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Veröffentlicht am 12.02.2023

Nervige Figur, nerviger Akt

Under one Roof- Liebe unter einem Dach
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Nach dem Debut Ali Hazelwoods habe ich mehrere Bücher von ihr angefragt, in der Hoffnung, sie würde noch besser werden. Das war ein Irrtum. Das einzig Interessante war das leicht verstörende Ende, bei ...

Nach dem Debut Ali Hazelwoods habe ich mehrere Bücher von ihr angefragt, in der Hoffnung, sie würde noch besser werden. Das war ein Irrtum. Das einzig Interessante war das leicht verstörende Ende, bei dem ich nicht weiß, ob es eine Kritik am Männer-Frauen-Bild sein sollte.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

Umweltwissenschaftlerin Mara erbt von ihrer Mentorin ein halbes Haus. Leider wohnt darin auch ihr Neffe Liam, der für einen umweltfeindlichen Konzert arbeitet. Die beiden saborieren sich, bis sie sich irgendwann anfreunden und mehr aus ihnen wird.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Das Buch war kurz, brauchte aber sehr lange, bis es in Schwung kommt. Mara hat Freundinnen, mit denen sie am Anfang viel kommuniziert, auch wenn ich mich frage, wer ihre stundenlangen Monologe kommentarlos aushält. Ich fand die Beziehnung natürlich und greifbar. Leider spielen die Frauen später kaum noch eine Rolle.

Ähnlich wie andere Protagonistinnen in Hazelwoods Büchern kämpft auch Mara um Anerkennung, allerdings habe ich nie erfahren, was sie genau macht. Hier fehlten mir Fakten. Kritisch sehe ich auch, dass Mara das Shampoo eines umstrittenen Kosmetik-Konzern verwendet, anstatt auf ein festes Shampoo zurückzugreifen. Sie nimmt sich wichtig.

Liam ist attraktiv und hat manchmal Freunde zu Gast, außerdem hat er eine platonische Freundin, die Mara als Konkurrentin sieht. Dass sie das nicht einfach anspricht, ist typisch für diese Bücher. Interessant macht ihn, dass er seine Arbeit nicht liebt, aber sie aus Loyalität gegenüber seinem Chef nicht aufgeben will.

Weitere Charaktereigenschaften haben beide Figuren nicht.

Die Figuren streiten sich um Kaffeesahne und die richtige Temperatur im Haus, was ganz nett ist. Spritzig sind die Dialoge nicht. Vor allem, weil mich die Beschreibungen stören. Die ständigen Deutungen und Kommentare. Auf mich wirkte das immer etwas verkrampft, gewollt und furchtbar dramatisch. Immerhin klingen sie etwas locker, aber es fehlt die Dynamik.

Die Auflösung

Am Ende möchte Liam Mara verführen, weil er gehört hat, wie sie mit ihren Freundinnen darüber redet. Obwohl er andeutet, dass er das nur wegen ihr macht, übernimmt sie die Führung und verleitet ihn zum Akt. Ähnlich, wie das die Protagonistin in "Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe" getan hat. Anfangs wirkt es, als ob er das wollte. Aber spätestens, als er sagt, dass er nicht gern Sex hat, hätten bei Mara alle Alarmglocken klingeln müssen. Oder dass er das besser kann. Im zweiten Teil der Szene gibt es SO viele Momente, in denen man miteinander reden sollte, anstatt das einfach zu übergehen. Es hat mich angeekelt, dass die Figur die eigenen Bedürfnisse über die ihres Partners stellt. Aber vielleicht ist das der Sinn: Dass uns die Autorin zeigt, was passiert, wenn Frauen das tun, was Männer in solchen Szenen in Büchern machen - dominant sein, taub für Gefühle sein, schweigen. Außerdem war es komisch, dass die beiden über Verhütung nachdenken, NACHDEM er bereits in ihr war ...

Fazit

Ich weiß nicht, ob das Buch ein frühes Werk, eine schnell dahin getippte Geschichte oder einfach ein Fehlschlag war. Aber es ist ein oberflächlicher, uninteressanter Text mit einer egoistischen Hauptfigur und einer verstörenden Erotikszene.

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Veröffentlicht am 12.02.2023

Gut angelegt, aber nicht rund

Match on Ice
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Abgesehen davon, dass ich noch nie ein Sportler:innen-Romanze gelesen habe, finde ich Eiskunstlaufen schön und wollte etwas darüber erfahren.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

An einer Uni ärgern ...

