das Gefühl und die Stimmung die sie hervorrufen kann. Dabei ist es ganz egal ob Klassik oder Rock, jedes Stück findet seinen Platz und selten hat es ein Buch geschafft, dass ich mich mehr mit der Musik beschäftigt habe. Manchmal musste ich das Lesen unterbrechen, habe mir dann genau das Stück anhören, über das gerade geschrieben war und habe mit der Frau im grünen Mantel nach der Stille zwischen den Noten gesucht. Das Buch hat es geschafft, dass ich mich nach lange nicht mehr gehörten Liedern gesehnt habe, nach Liedern, die mit besonderen Erinnerungen verknüpft sind (oft an richtig gute oder richtig schlechte Zeiten ;)) und nach Geborgenheit und Gemeinschaft.

Die Liebesgeschichte zwischen Frank und der Frau im grünen Mantel konnte mich aber leider nicht packen. Den Musikunterricht fand ich noch ganz gut, aber auf emotionaler Ebene fehlte es für meinen Geschmack die Überzeugungskraft, die Energie zwischen den beiden.
Das Ende wirkt über, stürzt und fehl am Platz. Für ein so melancholisches Buch hätte ich mir ein Ende gewünscht, das nicht dem typischen Happy-End entspricht, kein „und wenn sie nicht gestorben sind…“.


Der Roman ist eine Liebeserklärung an die Musik und an Außenseiter. Die ruhigen Töne, die Melancholie und die wenig ereignisreiche Geschichte lassen den Roman leise vor sich hinplätschern und machen es zu einem Wohlfühlbuch, auch wenn die Liebesgeschichte unpassend und zu gewollt wirkt.

Veröffentlicht am 19.03.2018

Wahnhafte Suche nach der "Wahrheit"

Das Flüstern der Insel
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Alice ist mit ihrer Jugendliebe verheiratet, sie haben eine Tochter und Alice ist hochschwanger mit dem zweiten Kind. Sie führen eine glückliche Beziehung, die geprägt ist durch Vertrauen und dadurch, ...

Alice ist mit ihrer Jugendliebe verheiratet, sie haben eine Tochter und Alice ist hochschwanger mit dem zweiten Kind. Sie führen eine glückliche Beziehung, die geprägt ist durch Vertrauen und dadurch, dass sich die beiden sehr gut kennen. Als Alice eines Nachts einen Anruf bekommt, dass ihr Mann verunglückt ist, stellt dass alles in Frage. Denn zusätzlich zu seinem Tod muss sie sich damit auseinander setzen, dass er sich zur Zeit des Unfalls wo anders aufgehalten hat als er ihr gesagt hatte. Um die bohrenden Fragen loszuwerden und sich auch von ihrem Schmerz abzulenken, beginnt Alice mit Nachforschungen: Woher kam ihr Mann? Was wollte er da? Sie steigert sich in diese Suche nach „der Wahrheit“ hinein, bis es zu einem Wahn wird und die Mittel werden immer extremer. Bald scheint sich ihr ganzes Leben daran auszurichten. Sie verliert dabei zum Teil ihre Pflichten als Mutter aus den Augen und macht sich selber unfähig, soziale Bindungen zu anderen Menschen einzugehen.


Für diese Rezession habe ich lange überlegen müssen, was ich schreiben sollte. Beim Lesen fand ich das Buch sehr langatmig, die wirren Gedankengänge von Alice, die sehr ausführlich beschrieben werden, haben mich gestört und die Charakterbeschreibung von Olivia, der älteren Tochter, war zerrissen und unverständlich. Die Entwicklung von Alice fand ich zunächst noch recht spannend, wie sie sich immer weiter in den Wahn hineinsteigert, doch irgendwann wurde es mir zuviel, zu unglaubwürdig. Teilweise war es echt abstrus und weit von einer künstlerischen Überzeichnung entfernt. Das ging so weit, dass ich während des Lesens richtiggehend genervt war und das Ende herbeigesehnt habe.


