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Veröffentlicht am 31.05.2020

Bayerische Romanze

Sommernächte am Tegernsee
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Als sie von ihrem einzigen Verwandten, ihrem Onkel Sebastian, den kleinen Landgasthof „Die Goldenen Eiche“ am Tegernsee übertragen bekommt, um selbst ins Seniorenstift zu ziehen, kann es Sabine Moser kaum ...

Als sie von ihrem einzigen Verwandten, ihrem Onkel Sebastian, den kleinen Landgasthof „Die Goldenen Eiche“ am Tegernsee übertragen bekommt, um selbst ins Seniorenstift zu ziehen, kann es Sabine Moser kaum glauben. Seit sie denken kann, möchte sie den familieneigenen Betrieb fortführen, der mit eine spektakulären Aussicht und Spitzenküche bei vielen Gästen beliebt ist. Die zufällige Begegnung mit Thorsten bleibt Sabine nachhaltig im Gedächtnis, denn sie fühlt sich auf unerklärliche Weise sofort zu ihm hingezogen. Aber macht auch ihr Bankberater Martin ihr den Hof. Als es zu einem Unfall kommt, muss Sabine eine Entscheidung treffen…
Johanna Nellon hat mit „Sommernächte am Tegernsee“ einen netten kurzweiligen Unterhaltungsroman vorgelegt, der als Hintergrundkulisse ein alpennahes Reiseziel in Oberbayern hat. Wer die urigen und idyllisch gelegenen Landgasthöfe dort kennt, freut sich auf eine gemütliche Wohlfühlgeschichte. Mit dem locker-leichten Erzählstil gelingt der Einstieg in die Geschichte recht schnell, allerdings ist etwas Konzentration gefordert, weil die Autorin mit mehreren Handlungssträngen jongliert und dabei leicht der Überblick verloren gehen kann. Farbenfrohe Landschaftsbeschreibungen zaubern während der Lektüre schöne Bilder im Kopf hervor, die Autorin lässt so manche regionale Sehenswürdigkeit in ihre Handlung mit einfließen, aber auch den Landgasthof hat man sofort vor Augen, dem man gern einen Besuch abstatten würde, um dort eine der wunderbaren Leckereien zu kosten, die in der Geschichte aufgeführt und von der Autorin per Rezept am Ende an den Leser weitergegeben werden. Die Handlung selbst ist im Großen und Ganzen recht vorhersehbar, einen Spannungslevel sucht man vergeblich, und auch die dazu angelegten Wendungen sind schnell durchschaut.
Die Charaktere spiegeln einen kleinen Querschnitt der Gesellschaft wieder, besitzen realistische menschliche Eigenschaften und wirken glaubwürdig. Doch so richtig nah kommt der Leser ihnen nicht, dazu fehlt es der Geschichte ein wenig an Gefühl und Warmherzigkeit. So betrachtet man ihre Unternehmungen mit dem gebührenden Abstand. Sabine ist eine Frau, die zupacken kann, um ihren Traum zu leben. Sie ist eine exzellente Köchin und besitzt ein offenes Wesen, das die Gäste anzieht. Markus ist ein Mann, der sich nicht in die Karten schauen lässt. Er hat zwei Gesichter und versucht vor allem, sich seinen Vorteil zu sichern. Thorsten besitzt eine sympathische offene Art. Ria ist eine Frau, die nur an sich selbst denkt. Aber auch Elisabeth und Onkel Sebastian spielen in dieser Geschichte eine Rolle.
„Sommernächte am Tegernsee“ ist ein durchweg kurzweiliger Unterhaltungsroman, der nicht nur Urlaubsfeeling verbreitet, sondern auch der Liebe einen großen Platz einräumt. Nette Lektüre für zwischendurch.

Veröffentlicht am 30.05.2020

Solider Unterhaltungsroman

Heidesommerträume
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Der erfolgsverwöhnten Schriftstellerin Carolin fällt für ihr neues Buch einfach nichts ein, sie leidet unter einer Schreibblockade und grämt sich über die wenig positiv ausgefallene Kritik ihrer Lektorin ...