Abgesehen davon, dass ich noch nie ein Sportler:innen-Romanze gelesen habe, finde ich Eiskunstlaufen schön und wollte etwas darüber erfahren.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

An einer Uni ärgern sich die Eisläufer:innen und die Eishockeyspieler ständig, doch was als Witz beginnt, endet dramatisch: Paarläuferin Romy stürzt unglücklich und kann aus psychischen Gründen nicht mehr springen. Zur Strafe muss daher Captain Jack Zeit mit ihr verbringen, um ihr Trauma zu überwinden. Außerdem muss ihr Partner, Ex-Freund und Narzist Dan, dem Eismeister helfen.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Das zentrale Thema Leistungssport hat die Autorin gut beleuchtet - vor allem, was das Innere der Figur betrifft. Ich habe selten eine Figur so verbissen und so fixiert auf den Sport erlebt. Das Thema zieht sich durch ihr ganzes Leben und ich fand es toll, das zu spüren. Allerdings fand der Wandel nicht statt. Durch die Stunden mit Jack merkt Romy, dass ihr der Spaß verloren gegangen ist. Sie erleben unbeschwerte Stunden auf dem Eis, aber am Ende wirkt Romy nicht, als hätte sie loslassen können. Es wäre klischeehaft gewesen, wenn Romy mit dem Sport aufgehört hätte, aber am Ende bietet ihr das Eis immer noch eher Sicherheit als Genuss.

Auch ist Romy ziemlich grob skizziert: Ihr Studium interessiert sie nicht wirklich, andere Hobbys hat sie nicht. Sie hat eine Schwester, zu der sie kaum einem Bezug hat. Und sie mag Cola light. Mehr nicht.

Außerdem fragte ich mich, ob sie zum Schluss nicht eine Anerkennung durch die andere ersetzt: Im Paarlauf war sie auf Dan angewiesen, allein kann sie erst sicher laufen, als Jack kommt.

Fiesling Dan ist als Figur toll. Er sagt Sätze, die (manche) toxische Menschen nutzen, um andere abzuwerten z.B. dass sie nicht gut genug ist, um von Jack geliebt zu werden. Das war hart, aber wahr.

Leider endet seine Storyline aprupt und besonders logisch ist sie auch nicht. Irgendwann ist er einfach weg.

Auch Romys Freundin, die ein interessantes Uniprojekt betreut, kommt zu kurz. Das war nur Deko.

Love-Interest Jack hat ein paar familiäre Besonderheiten und er ist der positive, erfrischende Teil der Beziehung. Hat mir gefallen.

Das Fachwissen über Eishockey ist gut eingeflochten und es hat mich nicht gestört. Ich habe einen guten Einblick in den Spielprozess, aber auch die Karriere bekommen.

Ein großes Manko waren die Bandwurmsätze, durch die ich manchmal den Überblick verloren habe, weil zuviele Infos binnen kurzer Zeit vermittelt wurden. Dafür gibt's keine Erotik.

Fazit

Die Figuren sind gut angelegt, die Atmosphäre da. Aber die Geschichte ist nicht rund und der Sprachstil anstrengend.

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Veröffentlicht am 09.02.2023

Schön, aber bild-arm

Inside Vogue
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Ich kenne die Vogue nur als teures, aber renomiertes Magazin. Ich wollte hinterfragen, was diese Zeitung ausmacht, ich wollte sie spüren.

Worum geht es?

Die Autorin erzählt die Geschichte der britischen, ...

Ich kenne die Vogue nur als teures, aber renomiertes Magazin. Ich wollte hinterfragen, was diese Zeitung ausmacht, ich wollte sie spüren.

Worum geht es?

Die Autorin erzählt die Geschichte der britischen, französischen und amerikanischen Vogue.

Wie hat mir das Buch gefallen?

Ein großes Problem hatte ich bereits am Anfang. Weil nicht erklärt wird, wie ein Modemagazin entsteht, wie aus einer Idee ein Artikel wird. Welche Berufe daran beteiligt sind. Daher fiel es mir später schwer einzuordnen, wie groß das Chaos war, wie stressig und nervenaufreibend die Arbeit für manche Menschen war.

Außerdem fehlt es dem Buch an Bildern. Es gibt ein frühes Cover und einige wenige Fotos. Aber das reicht nicht, um die optische und gesellschaftliche Entwicklung der Zeitung zu verstehen. Oft wird die Vogue als revolutionär dargestellt oder es wird von Bildern berichtet, die sehr aufwendig waren. Das sieht man leider nicht. Dadurch geht viel verloren.

