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Veröffentlicht am 23.02.2020

Gedankengänge über das Leben

Wenn der Winter vorbei ist
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In vielen kleinen Kapiteln aus verschiedenen Lebensphasen erzählt ein schon älterer Mann aus seinem Leben. Von Kleinigkeiten, Erinnerungen und von prägenden Erlebnissen.

Anlass ist der Auszug ...

In vielen kleinen Kapiteln aus verschiedenen Lebensphasen erzählt ein schon älterer Mann aus seinem Leben. Von Kleinigkeiten, Erinnerungen und von prägenden Erlebnissen.

Anlass ist der Auszug des Mannes aus seiner Wohnung. Er zieht zu einer viel jüngeren Freundin. Und muss einiges zurücklassen. Aber was? Und welche Erinnerungen müssen aufbewahrt werden?

"Das meiste, was wir in unseren Häusern, in Schränken (....) aufbewahren ist Ballast. Vielleicht ein Versuch, Aufschluss über unsere Persönlichkeit oder die Bedeutung unseres Lebens zu gewinnen, vielleicht auch der Wunsch, wenigstens das zu sein, was wir aufbewahren" (Seite 9).

In diesem ruhigen Erzählton geht es weiter - zwischendurch als Leser geschockt von tragischen Ereignissen.

Ich mag (meistens) den Schreibstil der niederländischen Autoren. Dieses ruhige, reflektierte, realistische. Und auch hier wurde ich nicht enttäuscht.

Das Buch lädt den Leser ein, über die wichtigen und prägenden Dinge im eigenen Leben nachzudenken. Es wäre schön, wenn man diese schon als junger Mensch erkennen könnte - aber leider denkt man oft, dass noch etwas besseres oder interessanteres kommt - und verpasst so manchen Augenblick.

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Veröffentlicht am 23.02.2020

Wunderschön traurig und wunderschön humorvoll

Marianengraben
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Paula ist in tiefer Trauer versunken. Sehr tief. So tief wie der Marianengraben (11.000 Meter - man achte auf die Kapitelüberschriften!). Ihr kleiner Bruder wollte immer in den Marianengraben ...

Paula ist in tiefer Trauer versunken. Sehr tief. So tief wie der Marianengraben (11.000 Meter - man achte auf die Kapitelüberschriften!). Ihr kleiner Bruder wollte immer in den Marianengraben - einen neuen Fisch finden. Aber jetzt ist der kleine Bruder tot - ertrunken. Und Paula findet nicht aus ihrer Trauer und Depression heraus. Aber als sie bei einem nächtlichen Besuch am Grab ihres Bruders Helmut kennen lernt - einen älteren Herrn, der ebenfalls viele Verluste in seinem Leben verkraften musste- - ändert sich etwas. Die beiden gehen auf eine Reise in die Alpen - mit Hund und Huhn (was es mit dem Huhn so auf sich hat ist irgendwie witzig - und irgendwie traurig - genau wie das gesamte Buch).

Und so langsam steigt Paula hoch aus ihrer Trauer (man achte wieder auf die Kapitelüberschriften).

Ich hatte das Glück, mir schnell eine der raren Karten für eine neue Art von Leserunde zu kaufen beim Lesefestival NRW in Köln. Das Buch erhielt ich schon Ende Dezember vorab - Ende Januar war dann eine Diskussionsrunde. Moderiert und mit Autorin. Alle hatten das Buch gelesen - es war daher eine sehr interessante Gesprächsrunde.

Die Autorin erzählte, dass sie Depressionen selbst sehr gut kennt - aber ihr kleiner Bruder lebt. Sie erzählte auch, dass sie keine Roadmovies mag - aber sie hat einen geschrieben. Und zwar einen guten. In einer sehr bildhaften Sprache mit sehr lebensechten Dialogen (die Autorin erzählte, dass sie zwar auf einer alten Schreibmaschine schreibt - aber die Dialoge diktiert). Als Leser sieht man quasi einen Film vor sich ablaufen. Es war übrigens auch ein Filmemacher in der Diskussionsrunde - und der meinte auch, dass das Drehbuch quasi schon fertig wäre.

