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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.07.2023

Zu glatt

Rückkehr nach Mendocino
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Michael Holm ist ein Sänger, den ich früher oft im Fernsehen gesehen habe. Daher war für mich klar, dass ich die Autobiografie anfordern werde. Für mich ist es ein schönes Buch, aber leider ohne Ecken ...

Michael Holm ist ein Sänger, den ich früher oft im Fernsehen gesehen habe. Daher war für mich klar, dass ich die Autobiografie anfordern werde. Für mich ist es ein schönes Buch, aber leider ohne Ecken und Kanten.

Worum geht es?

Michael Holm umreißt sein Musiker- und Liebesleben von seinen Anfänger als Kind bis heute. Schwerpunkte sind seine Karriere als Sänger, sein Wandel zum Produzenten und Musikverleger, ein Projekt "Cosco", sein Comeback als Produzent von "Guildo Horn".

Wie hat mir das Buch gefallen?

"Rückkehr nach Mendocino" hat sich angefühlt, als ob einem der Künstler in einer Bar sein Leben erzählt: Er ist wertschätzend und betont eher das Positive. Negatives wird erwähnt, aber nicht ausgebreitet. Oft lese ich "Darauf kommen wir später noch zurück", was nett ist, aber ein bisschen füllend wirkte. Holm versucht spannend zu erzählen, aber nicht tief reflektiert.

"Michael Holm" wirkt im Buch wie ein Mensch, der dankbar ist für sein Leben. Aber keiner, der mit sich kämpft und grübelt. Während man bei anderen Künstler:innen innere Konflikte spürt und zum Nachdenken angeregt wird, war das hier nicht der Fall. Dadurch fühlte ich mich als Leser:in dem Künstler auch nicht so nah.

Ich hab eine Menge gelernt, über den Prozess des Musik-Machens, aber irgendwie war es zu glatt. Mir fehlte an einigen Stellen die Leidenschaft. Aber wahrscheinlich dachte Holm, dass das für den Leser/ die Leserin nicht spannend ist.

Gut ist, dass Holm überwiegend chronologisch erzählt, nur machmal abdriftet. Ich habe gut den Überblick behalten.

Interessant fand ich, mit wie vielen Künstler:innen Holm vernetzt war, besonders Giorgio Moroder, und dass er keine Kritik an ihnen übt, sondern eher witzig erzählt. An manchen Stellen wirkte er ein bisschen zu selbstbewusst, aber das war ok. Über die Arbeit eines Musikverlages erfährt man manches. Aber ich hätte man an diesen Stellen mehr Erklärungen gewünscht, weil mir das Basis-Wissen fehlt.

Zur Entstehung von Songs liest man ein paar Zeilen, aber magisch war's nicht. Denn vieles ist einfach Zufall.

Fazit

"Rückkehr nach Mendocino" ist ein nettes Buch, das mich nicht aufgeregt hat. Aber irgendwie hat es mich enttäuscht, weil es nicht so tief in den Musiker und Menschen "Micheal Holm" eintaucht. Es fühlt sich genauso an wie die schicken Promo-Fotos, auf denen man Holm immer gleich gucken sieht.

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Veröffentlicht am 02.07.2023

Meta, meta, meta

Sie sind doch DER LEHRER, oder?
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Ich lese Autobiografien gerne, um in das Leben anderer Menschen einzutauchen. Dabei gehe ich ihren Weg nach und lerne etwas über mich. Dieses Buch lässt den entscheidenden Teil meistens weg - die Lebensgeschichte. ...

Ich lese Autobiografien gerne, um in das Leben anderer Menschen einzutauchen. Dabei gehe ich ihren Weg nach und lerne etwas über mich. Dieses Buch lässt den entscheidenden Teil meistens weg - die Lebensgeschichte. Es ist ein Essay. Ein extrem langer Essay mit ein paar Anekdoten. Wer sich gern mit tiefen Gedanken beschäftigt, wird hier Spaß haben. Ich wollte mehr über den Schauspieler, seine Wurzeln und seine Arbeit erfahren. Das habe ich nicht gefunden. So sympatisch Duryn in Interviews rüberkommt - im Buch habe ich eine tiefe Abneigung entwickelt.

