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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.06.2021

„Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben.“ (Philip K. Dick)

Weil ich an uns glaubte
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2020. Am Geburtstagsabend ihrer Mutter Susanne belauscht Lena unfreiwillig ein lautstarkes Telefonat, bei dem der Name Marlies fällt, der Name ihrer totgeglaubten Großmutter. Lena ist erschüttert darüber, ...

2020. Am Geburtstagsabend ihrer Mutter Susanne belauscht Lena unfreiwillig ein lautstarkes Telefonat, bei dem der Name Marlies fällt, der Name ihrer totgeglaubten Großmutter. Lena ist erschüttert darüber, all die Jahre belogen worden zu sein und will Marlies unbedingt so schnell wie möglich kennenlernen. Schon bald nach der ersten Kontaktaufnahme spürt Lena ein enges Band zu Marlies, die ihr nach und nach aus ihrer Vergangenheit erzählt…
1946. Günther und Marianne wachsen in der ehemaligen DDR beide als Außenseiter auf, die sich gesucht und gefunden haben und die die erste große Liebe miteinander verbindet. Doch eines Tages ist der 16-jährige Günther nebst seiner Familie spurlos verschwunden, nur ein Brief ist Marianne geblieben, in der ihr Günther verspricht, sie nicht zu vergessen. Während Günther versucht, sich im Westen zurechtzufinden, spukt ihm Marianne weiterhin im Kopf herum, er will sie auf keinen Fall aufgeben. Ob sich Günther und Marianne wohl jemals wieder in die Augen sehen werden?
Heike Fröhling hat mit „Weil ich an uns glaubte“ einen unterhaltsamen und anrührenden Roman vorgelegt, mit dem sie ihre historisch angehauchte Familiensaga „Zeit der Schattenfrauen einleitet. Mit flüssigem, farbenfrohem und gefühlvollem Erzählstil lädt die Autorin den Leser ein, sich mit den Protagonisten mal in der Gegenwart, aber vor allem in der Vergangenheit zu bewegen und schicksalhafte Ereignisse einer Familiengeschichte mitzuerleben. Wechselnde Zeitebenen und die Sichtweisen mal von Lena, mal von Marlies lassen den Leser in ihre Gedanken- und Gefühlswelt eintauchen und sie näher kennenzulernen. Während sie ihre Handlung an den Leser bringt, verwebt die Autorin den historischen Hintergrund geschickt mit ihrer Geschichte. Neben alten Geheimnissen, neuen Problemen sowie wichtigen Entscheidungen erfährt der Leser einiges über das Leben in der ehemaligen DDR und wie das damalige Regime ihre Bürger malträtiert hat bis hin zur Zerstörung von Existenzen. Fröhling schafft es mit viel Empathie, den Leser sowohl mit den Protagonisten fiebern zu lassen als auch zum Nachdenken anzuregen und ihn während der Geschichte durch eine Achterbahn der Gefühle zu jagen. Existentielle Fragen, die auch in der Gegenwart die Menschen bewegt, begleiten den Leser während der gesamten Lektüre und regen zum Reflektieren an.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt. Mit ihren menschlichen Eigenheiten gewinnen sie schnell das Herz des Lesers, der ihnen wie ein Schatten folgt, um bloß nichts zu verpassen. Lena ist eine freundliche, offene und ehrliche Frau, die momentan in einer Sinnkrise steckt und sich bei vielem hinterfragt. Ihre Neugier und Hartnäckigkeit führt sie zu Oma Marlies, die keine leichte Kindheit und Jugend hatte, wurden diese doch durch die harte Führung des Vaters und einer devoten Mutter geprägt. Sowohl Marianne als auch Günther schleichen sich schnell ins Leserherz, denn ihre Treue und ihre Sehnsüchte übertragen sich schnell, lassen den Leser mitfiebern und hoffen, dass die beiden sich am Ende doch noch wiedersehen werden.
„Weil ich an uns glaubte“ ist eine voller Gefühl und Spannung aufgeladene Geschichte, die nicht nur von Anfang bis Ende packend unterhält, sondern den Leser regelrecht in die Handlung hineinsaugt. Verdiente Leseempfehlung verbunden mit der Hoffnung, dass auch der Nachfolgeband so fesseln wird.