Der erfolgsverwöhnten Schriftstellerin Carolin fällt für ihr neues Buch einfach nichts ein, sie leidet unter einer Schreibblockade und grämt sich über die wenig positiv ausgefallene Kritik ihrer Lektorin zum ersten Entwurf. Dem Rat ihrer Freundin Moni, die ihr einen Tapetenwechsel verordnet, folgt sie nur recht widerwillig und besucht ihre Schwester Lola, die in der Lüneburger Heide ein kleines Romantikhotel führt. Die beiden Schwestern hatten in der letzten Zeit nur sehr sporadisch Kontakt, so fällt Carolin schon bei ihrer Anreise auf, dass der Empfang wenig herzlich ist und auch das Hotel einen recht heruntergekommenen Eindruck macht. Als Lola nach einem Streit auch noch die Kurve kratzt und einfach untertaucht, steht Carolin mit Schwager Paul allein da und muss sich um die Gäste kümmern, anstatt an ihrem neuen Buch zu arbeiten. Als auch noch ein Hoteltester auf der Bildfläche erscheint, ist die Aufregung groß. Einziger Lichtblick für Carolin ist Hotelgast Till, der allerdings auch ein Geheimnis mit sich herumträgt…
Silvia Konnerth hat mit „Heidesommerträume“ einen Unterhaltungsroman vorgelegt, der zu einer Gedankenreise in die wunderschöne Lüneburger Heide einlädt. Der locker-flüssige Schreibstil macht den Einstieg in die Geschichte leicht. Gleich zu Beginn lernt der Leser Hauptprotagonistin Carolin kennen und darf sich hautnah von deren Selbstzweifeln und Ängsten ein komplettes Bild machen, die viel zu langatmig in Szene gesetzt werden und sich über die ersten 80 Seiten ziehen. Interessanter wird es erst mit der Reise von Köln in die Heide und dem Zusammentreffen der Schwestern. Der Altersunterschied zwischen Lola und Moni beträgt 5 Jahre, doch hat man als Leser schnell den Eindruck, die beiden haben sich kaum etwas zu sagen und auch gefühlsmäßig liegt da einiges im Argen. Die Autorin lässt den Leser nach und nach an einem alten Familiengeheimnis teilhaben, dass so einige Ungereimtheiten enthält und verwirrtes Kopfschütteln nach sich zieht. Auch im weiteren Handlungsverlauf gibt es den einen oder anderen Logikfehler, der Anlass zu Irritationen gibt und eigentlich nicht vorkommen dürfte. Die Beschreibungen des kleinen Heidehotels sind gelungen benso spiegeln die unterschiedlichsten Hotelgäste die Realität sehr gut wieder.
Die Charaktere sind differenziert ausgearbeitet und lebendig in Szene gesetzt. Sie wirken authentisch und glaubwürdig, so dass der Leser seine Sympathien gerecht verteilen kann. Die 38-jährige Carolin ist eine Frau voller Selbstzweifel. Einen Krebs gleich geht sie immer einen Schritt vor und dann wieder zwei zurück. Oftmals wirkt sie allerdings auch recht naiv und unbedarft für ihr Alter. Schwester Lola ist aufgrund von Hormonschwankungen gestresst, aufbrausend und wenig nahbar, während Schwager Paul schon fast zu gut für diese Welt ist. Till ist ein offener, freundlicher Mann, der mit sich selbst in Reine kommen will und ein Geheimnis hütet. Besonders gelungen ist Carolins Freundin Moni, die plappert, wie ihr der Schnabel gewachsen ist und die das Herz am rechten Fleck hat. Aber auch Hannibal, Lars, Ole, Schnitzel sowie Doris und die übrigen Hotelgäste tragen ihren Anteil an der Geschichte bei.
„Heidesommerträume“ ist ein netter Roman, in dem neben Familiengeheimnis und diversen Missverständnissen auch die Liebe einen Platz hat. Zeitweilige Langatmigkeit sowie diverse Logikfehler bringen Punktabzug. Alles in allem ein solider Unterhaltungsroman!

Veröffentlicht am 10.05.2020

"Angst ist der gefährlichste Feind der Freiheit." (Andreas Tenzer)

Limonenküsse - Herzklopfen auf Italienisch
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Die 23-jährige Konditorin Bella ist bisher nicht umsonst ohne Freund durchs Leben gestakst. Ihr von Neurosen und Phobien gekennzeichnetes Dasein sowie ihre Tollpatschigkeit haben dauerhaft die Kontrolle ...