Worum geht es?

Duryn beginnt mit dem letzten Abend, bevor er als junger Mann zur Armee muss, gleitet dann langsam über in seinen steinigen Weg als Schauspieler. Dann widmet er sich ausführlich seinem ersten Job als Texter für die Schauspielschul-Adaption von "Dame Kobold", kommt dann zum "Lehrer".

Themen sind die Verbesserung der Welt, aber auch die intensive Arbeits-Beziehung zu seiner Partnerin und seiner Arbeit. Dass er für seinen Drang nach Perfektion und Sinn manchmal an die Grenzen des Körperlichen und Emotionalen kommt.

Als Zwischenspiele zwischen den Abschnitten fungen fiktive Interviews, die aber nur wenig aussagen.

Meine Meinung zum Buch

Die Figur ist mit Dichtern und Denkern aufgewachsen, wirkt gebildet und durchdacht. Und der Autor wiederum kann schreiben. Wenn Duryn tatsächlich Geschichten erzählt, dann klingen sie kraftvoll und dynamisch. Besonders die Szene am Anfang ist mir im Gedächnis geblieben: Duryn beschreibt den letzten Abend mit seiner Freundin und man kann sich diese feuchte Nacht im Mai wundervoll vorstellen.

Allerdings verliert sich das Buch oft, "fängt ständig bei den Römern an", wie der Erzähler an einer Stelle bemerkt. Ich habe oft den Faden verloren und wusste stellenweise nicht, wie eine Geschichte überhaupt angefangen hat.

Der Erzähler greift das sogar öfters auf, besonders in den Interviews. Aber das rettet das Buch nicht. Vielleicht war das Humor, den ich nicht verstanden habe.

Über seine Arbeit an "Der Lehrer" und vor allem seine Arbeit als Script Consultant erfährt man fast nichts. Nur, dass ihm das Projekt viel bedeutet und wie sehr er dafür gekämpft hat, dass es auch gute Drehbücher bekommt. Aber was er als Script Consultant gemacht hat, wie sein Drehalltag aussah, wie er die intensive Arbeit mit seiner Familie vereinbart hat, das bleibt alles im Dunkeln.

Die Arbeit an "Dame Kobold" nimmt viel Raum ein, aber ich habe das gemocht. Besonders interessant waren die gegensätzlichen Meinungen des Erzählers und seiner Partnerin. Während ER den Text und die Struktur möglichst perfekt haben will, möchte SIE, dass der Text Raum lässt, damit sich die Studierenden ausprobieren und das Stück mit ihrer Interpretation der Figur füllen können. Man merkt, dass das dem Erzähler Kopfzerbrechen bereitet und er daran wächst. Aber auch hier: Der Erzähler verliert sich in Kleinigkeiten und setzt Wissen über Theater und den Schaffensprozess voraus, das ich nicht habe.

Lebensnah wirkt der Erzähler nur dann, wenn er beruflich feststeckt und mit einem Freund über seine Rolle als Vater oder mit der Therapeutin über seine Beziehung zur Schwester redet. An diesen Stellen spürt man, dass auch ein scheinbar perfekter Mensch Probleme hat. Dass er sich in Details festbeißt und dabei das Wesentliche übersieht. Oder denkt, dass Emotionen verschwinden, wenn man sie mit Argumenten auseinander nimmt.

Wahrscheinlich ist es für die Figur eine große Bürde zu wissen, wieviel sie kann und dass sie all das nicht umsetzen kann, weil man ja nicht allein lebt, sondern mit anderen.

Fazit

Letztlich hat sich der Autor "Hendrik Duryn" über den Erzähler und die Figur gut um die Frage seines Lebens herumgemogelt. Obwohl es viel um ihn und seine Einstellung zum Leben geht. Vielleicht wollte es das nicht erzählen, vielleicht fand er es nicht interessant. Vielleicht findet er Autobiografien überbewertet und wollte ein satirisches Werk erschaffen. Vielleicht ist das aber nur die Art, mit der er sich wohlfühlt.

