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Veröffentlicht am 03.10.2022

Entscheidungen

Diese eine Entscheidung
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Alma Revel ist Untersuchungsrichterin. Für die Anti - Terror - Einheit in Frankreich. Hier entscheiden Richter, Anwälte und Ermittler was mit Terrorverdächtigen oder Rückkehrer aus gefährlichen Gebieten ...

Alma Revel ist Untersuchungsrichterin. Für die Anti - Terror - Einheit in Frankreich. Hier entscheiden Richter, Anwälte und Ermittler was mit Terrorverdächtigen oder Rückkehrer aus gefährlichen Gebieten geschehen soll. Aktuell geht es um den Syrienrückkehrer Abdeljalil Kacem. Und Alma muss diese eine Entscheidung treffen...

"Die Wissenschaft schlägt uns Klassifizierung vor, aber ich bin mir sicher, dass es den "idealtypischen Straftäter" in Wirklichkeit nicht gibt, wenngleich alle eines verbindet: der Mangel an Hoffnung." (Seite 93)

Zu Beginn war ich sehr skeptisch wohin mich das Buch führen wird. So einen wirklich roten Faden gibt es nicht, Alma erzählt, holt dann plötzlich weiter aus und man steht vor einem neuen Szenario.

Der Schreibstil an sich ist oft nüchtern und doch packt er recht schnell. Alma gibt einen tiefen Einblick in ihre Arbeit. Nebenher gibt es eine Anhörung zwischen einer Richterin und dem Beschuldigten - Abdeljalil Kacem. Hier eröffnet sich schon die "Mitwirkung" an die Leser - wie würde man selbst entscheiden?

Interessant ist dieser Einblick in Alma ihre Berufswelt allemal. Sie beschreibt ihren Job, was sie beschäftigt, welche hohen Erwartungen man an ihre Behörde hat und eigentlich wird den Lesern sehr schnell klar - dieses Los will man nicht mit Alma teilen.

Obwohl es hier um Terroristen oder Verdächtige geht will und wird Alma jeden einzelnen als Mensch ansehen. Sie verurteilt nicht sondern weiß um die komplexe Thematik die soviele "Rattenschwänze" mit sich zieht, ich habe Alma mehr als einmal meinen Respekt gezollt.

Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt an dem die Leser ebenfalls entscheiden können, wie sie handeln würden. Nach "Sterio" oder mit mehr Menschlichkeit und verschiedenen Blickpunkten.

Ein Buch was in seiner eher "kürzeren" Form trotzdem viele Entscheidungen, Menschen und Geschehnisse auf den Punkt bringt, zum Nachdenken anregt und fesselt.

Für mich auf jeden Fall ein Highlight was seine Aufmerksamkeit verdient.

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Veröffentlicht am 03.10.2022

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Blutvogel
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Taubendorf - ein kleines Dorf an der deutsch-polnischen Grenze. Familie Wolkows leidet unter dem streng gläubigen Vater der die Familie terrorisiert. Jetzt ist Aljona erwachsen, kümmert sich aber um den ...

Taubendorf - ein kleines Dorf an der deutsch-polnischen Grenze. Familie Wolkows leidet unter dem streng gläubigen Vater der die Familie terrorisiert. Jetzt ist Aljona erwachsen, kümmert sich aber um den dementen Vater.... doch ein Anschlag auf Aljona bringt mehr als ein Geheimnis ans Licht....

"Dieses unbekümmerte, unachtsame, beinah gleichgültige, fanatische Verhalten der Gläubigen. Sie bringen auch in Gegenwart ihres Gottes in die bemitleidenswertesten Situationen, weil sie mit aller Gewalt ihre Unschuld schützen wollen, als wären Unschuld und Tugenhaftigkeit ein Schutzschirm gegen die Welt, von der ich weiß, dass sie nicht existiert." (134)

Wieder ein neuer und durchaus sehr spannender Thriller der Autorin Astrid Korten. Alleine das Cover lässt mich wieder neugierig auf die Geschichte werden, und die könnte aktueller nicht sein.

Die Kapitel sind knackig, nicht zu lang und es steht über jedem Kapitel wer gerade das "Zepter" der Geschichte erzählt oder weiterspinnt. Interessant sind die Briefe, die hier erwähnt werden.

Die Familie Wolkows ist gläubig. Nicht freiwillig sondern weil der Vater/Ehemann der Familie diesen Glauben mit harter Hand durchführt. Während die Kinder Esther und Johann sich diesem komplett unterwerfen, sieht es bei Aljona und David ganz anders aus. Nach einem Urlaub kehrt nur der Vater zurück, angeblich ist die Mutter abgehauen.

Um diese Familie baut die Autorin nun ihre Konstruktion und die ist sehr gelungen. Ich bin mehr als einmal fassungslos gewesen über gewisse Verhalten, Scheinheiligkeit und Vertuschungen. Sind die Gläubigen doch nicht immer die Braven die sich an die "Gesetze" der Bibel halten.

