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Veröffentlicht am 09.08.2018

Irgendwie hatte ich mehr erwartet...

Das weibliche Prinzip
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Meg Wolitzer ist mit "Die Interessanten" bekannt geworden. Und ich war damals sehr begeistert von diesem Buch, das die Lebenswege von College-Freunden beschreibt.

Deshalb hatte ich mich sehr ...

Meg Wolitzer ist mit "Die Interessanten" bekannt geworden. Und ich war damals sehr begeistert von diesem Buch, das die Lebenswege von College-Freunden beschreibt.

Deshalb hatte ich mich sehr auf den neuen Roman von Meg Wolitzer gefreut. Und wurde ein klein wenig enttäuscht. Aber vielleicht waren meine Erwartungen auch zu hoch?

Das Thema "Feminismus" steht diesmal im Vordergrund. Das ist eigentlich für mich persönlich ein interessantes Thema. Leider fand ich die Protagonisten in diesem Roman meist nicht interessant.

Greer z.B. ist eine schüchterne aber intelligente Studentin. Eigentlich wollte sie nach Yale - aber ihre Kiffer-Hippie-Eltern haben das mit dem Stipendium nicht hinbekommen. Also landet sie auf einem mittelmäßigen College. Dort lernt sie bei einem Vortrag Faith Frank kennen, eine Ikone des Feminismus. Und später wird Greer für Faith arbeiten - und dabei bemerken, dass es auch im Kampf für den Feminismus immer wieder Entscheidungen gibt, die grenzwertig sind.

Greers Freund Cory, den sie schon seit der Kindheit kennt, studiert in Princeton, ihn erwartet eine große Karriere. Doch manchmal kommt es anders. Und die Beziehung zu Greer beginnt zu kriseln.

Und da ist noch Zee, eine Kommilitonin von Greer aus dem College. Sie ist Aktivistin, lesbisch und sucht einen eigenen Weg, ihre Ziele im Leben zu erreichen.

Mich konnte irgendwie keiner der Protagonistin so richtig erreichen. Am meisten mit gelitten habe ich zwischendurch mit Cory - nachvollziehen konnte ich seine Handlungen aber irgendwie nicht.
Und auch die anderen Personen blieben mir merkwürdig fremd. Und die - für mich - sehr theoretische Art, sich für Verbesserungen einzusetzen. Es ging mehr um Geld, Events, Tagungen. Wahrscheinlich realistisch. Aber als Roman war es nicht mein Ding.

Lesen lässt sich das Buch aber gut und flüssig - Wolitzer schreibt sehr gut.
Und ich werde nicht aufgeben und mich nochmals mit dem Buch beschäftigen: Meg Wolitzer kommt im Oktober zu einer Lesung nach Köln. Ich werde hingehen. Und danach das Buch eventuell noch einmal lesen - mit mehr Hintergrund gefällt es mir dann vielleicht besser.

Veröffentlicht am 03.08.2018

Finnische Bücher haben einen ganz besonderen Sound

Lempi, das heißt Liebe
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Finnische Bücher haben einen eigenen Sound. Einerseits naturalistisch, manchmal hart. Wie die langen Winter, die Kälte, der harte Kampf ums Überleben. Andererseits auch poetisch. Wie der kurze aber schöne ...

Finnische Bücher haben einen eigenen Sound. Einerseits naturalistisch, manchmal hart. Wie die langen Winter, die Kälte, der harte Kampf ums Überleben. Andererseits auch poetisch. Wie der kurze aber schöne Sommer, die schöne Landschaft, die Saunakultur.


Dieses Buch handelt von Lempi, einer jungen Frau, die sehr behütet aufwächst, sogar Abitur macht. Und dann einen jungen Bauern heiratet, zu ihm aufs Land zieht, Und nach noch nicht mal einem Jahr ist es vorbei mit dem Glück. Der 2. Weltkrieg macht auch vor dieser Gegend nicht Halt. Und Lempi verschwindet. Und lässt ihren geraden geborenen Sohn und ihren kaum älteren Ziehsohn zurück bei der Magd.

Was ist passiert? Ist Lempi tot? Ist sie mit einem Deutschen fort gegangen?