Die 23-jährige Konditorin Bella ist bisher nicht umsonst ohne Freund durchs Leben gestakst. Ihr von Neurosen und Phobien gekennzeichnetes Dasein sowie ihre Tollpatschigkeit haben dauerhaft die Kontrolle über Bella übernommen, die nur durch ihre beste Freundin Jazz zeitweise durchbrochen wird. So gelingt es Jazz auch, Bella zu einem Trip auf die italienische Insel Ischia zu überreden, um mal rauszukommen aus dem Alltagstrott. Dort kreuzt Davide Bellas Weg und trifft ihr Herz bis ins Mark. Davide jedoch ist genau das, was Bella nicht ist: er hat vor nichts Angst, fordert das Schicksal geradezu heraus, um sich lebendig zu fühlen. Jazz hat alle Hände voll damit zu tun, Bella in Davides Leben zu schubsen, damit sie nicht nur die erste Liebe genießen kann, sondern endlich auch lernt, sich ihren Ängsten zu stellen…
Ava Blum hat mit „Limonenküsse-Herzklopfen auf Italienisch“ einen unterhaltsamen und amüsanten Roman vorgelegt, der genügend italienisches Flair aussendet, um den Leser in einem Kurzurlaub zu wähnen. Der flüssig-leichte und farbenfrohe Erzählstil in der Ich-Perspektive lässt den Leser sofort mit Hauptprotagonistin Bella verwachsen und gibt ihm die Möglichkeit in ihre Gefühlswelt hineinzublicken. Manches, was man da sieht, lässt einem die Haare zu Berge stehen, aber auch Mitleid empfinden, denn gerade neurotische Macken kommen ja nicht von ungefähr und schränken gerade ihren Träger erheblich in seiner Bewegungsfreiheit ein. Doch die Autorin lässt Bella dies nicht allein durchstehen, dafür gibt es ja Freundin Jazz, die wie ein Fels in der Brandung wirkt. Vor dem Hintergrund eines wunderschön angelegten italienischen Inselsettings erlebt der Leser bei Meeresbrise und Dolce Vita Bellas Entwicklung hautnah mit, während sie sich todesmutig dem Leben stellt. Allerdings schüttelt man als Leser oftmals auch den Kopf über die diversen Aktivitäten, denen sich Davide aussetzt und Bella es ihm gleichtun will, nur um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen und nicht als Versagerin dazustehen. Man sollte so akzeptiert werden, wie man ist und sich nicht verstellen müssen. Der Spannungslevel innerhalb der Geschichte hat ein mittelmäßiges Niveau und bleibt bis zum Schluss beständig.
Die Charaktere sind liebevoll in Szene gesetzt, wirken aber teilweise sehr überspitzt dargestellt. Sicherlich gibt es diese Menschen, deren Leben von Ängsten bestimmt wird oder die sich durch übermäßige Aktivitäten erst lebendig fühlen, doch wird dies hier etwas zu stark in den Fokus gerückt, wobei nicht ernsthaft zu erwarten ist, dass der eine durch sein Verhalten den anderen von seinen Marotten heilt. Der Leser tappt unsichtbar hinter ihnen her, staunt ungläubig über diverse Aktivitäten, die nicht gerade glaubwürdig wirken. Bella besitzt jede nur erdenkliche Angststörung, die es gibt. Das lässt sie natürlich unsicher wirken. Ihr plötzlich aufkommender Mut, Dinge auszuprobieren, nur der Liebe wegen, ist zu einfach und nicht wirklich realistisch, denn meist leiden diese Menschen seelisch und müssen jahrelang ärztlich betreut werden, um kleine Erfolgserlebnisse zu haben. Jazz ist eine Frau mit Herz und einer Engelsgeduld, solch eine Freundin wünscht sich jeder an seiner Seite. Davide hat selbst ein Geheimnis, dass ihn antreibt, an seine Grenzen zu gehen. Aber da gibt es auch noch Pietro, Guisi, Stefano, Rico und einige andere, die in der Handlung abwechslungsreiche Akzente setzen.
„Limonenküsse-Herzklopfen auf Italienisch“ ist eine unterhaltsame Lektüre mit einer Prise Witz, die für eine kleine italienische Auszeit und kurzweilige Lesestunden sorgt. Ganz nett für Zwischendurch.

