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Veröffentlicht am 29.12.2023

Wow! Was für ein Buch.

Endling
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Beängstigend, bedrohlich, mysteriös, spannend und gleichzeitig mit Humor und menschlicher Wärme. So zeigt sich der dritte Roman von Jasmin Schreiber, der mich sehr beindruckt hat. Die Autorin zeigt eine ...

Beängstigend, bedrohlich, mysteriös, spannend und gleichzeitig mit Humor und menschlicher Wärme. So zeigt sich der dritte Roman von Jasmin Schreiber, der mich sehr beindruckt hat. Die Autorin zeigt eine Zukunftsszenario, das beängstigend realistisch erscheint. Das ist am Anfang nicht ganz leicht zu ertragen. Aber es gibt auch viel Zusammenhalt, Widerstand und eine berührende Familiengeschichte. Das ließ mich nur so durch die Seiten fliegen. Und dann kam noch eine Wanderung durch einem mehr als mysteriösen Wald dazu....

Aber von Anfang an: Zoe ist Mitte dreißig und forscht als Biologin an bestimmten Insekten. Denn diese sind aufgrund des fortschreitenden Klimawandels häufig ausgestorben bzw. fast ausgestorben. Es gibt viele "Endlinge", die letzten ihrer Art. Daher der Titel. Außerdem ist es ind den Sommern wahnsinnig heißt, der Permafrostboden taut immer weiter auf und die Alpengipfel brechen ab. Denn wir schreiben das Jahr 2041. Nicht wirklich weit weg. Daher umso beängstigender. Außerdem hat eine rechts-konservative Regierung übernommen, seit acht Jahren gab es keine richtigen Wahlen mehr wegen Notstandsgesetzen, die EU hat sich komplett von ihren Idealen verabschiedet (die skandinavischen Länder sind inzwischen ausgetreten und letzte Zufluchtshorte) und die Rechte der Frauen wurden immer mehr beschnitten. Abtreibung und Verhütung sind verboten und wenn jemand seinen Job verliert, dann Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund.

Die Menschen arrangieren sich, wie auch Zoe und ihre Familie, die allerdings bedingt durch die vielen Pandemien den Vater verloren hat. Als sich die familiären Probleme zuspitzen, geht Zoe kurzzeitig zu ihrer Familie zurück und aufgrund weiterer tragischer Ereignisse mit Schwester und Tante auf wilde Roadtrips nach Südtirol und Schweden. Hier ereignen sich seltsame Dinge und es gibt Dörfer, in denen nur Frauen leben.... Der Weg dahin führte durch tiefe Wälder und besonders im zweiten Teil des Buches wird es hier so Fantasy-Mystik-mäßig. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war aber spannend.

Das alles wird rasant und mit wissenschaftlichen Einschüben (die Autorin ist selbst Biologin) erzählt. Und nebenher erfuhr ich als begeisterte Leserin von "Marianengraben" (dem Debüt von Jasmin Schreiber) auch etwas über das weitere Leben von Paula, der damaligen Protagonistin.

Insgesamt ein Roman, der nachdenklich stimmt und trotzdem irgendwie spannend und unterhaltsam ist. Eine wilde Mischung aus Mystik, Fantasy, politisch negativem Szenario und kleinen Hoffnungsschimmern. Letztere resultieren vor allem aus Gemeinschaft, Hilfsbereitschaft und den vielen kleinen Widerständen, die jeder Einzelne gegen eine restriktive Politik leisten kann.

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Veröffentlicht am 06.12.2023

Sehr atmosphärisch -Ideal für die Winterzeit

Tief im Schatten
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Dieser Krimi ist perfekt für die Winterzeit geeignet! Denn die Handlung spielt hoch im Norden von Schweden, im bekannten Wintersportort Are.
Dorthin hat es Hanna Ahlander verschlagen, nachdem ...

