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Veröffentlicht am 29.10.2018

Kleiner Roman mit viel Tiefgang

Ein Winter in Paris
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Victor kommt aus eher einfachen Verhältnissen und aus der Provinz. Aber durch viel Fleiß schafft er es in die Vorbereitungsklassen für die berühmten Grandes Ecoles in Paris.
Aber er ist einsam ...

Victor kommt aus eher einfachen Verhältnissen und aus der Provinz. Aber durch viel Fleiß schafft er es in die Vorbereitungsklassen für die berühmten Grandes Ecoles in Paris.
Aber er ist einsam in Paris, er merkt, dass er die "sozialen Codes" nicht kennt, mit denen seine Mitschüler aus reichem Haus aufgewachsen sind.

Nur mit einem Schüler wechselt er manchmal in der Pause ein paar Worte. Als dieser sich umbringt, ist das für Victor ein Wendepunkt. Das Interesse für Victor erwacht bei seinen Mitschülern. Aber vor allem wird Victor offener, er sucht seinen Platz im Leben. Und er denkt darüber nach, wie er leben will.

Blondel entwickelt sich so langsam zu einem meiner Lieblingsautoren. Er braucht nicht viele Worte, um prägende Situationen im Leben darzustellen. Er schreibt leise, zart und präzise. Und mit (leiser?) Kritik an der französischen Gesellschaft. Hier in Bezug auf die harten Auswahlkriterien der Grandes Ecoles, aus denen Frankreich seit Jahrzehnten seine Elite rekrutiert.

Veröffentlicht am 27.09.2018

Spannend mit unerwarteten Wendungen

Bluthaus
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Im Prolog läuft ein Mädchen am Strand entlang zu einem alten Reetdachhaus. Und dort findet sie ihre Familie erschossen auf.

Danach geht es in der heutigen Zeit weiter, einiges an Jahren später. Wir treffen ...

Im Prolog läuft ein Mädchen am Strand entlang zu einem alten Reetdachhaus. Und dort findet sie ihre Familie erschossen auf.

Danach geht es in der heutigen Zeit weiter, einiges an Jahren später. Wir treffen Frida wieder, die schon im ersten Fall involviert war. Sie pausiert vom Polizeidienst und arbeitet auf dem Apfelhof ihrer Eltern in der Elbmarsch. Ihre Schulfreundin aus dem Internat, Johanna, meldet sich plötzlich bei ihr. Sie wurde in einen Todesfall verwickelt. Und taucht unter, nachdem die Polizei sie verhört hat..
Und schon kommt Bjarne ins Spiel, der Kommissar, der im ersten Band schon ermittelt hatte.
Auch er leidet noch unter den Nachwirkungen des letzten Falles. Und privat ist einiges zu klären.
Und es wird noch eine große Neuigkeit in seinem Leben geben.

Aber jetzt kümmern sich Frida und Bjarne erst einmal um den aktuellen Todesfall, in den Johanna verwickelt war. Und Frida sucht zusätzlich nach einem alten Haus, das auf einem Foto zu sehen war, das in Johannas Diele hing.

Auf der Suche nach den Geheimnissen in Johannas Vergangenheit und nach Motiv und Mörder des aktuellen Todesfalls geraten Frida und Bjarne immer tiefer in ein Dickicht aus LKA, undurchsichtigen Dorfbewohnern und Spuren, die im Sande verlaufen.

Gewohnt routiniert hat die Autorin einen spannenden Krimi konzipiert, der das Privatleben der Ermittler wohl dosiert weiter entwickelt und darüber den Fall nicht vernachlässigt. Und es gibt immer neue, überraschende Wendungen. Bis zum Schluss.

Dies ist der zweite Band über die Ermittler Frida und Bjarne, die schwerpunktmäßig in der Elbmarsch und in Schleswig-Holstein ermitteln. Dieser Band lässt sich sehr gut unabhängig vom ersten Band lesen, es wird nichts verraten und man benötigt keine Vorkenntnisse.