Erste geheimnisvolle Andeutungen gibt der Prolog. Und danach erzählen drei Personen über Lempi - nur sie selbst - sie kommt nicht zu Wort. Lempi bleibt also ein wenig rätselhaft, verschwommen - wie auf dem Cover angedeutet.

Zunächst erzählt ihr Mann, der aus dem Krieg heimkehrt und schier verzweifelt, weil Lempi nicht mehr da ist. Trauer und Verzweiflung werden sehr eindringlich dargestellt.

Danach erzählt die Magd. Sie konnte Lempi nicht leiden, für sie war Lempi ein verzogenes Gör, das einfach nicht auf einen Bauernhof gehörte. Sie selbst wäre doch eine viel bessere Bäuerin geworden.
Dieser Teil ist hart und schonungslos geschrieben.

Und dann erzählt Sisko, die Schwester von Lempi. Die beiden Frauen wären sich schon als Kinder sehr nah. Und Sisko weiß, wie es zu der Ehe mit dem Bauern kam. Aber Sisko hat auch eigene Probleme, sie hat einen Deutschen Freund (damals waren die Deutschen die sogenannten "Waffenbrüder" der Finnen). Und irgendwann müssen die Deutschen und ihre Geliebten Finnland verlassen.
Dieser Teil erzählt viel - wenn auch vieles nur in Andeutungen. Aber er erzählt doch ein ganzes Frauenleben. Von einem behüteten Aufwachsen über den Beginn der Beziehungen zum anderen Geschlecht bis zur Flucht und zu den Nachwirkungen des Krieges.
Dieser Teil war sehr geheimnisvoll, hatte viele Andeutungen, führte mich als Leserin oft in die Irre. Und löst doch das Rätsel um Lempi auf. Wenn auch nicht ganz alles erzählt wird.

Aber wie erzählt wird - das ist die große Kunst in diesem Roman. Dieses Eindringliche, Tragische. Und doch Poetische.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Und ich werde nach weiteren Büchern aus Finnland Ausschau halten.
Autor: Minna Rytisalo

Veröffentlicht am 20.07.2018

Düster, bedrohlich und sehr spannend

Ins Dunkel
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Aaron Falk ist bei der Federal Police in Melbourne in Australien, zuständig für Steuerfahndung.
Das hört sich zunächst nicht so spannend an - ist es aber. Denn, wie heißt es so oft bei der Tätersuche: ...

Aaron Falk ist bei der Federal Police in Melbourne in Australien, zuständig für Steuerfahndung.
Das hört sich zunächst nicht so spannend an - ist es aber. Denn, wie heißt es so oft bei der Tätersuche: "Folge dem Geld". Und so gerät Falk immer wieder in Ermittlungen der örtlichen Kriminalpolizei.

Hat die Autorin Jane Harper in ihrem Debüt "The Dry" (erscheint jetzt unter "Hitze" als Taschenbuch) Aaron Falk noch in seinen Heimatort im trockenen, dürren, staubigen Outback Australiens geschickt, so ist diesmal ein dicht bewaldeter Gebirgszug der Ort der Handlung. Es ist feucht, kalt, dunkel und bedrohlich. Der Wald verschluckt alles - auch das Mobilfunknetz.

Und wenn man bei der Lektüre von "The Dry" die Hitze und den Staub quasi spüren konnte, so fröstelt und bangt man diesmal in den dunklen, undurchdringlichen Wäldern.

In diesen Wäldern findet eine Teambuilding-Maßnahme statt. Eine Männer- und eine Frauengruppe - beide aus der gleichen Firma - sollen sich (ausgerüstet nur mit Kompass und Karte) 3 Tage durch die Wildnis schlagen. Am 4. Tag sollen alle wieder wohlbehalten zurück sein. Doch von der Frauengruppe kommen nur 4 statt 5 Frauen zurück. Und die fünfte Frau ist ausgerechnet die Kontaktperson von Falk. Sie sollte ihm Informationen über Geldwäscheaktivitäten liefern, die in dieser Firma vorkommen. Und bewiesen werden müssen.

Wurde die Frau bedroht? Oder beseitigt? Wusste jemand, dass sie Informationen weitergab? Oder hat ein Serienmörder aus früheren Zeiten, der in dieser Gegend aktiv war, einen Nachfolger gefunden?
Wo ist die Hütte, in der die Frauen zwischendurch Schutz gesucht hatten, als sie vom Weg abgekommen waren? Diese Hütte scheint keiner der Park-Ranger zu kennen. Was ist passiert?