Veröffentlicht am 26.06.2021

"Leute, die alles bedenken, ehe sie einen Schritt tun, werden ihr Leben auf einem Bein verbringen." (Anthony de Mello)

Menschen im Hotel
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1920er Jahre Berlin. Das Grand Hotel im Herzen der Stadt öffnet seine Pforten für allerlei illustre Gäste aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sich dort einmieten und deren Schicksal an einem ...

1920er Jahre Berlin. Das Grand Hotel im Herzen der Stadt öffnet seine Pforten für allerlei illustre Gäste aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, die sich dort einmieten und deren Schicksal an einem Wendepunkt befindet. Die in die Jahre gekommene Balletttänzerin Grusinskaja hängt ihren glanzvollen Zeiten hinterher, während sie sich in ihrem Zimmer vor der Welt versteckt. Unternehmer Preysing steht mit seiner Fabrik kurz vor dem Bankrott und hofft auf einen besonderen Geschäftsabschluss, der ihn zurück auf die Gewinnerstraße bringt. Sein Lohnbuchhalter Kringelein wirft derweil mit Geld nur so um sich, denn eine unheilbare Krankheit zeigt ihm auf, wie kurz das Leben ist. Der charmante Baron von Gaigern ist hochverschuldet und verdingt sich als Trickbetrüger. Und Dr. Otterschlag, vom Krieg auf grausame im Gesicht entstellt, verbringt die Tage in der Lobby, während er auf das Leben schimpft und sich in Selbstmitleid suhlt….
Vicki Baum hat mit ihrem im Jahr 1929 erschienenen Roman „Menschen im Hotel“ ein sehr interessantes Gesellschaftsportrait der Weimarer Republik vorgelegt, in dem sie auf geschickte, atmosphärische und pointierte Weise die unterschiedlichsten Charaktere mit ihren Wünschen, Träumen, Desillusionen, Schicksalsschlägen und Enttäuschungen proträtiert und dabei auch die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten aufzeigt. Mit flüssig-leichtem, teils poetischem Erzählstil bringt Baum den Leser erst ins Grand Hotel, wo er in luxuriösem Ambiente und während das übliche geschäftige Treiben in einer Hotellobby seinen Gang geht, auf die Akteure trifft, deren Leben ihm nach und nach dargeboten wird. Dabei erlaubt Baum dem Leser auch einen Blick durchs Schlüsselloch und hinter die Fassade, um die Protagonisten besser kennenzulernen und auch von ihren Schicksalsschlägen, Gedanken- und Gefühlsleben einen Eindruck zu erhalten. Die Autorin versteht es dabei perfekt, nicht nur das Hotelpersonal unauffällig mit in ihre Geschichte einzubinden, sondern vor allem auf das Zusammentreffen ihrer Hauptakteure hinzuarbeiten, das am Ende dazu führt, dass in deren Leben kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, Entscheidungen gefällt werden, deren Tragweite sich erst final erkennen lässt. Obwohl sehr unterhaltend und pointiert erzählt, erweckt die Handlung den Anschein, als wäre sie mitten aus dem Leben gegriffen und könnten auch im 21. Jahrhundert auf der Tagesordnung stehen. Die Einzelschicksale, die nach und nach miteinander verwebt werden und voneinander abhängig sind, fast eine Schicksalsgemeinschaft werden, spiegeln auf interessante Art die Sehnsüchte oder verpassten Gelegenheiten wieder.
Die Charaktere sind sehr detailliert und lebendig ausgestaltet, sie stehen stellvertretend für die unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Mit ihren glaubhaften menschlichen Eigenschaften können sie den Leser schnell überzeugen, der ihnen bei ihrem Treiben über die Schulter sieht und ihre Schicksale verfolgt. Buchhalter Kringelein, vorher ein Erbsenzähler, wird durch einen persönlichen Schicksalsschlag auf einmal großzügig und bringt sein Geld unter die Leute. Ihm ist alles egal geworden, er lebt nur noch für den Moment. Die alternde Balletttänzerin Grusinskaja kann sich bisher nicht damit abfinden, auf einmal nicht mehr gefragt zu sein. Ihr ganzes Leben war ein Tanz, bei dem ihr die Welt zusah, nun spürt sie die Einsamkeit und leidet unter der Unbedeutsamkeit. Preysing leidet unter Bluthochdruck, der sich durch den schlimmen Stand seines Unternehmens noch verschlimmert hat. Er wäre lieber bei seiner Familie, als sich ums Geschäft zu kümmern. Von Gaigern nutzt seinen Charme und sein Aussehen, um die Frauen zu umgarnen und sie um ihr Geld zu bringen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht. Und Dr. Ottenschlag hat seinen Lebensmut verloren, seit er im Krieg verletzt wurde.
„Menschen im Hotel“ ist zu Recht ein Meisterwerk. Sowohl damals wie heute so zielsicher, treffend, atmosphärisch-dicht, unterhaltsam und vor allem tragisch. Baum hält dem Leser den Spiegel vor: Wer davon bist du? Absolute Leseempfehlung für einen Roman mit Botschaft!