Bei allem Hype und aller Kritik, die es derzeit um dieses Buch herum und um die Social-Media-Aktivitäten der Autorin gibt (die erste Auflage des Buches im Eichborn-Verlag war schon vor Erscheinungstermin ausverkauft) sollte nicht vergessen werden, dass es sich bei diesem Buch um ein bemerkenswertes Debüt handelt.
Diese Balance aus einer tieftraurigen Geschichte gepaart mit schönen und humorvollen Szenen hinzubekommen - das gelingt nur wenigen. Jasmin Schreiber kann das.

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Veröffentlicht am 22.02.2020

Was für eine tolle Krimi-Reihe!

Doggerland. Tiefer Fall (Ein Doggerland-Krimi 2)
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Wer war schon einmal auf Doggerland? Dieser Inselgruppe zwischen Großbritannien und Dänemark? Mit einer Kultur gemischt aus Skandinavien und England, Landschaft ein wenig wie in Schottland und dazu noch ...

Wer war schon einmal auf Doggerland? Dieser Inselgruppe zwischen Großbritannien und Dänemark? Mit einer Kultur gemischt aus Skandinavien und England, Landschaft ein wenig wie in Schottland und dazu noch ein bisschen bretonisches Lebensgefühl (es gibt jedes Jahr ein großes Austernfest)?

Noch keiner???

Nun, das könnte daran liegen, dass es Doggerland gar nicht gibt. Es gab zwar einmal eine bewohnte Landmasse in der Nordsee zwischen dem heutigen Großbritannien und Skandinavien - aber diese wurde vor 8.000 Jahren überflutet.

Aber die Autorin dieser Krimi-Serie beschreibt Doggerland so detailliert und lebensecht, dass ich am liebsten eine Fähre buchen würde und hinfahren würde.

Natürlich lässt sich an einer solchen fiktiven Inselgruppe das Sozialgefüge eines Landes sehr detailliert beschreiben - und Kritik kommt auch nicht ganz zu kurz.
Vor allem aber ist die Reihe eine Folge von Krimis. Spannend, etwas skandinavisch-sozialkritisch und dazu eine Handvoll Protagonisten, die sehr eigenwillig und manchmal ein wenig exzentrisch sind - aber doch realistisch.

Da ist die Kommissarin - Karen Eiken Hornby - nach vielen Jahren in London nach einem schweren Schicksalsschlag heimgekehrt nach Doggerland. Sie lebt jetzt in ihrem ehemaligen Elternhaus und vergräbt sich in der Arbeit. Aber ein paar Freunde hat sie doch, die sie liebevoll unterstützen. Und mit denen sie gerade Weihnachten feiert. Doch dann muss sie einen Einsatz übernehmen. Auf der nördlichen Insel von Doggerland (es gibt drei Inseln, die letzte Folge spielte auf der Hauptinsel, jetzt kommt die nördliche Insel und im nächsten Band dann wohl die südliche Insel?) wurde ein Mann neben einer Kiesgrube gefunden. Und es war wohl kein Unfall. Hornby beginnt zu ermitteln - und stellt dann fest, dass ein Teil ihrer Familie eventuell involviert ist. Und überhaupt wird das Ganze immer verworrener - und vor dem Ende gibt es noch eine Reihe an unvorhersehbaren Verwicklungen. Alles in allem also ein solider Krimi. Mich interessieren an dieser Reihe aber vor allem das Setting, die Beschreibung einer fiktiven Gesellschaft (die aber äußerst realistisch dargestellt wird) und die Personen, die sehr interessant sind. Da ist die eigenbrötlerische Ermittlerin, ein schwules Pärchen, eine erfolgreiche Künstlerin, ein gescheiterter Musiker, ein Ermittler-Kollege mit Elternzeit-Problemen und ein Chefermittler, der in diesen Fällen nie ermittelt - sondern entweder befangen oder in Urlaub ist.
Ein wenig gestört hat mich, dass das Thema "Gewalt gegen Frauen" anscheinend in jedem zweiten skandinavischen Krimi thematisiert werden muss. Zweifellos ein wichtiges Thema - aber doch bitte noch so gezwungen einbauen - hier ist es zum Glück nur eine Nebenhandlung.

Insgesamt freue ich mich jedenfalls schon auf den nächsten Fall, der Ende des Jahres erscheinen wird.

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Veröffentlicht am 03.02.2020

Glück ist etwas, für das wir uns entscheiden!

