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Veröffentlicht am 14.01.2017

Die Sehnsucht nach Leben

Mein schlimmster schönster Sommer
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Die Unternehmensberaterin Isabel Drievers lebt mit ihrem Freund und Kollegen Georg zusammen in München und geht ganz in ihrer Arbeit auf. Doch schon länger geht es ihr schlecht, sie ignoriert die Schmerzen ...

Die Unternehmensberaterin Isabel Drievers lebt mit ihrem Freund und Kollegen Georg zusammen in München und geht ganz in ihrer Arbeit auf. Doch schon länger geht es ihr schlecht, sie ignoriert die Schmerzen bis es nicht mehr geht und sie sich in die Hände von Ärzten begibt. Diese teilen ihr nach vielen Untersuchungen mit, dass sie Krebs hat. Bevor man mit der Behandlung beginnt, soll Isabel sich einen Urlaub gönnen. Kaum hat sie das Krankenhaus verlassen, steht sie vor einem gelben VW-Bus, der zum Verkauf steht. Kurzentschlossen mietet Isabel den VW-Bus samt Eigentümer Rasso Liebermann, einen Hippie mit Rastalocken, der von einer Musikerkarriere träumt und sich gerade von seiner Freundin und Bandsängerin Caro getrennt hat. Schnell packt Isabel ein paar Sachen und lässt ihr Handy auf dem Küchentisch liegen. Sie will frei sein von allem und nur in den Tag hinein leben. Bevor die ungeplante 14-tägige Reise in die Provence beginnen kann, muss Rasso noch die Urne seiner Mutter abholen. Es beginnt eine ungeplante Rundreise mit Camping im Freien, einem Bankraub, merkwürdigen Jesu-Anhängern, einem Schuss im Wald, einer Begegnung mit einem vertrauten Fremden und einem Ausgang, den man so nicht erwartet hätte.

Stefanie Gregg hat mit ihrem Buch „Mein schlimmster, schönster Sommer“ einen sehr unterhaltsamen, aber auch berührenden Roman vorgelegt, der einen sowohl zum Schmunzeln als auch zum Nachdenken anregt. Der Schreibstil ist schön flüssig und recht schnell findet sich der Leser als Isabels unsichtbarer Schatten wieder, bei dem ihm ihre Gedanken und Gefühle offenbar werden. Die Handlung wird hauptsächlich aus Isabels Sicht erzählt, allerdings gibt es auch einige Kapitel, die Isabels Lebensgefährten Georg zu Wort kommen lassen, und auch Piet, einer Zufallsbekanntschaft werden einige Abschnitte eingeräumt. Viel Wert legt die Autorin auch auf Rückblenden, geheime Wünsche und Träume von Isabel, die deutlich machen, wie sehr sie sich von diesen entfernt hat und mit welcher Sehnsucht ihr diese nun wieder vor Augen stehen.

Die Charaktere sind sehr differenziert und ausgesprochen liebevoll gezeichnet. Sie wirken sehr lebendig und authentisch, so dass man das Gefühl hat, den einen oder anderen von ihnen zu kennen. Isabel ist eine junge Frau, die sich eher einer Karriere als Ehe und Kindern verschrieben hat. Nachdem sie die ärztliche Diagnose bekommen hat, stellt sie ihr ganzes Leben und ihre Entscheidungen in Frage. Isabel wirkt eher vernünftig und gradlinig, doch gerade jetzt hat sie das Gefühl, ausbrechen zu müssen und die Zeit sinnvoller nutzen zu müssen. Die spontane Entscheidung einer ungeplanten Reise mit einem VW-Bus hätte sie sich wohl am wenigsten selbst zugetraut. Ihre Wandlung während der Reise und im Umgang mit den Menschen, die sie jeden Tag kennenlernt, ist von der Autorin sehr schön ausgearbeitet und wirkt absolut glaubhaft. Rasso ist ein Mann, der in den Tag hinein lebt. Der ewige Student oder Gelegenheitsarbeiter, solange er Geld genug hat, sich seinen Traum von einer Musikerkarriere zu erfüllen. Er ist nicht sehr anspruchsvoll, weiß aber das Leben zu genießen. Rasso ist ein Optimist, sieht immer das Positive in allem und macht aus jeder Situation ein Happening. Georg ist ein nüchterner Geschäftsmann, der sich niemals damit auseinander gesetzt hat, welche Gefühle er wirklich für Isabel hegt. Er hat das Zusammenleben mit ihr als selbstverständlich hingenommen und nun muss er sich mit der neuen Situation abfinden und sich über seine Beziehung zu Isabel klar werden. Piet ist ein netter Kerl, der als Biologe in der Forschung tätig ist. Er hat ganz bestimmte Vorstellungen von seiner Traumfrau, die es seiner Meinung nach doch nicht gibt. Doch dann begegnet er ihr eines Tages…