Veröffentlicht am 03.05.2020

Deutsch-Deutsche Zeitreise

Margos Töchter
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Margos Enkelin Jana Seliger möchte unbedingt mehr über ihre Familiengeschichte herausfinden und hat schon vor längerer Zeit Anträge für Akteneinsicht von Stasiunterlagen an die zuständigen Behörden gestellt. ...

Margos Enkelin Jana Seliger möchte unbedingt mehr über ihre Familiengeschichte herausfinden und hat schon vor längerer Zeit Anträge für Akteneinsicht von Stasiunterlagen an die zuständigen Behörden gestellt. Endlich erhält sie die Erlaubnis dazu und taucht ab in die Vergangenheit ihrer Mutter Leonore und deren Freundin Clara. Dabei deckt Jana ein altes Geheimnis auf…
Leonore wächst in den 60er Jahren gutsituiert in Norddeutschland auf und schlägt etwas aus der Art. Sie wird von anderen als Außenseiterin abgestempelt, findet keinen Anschluss und sucht noch ihren Platz in der Welt. Einzig zu ihrer Brieffreundin Clara, die in der DDR lebt und die sie durch ein gemeinsames Ferienlager kennt, hat sie ein engeres Verhältnis. Leonores rebellische Art und Selbstfindungstrip hält auch während ihrer Jugendzeit und des Studiums an. Währenddessen hat sich Clara dafür entschieden, für den Staatssicherheitsdienst tätig zu sein und für einen wichtigen Auftrag in die BRD zu gehen. Bevor sie die neue Aufgabe antreten kann, bekommt sie ein Kind…
Cora Stephan hat mit „Margos Töchter“ die Fortsetzung von „Ab heute heiße ich Margo“ vorgelegt, jedoch ohne Probleme separat gelesen werden kann. Der flüssige, bildhafte Erzählstil lässt den Leser schnell in die Handlung eintauchen, wo er sich an der Seite von Jana wiederfindet, die er bei der Suche nach ihrer Familiengeschichte begleitet. Die Autorin erzählt ihre Geschichte auf unterschiedlichen Ebenen, so hält der Leser sich nicht nur mit Jana in der Gegenwart auf, sondern erlebt sowohl Leonores als auch Claras Werdegang in den 60er/70er/80er und 90er Jahren mit, wobei sich der eine Teil in der ehemaligen DDR abspielt und der andere in Westdeutschland, und am Ende der Mauerfall steht. Der historische Hintergrund wurde mit der Handlung gut verknüpft und spiegelt nicht nur das beklemmende DDR-Regime und seine Bespitzelungen wieder, sondern lässt auch die Zeit des RAF-Terrors, die Studentenaufstände sowie die Anti-Atomkraftdemos erneut aufleben. Der Leser macht während der Lektüre regerecht eine Zeitreise, wobei alte Erinnerungen hochkommen und wieder sehr real vor dem inneren Auge erscheinen. Obwohl die Zeitreise durch die letzten Jahrzehnte deutscher Geschichte sehr anschaulich eingebunden sind, wirkt die Handlung oftmals sehr zäh und langatmig, was den Lesegenuss etwas schmälert.
Die Charaktere sind wie aus dem täglichen Leben gegriffen, haben menschliche Ecken und Kanten, die sie natürlich und realistisch wirken lassen. Trotzdem bleiben sie für den Leser unnahbar, vielmehr befindet sich dieser auf einem Beobachtungsposten und verfolgt ihr Tun wie durch ein Fernglas. Leonore stammt aus bürgerlichem Hause, ist wissbegierig und neugierig auf die Welt. Sie will alles ausprobieren, vom Leben kosten und ihren eigenen Platz finden. Clara weiß schon sehr früh, was sie vom Leben will und stellt all ihr Handeln und Tun in den Dienst des Regimes. Sie ist ehrgeizig und doch belügt sie sich selbst. Jana ist eine getriebene Frau, die immer das Gefühl hat, dass ihr etwas fehlt. Aber sie lässt es nicht dabei bewenden und versucht mutig, die Lücken in ihrer Biografie zu schließen.
„Margos Töchter“ ist ein interessanter Abriss über die vergangenen Jahrzehnte Deutsch-Deutscher Geschichte, die eigentliche Familiengeschichte findet eher am Rande statt und wird nebenbei abgewickelt. Mangelndes Gefühl, unnahbare Charaktere sowie die streckenweise Langatmigkeit führen leider zu einer eingeschränkten Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 01.05.2020

