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Veröffentlicht am 14.03.2023

Furchtloser, selbsternannter Gentleman-Gauner rettet die Fantasywelt

Die Tausend Leben des Ardor Benn
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Als 'außergewöhnlicher Gentleman-Gauner' bezeichnet sich der Titelheld des hier zu besprechenden High-Fantasyromans selbst, als 'Meister von List und Tücke', der gar tausend Leben hat. Im englischen Original ...

Als 'außergewöhnlicher Gentleman-Gauner' bezeichnet sich der Titelheld des hier zu besprechenden High-Fantasyromans selbst, als 'Meister von List und Tücke', der gar tausend Leben hat. Im englischen Original hingegen - „The Thousand Deaths of Ardor Benn“ - stirbt er vielmehr tausend Tode, was im Endeffekt wohl auf das Gleiche herauskommt. Dennoch bin ich einmal mehr verwundert über die Angewohnheit deutscher Verlage – wobei gar nichts gegen Paninibooks spricht! -, Originaltitel zu verdrehen oder nichtssagende eigene Kreationen zu ersinnen.
Wie dem auch immer sei, Ardor Benn nimmt den Mund ein wenig zu voll, denn in Wirklichkeit ist er ein zwar wagemutiger, aber dennoch ganz gewöhnlicher Dieb, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, dass er sich Dinge aneignet, die ihm nicht gehören. Ein Draufgänger und Maulheld ist er, voll von sich selbst, dabei aber zugegebenermaßen recht amüsant und äußerst risikofreudig, denn auch vor den schwierigsten und jedem vernunftbegabten Leser völlig unlösbar erscheinenden Aufgaben schreckt er nicht zurück.
Und eine solche wartet auf ihn in dem umfangreichen Fantasyabenteuer des Amerikaners Tyler Whitesides, der mit dieser seiner ersten Fantasy-Reihe für Erwachsene – in seinem Heimatland bekannt wurde er als Autor von Kinder- und Jugendbüchern – ursprünglich ein Herzensprojekt verwirklichen wollte, für das es keinen Abgabetermin gab. Doch auch Herzensprojekte entwickeln manchmal eine Eigendynamik und, hast du nicht gesehen, der Autor konnte mit dem Fabulieren erst dann aufhören, als eine Trilogie, ein regelrechtes Mammutwerk sogar, entstanden war!
Aber kehren wir zurück zu dem vollmundigen Meisterdieb! Von Ardors ihm weit vorausschallenden Ruf angelockt kommt da nämlich der Priester Eiland Halavend (ja, richtig, der Priester ist eine Insel!) und beauftragt den selbstbewussten Helden mit einer gar schwierigen, umfangreichen, gefährlichen, eigentlich unlösbaren Mission: er soll dem König des Inselreiches, aus dem die Welt, die sich der Autor ausgedacht hat, besteht, zwei Herrscherinsignien entwenden, denn auf dem Spiel stehen, ohne auf Einzelheiten einzugehen, nicht mehr und nicht weniger die Zukunft und das Leben der Inselbewohner!
Für Ardor Benn ist glücklicherweise nichts zu schwer und das Adjektiv 'unmöglich' existiert in seinem Wortschatz nicht. Zudem steht ihm nicht nur Raek, sein Freund aus Kindertagen und für Ardor wie ein Bruder, seines Zeichens mathematisches Genie und Muskelprotz und noch so einiges mehr, wie der interessierte Leser erfahren wird, zur Seite, sondern auch die eigens für die gefährliche Mission angeheuerte Diebin Quarra, eine Romanfigur, der man anfänglich große Sympathie entgegenbringt ob ihrer Unabhängigkeit und Stärke, die als Charakter jedoch leider verliert im Laufe der Handlung, je mehr sie sich zu dem sich für unwiderstehlich haltenden Ardor oder Ard, wie er im Zuge der Namensverkürzungsmanie, in der Geschichte sehr bald schon genannt wird, hingezogen fühlt.
Dass mich der allgegenwärtige Titelheld nicht vom Hocker reißen konnte, da mir grundsätzlich Tausendsassas seiner Art nicht liegen, stellte nur eines der Probleme dar, die ich mit der Lektüre des sage und schreibe 800 Seiten langen, kleingedruckten Werkes hatte, das im Heimatland des Autors mit überwiegend großer Begeisterung aufgenommen wurde. Liest man nämlich Rezensionen von Tyler Whitesides Landsleuten, so ist man ganz geblendet von so viel Überschwänglichkeit, ein Substantiv, das mir schon immer suspekt war!