Mit witzigen Dialogen und nachdenklichen Gedanken macht die Autorin das Lesen dieses Romans zu einem richtigen Highlight. „Mein schlimmster, schönster Sommer“ ist ein Roman über verpasste Chancen, neugewonnene Neugier auf das Leben und echte Freundschaften, die in der Not so wichtig sind. Dieses Buch ist ein Herz- und Seelenwärmer, das einem zeigt, wie unverhofft und ungeplant das Leben sein kann. Einfach wunderschön und herzerfrischend, absolute Leseempfehlung!!!

Veröffentlicht am 09.01.2017

Abschied von den Lessings

Das Versprechen der australischen Schwestern
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1910. Die drei Schwestern Elsa, Carola und Minna, Enkelinnen von Emilia und Karl Lessing, sind inzwischen erwachsen und haben jede ihr eigenes Leben. Während Carola im deutschen Hamburg ein relativ behütetes ...

1910. Die drei Schwestern Elsa, Carola und Minna, Enkelinnen von Emilia und Karl Lessing, sind inzwischen erwachsen und haben jede ihr eigenes Leben. Während Carola im deutschen Hamburg ein relativ behütetes und glückliches Leben zusammen mit Werner führt, ist sie doch in engem Briefkontakt mit ihren Schwestern in Australien, denn sie vermisst ihre Verwandten sehr. Minnas und Elsas Leben ist deutlich beschwerlicher, aber auch diese beiden versuchen, sich ihre Träume und Wünsche auf ihre eigene Art zu erfüllen. Minna hat in Pfarrer William ihre große Liebe gefunden, die beiden heiraten endlich, während Elsa sich zu einer erfolgreichen beruflichen Frau in einer Werbeagentur entwickelt hat, die insgeheim immer noch darauf hofft, dass sie eines Tages doch noch mit ihrem Cousin Otto in Liebe vereint eine Familie gründen kann. Als das Familienoberhaupt, Großvater Carl Gotthold Lessing stirbt, leidet gerade Carola sehr darunter, ihn nicht noch einmal gesehen zu haben. Dann bricht der erste Weltkrieg aus und plötzlich leben die Schwestern in verfeindeten Ländern. Werden sie sich irgendwann doch noch einmal wiedersehen?

Ulrike hat mit ihrem Buch „Das Versprechen der australischen Schwestern“ den 3. Teil ihrer historischen Trilogie über die Familie Lessing vorgelegt, der seinen beiden Vorgängerromanen in nichts nachsteht. Der Schreibstil ist wunderschön flüssig und bildhaft, schnell findet sich der Leser an der Seite der Hauptprotagonistinnen wieder und erlebt abwechselnd, welche Gedanken und Gefühle sie umtreiben und welche Abenteuer sie in ihrem täglichen Leben zu bewältigen haben. Die Landschaftsbeschreibungen sind sehr farbenfroh beschrieben, so dass der Leser sich von den Örtlichkeiten und den Lebensumständen ein sehr gutes Bild machen kann. Besonders interessant weiß die Autorin auch über die Aborigines zu berichten, die zum Teil eng mit dem Hause Lessing in Australien verknüpft sind durch langjährige Hausangestellte, die inzwischen als Teil der Familie gelten und ebenso Generationen mit einander verbracht haben. Besonders hervorzuheben ist, dass es die Familie Lessing tatsächlich gegeben hat und man sie durch die aufs Papier gebrachte dreiteilige Romanerzählung der Autorin richtig kennenlernen darf. So bildet sich schnell ein Band zwischen Leser und Charaktere, und man darf sich fast selbst als Teil der Familie fühlen, so sehr wachsen sie einem ans Herz.

Die Charaktere wurden sehr differenziert ausgearbeitet und ausgesprochen liebevoll in Szene gesetzt. Gerade aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit und familiären Verbundenheit wirken sie sehr authentisch und lebendig. Schnell hat der Leser das Gefühl, den einen oder anderen zu kennen. Die Frauen sind in ihrer Persönlichkeit allesamt sehr verschieden, doch sie alle eint eine Kraft und Stärke, ein besonderer Mut und die Energie, auch vor ausweglosen Situationen nie den Kopf in den Sand zu stecken, sondern anzupacken und sich hilfsbereit gegenseitig zu stützen und Trost zu spenden. Die Liebe zueinander ist regelrecht spürbar und rühren das Herz des Lesers bis ins Innerste. Besonders schön war die Entwicklung eines jeden Charakters innerhalb dieser Trilogie zu beobachten, die nun leider ihr Ende gefunden hat.