Ise, die starke Frau im Hintergrund

Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus
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1923. Die 26-jähre Ilse Frank lebt in München und arbeitet in einer Verlagsbuchhandlung. Während eines Kurztrips im Mai nach Hannover mit ihrer Freundin Lise lernt sie den wesentlich älteren Architekten ...

1923. Die 26-jähre Ilse Frank lebt in München und arbeitet in einer Verlagsbuchhandlung. Während eines Kurztrips im Mai nach Hannover mit ihrer Freundin Lise lernt sie den wesentlich älteren Architekten Walter Gropius kennenlernen, der als Gründer des „Bauhauses“ in die Geschichte eingehen wird. Im August trifft sie ihn bei den Eröffnungstagen der Bauhaus-Ausstellung in Weimar wieder und ist von Gropius immer mehr fasziniert, aber die Anziehung beruht auf Gegenseitigkeit, die beiden heiraten im Oktober. Ilse ist von der Bauhaus-Idee dermaßen begeistert und sich um den Spitznamen „Frau Bauhaus“ verdient macht, dass sie schon bald zur gleichberechtigten Partnerin von Walter Gropius avanciert.
Jana Revedin hat mit „Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus“ einen unterhaltsamen und informativen biografischen Roman vorgelegt, den sie mit gut recherchierten historischen Fakten angereichert hat. Sie lässt die inzwischen in Vergessenheit geratene zweite Ehefrau von Walter Gropius, Ilse „Ise“ Frank, wieder lebendig werden, um ihr nachträglich den gebührenden Respekt und die nötige Anerkennung zu zollen und um dem Leser deutlich zu machen, welchen Einfluss Ise in der Bauhaus-Geschichte gehabt hat. Die Autorin kommt als Architektin vom Fach und hat akribische Hintergrundrecherche betrieben, um daraus einen durchaus unterhaltsamen Roman zu stricken, der zum einen zwar fiktiv ist, sich zum anderen aber sehr nah an belegbare Fakten hält. Sie lässt Ise neben Gropius als starke engagierte moderne Frau agieren, was zur damaligen Zeit doch recht ungewöhnlich war und so gar nicht dem Frauenbild entsprach. Obwohl es ein Roman und keine Biografie ist, bedient sich die Autorin einem eher einem sachlichen prägnanten Erzählstil, der eher nüchtern daher kommt und zwar die Fakten preisgibt, jedoch nicht unbedingt Nähe zum Leser schafft, da es an Gefühl und Emotionalität mangelt und auch das gewisse Etwas fehlt. Gerade die Zeit des Nationalsozialismus, unter dem das Bauhaus-Projekt einige Blessuren davon trug, kommt hier leider etwas zu kurz, zumal Ilse als Jüdin auch dieser braunen Gefahr ausgesetzt war.
Ilse besaß neben Selbstvertrauen auch Kreativität und Durchsetzungsvermögen, was ihr Respekt und Ansehen in Künstler- und Architektenkreisen einbrachte. Aber sie auch eine erfolgreiche Strippenzieherin, die Gott und die Welt kennt und ihren Einfluss zu nutzen weiß, um das Bauhaus immer bekannter werden zu lassen und öffentliche Anerkennung zu bekommen. Walter Gropius ist wesentlich älter als Ilse, besitzt Charisma und Überzeugungskraft, war aber auch leicht depressiv, was den Umgang mit ihm für Ilse nicht gerade leicht machte. Viele bekannte Künstler finden in diesem Buch ebenfalls Erwähnung und zeigen auf, wie weitreichend der Einfluss des „Bauhauses“ in der Architektur war und bis heute ist.
„Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus“ ist ein interessanter biografischer Abriss über das Bauhaus und seine Gründer, wobei Ilse Gropius als Charakter hier im Vordergrund steht. Verdiente Leseempfehlung für alle, die sich für historische Persönlichkeiten und für das Bauhaus interessieren.