Veröffentlicht am 20.06.2021

Und die Sterne sind dafür da, um nach ihnen zu greifen...

Gut Greifenau - Sternenwende
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1929. Während die Wirtschaftskrise Deutschland fest im Griff hat und auch vor Gut Greifenau nicht Halt macht, unterwandern die Nationalsozialisten mit ihren menschenverachtenden Parolen die Gesellschaft. ...

1929. Während die Wirtschaftskrise Deutschland fest im Griff hat und auch vor Gut Greifenau nicht Halt macht, unterwandern die Nationalsozialisten mit ihren menschenverachtenden Parolen die Gesellschaft. Katharina wird vom Schicksal doppelt hartgetroffen, und in ihrer Trauer muss sie sich dann auch noch gegen ihren Schwiegervater Gustav behaupten. Konstantin setzt alle Hebel in Bewegung, um Greifenau vor dem Ruin zu retten, dafür ist er sogar bereit, seine Seele an die Nazis zu verhökern, was für Ehefrau Rebecca geradezu unerträglich ist und die Ehe der beiden auf eine harte Probe stellt. Zur Ablenkung konzentriert Rebecca sich darauf, ihre Kinder und auch Katharina liebevoll zu umsorgen, die aus Berlin aufs Gut gekommen ist. Zwischen Gutsverwalter Albert und Katharina entwickelt sich bald eine enge Freundschaft, wobei sie auch Alberts gutgehütetes Geheimnis entdeckt. Bei den Dienstboten geht es ebenfalls hoch her, denn Berta ist wieder da und nicht allein…
Mit „Gut Greifenau-Sternenwende“ legt Hanna Caspian den Abschlussband ihrer 6-teiligen historischen Familiensaga rund um das Gut in Hinterpommern vor und überrascht den Leser einmal mehr mit einer Achterbahn der Gefühle sowie jeder Menge spannender Entwicklungen, bevor er sich von all den inzwischen liebgewonnenen Charakteren leider unwiederbringlich verabschieden muss. Der flüssige, farbenprächtige und mit vielen Emotionen angereicherte Erzählstil lässt den Leser schnell wieder auf Greifenau einziehen, um sich dort sowohl an die Fersen der Gutsherrschaften als auch an die der Bediensteten zu heften und ihnen bei ihren Entscheidungen und Erlebnissen über die Schulter zu blicken. Im Zeitraum von 1929 bis 1932 erlebt man so einschneidende Ereignisse wie die Wirtschaftskrise und ihre Folgen auf die Bevölkerung, aber auch der immer stärker werdende Einfluss der Nazis, die auch an den Gutsbewohnern nicht spurlos vorbeigehen. Caspians größte Stärke sind neben ihrer historischen Recherche vor allem ihre wundervoll ausgearbeiteten Charaktere sowie die Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander. Die