Ja, jedes Buch, gleich welchen Genres, hat seine Leser – viele mitunter, je nach Güteklasse, oft unverständlich viele. Obschon ich, ohne ein ausgesprochener Fan von Fantasyliteratur zu sein, mich gerne hin und wieder von einem guten Vertreter dieser Gattung begeistern lasse und nach den Vorschusslorbeeren und auch der Inhaltsbeschreibung mit großen Hoffnungen „Die tausend Leben des Ardor Benn“ aufgeschlagen habe, wuchs meine Enttäuschung von Seite zu Seite. Da ich selten ein einmal begonnenes Buch abbreche und dies schon gar nicht innerhalb einer Leserunde tue, habe ich mich weitergekämpft – und dies über mehr als zwei Monate. Ein Lesezeitraum, der keinem Buch wirklich bekömmlich ist! Überfliegen, wie ich das zeitweise versuchte, ging nicht, denn so war es leicht, wichtige Details, die zwar spärlich, aber willkürlich über das gesamte Buch verteilt sind und deren Kenntnis einfach notwendig ist, um der Handlung folgen zu können, zu übersehen. Darüberhinaus ist das Werk so voller Details, dass man die wichtigen manchmal nicht von den unwichtigen und daher vollkommen überflüssigen unterscheiden kann. Streicht man die übrigens weg, bleiben kaum mehr als 300 Seiten übrig...
Desweiteren hatte ich von Anfang an mit der eintönigen, gleichförmigen, langweiligen Sprache Probleme – die im krassen Gegensatz steht zu der so komplexen, ganz und gar fremdartigen Welt, in der der Autor sein Herzensbuch spielen lässt, und die da ein Insel-Archipel ist, deren Hauptschauplatz, die Hauptstadt Beripent, auch Heimatort des Gauners Benn ist. Dazu noch hat der unbestreitbar phantasiebegabte Whitesides ein kompliziertes und gar verwundenes, offensichtlich nur von ihm selbst und den amerikanischen Fans zu verstehendes magisches System ersonnen, das sowohl auf Physik und Chemie, als auch auf Religion basiert, wobei die Magie in direktem Zusammenhang steht mit den auf der Insel Pekal lebenden Drachen, die allerdings vom Aussterben bedroht und in der Handlung wenig mehr als Mittel zum Zweck sind – was ich schade finde, denn wäre ihnen mehr Aufmerksamkeit zuteil geworden, hätte dies die Geschichte aufwerten können. Gezaubert wird, so muss man wissen, nämlich mit einer Substanz namens 'Malm', von dem es unterschiedliche Typen zu unterschiedlichen Zwecken gibt und das nichts anderes ist als pulverisierte Drachenkacke (der beste Malmmischer des Reiches ist, nebenbei gesagt, Ardors Freund Raek!) Dieses Malm wiederum heißt 'Grit' im englischen Original, zu dem ich nach der Hälfte der Lektüre meine Zuflucht genommen hatte, allzumal es ein, in der deutschen Ausgabe fehlendes, Glossar am Ende des Buches gibt, was definitiv eine Hilfe ist. Umso unverständlicher, dass es in der deutschen Version einfach unter den Tisch gefallen ist. Seltsam, dachte ich, wir Deutschen nehmen doch nur allzu willig jedes Modewort und auch noch andere, völlig überflüssige Anglizismen in unsere Sprache auf – warum müssen aber Ausdrücke, die im Grunde Phantasiewörter sind, in weitere Phantasiewörter 'übersetzt' werden? Und es ist ja nicht nur 'Grit', sondern es ist noch unzählig viel anderes aus den 'Tausend Leben' beziehungsweise 'Tausend Tode'!
Eines muss man dem Autor fairerweise zugute halten: seine Ideen sind originell und unterscheiden sich vom Mainstream, so wie ich die fantastische Welt, die er sich ausgedacht hat, interessant, spannend, auch verheißungsvoll finde. Die Umsetzung dieser Ideen wiederum empfinde ich als über weite Strecken nicht gelungen. Leider bleiben auch die handelnden Personen an der Oberfläche, haben keine Tiefe und deshalb auch nicht das Potential, zu berühren. Allerdings – und das ist löblich! - ist der Autor nicht der Versuchung erlegen, den ersten Band seiner Trilogie mit einem Paukenschlag oder, auf gut Deutsch, 'Cliffhanger' enden zu lassen. Das Buch hat einen Abschluss, und das ist gut so! Was immer noch mit und um Ardor Benn geschehen mag mögen die vielen begeisterten Anhänger des Gentleman-Gauners gerne ohne mich herausfinden!