Obwohl das Buch deutlich alle wichtigen Ausgaben mittels Kapitel unterscheidet, fiel es mir schwer, den Überblick zu behalten, weil viel passiert.

Dennoch war es spannend zu sehen, welche Kräfte auf das Magazin wirkten. Wie die Vogue z.B. in Kriegszeiten veröffentlicht wurde. Oder wie Chefredakteur:innen spezielle Ausgaben konzipierten und die Vogue zu mehr machten als einem Katalog für schöne Kleidung. Den Anspruch etwas zu bewegen erkenne ich auch heute noch darin.

Mir war auch nicht bewusst, dass die Vogue nicht nur von Endverbraucher:innen gelesen wird, sondern auch von Fachleuten.

An kritischen Tönen spart die Erzählerin ebenfalls nicht, oft stellt sie sich schützend vor entlassene Mitarbeiter:innen.

Schwierig finde ich, dass das Buch Modeblogger:innen nicht wertschätzt, sondern als Konkurrenz zum Papier sieht. Ich finde es toll, dass die Erzählerin abwägt, wie man das Magazin ins Digitale überführt und für Leser:innen attraktiv macht. Und dass sie dabei auch Schwächen aufzeigt. Aber die These, dass Modeblogger:innen keine gute Arbeit leisten, wird einfach stehengelassen. Obwohl manche Blogger:innen das Niveau von Journalist:innen erreichen, aber als Ein-Personen-Unternehmen mehr leisten müssen, oft für eine geringere Bezahlung.

Fazit

Der Text hat für mich die Zeitung lebendig werden und wertschätzen lassen. Für mich war die Vogue bisher eine teure Zeitung mit unbezahlbaren Klamotten, aber manch gutem Artikel. Zu sehen, dass so viele Menschen so viel Herzblut in ein Magazin investieren, war schön. Letztlich ist der Kreis um die Zeitung jedoch so geschlossen, dass manche Menschen unnahbar bleiben und ich das Gefühl hatte, dass etwas fehlt. Und an Bildern fehlt es.

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Veröffentlicht am 24.12.2022

Kindheit und Kritik

Cholonek oder Der liebe Gott aus Lehm
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Dieses Buch war ein Geschenk mit den Worten "Passt zu dir" und ich wusste lange nicht, warum. Texte aus den 70er Jahren empfinde ich oft als schwermütig, weil ihnen noch die Nachkriegszeit anzumerken ...


Dieses Buch war ein Geschenk mit den Worten "Passt zu dir" und ich wusste lange nicht, warum. Texte aus den 70er Jahren empfinde ich oft als schwermütig, weil ihnen noch die Nachkriegszeit anzumerken ist. Noch dazu mit einem so feierlichen Untertitel. Andererseits reizte mich genau das. Und dass es einer der ersten veröffentlichten Schriften des Kinderbuch-Autors Janosch ist. Und wahrscheinlich starke autobiografische Züge an seine Kindheit trägt.

Rezi enthält Spoiler.

Worum geht es?

Das Buch spielt in einer fiktiven Kleinstadt in den polnischen Westgebieten, die damals zu Deutschland gehörten. Die Handlung umfasst Ende der 20er Jahre bis kurz nach Kriegsende Mitte der 40er. Dabei nimmt die Zeit bis zum Kriegsbeginn den größten Teil des Buches ein, der Krieg selbst wird eher aus der Ferne beschrieben.

"Cholonek" ist ein Pottpurri an Figuren und Handlungen in dieser Kleinstadt. Der rote Faden ist das Leben des kleinen Cholonek und seiner Familie. Obwohl das Kind selbst wenig Raum einnimmt, erfahren wir viel über seine Großmutter, die Matriachin der Familie, und ihre steten Gedanken. Gleiches gilt für Vater Stanik und Mutter Mickel - der eine strebt nach Ruhm, die andere ist gottesfürchtig. Und alle stecken zu sehr in ihrer Blase, um ihr entfliehen zu können.

Das Setting

Etwas, das mich auch monatelang nach dem Ende beeindruckt hat, war die Umgebung. Anfangs kam mir der Ort wie ein Dorf vor, am Ende wie eine Kleinstadt. Es gibt eine Bahn, aber nur eine Gemeinschaftstoilette im Haus. Die unteren Wohnungen sind feuchter und daher weniger begehrt. Das Haus wird mit Farbe gestrichen, die nicht länge hält. Vieles funktioniert über persönliche Beziehungen. Das Kind wird in der Wohnung entbunden. Schließlich waren es die 20er Jahre. Viele Dinge, die für uns heute selbst verständlich sind, gab es damals nicht. Und trotzdem fühle ich damit verbunden.