Figuren wirken wie aus dem Leben gegriffen, ihre Sorgen und Nöte sowie ihr Handeln und Tun sind nachvollziehbar und gerade deshalb fühlt man sich als Leser sowohl mit ihnen, als wäre man selbst ein Teil von ihnen. Während der Lektüre rauscht die Handlung wie ein Kinofilm vor dem inneren Auge ab, jagt den Leser durch ein Meer von Emotionen, während man entweder die Augen verdreht, Tränen verdrückt, Gänsehautmomente erlebt oder auch die eine oder andere Verwünschung ausstößt. Alles ist so plastisch, dass man es fast mit Händen greifen kann und man sich am Ende des Buches verwundert die Augen reibt, wenn man wieder in der Realität auftauchen muss.
Die Charaktere wurden Band für Band glaubhaft weiterentwickelt, wobei man bei einigen das Gefühl hat, sie werden sich nie ändern. Trotzdem liebt man sie als Leser und möchte sie einfach nicht missen, allen voran die schreckliche Feodora, die immer wieder auf die Füße fällt, obwohl sie einem ständig auf die Nerven fällt. Katharina hat sich von Beginn an ins Herz geschlichen und verweilt dort ebenso bis zum Schluss wie Rebecca. Mit Konstantin muss man warm werden, er ist ein Mann, der seine guten und schlechten Phasen hat. Aber auch Alexander, Berta, Gustav, Albert und viele andere lassen des Lesers Herz höher schlagen mit ihren Schicksalen.
Selten gab es eine Buchreihe, die das konstant hohe Niveau des Einführungsbandes durchgängig halten konnte. Doch hier holt die Autorin ihr geballtes Können aus der Schublade und überrascht den Leser mit Verwicklungen, Spannung und Intrigen in jedem Band aufs Neue. Der Leser kann es am Ende eines jeden Buches kaum erwarten, die Fortsetzung in die Finger zu kriegen, um weiterhin am Gutsleben teilzuhaben, während der historische Hintergrund so lebendig und greifbar mit eingebunden ist, dass man Geschichte leibhaftig miterleben kann. Mit „Gut Greifenau-Sternenwende“ geht eine Ära zuende, ein fabulöser Lesegenuss, den man sich nicht besser wünschen könnte. Absolute Leseempfehlung – diese Serie ist Königsklasse! Chapeau mit Sternenschweif!!!!

Veröffentlicht am 20.06.2021

"Gegensätze soll man nicht auszugleichen trachten, sondern produktiv gestalten." (Richard von Schaukal)

Ein Junggeselle zum Verlieben
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Der knapp 55-jährige Junggeselle George Emmerson wird nach 30 Jahren Lehrertätigkeit vorzeitig in Pension geschickt, was dem zurückhaltenden und mit Zwangsneurosen bestückten, altmodisch anmutenden Einzelgänger ...