Obwohl der Autor die Mittel für eine gute, spannende Geschichte kennt, war dieses Buch langweilig, zäh und anstrengend. Oder das alles war beabsichtigt und ein dramaturgisches Mittel, das ich nicht verstanden habe.

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Veröffentlicht am 08.05.2023

Abgelaufenes Gewürz

Honey & Spice
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Ich hatte das Buch angefordert, weil ich selten Bücher mit PoC lese und weil die Protagonistin in den Medien aktiv ist. Ich hatte mich auf eine leichte, interessante Liebesgeschichte gefreut. Und die ersten ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil ich selten Bücher mit PoC lese und weil die Protagonistin in den Medien aktiv ist. Ich hatte mich auf eine leichte, interessante Liebesgeschichte gefreut. Und die ersten Seiten waren toll - bis mir der pseudo-freche Sprachstil der Hauptfigur auf den Keks ging. Nach 7 % nervte es mich, nach 20 % war sprachlich alles gesagt und klar, worauf die Geschichte hinausläuft. Ich wollte nur noch, dass es aufhört.

Es behandelt vermeintlich typische Probleme 20-Jähriger - Liebe und vor allem Gruppenzugehörigkeit. War mir zu klischeehaft.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Studentin Kiki hat nach dem Tod der Mutter und einem traumatischen Erlebnis soziale Ängste entwickelt, sie hat nur eine beste Freundin. Außerdem hat sie eine Affäre mit dem Fuckboy der Uni. Außerdem hat sie eine Radioshow und versteht sich als Sprachrohr der Schwarzen Community. Für ein Stipendium muss diese Sendung jedoch aufgepeppt werden, damit die Zuschauerzahlen steigen. Und da sie sich gerade in den neuen Studenten der Uni verliebt, bieten sich Synergien.

Die Figuren

Mein großes Problem mit Kiki war, dass ich mich nicht in sie hineingefunden habe. Sie war in der Highschool gut in ihre Gruppe integriert, geriet aber ins Abseits, weil ihre Freunde nicht verstehen konnten, dass sie die Krankheit der Mutter belastet. Später wurde sie vom Freund ihrer Freundin angebaggert, doch er schob das Kiki in die Schuhe. Diese Scham und die Ächtung hat sie so sehr deprimiert, dass sie soziale Ängste entwickelt. Daher hat sie auch an der Uni kaum Freunde. Trotzdem ist sie bestens über die Geschehnisse ihrer Gemeinschaft informiert und hat eine lockere Affäre. Außerdem wird sie nach dem Höhepunkt plötzlich von allen gemocht. All das passiert unglaublich schnell. Für mich waren weder ihrer Ängste nachvollziehbar, noch, warum sie so schnell gelöst wurden. Soziale Ängste können zum Problem werden und sie machen auch soziale Beziehungen manchmal schwierig. Hier tun sie das kaum.

Vor allem hat mich genervt, dass Kiki soviel Wert drauf legt, zu einer Gruppe zu gehören. Das Thema wer gerade in welcher Clique drinsteckt, ist ihr sehr wichtig. Und natürlich hat auch Kiki Vorurteile, die sich - magisch! - als falsch herausstellen.

Außerdem ergözt sie sich in sätze-langen Beschreibungen, wer welches Outfit trägt, welche Farbe der Nagellack hat etc.

Kiki wird uns als scheinbar perfektes Wesen mit Fehlern verkauft - das alles hat man schon x-mal gelesen, manchmal auch besser.