Veröffentlicht am 13.03.2023

Starke Geschichte mit beachtlichem Informationswert

Der Kelch der Wiederkehr
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Wäre mir Matthias Bielings Roman „Der Kelch der Wiederkehr“ nicht im Rahmen einer Leserunde begegnet, hätte er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nie den Weg zu mir gefunden, die ich mich zugegebenermaßen ...

Wäre mir Matthias Bielings Roman „Der Kelch der Wiederkehr“ nicht im Rahmen einer Leserunde begegnet, hätte er mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nie den Weg zu mir gefunden, die ich mich zugegebenermaßen bei der Auswahl meiner Lektüre oft genug auch durch das Cover inspirieren lasse. Die für den komplex-kompliziert-verwundenen Roman, den ich auch nach beendeter, streckenweise recht mühevoller Lektüre weder dem Genre Krimi noch Thriller eindeutig zuordnen konnte, gewählte Umschlagsgestaltung empfinde ich als verunglückt und was immer darauf zu erkennen sein soll stellte, und stellt mich nach wie vor, vor ein Rätsel, lässt mich jedoch darüber nachsinnen, wie viele wirklich gute Bücher ungelesen bleiben, weil sie in einem so wenig ansprechenden Kleid daherkommen.
Nun, man sollte besser also auch den unansehnlichen Büchern einen zweiten Blick widmen, sie womöglich gerade dann zur Hand nehmen, den Covertext sorgfältig lesen, der im Übrigen den Ausschlag gab, dass ich mich näher mit Matthias Bielings Erstling beschäftigt habe, denn er ist so vollgepackt, dass ich ihn zweimal lesen musste, um eine Ahnung zu bekommen, was da auf mich als Leserin warten würde. Und genau das weckte natürlich meine Neugierde, denn der schwachen und oft irreführenden Covertexte gibt es genug!
Eine intelligente, aber nicht einfach zu lesende Geschichte, wie ich alsbald feststellte, die von mannigfachen Personen, seien es Handlungsträger oder bloße Nebenfiguren, bevölkert wird, die man erst einmal sortieren musste, um sie schließlich, nach und nach freilich, manche davon erst am Ende des Buches, einordnen zu können. Das gilt übrigens auch für die Handlung selbst! Da so viele Schauplätze aufgemacht wurden, war über weite Strecken so klar nicht, worum es eigentlich geht in dem 'Fall' – der ebenso wenig klar umrissen ist -, in den sich der Dortmunder Privatdetektiv Jupp Koslowski verbeißt, der zufällig des Weges kommt, als die Polizei einen, wie bald klar wird, ermordeten Krankenwagenfahrer auffindet, was allerdings nur der Beginn einer ungeheuerlichen Geschichte sein sollte, bei der nicht nur Jupp die Haare zu Berge stehen würden. Aus irgendeinem Grunde, vielleicht aus echtem Interesse, vielleicht wegen der schönen Augen der Witwe des Opfers, vielleicht auch nur deswegen, weil gerade Flaute herrscht in seiner Detektei, verfolgt er Spuren, die so vage sind, dass er sich eher blind vorantastet als ziel- und planvoll zu Werke zu gehen.