Aber man wird sicherlich nach "Bluthaus" unbedingt den anderen Band lesen wollen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Spannung
  • Charaktere
  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 25.09.2018

Eine Zeitreise in die 70er. Mit unerwartet viel Tiefgang.

Sommer in Super 8
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Clara wächst als mittleres von 5 Kindern in einer Arztfamilie in Schleswig-Holstein auf. Es sind die 70er Jahre, die Frauen tragen meist Kittelschürzen, wollen perfekte Hausfrauen sein und so sauber und ...

Clara wächst als mittleres von 5 Kindern in einer Arztfamilie in Schleswig-Holstein auf. Es sind die 70er Jahre, die Frauen tragen meist Kittelschürzen, wollen perfekte Hausfrauen sein und so sauber und ordentlich wie die Häuser sollen auch die Familien sein. Aber natürlich ist vieles ganz anders, als es die glänzende Fassade vorspielt. Auch in Claras Familie.


Die Mutter musste ihr Studium aufgeben, als sie schwanger wurde. Sie trägt zwar keine Kittelschürzen sondern Twinset - eine Arztfamilie hat auf dem Land eben einen Status - aber in der typischen Frauenrolle ihrer Zeit scheint die Mutter doch gefangen. Trotz schicker Partys und schicker Kleidung wirkt sie wenig glücklich. Und der Vater? Er kümmert sich liebevoll um Clara, die als Sandwich-Kind immer ein wenig unterzugehen droht in der Großfamilie - aber auch er hat seine eigenen Probleme. Und je älter Clara wird, desto bewusster wird ihr das.
Und dann wird eines Mittwochs etwas mit dem Vater passieren - das wird direkt am Anfang des Buches verraten.

Aber bis dahin kann der Leser/die Leserin eine Zeitreise zurück in die 70er antreten. Mit Tri-Top, Schnittchen beim Fernsehabend, Samstag-ist-Badetag und den Super-8-Filmen, die damals aufkamen.

Wir begleiten Clara durch Kindheit und Jugend, über Streit mit Klassenkameraden bis hin zum ersten Kuss und zur ersten Verliebtheit. Man kann sich die Zeit richtig vorstellen - wie in Super-8 eben.

Der Autorin gelingt es mit ihrem Debüt-Roman, eine vergangene Zeit wieder auferstehen zu lassen. Und eine Art Coming-of-age-Roman zu schreiben, der anders ist als andere Romane dieser Art. Und eine wunderbare Balance zwischen Nostalgie, Humor und Tragik bewahrt.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, habe geschmunzelt bei den Erinnerungen an die 70er und war betroffen, als die tragischen Ereignisse eintraten. Ein Buch mit vielen Facetten.

Veröffentlicht am 17.09.2018

Unvorhersehbare Wendungen

Der Schatten
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Norah ist Mitte 30 und hat nach einer "Katastrophe" ihr altes Leben und ihre Beziehung in Berlin hinter sich gelassen und fängt in Wien neu an. Es ist kalt und düster in Wien und Norah fällt ...

Norah ist Mitte 30 und hat nach einer "Katastrophe" ihr altes Leben und ihre Beziehung in Berlin hinter sich gelassen und fängt in Wien neu an. Es ist kalt und düster in Wien und Norah fällt der Neubeginn schwer. Und dann sagt ihr eine Bettlerin auf der Straße voraus, dass sie am 11. Februar im Prater einen Mann Namens Arthur Grimm ermorden wird.

Norah nimmt dies anfangs nicht sehr ernst. Aber an einem 11. Februar vor vielen Jahren hat sich ihre beste Freundin umgebracht. Und dieses Erlebnis hat Norah geprägt. Und dann begegnet sie immer öfter dem Namen Arthur Grimm. War es eventuell doch kein Selbstmord? Hatte Grimm Schuld am Tod ihrer Freundin?

Die Ereignisse werden immer mysteriöser und Norah verfängt sich immer mehr in den Nachforschungen, die sie dann doch beginnt. Das Buch entwickelt einen Sog, ich konnte kaum aufhören, zu lesen.