Malakai sieht göttlich aus - nicht ein bisschen göttlich, sondern wirklich göttlich. Was uns die Erzählerin in verschiedenen Formen nahebringt. Emotionale Qualitäten hat er auch - er schleppt sie auf ihre Lieblings-Convention. Er ist ein lieber, verständnisvoller Kerl, der für Dramaqueen Kiki vielleicht zu schade ist? Und er dreht Filme, die sie toll findet. Die Beschreibungen der Filme fand ich nicht besonders, auch wenn ich die Idee toll finde. Ich fand's auch doof, dass Kiki ihn am Ende vor dem Kopf stößt, aber ER den ersten Schritt macht. Das bestätigt wieder das bekannte Bild des Retters. Aber ich mochte seine Hintergrundgeschichte. Die letztlich leider abgekürzt wird. Trotzdem hat mich das berührt.

Kikis beste Freundin ist die dunkle Quintessenz Kikis. Als Freundin ist sie nett und der Protagonistin eine tolle Assistentin. Als Partnerin erwartet sie, dass der Mann ihr monatelang den Hof macht. Obwohl sie sich nicht sicher ist, ob sie mit ihm zusammen sein möchte. Am Ende kritisiert Kiki das auch. Ich konnte den Grund für das Verhalten nachvollziehen, aber nicht, warum der Mann das so lange mitmacht.

Allen dreien gemein ist, dass das Verhalten der Eltern das der Kinder beeinflusst. Während Kiki durch den Verlust der Eltern Bindungsängste hat, möchten die Freundin und Malakai es besser machen. Sie handeln entgegen der Eltern, stoßen damit ihre Flirtpartner:innen aber auch vor den Kopf. Ich fand das total interessant!

Dramaturgie

Der Text folgt der Dramenkurve, wie man es kennt: Es gibt ein zentrales Problem, das bis zum Höhepunkt gesteigert wird, parallel entsteht ein neues Problem, das am Ende gelöst wird. Wer sowas mag, wird seine Freude haben. Leider sind die Probleme nicht tief genug und die Handlung vorhersehbar.

Schreibstil

Kikis Ich-Perspektive ist "drüber" - sie dramatisiert vieles, alles wirkt wie im Neonlicht. Die Autorin erklärt, dass ihr Liebe wichtig ist - daher gibt es im Buch auch viele Metaphern, viele Beschreibungen der Liebe. Für meinen Geschmack zuviel, aber Romantik-Fans kommen total auf ihre Kosten.

Kulturelle Bezüge

Im Vergleich zu anderen Texten sind die Verweise auf "die Schwarze Community" eher subtil: Kiki hört gern R'n B aus den 90ern z.B. D'Angelo, aber auch Beyoncé. Am deutlichsten wird das bei den Klamotten, von denen ich überwiegend noch nicht gehört habe - hier ergeben sich viele Ansatzpunkte für Recherche. Probleme wie Rassismus werden angesprochen, sind aber nicht das zentrale Thema.

Das Buch ist ein Text, der PoC-Protagonist:innen eine Bühne gibt, ohne die "Colour" in den Mittelpunkt zu stellen. Das sie in einem Bereich präsent macht, der von vielen Leser:innen konsumiert wird. Ich hatte etwas anderes erwartet, finde es aber gut.

Fazit

Wenn ich das Nachwort lese und all die Arbeit und die Gedanken, die in den Text geflossen sind, dann würde ich gerne sagen, dass es ein toller Text war. War es aber nicht. Es ist ein klischeehaftes, oberflächliches Werk, das aus all den guten Ansätzen nicht mehr macht als einen Liebesroman für eine Zugfahrt bei Nacht. Es ist so schade, dass das Grundproblem cool und Malakais Persönlichkeit interessant ist. Aber das wird nicht ausgespielt, weil die Hauptfigur und ihr Hang zum Drama im Mittelpunkt stehen. Und nein, "spicy" war's überhaupt nicht.

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Veröffentlicht am 26.02.2023

(K)ein Opfer

Jeder sollte zwei Leben haben. Sylvia Plath
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Ich hatte von Sylvia Plath bisher nur gehört und wollte mir nun ein Bild von dieser früh verstorbenen Frau machen. Leider ist das dem Buch nich geglückt. Zu sehr reibt es sich im Konflikt aus Suizid und ...