Ziel- und Planlosigkeit scheinen dem Detektiv, aus dessen Blickwinkel die gesamte Geschichte erzählt wird, eigen zu sein. Doch kann man dies nur mutmaßen, denn Jupp hält zwar unendlich viele und lange innere Monologe, mit denen er die Leser an seinen vielfältigen Beobachtungen teilhaben lässt, die sich zu großen Teilen auf die Physiognomie derjenigen beschränken, die ihm während seiner eher intuitiven als zielgerichteten und von handfesten Verdachtsmomenten untermauerten Ermittlungen über den Weg laufen und die vollkommen subjektiv sind, aber er selbst, seine Person und Persönlichkeit bleiben im Dunkeln. Nur scheinbar freilich, denn bei genauem Lesen – und ohne dieses würde man sich hoffnungslos verirren in dem vielschichtigen Plot mit hohem Informationswert zu den unterschiedlichsten Themen – kann man sich aus den vielen, nicht auf den ersten Blick ersichtlichen, über die Handlung verstreuten Versatzstücken ein recht schlüssiges Bild des Privatdetektivs machen, das dann aber, wie Jupps eigene Beobachtungen, natürlich subjektiv bleibt. Halten wir ihm also der Einfachheit halber zugute, dass er geschult oder sehr talentiert ist in der spontanen Einschätzung seines Gegenübers, zumal er am Ende des Romans, an dem er endlich einmal Klartext redet und sämtliche Handlungsstränge logisch zusammenführt, tatsächlich in Vielem rechtbehalten soll.
Da jede Rezension die Meinung des Rezensierenden widerspiegelt und nicht darin bestehen sollte, das zu besprechende Werk nachzuerzählen, verweise ich an dieser Stelle auf die so aussagekräftige wie aber auch verwirrende Inhaltsbeschreibung auf dem Cover, die ich wiederum als sehr geglückt betrachte, gaukelt sie dem potentiellen Leser doch, wie – und hier wiederhole ich mich – das leider nur allzu oft zu erleben ist, nichts vor, was er in dem Roman dann vergeblich sucht! Hoffnungen, die sie erweckt, werden erfüllt, freilich auf lange undurchsichtigen und labyrinthartigen Pfaden, was zum einen der Komplexität der Handlung geschuldet ist, aber zum anderen der Art und Weise, auf der der Autor seine Geschichte erzählt und die sich durchaus abhebt von der üblichen Roman- oder Krimi- oder Thrillerkost - und die ich als gewöhnungsbedürftig bezeichnen möchte. Im positiven Sinne, denn der Autor traut seinem Leser etwas zu, fordert ihn zum Mit- und Andersdenken auf, setzt seine Spannungselemente auf seine Art, ist auch, wie man in den äußerst befriedigenden Schlusssequenzen erfahren kann, immer fair dem Leser gegenüber. Keine Blindfährten und - außer Jupps langatmigen Beobachtungs- und Bewertungsmonologen – kein Wort zu viel, was bedeutet, dass auch die beim ersten Lesen unwichtig und zu vernachlässigen erscheinenden Kleinigkeiten am Rande und fast beiläufig gegebene Informationen von Bedeutung sind und sich während des Fortgangs des Geschehens nahtlos einfügen, gar wie zufällig auf den ihnen gebührenden Platz in dem großen Mosaik fallen, das der Autor durchaus genial entworfen hat, und das zu enträtseln ich zunehmend als spannende und anspruchsvolle Herausforderung betrachtet habe. Bleiben wir also neugierig auf Jupp Koslowskis nächsten Einsatz!

