Ein Amerikaner in Paris
Giovannis ZimmerDer Amerikaner David lebt mehr schlecht als recht im Paris der 50er Jahre. Er läßt sich treiben, zieht durch die Bars und Cafés. Seine Freundin ist nach Spanien gereist, um über seinen Heiratsantrag nachzudenken. ...
Der Amerikaner David lebt mehr schlecht als recht im Paris der 50er Jahre. Er läßt sich treiben, zieht durch die Bars und Cafés. Seine Freundin ist nach Spanien gereist, um über seinen Heiratsantrag nachzudenken. In ihrer Abwesenheit begegnet David dem Italiener Giovanni und hat nun nicht mehr die Kraft, sich abzuwenden, die Anziehungskraft ist zu groß. Bereits bei dieser ersten Begegnung wird David prophezeit, wie diese Beziehung enden wird: "Du wirst sehr unglücklich werden. Denk an meine Worte." (S. 50)
Bald schon zieht der Amerikaner wegen Geldmangels in das titelgebende kleine Zimmer Giovannis, dessen heruntergekommener Zustand für David sein eigenes Ich widerspiegelt. Die Liebe, die er für Giovanni empfindet, läßt ihn diesen gleichzeitig hassen. Er macht Giovanni für seine eigene empfundene Scham und Panik verantwortlich. Schließlich will er dem Zimmer nur noch entkommen.
Auch wenn die Zeit, die David und Giovanni in dem Zimmer verbringen, gar nicht lang ist, steht es doch im Zentrum des Romans. Rein äußerlich dadurch, dass seine Beschreibung genau in die Mitte des Textes fällt. Die Wände rücken für David mit der Zeit immer enger zusammen und scheinen ihn zu erdrücken. Giovanni schlägt eine Wand auf, um ein Bücherregal einzubauen. Eine schöne Metapher, für den Versuch, die Enge des Zimmers für David zu weiten.
Baldwins Buch besticht u.a. durch die Darstellung der Pariser Szene der 1950er Jahre, in der sich die beiden Protagonisten bewegen. Schonungslos schreibt er, der Schwarze Autor, über weiße "alte Tunten" und junge Männer, die sich diesen oft angeekelt mehr oder weniger an den Hals werfen und so zu überleben versuchen. Wie viel Geld können sie diesen abpressen, bevor es die Jungen nicht mehr aushalten?
Die Geschichte wird aus der Perspektive von David erzählt und enthält daher viele Gedanken und Selbstgespräche über dessen Situation. Die Zerrissenheit macht Baldwin ganz deutlich: David schämt sich für sein Begehren, sein Schwulsein und hat Angst, dadurch in die Szene abzurutschen, die er eigentlich verachtet; darum will er aus dem Zimmer fliehen und Giovanni zurücklassen. Mit ihm ist kein amerikanisches Standardleben möglich.
Das Buch ist sehr eindrücklich und es hat mir gut gefallen. Es läßt einen aber auch betroffen zurück, mit einem Gefühl, dass hier jemand verraten, ja geradezu geopfert wurde, weil er nicht in die Gesellschaftsordnung passt. Ich habe den Roman vor allem gelesen, weil in "Im Wasser sind wir schwerelos" darauf Bezug genommen wird. Das Buch von Tomasz Jedrowski habe ich dann anschließend gelesen und das war eine gute Wahl.
Interessante Einblicke in das Leben des Autors James Baldwin und Parallelen zum Roman, der seinerzeit vom amerikanischen Verlag abgelehnt wurde, finden sich im Nachwort von Sasha Marianna Salzmann.