„Die Versprechen der australischen Schwestern“ ist ein wunderschöner und würdiger Abschluss der historischen Trilogie von Ulrike Renk. Der Abschied von den zauberhaften Lessings fällt sehr schwer, sie werden noch lange im Gedächtnis bleiben, denn sie zu begleiten war ein absoluter Gewinn, den man als Leser nicht missen möchte. Alle, die historische Familienromane mögen, werden die Lessings lieben. Absolute Leseempfehlung für ein Highlight!!!

Veröffentlicht am 08.01.2017

Geheimnisse und verlorene Liebe vor chinesischer Kulisse

Das Geheimnis der Schneekirsche
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1913. Die junge Lehrerin Selma Wallenstein lebt und arbeitet in Berlin, als sie einige Tage vor Weihnachten ein Telegramm erhält, indem ihr in China lebender Vater mitteilt, dass ihr Mutter schwer krank ...

1913. Die junge Lehrerin Selma Wallenstein lebt und arbeitet in Berlin, als sie einige Tage vor Weihnachten ein Telegramm erhält, indem ihr in China lebender Vater mitteilt, dass ihr Mutter schwer krank ist. Selma macht sich in Begleitung ihrer Schwester Adele und ihrer Tante Mireille auf die beschwerliche Reise in die chinesische Hafenstadt Tsingtau, um sich dort um ihre Mutter zu kümmern. Kaum dort angekommen, trifft sie unverhofft auf ihre einstige große Liebe und ehemaligen Verlobten Paul, den sie seit Jahren nicht gesehen hat. Während der erste Weltkrieg ausbricht und auch vor der deutschen Kolonialverwaltung der kaiserlichen Marine im fernen China nicht Halt macht, versucht Selma, mit den neuen Gegebenheiten in einem fremden Land zurecht zu kommen und sich einzuleben. Schnell entwickelt sie ein Interesse zur traditionellen chinesischen Medizin und versucht, ihre neugewonnenen Freunde ebenso wie ihre Familie in jeder Art und Weise zu unterstützen. Gleichzeitig geht ihr die Begegnung mit Paul nicht aus dem Kopf, die Gefühle für ihn sind immer noch stark, aber werden die beiden doch noch eine Zukunft haben?

Lisa Marcks hat mit ihrem Buch „Das Geheimnis der Schneekirsche“ einen unterhaltsamen historischen Roman vor der exotischen Kulisse Chinas vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und farbenfroh, schnell taucht der Leser in die fremde chinesische Welt ein, denn die Autorin weiß aus dem Vorrat eigener familiärer Erinnerungen zu schöpfen, geschichtliche Hintergrunddetails gekonnt zu vermitteln und die Landschaftsbeschreibungen mit Leben zu füllen. Die Schilderungen über die deutsche Kolonialzeit in China und die Situation zum Ausbruch des 1. Weltkrieges sind sehr gut dargestellt und mit der Geschichte verwebt. Ebenso interessant und informativ ist der Ausflug in die traditionelle chinesische Heilkunst, die sich andeutungsweise auch in den Überschriften der Kapitel wiederfinden.

Die Charaktere wurden sehr differenziert ausgestaltet und liebevoll in Szene gesetzt. Selma ist eine sehr sympathische und gewissenhafte junge Frau, die früh eine Menge Verantwortung übernimmt, da es von ihr erwartet wird. Sie wird ihrer Rolle mehr als gerecht, ist mutig, mitfühlend, hilfsbereit und hat das Herz auf dem rechten Fleck. Gleichzeitig ist Selma neuen Dinge und Menschen gegenüber sehr aufgeschlossen. Aber in ihrem Inneren ist sie eine Suchende, seit der Trennung von Paul hat sie ihr Herz für die Liebe verschlossen. Nun, da sie ihm nach langer Zeit wieder gegenüber steht, merkt sie, was ihr wirklich fehlt, um glücklich zu sein. Selmas Schwester Adele ist eine selbstsüchtige und missgünstige Person, deren Welt sich nur um sie selbst dreht. Sie hat viel von ihrem Vater, der machtgierig und egoistisch ist und seine Familie fast schon drangsaliert, um seinen Willen zu bekommen. Tante Mireille ist ein Fall für sich, recht kapriziös und chaotisch, aber sie ist immer wieder für eine Überraschung gut. Paul taucht in der Handlung leider zu selten auf und wirkt leider recht blass und in den Hintergrund geschoben.