Die Geschichte wird abwechselnd in zwei Ebenen erzählt. Einmal die Ebene der Ermittlungen, die am 4. Tag beginnen. Und einmal beim Trecking. Wobei jede der Frauen und ihr Verhältnis zueinander beschrieben werden. Die Charakterzeichnungen sind prägnant und vielschichtig und realistisch. Und zeigen nebenher viel vom gesellschaftlichen Leben in Australien. Die Kapitel sind recht kurz - und werden gefühlt zum Ende hin immer kürzer. Das erhöht die Spannung.

Und spannend ist das Buch. Obwohl ich es eher als Krimi einordnen würde und nicht als Thriller. Es gibt keine Massen an Todesfällen - aber man steht gefühlt immer kurz davor. Die Spannung baut sich vor allem psychologisch auf. Als Leser fiebert und leidet man mit. Und wird sich danach wahrscheinlich so schnell nicht wieder in einen dunklen, undurchdringlichen Wald wagen.

Ich bin jetzt schon gespannt auf die weiteren Fälle von Aaron Falk. Und auf seinen weiteren persönlichen Werdegang. Denn auch das gehört für mich zu einem gelungenen Krimi: Die Entwicklung der Ermittler und ihres Umfeldes. Und nebenher erfährt man in diesem Buch ein wenig über die Personen aus dem ersten Band - ohne, dass zu viel verraten wird.

Also: Lesen! Am besten beide Bände hintereinander. Aber Vorsicht: Die Nächte könnten schlaflos werden.

Veröffentlicht am 06.07.2018

Das Leben einer Frau, die ihrer Zeit voraus war

Eine Liebe, in Gedanken
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Eine Tochter löst den Haushalt ihrer verstorbenen Mutter auf. Findet Notizen und Briefe und erinnert sich an frühere Gespräche. Die Tochter lässt sich Zeit mit den Erinnerungen - und so ist es auch in ...

Eine Tochter löst den Haushalt ihrer verstorbenen Mutter auf. Findet Notizen und Briefe und erinnert sich an frühere Gespräche. Die Tochter lässt sich Zeit mit den Erinnerungen - und so ist es auch in diesem Buch:

Die Autorin nimmt sich Zeit, erzählt ruhig und klar und in einer wunderschönen Sprache, behutsam und doch eindringlich. Und es werden im Endeffekt dann doch nicht so sehr viele Seiten benötigt.

Ich mag den Schreibstil von Kristine Bilkau sehr. Schon "Die Glücklichen" hatte mich damals begeistert. Und bei diesem Buch war es wieder genauso. Die Thematik war diesmal ganz anders - aber es wurde wieder (quasi nebenher) etwas über die Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit erzählt.

Diesmal sind es die 60er Jahre - vor 1968. Das Leben ist noch eng und spießig. Aber Antonia - genannt Toni - die Mutter der Erzählerin, lebt schon recht frei. Sie hat ein eigenes Zimmer zur Untermiete (leider mit der unvermeidlichen Zimmervermieterin, die Herrenbesuch natürlich verbietet) und Antonia hat große Pläne für ihr Leben. Sie sucht sich eine interessante Stelle als eine Art Chefsekretärin, bereitet Konferenzen vor und fliegt dafür sogar nach Berlin. Für die damalige Zeit eine beachtliche Karriere für eine Frau.
Und eine eigene kleine Wohnung mietet sie dann auch. Und dort verbringt sie viel Zeit mit Edgar, ihrer großen Liebe.

Doch dann gibt Antonia das alles auf - um Edgar nach Hongkong zu folgen.
Wir wissen aus dem Klappentext, dass aus diesem Umzug nach Hongkong nichts wird.
Wir wissen jedoch nicht, warum daraus nichts wird. Und wie stark oder nicht stark diese Liebe zwischen Edgar und Antonia war.
Die Tochter versucht, Antworten zu finden. Und sie möchte Edgar besuchen und ihn fragen, warum alles so gekommen ist.

Und die Tochter (und die Leser) fragen sich, ob Antonias Leben trotzdem gelungen ist. Trotz zwei gescheiterten Ehen und einem Kind, dass sie meist alleine großgezogen hat.