Veröffentlicht am 20.02.2023

Die Pokornys können es nicht lassen...

Mordsradau in Bad Vöslau
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Nachdem ich den größtenteils in Bad Vöslau im Wiener Speckgürtel angesiedelten Kriminalroman endlich gelesen hatte – es wollte einfach nicht vorangehen -, war ich doch zumindest sicher, mich recht gut ...

Nachdem ich den größtenteils in Bad Vöslau im Wiener Speckgürtel angesiedelten Kriminalroman endlich gelesen hatte – es wollte einfach nicht vorangehen -, war ich doch zumindest sicher, mich recht gut in dem Kurort, respektive in seiner vielfältigen Gastronomie, auszukennen! In der Tat widmet der Autor den kulinarischen Genüssen beinahe mehr Zeit als dem zähen, wirklich nicht spannenden Fall, wenn man einmal die letzten 50 von beinahe 400 Seiten ausnimmt. Aber natürlich ist es weitaus interessanter, die beiden Protagonisten und Hobbydetektive Willi und Toni, nebst Hündin Maxime agieren zu lassen, was bedeutet, sie ständig in ihre Stamm- und auch andere Lokale zu begleiten – da gibt es feste Gewohnheiten, wann und wo und was gegessen wird! -, als sich mit dem ätzenden, dreckigen, betrügerischen, geldgeilen Immobiliengeschäft zu befassen, dessen hiesiger Verband derzeit ein Vorstandsmitglied nach dem anderen durch den Tod verliert. Unfälle, so heißt es, aber so richtig daran glauben kann Mochacek, Obmann des Verbandes, nicht. Was also liegt näher, als privat Ermittlungen anstellen zu lassen? Von eben jenen Pokornys, die als Privatschnüffler anscheinend eine Art Berühmtheit erlangt haben – was man vermutlich im Vorgängerband, der gleichzeitig der erste Band der Reihe ist, lesen kann.
Nun, eigentlich gegen ihren Willen sagen die beiden so gegensätzlichen, aber dessen ungeachtet wunderbar miteinander harmonierenden Eheleute Pokorny zu, zumal der arbeitslose Willi und die halbtagsbeschäftigte Toni ohnehin jede Menge freie Zeit haben. Das wenigstens sollte man meinen, doch unterschätzt man dabei den breiten Raum, den die Nahrungsaufnahme einnimmt, besonders bei dem nicht gerade schlanken Willi. Tatsächlich hat man den Eindruck, dass er den Großteil seiner freien Zeit dem Verzehr seiner zahlreichen, durchweg kalorien- und cholesterinreichen Lieblingsspeisen in seinen bevorzugten Gaststätten und Restaurants, auch Kantinen fallen darunter, widmet. So recht klargeworden ist mir freilich nicht, wie die beiden sich das ewige Auswärtsessen leisten können, obschon sie, worauf aber nicht näher eingegangen wird, eine Erbschaft gemacht haben. Was ist überhaupt der Beruf des konservativen, den technischen Errungenschaften gegenüber skeptisch, um nicht zu sagen ablehnend eingestellten Gewohnheitsmenschen Willi Pokorny, der in der Schule, auch das wird nebenbei erwähnt, immer der Klassenbeste war? Und – wenn er schon so gerne Detektiv spielt – warum gründet er nicht ganz offiziell eine Detektei? Schon um den ständigen Reibereien mit der allseits ungeliebten, aggressiv-cholerischen Chefinspektorin Ottilia Wehli aus dem Weg zu gehen, die es partout nicht leiden kann – verständlicherweise -, wenn die Pokornys ihre neugierigen Nasen in Dinge stecken, die sie nun wirklich nichts angehen! Und die zu allem Überfluss auch noch von Willis Schulfreund, dem Gruppeninspektor Sprengnagl, mit internen Ermittlungsinformationen gefüttert werden. Obgleich die Chefinspektorin als unsympathisch dargestellt wird, ihr zudem auch noch der Hauch der Unfähigkeit anhaftet, fühle ich mit ihr, denn solche Wichtigtuer wie die Pokornys (stimmt schon, es will mir nicht recht gelingen, sie so toll zu finden wie sie sich selbst und gegenseitig und wie das offensichtlich auch vom Autor gewollt ist) können anstrengend sein und man wird ihrer, als Leser sowie als jemand, dem sie immerzu munter ins Handwerk pfuschen, alsbald überdrüssig.