Von einem zum anderen

Bereits die Geburt des kleinen Cholonek nimmt ca. 100 Seiten ein, in denen es mehr um all die Bewohner der Kleinstadt geht. Vom Vater des Choloneks hin zu dessen Vater hin zu einem Bekannten, der mal gehört hat, dass ... Ständig stirbt jemand durch Gewalt oder unglückliche Zufälle. Einerseits war das sehr interessant, anderseits frustrierend, weil ich nicht vorangekommen bin. Es war leicht den Überblick zu verlieren und die Figuren zu vergessen.

Später wird es nicht besser, aber die Hauptfiguren bekommen mehr Profil und die Historie nimmt mehr Raum ein.

Der Stanik und die Mickel

Die Eltern des Kleinen mögen sich nicht mehr, der Cholonek war ein Zufallsprodukt. Seinem Vater wird oft vermittelt, er könne nichts, und tatsächlich wechselt er häufig die Arbeit. Später kommt er als Handelsvertreter zu Wohlstand und kompensiert seine Minderwertigkeitskomplexe, in dem er (unechte?) Stradivaris anhäuft. Vermeintlich für den Sohn, der jedoch kein musikalisches Talent besitzt.

Im Gegensatz dazu die Mutter, die vor allem will, dass aus ihrem Sohn ein guter Christ wird und die ihren Mann belächelt. Letztlich ist Mickel gefangen zwischen ihrer dominanten Mutter und dem unsicheren Stanik. Und vor allem in einer Gesellschaft, die sie hindert, eigene Entscheidungen zu treffen. Janosch baut ihr sogar einen Ausweg: Nach einem unrühmlichen Erlebnis wird Mickel mit dem Kind auf's Land geschickt und erlebt dort eine Parallelwelt. Alle bewundern sie, weil sie aus der Stadt kommt und die Atmosphäre ist wertschätzend. Ich mochte dieses positive Gefühl sehr und dachte, dass sie dort das findet, was sie sucht. Aber sie nimmt es nicht an.

Der Cholonek

Ich dachte, dass das Kind der zentrale Punkt ist, aber von ihm wird nur in wenigen Episoden erzählt. Auf mich wirkt Cholonek sehr unsicher, weil er die Ideale seiner Eltern nicht erfüllen kann. Er ist ein introvertiertes Kind, das keine richtige Förderung erhält. Bezeichend ist, dass er sich nicht einmal traut, seinen Penis anzufassen, weil der Pfarrer sagt, dass diese Gefilde verboten sind. Er versucht, alles richtig zu machen und scheitert. Cholonek wird gemobbt und letztlich von ehemaligen Mitschülern erschossen und im Wald verscharrt. Interessieren tut das keinen.

Die Mutter

Die Mutter versucht, alles zusammen zu halten und ihre drei Töchter gut unterzubringen. Sie weiß mit Geld und ihrem alkoholkranken Mann umzugehen und findet für jedes erdenkliche Problem eine Lösung. Sie lästert gern und gibt anderen die Schuld an ihrem Unglück. Leider lässt sie sich von einem Ex-Freund ihrer Tochter um den Finger wickeln, was ihr Untergang ist. Dieser vermittelt ihr aufgrund seines schönen Äußeres und seiner höflichen Art soviel Positives, das sie vieles übersieht. Dass er wegen sexueller Nötigung gesellschaftlich verurteilt wird, redet sie klein. Und als er wegen Veruntreung (?) ins Gefängnis muss, arbeitet sie hart, um ihn freizukaufen. Obwohl sie mit diesem Mann keine körperliche Beziehung hat und er ihr außer Nettigkeiten nichts gibt, hält sie daran fest. Letztlich stirbt sie an Überarbeitung.

Der Krieg

Der Zweite Weltkrieg, die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung und Kommunisten und die Übernahme der Gebiete durch die Russen tangieren das Kleinstadtleben nur weng. Stanik profitiert von der Flucht und Plünderung jüdischer Bürger, weil er so neue Stradivaris bekommt. Er ist eher Oppurtunist. Verbrechen der Roten Armee gibt es und auch der titelgebene Gott aus Lehm zerbricht, während sein Besitzer ermordet wird. Die Taten des Krieges werden genauso grausam, nüchtern, ein bisschen sensationsgeil erzählt wie andere Tode im Buch. Die Titelfiguren überleben jedoch.