Und dann kam der 11. Februar - und es waren immer noch recht viele Seiten übrig. Erst war ich verwirrt - dann begeistert. Denn die Autorin bringt anschließend noch viele unvorhersehbare Wendungen ins Spiel. Nichts ist in diesem Buch so, wie es am Anfang erscheint. Die Auflösung werde ich hier natürlich nicht verraten - aber sie ist genial.

Melanie Raabe hat einen phanastisch konstruierten Thriller geschrieben, dessen Spannung vor allem aus psychologischer Spannung besteht - was ich persönlich sehr schätze. Es gibt also keine Mengen an Leichen und Blut - aber eine Menge Unvorhersebares.


Veröffentlicht am 03.08.2018

Finnische Bücher haben einen ganz besonderen Sound

Lempi, das heißt Liebe
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Finnische Bücher haben einen eigenen Sound. Einerseits naturalistisch, manchmal hart. Wie die langen Winter, die Kälte, der harte Kampf ums Überleben. Andererseits auch poetisch. Wie der kurze aber schöne ...

Finnische Bücher haben einen eigenen Sound. Einerseits naturalistisch, manchmal hart. Wie die langen Winter, die Kälte, der harte Kampf ums Überleben. Andererseits auch poetisch. Wie der kurze aber schöne Sommer, die schöne Landschaft, die Saunakultur.


Dieses Buch handelt von Lempi, einer jungen Frau, die sehr behütet aufwächst, sogar Abitur macht. Und dann einen jungen Bauern heiratet, zu ihm aufs Land zieht, Und nach noch nicht mal einem Jahr ist es vorbei mit dem Glück. Der 2. Weltkrieg macht auch vor dieser Gegend nicht Halt. Und Lempi verschwindet. Und lässt ihren geraden geborenen Sohn und ihren kaum älteren Ziehsohn zurück bei der Magd.

Was ist passiert? Ist Lempi tot? Ist sie mit einem Deutschen fort gegangen?

Erste geheimnisvolle Andeutungen gibt der Prolog. Und danach erzählen drei Personen über Lempi - nur sie selbst - sie kommt nicht zu Wort. Lempi bleibt also ein wenig rätselhaft, verschwommen - wie auf dem Cover angedeutet.

Zunächst erzählt ihr Mann, der aus dem Krieg heimkehrt und schier verzweifelt, weil Lempi nicht mehr da ist. Trauer und Verzweiflung werden sehr eindringlich dargestellt.

Danach erzählt die Magd. Sie konnte Lempi nicht leiden, für sie war Lempi ein verzogenes Gör, das einfach nicht auf einen Bauernhof gehörte. Sie selbst wäre doch eine viel bessere Bäuerin geworden.
Dieser Teil ist hart und schonungslos geschrieben.

Und dann erzählt Sisko, die Schwester von Lempi. Die beiden Frauen wären sich schon als Kinder sehr nah. Und Sisko weiß, wie es zu der Ehe mit dem Bauern kam. Aber Sisko hat auch eigene Probleme, sie hat einen Deutschen Freund (damals waren die Deutschen die sogenannten "Waffenbrüder" der Finnen). Und irgendwann müssen die Deutschen und ihre Geliebten Finnland verlassen.
Dieser Teil erzählt viel - wenn auch vieles nur in Andeutungen. Aber er erzählt doch ein ganzes Frauenleben. Von einem behüteten Aufwachsen über den Beginn der Beziehungen zum anderen Geschlecht bis zur Flucht und zu den Nachwirkungen des Krieges.
Dieser Teil war sehr geheimnisvoll, hatte viele Andeutungen, führte mich als Leserin oft in die Irre. Und löst doch das Rätsel um Lempi auf. Wenn auch nicht ganz alles erzählt wird.

Aber wie erzählt wird - das ist die große Kunst in diesem Roman. Dieses Eindringliche, Tragische. Und doch Poetische.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Und ich werde nach weiteren Büchern aus Finnland Ausschau halten.
Autor: Minna Rytisalo