„Das Geheimnis der Schneekirsche“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman über Familiengeheimnisse und zerbrochene Liebe vor der farbenprächtigen Kulisse des Chinas zur Kolonialzeit. Durch die vielen angerissenen, oberflächlich abgehandelten Themen und die fehlende Ausarbeitung der Liebesgeschichte hält dieses Buch leider nicht ganz das, was der Leser sich beim Lesen des Klappentextes erwartet. Eine Leseempfehlung für alle, die gern Bücher über Familiengeheimnisse in einem exotischen Rahmen lesen, werden hier mit Abstrichen gut unterhalten.

Veröffentlicht am 08.01.2017

Nichts bleibt verborgen

Das Geheimnis der Pianistin
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30er Jahre Kanada. Die Französin Hélène Giroux zieht von Montreal in den kleinen Ort Saint Homais, um dort ein neues Leben zu beginnen. Als passionierte und talentierte Musikerin, die aus einer Klavierbauerfamilie ...

30er Jahre Kanada. Die Französin Hélène Giroux zieht von Montreal in den kleinen Ort Saint Homais, um dort ein neues Leben zu beginnen. Als passionierte und talentierte Musikerin, die aus einer Klavierbauerfamilie stammt, findet sie in der Gemeinde nicht nur bald eine Anstellung als Pianistin und Chorleiterin, sie wird auch von den neuen Nachbarn und Einwohnern offen aufgenommen und bekommt jede Menge Unterstützung. Der Neustart für Hélène scheint geglückt, doch dann steht auf einmal die Polizei vor ihr. Hélène steht unter dem Verdacht, einen Menschen ermordet zu haben. Weshalb kam Hélène nach Saint Homais, wovor ist sie geflohen, hat sie wirklich jemanden getötet und warum?

Kurt Palka hat mit seinem Buch „Das Geheimnis der Pianistin“ einen sehr spannenden und atmosphärisch dichten Roman vorgelegt, der den Leser durch den sehr schönen eindringlichen Schreibstil schnell in seinen Bann zieht und ihn bis zum Ende nicht mehr loslässt. Der Autor hat eine besondere Gabe, seine Geschichte durch detaillierte Beschreibungen sowohl der Landschaft als auch der Menschen dem Leser sehr nahe zu bringen und gleichzeitig die Spannung bis zum Finale aufrecht zu erhalten, bis das Geheimnis um seine Protagonistin Hélène gelüftet ist. Ebenfalls interessant sind die vielen Informationen über Musik und Klavier. Die Handlung wird in zwei verschiedenen Zeitebenen erzählt, die eine behandelt Hélènes Gegenwart in den 30er Jahren, die andere ihre Vergangenheit 20 Jahre vorher, wobei die beiden Ebenen sehr gekonnt miteinander verflochten werden.

Die Charaktere sind recht eigenwillig skizziert, lassen sie hier doch die sonstige Detailliebe des Autors etwas vermissen. Einzig die Protagonistin Hélène kann man sich nach einigen Kapiteln vorstellen und sich als Leser in ihr Denken, Handeln und Verhalten einfühlen. War Hélène in jungen Jahren eine selbstbewusste und wissbegierige junge Frau, die sich ins Leben stürzt, so wirkt die Hélène der Gegenwart wie eine völlig andere Person. Da ist sie eher zurückhaltend, ruhig und auf der Hut, eher misstrauisch anderen gegenüber, eine Frau, die sich anderen gegenüber nicht öffnen möchte, zu groß ist die Angst, dass ihr Geheimnis ans Tageslicht kommen könnte. Die Randprotagonisten wirken eher etwas farblos, hier hätte mehr Lebendigkeit in der Ausarbeitung gut getan.

„Das Geheimnis der Pianistin“ ist ein unterhaltsamer historischer Roman, der den Leser durch die besondere Erzählweise schnell für sich einnimmt. Alle Musikliebhaber und Geheimnislüfter werden recht schöne Lesestunden mit diesem Buch verbringen, eine verdiente Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 07.01.2017

Wie Phönix aus der Asche

Unsere Hälfte des Himmels
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1935 Frankfurt. Johanna und Amelie sind die engsten Freundinnen und teilen die Leidenschaft fürs Fliegen. Eines Tages, davon träumen sie seit langem, wollen sie die ersten weiblichen Berufspilotinnen sein. ...