Dies sind Fragen, die sich wahrscheinlich viele Töchter über ihre Mütter stellen. Ist die eigene Mutter doch auch immer die Frau, an der sich die Töchter messen oder von der sie sich abgrenzen möchten.
Und so erkennt die Tochter, dass ihre Mutter sich Freiheit gewünscht hat - und sie selbst sich wieder Verlässlichkeit gewünscht hat.

Und es wird klar, dass Antonias Leben intensiv und frei war, _Sie hat so gelebt hat, wie sie es wollte. Nur die große Liebe - die gab es nur in Gedanken.

Veröffentlicht am 05.07.2018

Eine Tochter, berühmte Eltern und die Suche nach einem Zuhause

Die Unruhigen
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"Vielleicht brauchten beide, Mama und Papa, einen Vater. Jemanden, der sich ihrer annahm, wenn sie sich verlaufen hatten und nach Hause sehnten.
Oder sie brauchten eine Hausfrau. Künstler brauchen Hausfrauen" ...

"Vielleicht brauchten beide, Mama und Papa, einen Vater. Jemanden, der sich ihrer annahm, wenn sie sich verlaufen hatten und nach Hause sehnten.
Oder sie brauchten eine Hausfrau. Künstler brauchen Hausfrauen" (S. 305)

Ein Mädchen wird 1966 unehelich geboren. Das war damals noch ein Skandal. Aber ihre Elten kümmert das wenig, sie sind Künstler, leben in ihrer eigenen Welt - und sind nicht geschaffen für das normale Alltagsleben: "Keiner der beiden konnte kochen; vielleicht einer der Gründe dafür, dass sie nicht in der Lage waren, weiter zusammenzuleben (...) keiner der beiden konnte bügeln oder den Fußboden putzen, keiner von ihnen wusste, wie man sich um ein Kind kümmert, ich spreche nicht von Liebe, Liebe hatten sie, ich spreche von der Arbeit, ich spreche von dem, was sich daraus ergibt, ein Heim einzurichten und eine Familie zu gründen (...). (S. 304).

Das Mädchen wächst also sehr unstet auf, zunächst in Schweden, dann in Oslo, später auch in den USA. Ihre Mutter ist eine weltbekannte Schauspielerin und reibt sich auf zwischen Arbeit, künstlerischem Anspruch, Geldverdienen und Kindererziehung. Ihr wird es angekreidet, dass sie keine Vollzeitmutter ist und das Kind oft von Kindermädchen betreut wird.
Der Vater dagegen ist völlig gefeit vor solchen Vorwürfen - er hätte sie sich wohl auch nicht zueigen gemacht. Er hat 9 Kinder von 6 Frauen und verbietet sogar seiner letzten Frau Ingrid (diese ist dann wirklich zum ersten Mal eine "Hausfrau" und keine Künstlerin) ihre anderen 3 Kinder mit ins gemeinsame Heim zu bringen. Nur eine Tochter (Maria) darf zeitweise bei ihnen wohnen (wie sich erst später herausstellt, ist sie auch eine frühe, uneheliche Tochter des späteren Ehemanns).

Einmal im Jahr, im Sommer, verbringen das Mädchen und einige andere Kinder des Vaters einige Ferienwochen auf der Insel Farö, dem Sommerdomizil des Vaters. Eigentlich war das Domizil für das Mädchen und seine Mutter und den Vater gebaut worden, aber jetzt wohnt dort der Vater mit Ingrid, seiner letzten Ehefrau. Obwohl es sich nach Inselromantik und unbeschwerten Sommerwochen anhört, so gibt es doch für alle strenge Regeln. Und der Vater schreibt im Sommer - und darf nicht gestört werden. Dies alles erinnert sehr stark an die Erinnerungen der Kinder von Thomas Mann. Auch er ein sehr begabter Künstler - aber im täglichen Leben musste Ordnung herrschen.

Hier ist aber von Ingmar Bergman die Rede, dem weltberühmten Regisseur. Und die Mutter ist Liv Ullmann, die einmal einige Jahre mit Bergman liiert war - aber nie verheiratet. Und die Tochter ist Linn Ullmann, heute eine bekannte und bedeutende Autorin.

Dieses Buch ist ein Roman - einiges ist wohl fiktiv - aber es ist auch eine autobiographische