Wie dem auch sei, um den Krimi zu mögen, sollte man auch den Pokornys positiv gegenüberstehen und nicht genervt auf den nächsten Schlamassel warten, in den sie so gerne hineingeraten und von denen einer absurder und klamaukhafter gerät als der nächste. Überhaupt – Klamauk! Dieses Wort wird großgeschrieben in dem langatmigen Krimi, ein wenig zu groß. Das nutzt sich ab, wird langweilig, bringt mich zum Augenrollen.
So langweilig wie die ganze verwerfliche Immobilienbranche (die wie ich finde, keine gute Themenwahl für einen Krimi ist), in der ein ruchloser Mörder umgeht, ist leider auch die gesamte verschlungen-verworrene Geschichte, wenn man die Slapsticks mal überliest. Und dass die beiden ersten Toten von jemandem im Hintergrund, der, wie es scheint, einen gewaltigen Hass auf die Branche und seine moralfreien Vertreter hat, ins Jenseits befördert wurden, wird spätestens dann klar und von der behäbigen Polizei als untersuchenswert eingestuft, als noch weitere Immobilienmakler das Zeitliche segnen. Und diesmal eindeutig weder durch Unfall noch aufgrund natürlicher Umstände. Die Ermittlungen sind mühsam, ziehen sich in die Länge, immer wieder aufgelockert durch die Scharmützel, die sich Inspektorin Wehli mit den Pokornys liefert, die ihr stets mehrere Schritte voraus sind. Was Wunder, haben sie doch in der schrulligen, wider Willen witzigen, vor allem aber stets bestens informierten Liesl Katzinger, ihres Zeichens Kettenraucherin, Nervensäge vom Dienst und Ortszeitung, eine nicht zu unterschätzende Verbündete! Eine Geheimwaffe sozusagen, die der Wehli abgeht, auch weil letztere sich durch ihre schroffe Art einfach keine Freunde machen kann. So sind die Szenen, in denen die gewitzte alte Dame, immer in den abenteuerlichsten Bekleidungen, und die Pokornys miteinander agieren, die besten des gesamten langen, oft aberwitzigen Romans mit Krimielementen. Ohne die, wiewohl anstrengende und zänkische, dabei fürchterlich empfindliche Liesl wäre die Geschichte ganz und gar ihrer Seele beraubt.
Aber suchen wir weiter nach den positiv zu Buche schlagenden Elementen! Die Auflösung des Falles ist gut, ist überraschend, wertet den Roman auf, mit dem Österreicher vermutlich besser zurechtkommen als Deutsche, hat er doch ein ganz bestimmtes, ganz eigenes Flair, das man bei deutschen Regionalkrimis nicht kennt, daher nicht gewohnt ist und vielleicht auch nicht zu schätzen weiß. Überraschend viele Ausdrücke waren mir nicht geläufig, was ich aber nicht als nachteilig empfinde, denn da ich Sprache ebenso sehr mag wie der Willi Pokorny, habe ich gerne dazugelernt. Und nein, ich hatte den leicht durchgeknallten Übeltäter nicht im Visier, hätte aber auf ihn kommen müssen, denn allzu viele Verdächtige waren dann bald ja nicht mehr übrig.
Doch die positiven Aspekte ändern nicht viel an meinem Gesamteindruck, der mich den Krimi bestenfalls als mittelmäßig einstufen lässt. Aber Bücher sind halt Geschmackssache, wie so vieles im Leben. Sie müssen nur die geeigneten Leser finden, die sie zu schätzen wissen. Und liest man vorhandene Kritiken und Rezensionen durch, so gibt es genügend Leser, die genau das tun. Gut so!