Der knapp 55-jährige Junggeselle George Emmerson wird nach 30 Jahren Lehrertätigkeit vorzeitig in Pension geschickt, was dem zurückhaltenden und mit Zwangsneurosen bestückten, altmodisch anmutenden Einzelgänger gar nicht schmeckt. Doch die Begegnung mit der lebensbejahenden, energiegeladenen Künstlerin Willow West stellt die Zeichen auf Veränderung in Georges Leben. Ist er zu Beginn noch misstrauisch und eher ablehnend, beginnt er nach und nach, sich der lebenslustigen Willow zu öffnen und sich seinen eigenen Dämonen aus der Vergangenheit zu stellen. Aber auch in Willows Leben bahnen sich einige Veränderungen an…
Melody Carlson hat mit „Ein Junggeselle zum Verlieben“ einen unterhaltsamen und anrührenden Roman vorgelegt, der vor allem von der Gegensätzlichkeit der Charaktere und deren Schicksal lebt. Mit flüssigem, bildhaftem und gefühlvollem Erzählstil lässt lädt die Autorin den Leser ein, mal an der Seite von George, mal an der von Willow deren unterschiedliche Lebenslagen und individuellen Verhaltensweisen kennenzulernen und dabei tief in ihre Gedanken- und Gefühlswelt einzutauchen. Der Unterschied zwischen den Hauptprotagonisten ist frappierend. Während Willow dem Leben zugewandt ist, alles auskostet, positiv in Welt schaut und ihrem Umfeld manchmal eher zu viel zutraut, lebt George abgekapselt von seiner Umwelt, pflegt seine Marotten und ist vielleicht auch deshalb allein, weil er sich in seinem Leben so eingerichtet hat, um andere auf Abstand zu halten. Gerade der Spagat zwischen den so unterschiedlichen Persönlichkeiten wurde von der Autorin wunderbar ausgeführt und zeigt, dass man nur etwas mehr auf andere zu- und eingehen sollte, damit das Zusammenspiel klappt. Der christliche Aspekt wurde warmherzig, unaufdringlich und sehr schön mit der Handlung verwoben. Es geht gelebten Glauben, Festhalten an Traditionen, Nächstenliebe und vor allem Vertrauen. Je mehr der Leser aus dem Leben der Protagonisten erfährt, umso mehr entdeckt er ihre unterschiedliche Umgangsweise damit, was sich im Zusammenspiel aus durchaus positiv erweist.
Die Charaktere sind mit glaubwürdigen Ecken und Kanten versehen und lebendig in Szene gesetzt. Der Leser heftet sich gern an ihre Fersen, um alles über sie zu erfahren und zu beobachten, wie sie sich nach und nach zusammenraufen. Willow ist eine herzensgute, fröhliche und optimistische Frau, die sich ihr Interesse an Menschen bewahrt hat. Sie ist manchmal etwas fordernd, jedoch eher im positiven Sinne. Tochter Josie ist trotz ihres Alters bisher nicht erwachsen geworden. Sie macht ihre Mutter für ihre Misere verantwortlich, vernachlässigt aber gleichzeitig ihren eigenen Sohn Collin. Sie ist ein unsicherer Mensch, die bisher nicht gelernt hat, Eigenverantwortung zu übernehmen. Collin ist ein feiner Kerl, der in seiner Oma einen sicheren Hafen hat. George ist ein verschroben wirkender Mann, der seinen Eigenheiten immer mehr Macht in seinem Leben eingeräumt hat, um seine Vergangenheit zu kompensieren. Daraus resultiert auch seine Einsamkeit, weil er nie jemanden mehr näher an sich herangelassen hat.
„Ein Junggeselle zum Verlieben“ ist ein unterhaltsamer warmherziger Roman, der den Leser von Beginn an mit in die Handlung hineinzieht. Wunderbar gestaltete Charaktere sowie eine Geschichte wie aus dem realen Leben lassen das Kopfkino anspringen und die Zeit vergessen. Verdiente Leseempfehlung für diese kurzweilige Lektüre!

Veröffentlicht am 19.06.2021

Der Wind dreht sich...

Der Bund der Familien
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1938. Nach seinem Schlaganfall erweckt es den Anschein, als erholt sich Wilhelm Lehmann nur mäßig. Nur Paul-Friedrich weiß, wie es wirklich um ihn steht und kauft Wilhelms Firmenanteile für den Wert von ...