Ich hatte von Sylvia Plath bisher nur gehört und wollte mir nun ein Bild von dieser früh verstorbenen Frau machen. Leider ist das dem Buch nich geglückt. Zu sehr reibt es sich im Konflikt aus Suizid und Autorin-Ich auf und hinterlässt in mir einen negativen Eindruck von der Figur. Es hat mich gefesselt, weil ich wissen wollte, wie es dazu kam. Aber letztlich hat es mich mit einem traurigen Gefühl zurückgelassen.

Worum geht es?

Ausgehend vom Selbstmord Plaths schildert die Autorin das Leben der Schriftstellerin. Das erste Drittel beschäftigt sich mit dem Suizid und dessen Durchführung, später geht es um die Familiengeschichte und die Ehe. Das letzte Drittel ist geprägt von der Auseinandersetzung mit der späteren Zensur Plaths durch ihren Ehemann, dessen Schwester und der Mutter. Am Ende erfahren wir außerdem von den Elektroschock-Behandlungen, die sie gegen ihre Depression durchführen ließ.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Der Text kreist ständig um den Suizid, aber nur wenig im die Schriftstellerin. Oft wird erzählt, wie sehr Plath an den Anforderungen der Welt zerbricht, und gleichzeitig sehr empfindsame Texte schreibt. Der Ehemann nimmt viel Raum ein, die Beziehung zur Mutter. Aber Plath bleibt vage, sie wird nicht lebendig.

Das liegt auch daran, dass keine kompletten Gedichte Plaths abgedruckt sind. Die Autorin zitiert und interpretiert Verse, aber das vermittelt nur Bruchstücke und macht den Text kompliziert zu lesen.

Die einzige Stelle, an der Sylvia Plath für mich Farbe bekam, ist ein Tagebuchauszug, in dem die erste Begegnung mit ihrem späteren Mann geschildert wird. Hier wirkt sie kraftvoll, sie hat einen Wunsch, den sie umsetzen möchte. Übertrieben formuliert: Sie wirkt nicht als Opfer ihrer selbst.

Das heimliche Highlight sind die Zitate anderer Autor:innen über Plath und über das Schreiben - fand ich sehr hilfreich.

Fazit

Trotz vieler Versuch der Erzählerin, Sylvia Plath als talentierte und durchdachte Schriftsstellerin darzustellen, bleibt nicht viel. Den letzten Teil fand ich interessant und die Zitate toll. Aber leider beschränkt sich der Text zu sehr auf das Ende und gibt den vielen Meilensteinen auf dem Weg zuwenig Raum

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Handlung ja, Logik nein

Das irrationale Vorkommnis der Liebe – Die deutsche Ausgabe von »Love on the Brain«
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Ich hatte den Vorgänger gelesen und dieser ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Daher war ich sehr gespannt auf den zweiten Band. Dieser war jedoch eine herbe Enttäuschung. Schon nach 5 % war die ...

Ich hatte den Vorgänger gelesen und dieser ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Daher war ich sehr gespannt auf den zweiten Band. Dieser war jedoch eine herbe Enttäuschung. Schon nach 5 % war die Geschichte vorhersehbar und nach 40 % zeichnete sich der Antagonist ab. Dazu eine Hauptfigur, die ständig vor sich hin philosophiert und dessen wichtigste Person sie selbst ist. Ich hatte mehrmals überlegt abzubrechen.

Rezi enthält (noch mehr) Spoiler.

Worum geht es?

Bee hat einen Doktortitel in Neurowissenschaften und soll für die NASA an einem Helm arbeiten, der die Leistung von Astronauten verbessern soll. Das Problem: Sie soll mit Erzfeind Levi zusammenarbeiten. Und seit der Trennung von ihrem Ex-Verlobten Tim hat sie Bindungsängste. Nebenbei führt sie eine Twitterkanal, in dem sie sich mit Problemen von Frauen im Wissenschaftsbetrieb auseinandersetzt.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Die Menge an Erklärungen über den Helm fand ich genau richtig - ich hätte sogar gern noch etwas mehr gehabt. Denn leider wird nicht klar, wie genau der Helm funktioniert und ob man damit auch die Persönlichkeit der Astronauten verändert. Das sind auch ethische Fragen, die leider keine Rolle spielen.

