Das Buch ist eine essayistische Erzählung, in deren Mittelpunkt die marokkanische Gesellschaft der ersten sechs Dekaden des letzten Jahrhunderts steht. Die Hauptakteure sind die Franzosen, die in dem Land eine ihrer Kolonien eingerichtet hatten und mitunter ein mondänes Leben führten. In ihrem Schatten hat die muslimische Mehrheit keine andere Wahl als sich den Spielregeln des Protektorats zu beugen. Mit ihr eine jüdische Minderheit, die in den Mellahs der Städte meist in Armut lebt und auf das Wohlwollen der Araber und einheimischen Berber angewiesen ist. In dem Panoptikum mischen auch Spanier mit, die auf ihren Anteil am kolonialen Kuchen nicht verzichten wollen und sich - unter der Führung Francos - im Norden des Landes festsetzen. Sogar das kaiserliche Deutschland zeigt Ambitionen und versucht - vergeblich - im Land Fuß zu fassen. Fast hätte ich es vergessen: Auch die Sultane haben ihre Auftritte, meist sind sie aber machtlos und korrupt. All die einhergehenden gesellschaftlichen Widersprüche und Spaltungen verdichten sich in der Metropole Casablanca, wo der Autor in diesen bewegten Zeiten aufgewachsen ist. Es sind seine detailreichen und gleichzeitig liebevollen Schilderungen, die mir als Leserin ein neues Verständnis der Kolonialgeschichte vermittelt haben. Eine französische Kolonialpolitik, die letzten Endes gegen den aufkommenden arabischen Nationalismus nichts entgegenzusetzen hatte und in den Fünfzigerjahren ihrem Ende entgegensah. Mit den Franzosen verließen auch die meisten Juden das sonnige Land, um in Israel, in den USA und sogar im kalten Kanada ein neues Leben zu beginnen.

• Einzelne Kategorien
• Cover
• Erzählstil