Veröffentlicht am 19.02.2023

In Krähfeld sagen sich die Füchse gute Nacht - oder vielleicht doch die Wölfe?

Der Wald heult - Ein Fall für Martha & Mischa
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Als Tierschutz-Krimi ist der hier zu besprechende Roman für Kinder apostrophiert, der als Auftakt einer Reihe um die Zwillinge Martha und Mischa gedacht ist, die ganz und gar gegen ihren Willen von den ...

Als Tierschutz-Krimi ist der hier zu besprechende Roman für Kinder apostrophiert, der als Auftakt einer Reihe um die Zwillinge Martha und Mischa gedacht ist, die ganz und gar gegen ihren Willen von den Eltern von Wien aufs Land umgesiedelt werden. Das ist hart, kannten – und liebten – sie doch bisher nur das Großstadtleben. Wien war ihr Lebensmittelpunkt, hier hatten sie ihre Freunde, hier gingen sie zur Schule und zu ihren Freizeitaktivitäten. Klar, sie lebten beengt und mussten sich ein Zimmer teilen, was auch nicht immer eitel Sonnenschein war. Doch hätten sie sich mit Freuden dreingefunden, wenn die Eltern nur nicht über ihre Köpfe hinweg beschlossen hätten, dass mit dem Stadtleben nun Schluss sei. All die verlockenden Beschreibungen des geräumigen Hauses mit großem Garten im ländlichen Krähfeld konnten die beiden Zwillingsgeschwister nicht aus ihrem Schockzustand herausreißen – und als sie dann das alte, abseits gelegene Haus, das von nun an ihre neue Wohnstatt sein würde, mit eigenen Augen sahen, waren ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Sie und Krähfeld, wo sich die Füchse und Hasen gute Nacht sagen, würden nie Freunde werden! Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! Eine Erfahrung, die die meisten Menschen, Kinder wie Erwachsene, im Laufe ihres Lebens ein ums andere Mal machen....
Die lebhafte und forsche Martha und ihr zurückhaltender, eher wortkarger Zwillingsbruder sind schließlich mit ihren etwa zehn Jahren noch jung genug, um sich auf etwas komplett Neues einzustellen, auch wenn sie sich zu Beginn weigern, ihre ablehnende Haltung zu ändern und den Eltern gegenüber, die schon ein einigermaßen schlechtes Gewissen haben, weil sie ihre Großstadtpflänzchen so eigenmächtig und ohne sie nach ihrer Meinung zu fragen – die naturgemäß gegen einen so drastischen Umzug ausgefallen wäre – ins vermeintliche Nirgendwo verpflanzt haben, weiterhin auf stur schalten. Klar, das im Vergleich zur Stadtwohnung riesige alte Haus macht ihnen die ersten Tage Angst, und vor allem in den Nächten verkriechen sie sich, wie gehabt, gemeinsam im Zimmer entweder Marthas oder Mischas, zumal etwas richtig Gruseliges ausgeht von dem alten Gemäuer! Mehr noch freilich von dem direkt an ihren Garten angrenzenden Wald, aus dem gar schauerliche Geräusche kommen, die die Kinder gleich als das Heulen eines Wolfes identifizieren. Oder gar eines ganzen Wolfsrudels?
Aber – es ist Sommer, und tagsüber sind die nächtlichen Ängste verschwunden oder verlieren doch wenigstens ihren Schrecken. Sehr bald schon, was zu erwarten war, finden die Zwillinge Anschluss an die übrigen Kinder, die in Krähfeld leben – ihre Anzahl ist überschaubar! -, und gemeinsam beschließen sie, dem nächtlichen Heulen auf die Schliche zu kommen. Und damit, auf den letzten etwa 30 von 157 Seiten, beginnt der sogenannte 'Tierschutzkrimi', der ein bisschen dünn ist, wie ich meine, und von dem sich so mancher junge Leser sicherlich mehr versprochen hätte.
Davon abgesehen aber ist die Geschichte flott und fröhlich – einmal aus Marthas, einmal aus Mischas Perspektive – erzählt. Der Versuchung, die zehnjährigen Kinder wie weise Erwachsene reden zu lassen, haben die beiden Autoren überwiegend widerstanden, wiewohl gerade Martha manchmal sehr altklug und unglaublich schlagfertig für ein Kind, das sie schließlich noch ist, daherkommt. Aber nun, solche Kinder gibt es natürlich auch, in der Regel sind es nicht die allersympathischsten, was bei Martha und ihrem ihr trotz aller Unterschiede eng verbundenen Zwillingsbruder zum Glück nicht der Fall ist. Beide sind nette Kinder, so liebenswert wie gänzlich normal und mit dem Herz auf dem rechten Fleck – Kunststück bei so unkonventionellen und rundum angenehmen Eltern! Junge Leser können sich leicht mit den Zwillingen identifizieren und mit ihnen und den anderen Kindern, ihren neuen Freunden, die sie doch eigentlich gar nicht finden wollten im Dorf Krähfeld, jede Menge Spaß haben. Naja, zugegeben, spannend wird’s dann zum Schluss auch, in Maßen...
Nicht begeistern jedoch konnte mich, abgesehen vom schön gestalteten Cover und den Vorsatzblättern, die zum Glück nur spärlich eingestreuten Illustrationen, die ich als zu kindlich und kärglich stilisiert empfinde. Das hätte Mischa, der nicht nur ein leidenschaftlicher Fußballer sondern auch ein begabter Zeichner ist, vermutlich besser hinbekommen....