Trotzdem hat es Daniel Sánchez Arévalo geschafft, eine Art Sog zu generieren, der es mit der Zeit immer schwerer macht, das Buch aus der Hand zu legen. Man hofft immer auf den großen Moment, die Überraschung. Außerdem hat mich der Roman nachhaltig zum Nachdenken gebracht. Ich werde dieses Buch wahrscheinlich nicht so schnell vergessen, auch wenn das Lesen selbst kein richtiges Vergnügen war.
Das Ende, so schlicht es auch war, fand ich richtig gut gelungen. Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen und dort kam oft Kritik zum Schluss, aber ich finde, gerade weil es dann doch so banal war, rückt es die Besessenheit von Alice noch einmal ins Rampenlicht. Auch die emotionale Ausarbeitung fand ich gelungen.

Alles in allem ein Buch, dass mich sehr zwiespältig zurück gelassen hat und bei dem ich es unglaublich schwer finde, eine Sternewertung zu vergeben. Würde ich nur den Stil und das Leseerlebnis bewerten, gäbe es wohl 2 Sterne von mir, für das Thema und die nachdenklichen Töne gäbe es 4, daher habe ich mich auf 3 Sterne festgelegt, obwohl ich finde, dass es dem Roman nicht richtig gerecht wird. Es ist mit Sicherheit kein Buch für jedermann, aber wenn man einmal etwas jenseits der üblichen Themen lesen will und sich auf dieses Buch und den Stil des Autors einlassen kann, ist man mit „Das Flüstern der Insel“ gut beraten.

Veröffentlicht am 18.03.2018

Solider Krimi, der durch leise, eher unblutige Töne und vorallem einer sympathischen Ermittlerin besticht.

Schweigegelübde (Ein Emma-Vaughan-Krimi 2)
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Emma Vaughan ist Ermittlerin bei der Polizei in Sligo, einer irischen Kleinstadt. Sie hat als Frau und alleinerziehende Mutter einige Probleme, sich in ihrem beruflichen Umfeld zu behaupten. Weil bei ihrem ...

Emma Vaughan ist Ermittlerin bei der Polizei in Sligo, einer irischen Kleinstadt. Sie hat als Frau und alleinerziehende Mutter einige Probleme, sich in ihrem beruflichen Umfeld zu behaupten. Weil bei ihrem letzten Fall kein Verdächtiger verhaftet wurde, wurde sie zudem „zwangsversetzt“. Als es im Krankenhaus von Sligo zu einer Häufung von unerklärlichen Todesfällen kommt, ist das ihre Chance, sich zu beweisen. Auch ihr letzter Fall lässt sie nicht ganz los.
Die Aufklärung des Todesengel-Falls stellt sich als nicht sehr spektakulär heraus und leider war schon früh klar, wer nur als Täter in Frage kommt, was die Spannung etwas abflauen lässt. Die Verwicklungen um ihren „alten“ Fall sind da schon etwas weniger durchsichtig und sorgen für einige Überraschungsmomente. Der Roman ist flüssig geschrieben, lässt sich leicht lesen und bietet leichtes Lesevergnügen. Obwohl es sich um den zweiten Band einer Reihe handelt, kann er unabhängig vom Vorgängerroman gelesen werden. Schön sind die Details über Irland, die kleinen, eingestreuten Informationen, die die Besonderheiten des Landes und der Leute einfangen und darstellen.
Emma als Hauptperson ist gut charakterisiert, durch die dargestellten Schwächen wird sie menschlich und ihre Handlungen und Entscheidungen sind nachvollziehbar und rational. Sie wird zwar durchaus als Einzelkämpferin dargestellt, aber die anderen Ermittler in ihrem Team, allen voran ihr Partner, leisten ihren Beitrag zur Ermittlung. Die Nebencharaktere bleiben zwar etwas blass und werden wenig detailreich geschildert, aber sie sind durchgängig und ohne Widersprüche.
Der Krimi hat insgesamt nur knapp 300 Seiten, sodass er schnell durchgelesen ist. Trotz der Kürze und der vielen Themen kommt nicht das Gefühl auf, dass etwas zu kurz kommt oder dass ein Strang vergessen wird oder nicht richtig aufgeklärt ist.
Insgesamt ein solider Krimi für zwischendurch, der durch leise, eher unblutige Töne besticht und dessen größter Pluspunkt die sympathische Ermittlerin Emma ist.