Fazit

Es ist schwer, all die Puzzelteile zusammenzuhalten und ein Gesamtbild zu sehen. Letztlich ist "Cholonek" eine Mischung aus liebevoller Hommage an die eigene Kindheit und der Kritik an einer Gesellschaft, die nur an das Jetzt denkt und die ihren Mitgliedern den Raum nimmt, sich zu entwickeln. Weil ein Schutzpanzer einen nicht nur vor der Außenwelt schützt, sondern einem auch die Verantwortung für sich selbst nimmt. Aber wahrscheinlich gibt es diese Parallelwelten noch heute und Bücher darüber auch.

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Veröffentlicht am 20.11.2022

Nicht ganz rund

Let’s Talk About Sex, Habibi
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Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut. Weniger wegen des tollen, bunten Covers als wegen der Thematik. Menschen des nordafrikanischen Kulturraums sind in meiner Umwelt vorhanden, aber ich weiß sehr ...

Auf dieses Buch hatte ich mich sehr gefreut. Weniger wegen des tollen, bunten Covers als wegen der Thematik. Menschen des nordafrikanischen Kulturraums sind in meiner Umwelt vorhanden, aber ich weiß sehr wenig über diesen Aspekt ihres Lebens. Daher wollte ich durch das Schlüsselloch gucken und neues Wissen gewinnen.

Leider schafft das das Buch nur teilweise. Es hat einige Vorurteile aufgebrochen, aber kann sich nicht entscheiden, ob es Sachbuch, Essayband oder Autobiografie sein will.

Worum geht es?

Der Text schildert im ersten Teil die Jugend des Autors und seine ersten Berührungspunkte mit Liebe und Körperlichkeiten. Später wird er allgemeiner, spricht über das Kopftuch und die Kölner Silvesternacht, später über Vorurteile gegenüber Nafris und Doppelmoral. Ohnehin ein Thema, das sich durch das ganze Buch zieht.

Meine Meinung

Das Buch war nicht leicht für mich, weil der Schwerpunkt wechselt. Während anfangs die Kindheit und Jugend des Autors wichtig ist, schweift er später ab. Manchmal kommt er noch auf Erinnerungen zurück, aber es fühlte sich an, als sei der Faden plötzlich abgerissen. Dem jungen "Mohamad" war ich so nah, über den erwachsenen, seine Einstellungen zur Liebe und wie er die kulturellen Kontraste empfindet, erfahre ich wenig. Stattdessen wird das Buch etwas nachdenklicher, fast essayhaft.

Außerdem hätte ich mir mehr Fakten gewünscht. Ich hatte gehofft, dass ich am Ende ein Gefühl bekommen habe, wie das Thema in Nordafrika betrachtet wird. Vielleicht wäre es besser gewesen, ein paar allgemeine Fakten zum Kulturraum zu nennen, auch in Bezug auf Sex. Mehr Geschichten zu erzählen. Der Autor beschränkt sich auf einige persönliche Anekdoten. Ich verstehe, dass es schwer ist, Statistiken zum Thema zu bekommen, aber es war nicht so rund. Oft verweist der Autor auch auf andere seiner Bücher. Ich hatte das Gefühl, dass er sich nicht zu sehr wiederholen wollte.

Problematisch fand ich auch, dass einige Begriffe gar nicht oder später erklärt werden. "Nafri" kommt nach 17 % vor, aufgelöst wird es aber erst nach der Hälfte. Was "Salafismus" als Glaubensrichtung ausmacht, habe ich ebenfalls weiter hinten im Buch erfahren, obwohl das Wort anfangs vorkommt. Hier wären Fußnoten oder ein Glossar gut gewesen.

Und obwohl Frauen im Buch eine Rolle spielen und z.B. der Schwester und der Mutter des Autors einige Geschichten gewidmet werden, habe ich am Ende eine weibliche Perspektive vermisst. Ich hatte das Gefühl, dass es oft um Männer geht.

Allerdings gibt es auch einige Erzählungen, die mir positiv im Gedächtnis geblieben sind: Die Atmosphäre in Meknes, in dem der Autor prägende Jahre verbracht hat. Die Betrachung des Kopftuchs, seine Ursprünge und Bedeutung auch als Zeichen des Standes. Die Gedanken zur Polygamie und dass sie nur dann funktioniert, wenn alle Frauen gleich behandelt werden und versorgt sind. Wie unterschiedlich das Thema behandelt wird, z.B. wenn es um Kondome geht.

Fazit

Letztlich war das Buch eine tolle Perlenkette an Geschichten und Gedanken, aber das ergab am Ende kein stimmiges Bild, sondern eine Sammlung, die nicht ganz zusammenpasste.

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