Dieser Krimi ist perfekt für die Winterzeit geeignet! Denn die Handlung spielt hoch im Norden von Schweden, im bekannten Wintersportort Are.
Dorthin hat es Hanna Ahlander verschlagen, nachdem sie in Stockholm sowohl ihren Job als Polizistin als auch ihren Lebenspartner verloren hat.
Inzwischen ist sie schon einige Monate in Are, hat sich gut eingelebt und erholt sich gerade von den Folgen einer Mordermittlung (das war der erste Band der Reihe, auch sehr empfehlenswert). Aber jetzt steht erst einmal viel Arbeit bevor, denn die schwedischen Winterferien im Februar stehen an und der Ort wird überfüllt sein. Da kommt der Fund einer Leiche genau zum falschen Zeitpunkt! Es gibt nur wenige Anhaltspunkte und die Ermittlungen gestalten sich schwierig, außerdem muss Hannas Kollege Daniel sich wieder mit etwas unschönen Problemen mit seiner Partnerin herumschlagen. Und ein Kollege (der bisher kaum erwähnt wurde) gerät in Liebeswirren... und dann wird noch eine zweite Geschichte erzählt, von einer Frau, die in einer unglücklichen Ehe gefangen ist und keinen Ausweg sieht, weil in ihrer freikirchlichen Gemeinschaft ein äußerst traditionelles Frauenbild gelebt werden soll.

Meiner Meinung nach verrät der Klappentext zwar ein wenig zu viel, trotzdem ist das Buch äußerst spannend und durch die kurzen Kapitel wird es nie langweilig und nie zu viel. Schwedische Autor:innen scheinen die Themen "Gewalt gegen Frauen" und "Freikirche" fast "gewaltsam" in jedem Buch oder Krimi unterbringen zu müssen. Das hat mich auf den ersten Blick etwas gestört, wurde aber im Zusammenhang mit dieser Geschichte gut integriert. Weiterhin nervte mich irgendwann das Thema von der Balance zwischen Beruf und Familie (bei Daniel, dem Kollegen von Hanna), das konnte ich aber gut überlesen (außerdem ist es eigentlich ja wirklich ein wichtiges Thema, nur im Hinblick auf Ermittlungsarbeit eher störend).

Auf jeden Fall gab es viel Schnee, viel Landschaft, viele Insights in das Alltagsleben in einem Skiort und eine äußerst spannende Geschichte mit einigen unerwarteten Wendungen. Die Personen entwickelten sich auch weiter und ich bin gespannt auf die weiteren Teile der Reihe.
Für alle, die gerne Winterbücher lesen, eine große Empfehlung.

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Veröffentlicht am 06.12.2023

Gelungenes Debüt

Nach dem Schweigen
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Dieses Buch konnte ich kaum aus der Hand legen. Zwei Abende (und ein nicht unerheblicher Teil meiner Nachtruhe) habe ich mit der Lektüre verbracht und ich war sehr beeindruckt. Zumal es sich um ein Debüt ...

Dieses Buch konnte ich kaum aus der Hand legen. Zwei Abende (und ein nicht unerheblicher Teil meiner Nachtruhe) habe ich mit der Lektüre verbracht und ich war sehr beeindruckt. Zumal es sich um ein Debüt handelt. Erzählt wird ruhig, doch damit eigentlich umso eindrucksvoller von Ausgrenzung, Familiengeheimnissen, Kriegstraumata und vom Leben auf dem Dorf, das längst nicht immer so idyllisch ist, wie das landläufig so angenommen wird.

Stella und Wiebke waren zu Grundschulzeiten beste Freundinnen in dem kleinen Dorf, in dem sie aufwuchsen. Allerdings war Stella relativ privilegiert, so als Tochter eines Bauern und Gemeindevorstehers, ganz im Gegensatz zu Wiebke, deren Eltern aus Ostpreußen flüchten mussten, relativ ausgegrenzt lebten und ihren Kindern wenig Liebe und Wärme schenkten. Irgendwann muss etwas passiert sein. Denn Jahrzehnte später treffen sich Stella als Kursleiterin und Wiebke als Insassin in einem Gefängnis wieder. Gemeinsam gehen Sie auf die Suche nach den Gründen für diese Entwicklung und decken so manches gerne gehütete oder gerne vergessene Geheimnis auf.....

Die Schilderung der Entwicklung von Wiebke, die sich dringend aus ihrer Opferrolle lösen muss und von Stella, auf die die Suche nach der Wahrheit auch nicht ohne Folgen bleibt, hat mich überzeugt. Das meiste war sehr verständlich und ein paar kleine, weniger nachvollziehbare Handlungsstränge (Stichwort: Liebe) werte ich mal nicht so streng, ist immerhin ein Debüt.