Jedes Familienmitglied erhält seinen Raum, wird eingefügt mit seinen Stärken und Schwächen. Man taucht immer tiefer in diesen dunklen Keller und merkt wie einem selbst die Thematik anfängt fertig zu machen. Gekonnt legt die Autorin Spuren und Hinweise, jedoch ist es nicht so klar wie ich ewig dachte.

Der Autorin geht es auch nicht darum den Glauben zu verteufeln. Nein. Aber es gibt einfach zu viel an Menschen die meinen ihr Glaube ist der einzig Wahre und sie müssten alle penetrant bekehren, blenden die Realität komplett aus und sind selbst ganz schwarze Schafe. Und damit trifft die Autorin, für meinen Geschmack, den Nagel sehr genau auf den Kopf.

Jeder soll glauben (oder nicht) woran er möchte, aber er soll es für sich tun und vor allem andere Menschen damit nicht verletzen, bedrängen oder töten, egal um welche Religion es geht!

Ganz klar ein verdammt spannender Thriller mit viel Wahrheitspotenzial.

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Veröffentlicht am 03.10.2022

Wo warst du am 11 September?

Und auf einmal diese Stille
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"Da draußen gibt es sehr viele Familien, die kein letztes Wort bekommen haben oder die kein letztes Telefongespräch führen konnten. Eine der anderen jungen Frauen, die ihren Ehemann verloren haben, hat ...

"Da draußen gibt es sehr viele Familien, die kein letztes Wort bekommen haben oder die kein letztes Telefongespräch führen konnten. Eine der anderen jungen Frauen, die ihren Ehemann verloren haben, hat es am besten ausgedrückt. Sie hat gesagt:" Wir waren die Glücklichen unter den Unglücklichen, weil wir diese letzten Worte haben". (Seite 192)

Dieses Buch ist ein sehr aufwühlendes und doch wichtiges Zeitdokument in Buchform. Für alle, die sich für die Geschehnisse am 11 September interessieren, ist dieses Buch von Bedeutung.

Der Autor Garrett M. Graff hat hier wirklich keine Mühen gescheut und gibt einen intensiven Querschnitt ab durch alle Schichten der Bevölkerung. Ebenso kommen Regierungssprecher, Einsatzkräfte der Feuerwehr und Polizei zu Wort, dem Militär oder der Flugsicherung. Jeder kann mit seinem Bild das Ganze ausbessern und genauer zeichnen.

Ich habe viele Dokumentationen über dieses Weltgeschehen schon angesehen, einiges gelesen, wirklich begreifen wird man dieses Ausmaß aber nie. Manch Geschichte kannte ich daher schon und es war fast wie ein Wiedersehen mit "alten" Freunden.

Zu jedem Text gibt es den Namen, welche Tätigkeit, wo der Aufenthaltsort und in welchem Zusammenhang diese Person mit anderen Menschen steht.

Wahrlich leicht ist dieses Buch nicht. Der Autor beginnt mit dem "unschuldigen" Tag und baut hier sofort die Geschehnisse ein. Es gab immer wieder Momente bei denen das Buch auf die Seite gelegt werden musste, zu heftig sind die Worte, Ängste und Hoffnungen.

Viele Menschen wurden an diesem Tag zu Helden- nicht die "Offensichtlichen", sondern auch viele Menschen die versuchten zu helfen, anzutreiben, blieben an der Seite von Fremden und ließen sie nicht allein.

Das Buch sucht keine Erklärung für all dies, es zeigt auch wie verwirrend die Situation war, viele Falschmeldungen, die sich im Umlauf befanden. Schwere Entscheidungen, die getroffen werden mussten, oft mit der Frage nach Gerechtigkeit und Menschlichkeit.

Ein Buch, für alle, die sich intensiv mit diesem Tag, der die Welt veränderte, auseinandersetzen wollen. "Und auf einmal diese Stille" ist ein Zeitzeugnis.


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Veröffentlicht am 03.10.2022

Durch´s Kriegsgebiet mit Bienen

Graue Bienen
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Sergej lebt im Donbass, in der grauen Zone. Das Dorf ist fast verlassen, neben ihm lebt noch sein Feindfreund Paschka im Dorf. Täglich stecken die beiden zwischen dem Kriegsgeschehen von ukrainischen Soldaten ...

Sergej lebt im Donbass, in der grauen Zone. Das Dorf ist fast verlassen, neben ihm lebt noch sein Feindfreund Paschka im Dorf. Täglich stecken die beiden zwischen dem Kriegsgeschehen von ukrainischen Soldaten und prorussischen Separatisten. Im Frühjahr bricht Sergej wieder auf - mit seinen Bienen - damit sie in Ruhe Hönig sammeln können.

"Aber die Bienen, sie verstanden doch überhaupt nicht, was Krieg war! Die Bienen konnten sich nicht von Frieden auf Krieg umstellen und von Krieg auf Frieden wie die Menschen." (Seite 200)

"Graue Bienen" von Andrej Kurkow konnte aktueller nicht sein. Und der Autor bringt in einfachem Schreibstil diesen Schrecken in fast kleinen Häppchen an die Leserschaft.