1938. Nach seinem Schlaganfall erweckt es den Anschein, als erholt sich Wilhelm Lehmann nur mäßig. Nur Paul-Friedrich weiß, wie es wirklich um ihn steht und kauft Wilhelms Firmenanteile für den Wert von 5 Reichsmark. Als die Familie davon erfährt, fällt sie aus allen Wolken, vor allem Leipold, der nichts gegen den rechtmäßigen Verkauf unternehmen kann, dabei ist gerade er der Grund für Wilhelms momentane Lage. Währenddessen verliebt sich Wilhelmine von Falkenbach in einen Widerstandskämpfer, der sich von jetzt auf gleich in Luft auflöst und sie zurücklässt. Derweil muss sich ihr Bruder Gustav der besonderen Aufmerksamkeit des Gauleiters stellen, der ihm und der Familie aufgrund einer augenscheinlich prekären Situation schaden will. Überhaupt werden die Zeiten am Starnberger See rauer, nicht nur aufgrund der politischen Lage…
Ellin Carsta hat mit „Der Bund der Familie“ den dritten Teil ihrer historischen Falkenbach-Saga veröffentlicht, in der dem Leser nicht nur die immer stärker werdende Macht der Nazis ins Gesicht weht, sondern auch die Spannungen innerhalb der Familie immer weiter zunehmen. Mit flüssig-bildhaftem und empathischem Erzählstil lädt die Autorin den Leser zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert ein, wo er sich am malerischen Starnberger See wieder unter die Familienmitglieder der von Falkenberg und Lehmann mischt und dabei wieder einige Geheimnisse und Intrigen zu Tage fördert. Die Beziehung zwischen Wilhelm und seinem Sohn Leopold ist weiterhin sehr angespannt, was sich durch den Verkauf der Firmenanteile an Paul Friedrich nur noch weiter verstärkt. Neben dem von der Autorin exzellent recherchierten historischen Hintergrund beherrschen vor allem die zwischenmenschlichen Beziehungen unter den Protagonisten sowie deren Geheimnisse die Handlung und treiben die Spannung während der immer schwieriger werdenden politischen Lage immer weiter in die Höhe. Auch die Nazis haben sich in Starnberg eingenistet und machen der Bevölkerung mit ihren Verleumdungen, Gerüchten und ihrer Intrigenschmiederei das Leben mehr als schwer, so dass man selbst als Leser kaum noch weiß, wem wirklich zu trauen ist und ob gerade innerhalb der Familien der Zusammenhalt so stark ist, dass sie sich davon nicht irritieren lassen. Der Spannungslevel ist wieder gut dosiert und liegt auch in diesem Teil wieder sehr hoch.
Die Charaktere wurden glaubhaft weiterentwickelt und wandeln mit ihren persönlichen Eigenheiten lebendig durchs Kopfkino des Lesers, der ob der Ereignisse mitfiebert und rätselt. Wilhelm ist der geborene Schachspieler, der seinen Sohn durch seinen Coup schachmatt setzt, wohlwissend, dass die Querelen innerhalb der Familie damit noch nicht vorbei sind. Paul Friedrich ist ein cleverer Geschäftsmann, der jede Chance nutzt, die sich ihm bietet. Er ist mit seinem Pokerface undurchschaubar und der Strippenzieher im Hintergrund. Dabei verliert er neben seinen Zielen auch die Familien nicht aus den Augen, wobei er auch seinen Vorteil im Blick hat. Leopold ist ein Egoist, der immer noch nicht gelernt hat, seinen Mann zu stehen und Verantwortung zu übernehmen. Irma überrascht durch ihre intelligente und fürsorgliche Art, wobei sie genau weiß, welche Knöpfe sie drücken muss, um Erfolg zu erzielen. Aber auch Wilhelmine, Gustav, Elisabeth und weiter Protagonisten tragen zum Unterhaltungswert dieser Geschichte bei.
Auch mit „Der Bund der Familie“ kann Carsta wieder überzeugen und lässt den Leser am Fortgang der von Falkenbergs und Lehmanns hautnah teilhaben. Wie gebannt kleben die Finger an den Buchseiten, um nur ja nichts zu verpassen. Absolute Leseempfehlung für einen guten Mix aus Geheimnissen, Intrigen, Familiengeschichte vor historischem Hintergrund!