Außerdem hat mir gefallen, dass Bee in vielen verschiedenen Ländern gelebt hat - das gab dem Buch eine besondere Atmosphäre und ich konnte gut verstehen, warum sie sich so haltlos fühlt. Später sind genau das die Passagen im Buch, die ich am stärksten fand - wenn Bee nicht mehr sich selbst betrachtet, sondern von anderen analysiert wird. Komisch war jedoch, dass das keine Auswirkungen auf ihre Sprache hat. Sie ist mit vielen verschiedenen Sprachen in Kontakt gekommen, spricht aber "normales" übersetztes Deutsch.

Positiv war auch, dass sich das Buch mit Frauen in der Wissenschaft beschäftigt, auch wenn scheinbar alle Männer in ihrem Arbeitsumfeld ignorant oder frauen-feindlich sind. Kern ist ein kostenpflichtiger Test, der den Zugang zur Promotion regelt. Aus dieser Thematik, die Ausgangspunkt des Romans war, macht die Autorin zwei Nebenhandlungsstränge. Der Bereich Liebe rund um ihre Assistentin wird dabei leider zu kurz behandelt, und der andere zu schnell und zu unlogisch beendet. Auch wenn er mich überrascht hat. Trotzdem leuchtet mir nicht ein, warum Bee so leicht gehackt werden konnte, wenn sie doch so auf ihre Anonymität achtet ...

Das große Problem waren Bee und ihre Betrachtungen. Ihre Gedanken sind frech, aber völlig überzeichnet. Ständig springt sie von einer Metapher zur nächsten und wirkt dabei so negativ. Außerdem beobachtet sie die Mimik und Gestik genau Levis genau, zieht aber die falschen Schlüsse. Es verwirrt mich, dass sie sich scheinbar nie damit beschäftigt hat, was Körper ausdrücken können.

Mein größtes Problem war, dass Bee Levi völlig miss-deutet. Sie interpretiert seine Schüchternheit als Ablehnung und sieht sich darin ständig bestätigt. Das wirkte auf mich extrem gekünstelt. Vielleicht bin ich auch einfach zu alt dafür. Levi greift Bee nie offen an, sondern vermeidet den Kontakt. In Liebesromanen wird das oft als Kritik am zukünftigen Paarungspartner gesehen, aber real bedeutet es oft, dass sich diese Menschen von anderen eingeschüchtert fühlen. Daraus muss aber keine Liebe entstehen, sondern oft hat man dann wirklich keinen Draht zueinander.

Und selbst wenn Bee Levi nicht versteht, hätte man das interessanter und vielseitiger zeigen können. An Komik mangelt es dem Buch oft und spritzige Dialoge sucht man vergebens. Es ist gut, wenn der Leser einen Vorsprung hat und Figuren manchmal anschreien will, weil er es besser weiß. Aber bei mir war das ständig der Fall. Und warum reden die beiden nicht miteinander - sie sind Ende 20 und sollten wissen, wie man Konflikte auflöst.

Auch die Erotikszenen fand ich wenig bemerkenswert. Levis ist ein Adonis von einem Mann und hat ein großes Gemächt. Außergewöhnliche Fähigkeiten als Liebhaber. Real, aber doch überzeichnet. Immerhin gibt's in den Szenen etwas Humor und dass bei den beiden nicht alles funktioniert, finde ich gut. Ich fand die Szenen aber weder sinnlich noch kreativ.

Fazit

Für mich hat das Buch kaum Spuren hinterlassen. Ich mochte das Thema Feminismus und die Figur hat interessante Anlagen. Die Liebesgeschichte bewegt sich jedoch auf ausgetretenen Pfaden und zieht die anderen Aspekte mit in den Abgrund. Dem Text fehlte einfach der Biss.

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