Zu Beginn war ich etwas enttäuscht, dümpelt die Geschichte doch eher vor sich hin, auch wenn ich nicht wusste ob ich Sergej und Paschka bewundern soll, dass sie in einem Kriegsgebiet ihr Leben, irgendwie, weiterleben. Wirklich passieren tut hier nichts, beide gehen mit einer gewissen Gleichgültigkeit an die Situation heran.

Sergej leidet unter dem Weggang von Frau und Tochter. Auch so hat er keine Kontakte, lebt für dich und seine Bienen. Man merkt wie diese Situation ihn abstumpft und Sergej eher so ein Einzelgänger wird. Das Verhältnis von Sergej und Paschka war hier und da lustig, sind sie doch Feinde seit Kindheitstagen, auf der anderen Seite haben sie nur sich.

Interessant und aufwühlend wird es als Sergej mit seinen Bienen durch die Ukraine und dann in russische Besatzungsgebiete fährt um seinen Bienen das Bestmögliche zu ermöglichen.

Hier schaut man zusammen mit Sergej über den Tellerrand und der ist alles andere als locker und fröhlich. Während Sergej ohne Strom oder Post lebt, geht in anderen Dörfern das Leben normal weiter. Dieser Spalt lässt einen stocken. Auch wie die Mitmenschen mit Sergej umgehen ist oft nicht einfach.

Extrem wird es als Sergej einen alten Imkerfreund auf der Krim besuchen möchte. Hier erhält man Einblicke in die russischen Gepflogenheiten und die ja, das muss jeder für sich selbst lesen und erleben. Es deckt sich aber mit vielen Berichten.

Was für mich auf jeden Fall das Highlight sind - die Bienen. Wie viel Liebe Sergej für sie hat, was er für einen Aufwand betreibt, auch Wissenswertes erfährt man über die fleißigen Arbeiterinnen - das gibt wieder kleine Lichtblicke.

Ein Buch was durch seine Einfachheit besticht aber auf keinen Fall oberflächlich oder übertrieben erscheint. Ein Buch was aktueller nicht sein könnte.

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Veröffentlicht am 03.10.2022

Absolut brillant!

Die Hexe und der Winterzauber
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Moskau ist im Feuer fast zerstört worden. Und ein wütender Mob gibt Wasja die alleinige Schuld - sprich die Hexe muss brennen. Doch Wasja gelingt die Flucht und sie landet in "Mitternacht". Von dort muss ...

Moskau ist im Feuer fast zerstört worden. Und ein wütender Mob gibt Wasja die alleinige Schuld - sprich die Hexe muss brennen. Doch Wasja gelingt die Flucht und sie landet in "Mitternacht". Von dort muss Wasja ihren Weg finden, kämpfen und sich mit dem Teufel verbunden...

"Es gibt keine Ungeheuer auf dieser Welt und keine Heiligen. Nur unendlich viele Schattierungen, die alle in denselben Teppich gewoben sind, hell und dunkel. Das Ungeheuer des einen ist die Geliebte des anderen." (Seite 94)

Das Buch ist es nun. Der dritte und damit finale Band von Katherine Arden. Wenn ich ehrlich bin wollte ich gar nicht mehr aus der Geschichte auftauchen denn hiermit hat die Autorin sich nochmals selbst übertroffen.

Ich empfehle dringend die beiden vorausgeschrieben Bücher ebenso zu lesen. Sonst steht man ziemlich verloren im winterkalten Wald. Der Schreibstil und bildhafte Erzählung sind ein Traum, auch die Gestaltung um Buch selbst begeistert.

Moskau hat das Feuer überlebt und nun ist es an Wasja zu überleben. Schon hier beginnt der Spannungsbogen ordentlich zu spannen und man flüchtet mit Wasja in eine Welt die von Geistern, Monstern und wundersamen Wesen bewohnt wird.

Wasja macht hier nochmals eine unglaubliche Wandlung mit. Sie wird noch härter und erwachsener, spielt mit ihren Fähigkeiten und fällt auf die Nase, erleidet Verlust, fällt fast in den Wahnsinn und doch gibt sie nicht auf.

Was mir so richtig gut gefallen hat - die russischen Märchen, Mythen und Sagen erhalten jetzt den meisten Raum. Wir bekommen neue Charaktere vorgesetzt aber treffen auch auf alte Freunde und Feinde. Die Geschichte um all diese Wesen ist brillant aufgebaut und hat mich komplett begeistert!

Natürlich kommen hier auch düstere Wesen zum Einsatz, oft alte Bekannte. Habe ich sie zu Beginn eher gehasst, so wandelt man sich, zusammen mit Wasja, und erhält neue Ansichtsweisen und hegt fast Gefühle für die Anti-Protagonisten.

Der Humor kommt durch einen Charakter nicht zu kurz was ich herrlich auflockernd und hier und da erfrischend fand.

Natürlich geht es auch um die Liebe. Hier aber dezent gehalten, sie nimmt nicht den Hauptpart ein oder drängt sich unnötig in den Vordergrund. Es wird passend in Akzente gesetzt und passt sich den Geschehnissen gekonnt an.

Ich liebe diese Buchreihe absolut und mit dem finalen Band wurde alles übertroffen.


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