Die Themen Familiengeheimnisse, Ausgrenzung und Traumata von Krieg und Flucht beherrschen viele Familien und Gemeinschaften bis heute, umso wichtiger ist es, dass davon erzählt wird. Wie im Buch. Denn so können Verletzungen heilen, Traumata aufgelöst und Mitmenschlichkeit wachsen. Wer darüber lesen möchte, auf eine schöne, ruhige und durchaus auch hoffnungsvolle Art, dem sei dieses Buch empfohlen.

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Veröffentlicht am 18.11.2023

Ich hatte mir etwas anderes vorgestellt

Die Eisfischerin vom Helgasjön
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Da habe ich mich doch tatsächlich von Titelbild und Klappentext in die Irre führen lassen. Ich erwartete Lappland, viel Ruhe, Landschaft, Nachdenken über eine Beziehung, eine eventuelle neue ...

Da habe ich mich doch tatsächlich von Titelbild und Klappentext in die Irre führen lassen. Ich erwartete Lappland, viel Ruhe, Landschaft, Nachdenken über eine Beziehung, eine eventuelle neue Liebe, eventuell eine Neuausrichtung im Leben. Statt dessen gab es eine (gut geschriebene) Einleitung über das aktuelle Leben von Rieke, die eigentlich ganz glücklich mit Marco zusammenlebt, nach einem Unfall jedoch merkt, dass er nicht unbedingt so richtig zu ihr hält.... Sie fährt nach Lappland (hat ihre Mutter organisiert, die Marco eh nicht mag und ihr etwas Abstand in ihrem Traumland bieten will). Auf der Reise trifft sie zwei alte Studienkollegen, Alina und Theo und Theo lässt ein Gefühl von Schmetterlingen in ihrem Bauch aufkommen... sie verleben sehr schöne drei Tage in Lappland, auch in einer traumhaften Hütte. Danach: Cut! Plötzlich Wechsel nach Südschweden, plötzlich Wechsel nach Stockholm, dann Hamburg, dann wieder Schweden.. zwischendurch diverse (für mich zu viele) Dramen mit Marco und Familiengeheimnisse und vieles vieles mehr. Und Theo? Den blockiert Rieke sofort, statt sich mal anzuhören, was er zu sagen hat. Ehrlich, so reagiert eine 17 jährige - aber keine Frau von 35. Also okay, Rieke mochte ich dann nicht mehr und die Handlung wurde mir zu turbulent. Also nicht das, was ich erwartet hatte.
Ich denke aber, dass viele Leser:innen gerne Romane lesen, in denen es turbulent zugeht und sich dauernd neue Probleme ergeben, die aber immerhin zu einem (für mich wieder zu turbulenten) Happy End führen.
Für mich persönlich war es nichts. Und den Klappentext und den Titel fand ich ziemlich irreführend, weil Rieke beim Eisfischen eben nicht zur Ruhe kommt (sie macht das eh nur einmal), sondern immer weiter stürmt. Ziemlich kopflos.
Jetzt fahre ich in 2024 erst mal selbst nach Lappland, um die Ruhe dort zu genießen. Und suche nach einem anderen Buch...

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Veröffentlicht am 21.09.2023

Leben im Konjunktiv

Eigentum
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Mit seinem Roman "Eigentum" hat Wolf Haas mich überrascht. Und berührt. Und an alte Geschichten aus meiner Familie erinnert.
In diesem, wohl als autofiktional zu bezeichnenden Buch, schreibt ...