Veröffentlicht am 19.02.2023

Ein Kuscheltier-Monster sorgt für Ordnung

Alex und die Monster
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Alex oder Agus, wie er im spanischen Original heißt, ist ein sympathischer, aber ausgesprochen unordentlicher und vergesslicher Junge. Sein Zimmer versinkt im Chaos, die sich täglich wiederholenden Mahnungen ...

Alex oder Agus, wie er im spanischen Original heißt, ist ein sympathischer, aber ausgesprochen unordentlicher und vergesslicher Junge. Sein Zimmer versinkt im Chaos, die sich täglich wiederholenden Mahnungen seiner Mutter, endlich aufzuräumen, lassen ihn kalt. Schule ist auch nicht sein Ding und Hausaufgaben schiebt er so lange auf, bis ihm ganz entfallen ist, dass da noch etwas zu machen ist. Dass er deshalb ständig in Schwierigkeiten gerät und die ihm unliebe Klassenstreberin, die zu allem Überfluss auch noch in der Wohnung neben ihm wohnt, um Rat fragen muss, nimmt er zwar innerlich seufzend, aber billigend in Kauf. Nachdem ihm in der Schulbibliothek beim unerlaubten Versteckspielen einige Bücher zu Boden gefallen waren, die er – natürlich! - vergessen hat, wieder einzusortieren, wird er zur Strafe zum Ausräumen des Büchereilagers beordert – Widerstand zwecklos – und entdeckt dabei ein orangefarbenes Etwas, wohl ein Plüschtier, das dort vergessen vor sich hin gammelt. Emma, die Bibliothekarin, schenkt es ihm – und von nun an wird Alex-Agus' Leben nicht mehr dasselbe sein!
Zuhause nämlich entpuppt sich das vermeintliche Stofftier als lesewütiges Monster, das dem 'ganz normalen Jungen', als der Alex sich selber bezeichnet (nun ja, vielleicht untertreibt er da ein wenig, denn er ist wirklich ein absoluter Chaot, der lieber Strafen und Sanktionen erträgt, als zu tun, worum er ohnehin nicht herumkommt), tüchtig Dampf macht, ihn aber auf eine Weise aus seiner Lethargie reißt, wie er es nie für möglich gehalten und auch gar nicht für erstrebenswert gehalten hätte. Plötzlich entdeckt Alex-Agus, wie toll Bücherlesen sein kann, kann sich dieser Erkenntnis gar nicht entziehen, denn Mr. Flat, als der sich das Monster vorstellt, besteht darauf, dass Alex alle Bücher aus seinem Bestand, in die er zuvor nie einen Blick geworfen hatte, heranschleppt, um sie gemeinsam wenn schon nicht ganz, so aber doch ausschnittweise zu lesen. Dabei erfährt der Junge auch von der großen Familie des Mr. Flat, die in alle Winde verstreut wurde, nachdem ein gewisser Dr. Brat sie zusammen mit seinem Kumpan Nap aus dem 'Buch der Monster' herauskatapultiert hatte. Alex verspricht seinem neuen Freund Mr. Flat, ihm bei der Suche nach dem garstigen Dr. Brat und der Heimstatt der Monster, eben jenem Buch, zu helfen, doch bis er sein Versprechen in die Tat umsetzen kann, muss der Junge noch einige Aufregungen überstehen, für die er durch seine Schludrigkeit beste Vorarbeiten geleistet hat...
Der Autor der Agus-Serie, der Katalane Jaume Copons, ist ein in seiner Heimat sehr bekannter Kinderbuchautor oder, wie er sich selber sieht, Geschichtenerzähler – was man nur bestätigen kann, wenn man Alex erstes Abenteuer gelesen hat! Seit 2014 schreibt er die von Liliana Fortuny illustrierten comicartigen Bücher um Agus – mit großem Erfolg, wie man liest! Und nun hat also der erste Band auch seinen Weg nach Deutschland gefunden und es bleibt zu hoffen, dass der Verlag 'Edition Helden' demnächst auch die weiteren mehr als zwanzig Folgebände herausbringen wird! Eigentlich herausbringen muss, denn am Ende des hier zu besprechenden Buches beginnt die Geschichte erst so richtig! Der zu Alex mutierte Agus hat ja schließlich Mr. Flat, der einen in jedweder Hinsicht positiven Einfluss auf ihn hat, ein Versprechen gegeben. Und es ist für den wie umgewandelten Jungen Ehrensache, dieses auch zu halten!
Ja, manchmal braucht man etwas im Leben, das einem die Richtung weist, das einen Dinge tun lässt, ganz freiwillig, vor denen man sich immer gedrückt hat, der einen motiviert und die Folgen des eigenen nachlässigen Handelns vor Augen führt. Erst dann ist man oft bereit, Verantwortung zu übernehmen. Ein Buch mit Botschaft also? Ja, das könnte man meinen, aber da dies das erste (Comic-)Kinderbuch ist, das ich von Jaume Copons lese, kann ich dies nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls wird die 'Botschaft' nicht mit dem Holzhammer vermittelt, wie man das häufig in sogenannten lehrreichen, pädagogisch wertvollen Kinderbüchern findet (wobei in sehr vielen von diesen die Unterhaltung, der Spaß, regelmäßig zu kurz kommen), sondern sachte und humorvoll. Das gefällt mir als Erwachsener und sicher genauso der jungen Zielgruppe. Und die Art, wie hier ein Comic zwischen Erzählpassagen eingebaut ist, finde ich ebenso originell und clever zugleich, zudem ich mir gut vorstellen kann, dass sich auch ausgesprochene Lesemuffel auf so etwas einlassen.
Der einzige wirkliche Schwachpunkt des Buches sind für mein ganz persönliches Empfinden jedoch die als Karikaturen angelegten Illustrationen der Liliana Fortuny, die ich weder witzig noch gekonnt finde, sondern die mir teilweise als liebloses Gekrakel, wenn auch mit Wiedererkennungswert, erscheinen. Ein Comic halt? Nun, ich kenne großartige Comic-Zeichner, die natürlich mehr oder minder die Wirklichkeit verzerren, dabei aber nie ein solch unüberschaubares Durcheinander anrichten, wie die Illustratorin der 'Alex und die Monster'-Reihe. Aber nun, alles ist eben eine Frage des Geschmacks – und nach dem riesigen Erfolg zu urteilen, den die Serie in Spanien hatte respektive immer noch hat, stört sich außer mir offenbar niemand am karikierenden Stil der Zeichnerin....