Eine fast perfekte Welt
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Eindrucksvoll schildert Milena Agus in ihrem neuen Roman "Eine fast perfekte Welt" die Lebenswege von drei Menschen aus drei Generationen einer sardischen Familie. Und sie zeigt eindrucksvoll, das die ...

Eindrucksvoll schildert Milena Agus in ihrem neuen Roman "Eine fast perfekte Welt" die Lebenswege von drei Menschen aus drei Generationen einer sardischen Familie. Und sie zeigt eindrucksvoll, das die Fähigkeit zum Glücklichsein in unserer eigenen Entscheidung liegt. Und nicht in den Lebensumständen.

Ester, hier die 1. Generation. tut sich schwer mit dem Glück. Sie sucht es immer dort, wo sie gerade nicht ist.
Felicta (der Name bedeutet Glück!), die 2. Generation, findet das Glück. Immer und in jeder Situation. Obwohl die Situationen nicht immer gut für sie aussehen
Und Georgio, Felicitas Sohn? Die 3. Generation? Auch er wird das Glück finden - weil er von seiner Mutter gelernt hat, wie man es wahrnimmt.

Dieser Roman macht deutlich, dass jeder Mensch es (meistens) in der Hand hat, das Glück wahrzunehmen,. Nicht, das Glück zu bekommen. Das ist ein Unterschied.

Das hört sich jetzt sehr philosophisch an. Aber der Roman ist durchaus realistisch. Er zeigt die bittere Not, die die Sarden zwingt, ihre wunderschöne Insel zu verlassen und im Norden Italiens ihr Geld zu verdienen. Der Roman zeigt auch die sehr hierarchischen und patriarchalischen Verhältnisse auf dem Land in Sardinien, die den Menschen dort das Leben nicht gerade erleichtern.

Aber trotz allem weht ein Hauch von Mut und Entschlossenheit, von Zukunftsvisionen und Zuversicht durch diesen Roman - der das Lesen äußerst angenehm und berührend werden lässt.

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Veröffentlicht am 06.01.2020

Eine weihnachtliche Geschichte, die zum Nachdenken anregt.

Die Weihnachtsgeschwister
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Drei Geschwister fahren nach Hause, um den Heiligabend bei ihren Eltern zu verbringen.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass sie sich das jedes Jahr wieder antun. Denn jedes Jahr gibt es Missgunst und Streit. ...

Drei Geschwister fahren nach Hause, um den Heiligabend bei ihren Eltern zu verbringen.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass sie sich das jedes Jahr wieder antun. Denn jedes Jahr gibt es Missgunst und Streit. Denn die Geschwister sind alles andere als ein harmonisches Trio. Da ist Tamara, promoviert und intelligent. Aber auch komplett frustriert als Nur-Hausfrau. Und gegen die Langeweile in ihrer Ehe führt sie eine heimliche Affäre mit einem Nachbarn. Neidisch ist sie auf ihre Schwester Elisabeth, die scheinbar mühelos Aufträge als Übersetzerin bekommt und auch immer wieder interessante Männer kennen lernt. Tamara übersieht dabei geflissentlich, dass Elisabeth als alleinerziehende Mutter von 2 Kindern von 2 verschiedenen Vätern viel Stress hat, um alles unter einen Hut zu bekommen. Und da ist Ingmar, der Jüngste. Umweltschützer und eifrig bemüht, seine Ehe gleichberechtigt zu gestalten. Was gar nicht so einfach ist.



Schon am Abend vor Heiligabend ist die Stimmung angespannt. Und am Heiligmorgen eskaliert der Streit zwischen den Geschwistern, so dass sie sich vom Hotel aus auf den Weg zum Elternhaus machen, um dort eine klärendes Gespräch zu führen. Aber dann finden sie das Elternhaus verlassen vor. und das wirft sie auf sich selbst zurück. Und auf die Frage, warum sie nicht liebevoller miteinander umgehen. Denn ihre Erziehung war doch sehr liebevoll....



Dies ist ein kleines Buch, dass an nur zwei Tage spielt und zeigt, welche Ressourcen ein Elternhaus bieten kann. Und was jeder selbst machen muss, damit das Leben gelingt.



Alles wird nicht außerzählt. Was schade ist. Aber das, was erzählt wird, macht nachdenklich.



Deshalb empfehle ich das Buch gerne für einen gemütlichen Wintertag, eingekuschelt auf dem Sofa. Dort kann man so gut nachdenken.

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