Mit seinem Roman "Eigentum" hat Wolf Haas mich überrascht. Und berührt. Und an alte Geschichten aus meiner Familie erinnert.
In diesem, wohl als autofiktional zu bezeichnenden Buch, schreibt ein Autor über das Leben seiner Mutter und über deren letzte Tage vor dem Tod.
Plötzlich scheint es der Mutter gut zu gehen, sie will "zu ihren Leuten". Der Autor ist überrascht, ging es der Mutter doch stets schlecht. Kein Wunder, bei einem Geburtsjahr 1923, dem Jahr der höchsten Inflation, dem nachfolgenden Weltkrieg und den vielen schlechten Zeiten. Immer war die Mutter schlecht dran, immer reichte es nicht für sie, immer hat sie sich schwer getan. Und sich dadurch das Leben natürlich noch schwerer gemacht.
Zuerst war nicht genügend zu Essen da für alle, also musste sie schon früh auf einem anderen Bauernhof arbeiten. Dann kam ein Lichtblick: Sie durfte einen "Servierkurs" machen auf einer Art Hotelfachschule. Aber nur einen Tag, dann kam der Krieg. Danach noch mal der Kurs und viele Jahre in der Schweiz als Serviererin gearbeitet und immer brav das Geld nach Hause geschickt. Die Eltern haben davon ein Haus gebaut. Irgendwann kam sie (ungeplant) schwanger nach Hause und hat endlich ein eigenes Zimmer in diesem Haus bekommen. Aber für ein eigenes Haus reichte es nie. Der Mann zu arm und arbeitsscheu, die Inflation. Die Ersparnisse reichten nie aus, um die Anzahlungen zu leisten.... aber jetzt: Nach Ihrem Tod wird sie endlich Eigentum haben: Ungefähr 2 qm. Ihre Grabstäte. Schon makaber.

Wolf Haas schreibt lakonisch, manchmal fast sarkastisch. Aber immer mit viel Wärme im Tonfall über ein irgendwie typisches Leben einer Frau, die nie so richtig das bekam, was sie wollte. Trotz Intelligenz, trotz Fleiß. Weil: Alle Männer tot, nur einer ohne Schulabschluss übrig, die Inflation, die Armut....Glück wäre - hätte - könnte es gegeben haben. So lässt es sich zusammenfassen. Aber es gab nur "arbeiten, arbeiten, arbeiten" (die Mutter liebte das rhetorische Trias).
Der Schreibstil ist genial, irgendwie typisch österreichisch (der Konjunktiv!) und irgendwie salopp und doch ernsthaft. Eine Gradwanderung, so eine tragische Geschichte so zu erzählen. Funktioniert aber.

Ein schmales Buch, das sehr viel Inhalt hat. Nämlich ein ganzes Leben.

Für mich persönlich kamen viele Erinnerungen hoch an Erzählungen meiner Großmutter mütterlicherseits. Sie stammte auch aus einem kleinen Dorf aus einer armen und dafür kinderreichen Familie. Auch für Sie gab es nicht genügend zu essen und so musste sie schon als Kind Ziegen oder Schafe oder Kühe hüten oder Wäsche waschen bei anderen Leuten. Für ein Butterbrot. Sie waren 21 Kinder, allerdings nie alle zusammen. Weil einige starben früh, einige wurden erst geboren, als die Älteren schon aus dem Haus waren, die Jungs fielen im Krieg. (Kennengelernt habe ich als Enkelin dann nur noch 6 Schwestern). Nach 8 Schuljahren ging es bei meiner Oma dann "in Stellung". Irgendwo in Haushalt oder Landwirtschaft, weg von Zuhause. Meine Oma hatte ihr Leben lang gekrümmte Finger von der heißen Waschlauge als Kind und von der Eiseskälte draußen beim Aufhängen. Und auch sie kannte nur Armut. Sie hat es allerdings zu einem eigenen Haus gebracht. Aber nur, weil mein Opa ein Grundstück geerbt hatte. Es wurde nur gebaut, wenn Geld da war. Kredite waren nicht erwünscht (oder man hätte sie nicht bekommen, so als einfache Arbeiterfamilie). Mein Opa hat sicher nicht zum Spaß den gesamten Keller mit der Schaufel alleine ausgehoben... Bagger war zu teuer. Als meine Mutter nach der Ausbildung anfing zu arbeiten, ging ihr Verdienst an die Bauarbeiter. ..... Also hat mich die Geschichte auch persönlich berührt. Denn ja: So war es. Bei vielen. Nicht bei allen. Wer etwas darüber erfahren möchte, sollte dieses Buch lesen. Und wer eine sehr spezielle Art der Erzählung sucht, auch!

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