1935 Frankfurt. Johanna und Amelie sind die engsten Freundinnen und teilen die Leidenschaft fürs Fliegen. Eines Tages, davon träumen sie seit langem, wollen sie die ersten weiblichen Berufspilotinnen sein. Doch es ist die Zeit des Nationalsozialismus, der ihre Träume vorerst aufs Eis legt, denn das damalige Frauenbild war das einer Hausfrau und Mutter. Eines Tages verliebt sich Amelie in Johannas Fluglehrer, dabei zerbricht die enge Beziehung zu Johanna, die nicht damit klar kommt, dass die Freundin auf einmal Oberwasser hat. Sie sinnt auf Rache.

1971 Kassel. Liselotte ist mit einem lieblosen Mann verheiratet, der sie wie seine Leibeigene behandelt. Sie fühlt sich alleingelassen und mutlos. Als sie Nachricht erhält, dass ihre Mutter Amelie aufgrund eines Unfalls im Koma liegt, packt sie kurzerhand ihre Sachen und reist nach Frankfurt, obwohl das Verhältnis zu ihrer Mutter schon immer sehr angespannt und nicht gerade liebevoll war. Bei einem Besuch im Krankenhaus erzählt ihr ein Arzt, dass sie ihrer Mutter Dinge aus der Vergangenheit erzählen soll, damit sie aus dem Koma erwacht. Allerdings weiß Liselotte über das Leben ihrer Mutter herzlich wenig, sie kennt nicht mal ihren eigenen Vater. Amelie hat sich da immer sehr bedeckt gehalten. Eigentlich widerstrebt es Liselotte, in den Sachen ihrer Mutter zu stöbern, doch dann findet sie Dinge, die ihre Mutter in einem völlig neuen Licht erscheinen lassen.

Clarissa Linden hat mit ihrem Buch „Unsere Hälfte des Himmels“ einen wunderschönen, spannenden und unterhaltsamen Roman mit zwei Zeitebenen vorgelegt, die zum einen die Geschichte von Amelie und Johanna in den 30er Jahren erzählt, zum anderen das Leben von Lieselotte in den 70ern schildert. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, schon der Prolog nimmt den Leser gefangen und treibt ihn regelrecht durch die Handlung, um diese zauberhafte Geschichte zu erfahren. Der historische Hintergrund über die Rolle der Frau in der Fliegerei ist sehr informativ und gut recherchiert mit der Geschichte verknüpft. Die Autorin beleuchtet auch die damalige Rolle der Frau, sowohl in den 30er als auch den 70er Jahren und lässt den Leser einmal mehr erkennen, wieviel diese Rolle sich in den Jahrzehnten bis heute verändert hat. Ob es sich um den Nationalsozialismus, Demonstrationen handelt, die RAF, den Abtreibungsparagraphen 218 oder die Emanzipationsbewegung, die Autorin greift eine Menge Themen auf, die das Leben der Frau von damals geprägt und bis heute verändert haben. Der Spannungsbogen wird sehr schön aufgebaut und spinnt sich durch die Handlung bis zum Ende.

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich gestaltet und wirken mit ihren Eigenheiten sehr authentisch und lebendig. Johanna ist ein Hansdampf in allen Gassen. Sie ist extrovertiert und kämpft für ihren Traum. Obwohl sie mit Amelie eng befreundet ist, spürt man auch eine gewisse Rivalität zu ihr. Die Freundschaft ist für Johanna eine einseitige Sache, bei einer Veränderung in ihrer Beziehung wird sie zur missgünstigen und eifersüchtigen Furie, die einen miesen Plan verfolgt. Amelie ist eher eine zurückhaltende Person, sie steht immer im Schatten von Johanna, und meist ist ihr das ganz recht. Sie liebt die Fliegerei und denkt an nichts anderes, bis die Liebe in ihr Leben tritt und sie sich auf einmal wie ein Schmetterling entfaltet und sich von Johanna abgrenzt, selbstbewusster wird und eigene Entscheidungen trifft. Liselotte ist eine einsame Frau, die sich nichts zutraut und recht mutlos wirkt. Ihre Mutter war eine starke Persönlichkeit, bei der sie sich immer wertlos vorkam und die ihr auch nicht die benötigte liebevolle Zuwendung hat angedeihen lassen. Doch mit dem Unfall der Mutter verändert sich auch Liselotte, sie wächst Tag für Tag immer mehr über sich hinaus, traut sich mehr zu und erhält endlich ihre Unabhängigkeit sowie ein gesundes Selbstvertrauen.

„Unsere Hälfte des Himmels“ ist ein sehr spannender und unterhaltsamer Roman mit historischem Hintergrund und einem gut verpackten Familiengeheimnis angefüllt mit vielen zeitgenössischen Themen, die interessant in die Handlung verwoben wurden. Absolute Leseempfehlung für ein wirklich tolles Buch! Chapeau – alles richtig gemacht!!!