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Veröffentlicht am 08.01.2023

Blüte der Zeit

Blüte der Zeit
7

Paulus kämpft an der Seite seines Jugendfreundes Prinz Wilhelm für die Verteidigung seines Landes, denn die Franzosen stehen quasi schon vor den Toren der Stadt. Das Land ist gebeutelt, für viele steht ...

Paulus kämpft an der Seite seines Jugendfreundes Prinz Wilhelm für die Verteidigung seines Landes, denn die Franzosen stehen quasi schon vor den Toren der Stadt. Das Land ist gebeutelt, für viele steht alles auf dem Spiel.
Auch die Familie von Max hat alles verloren: den Vater, einen erfolgreichen Landschaftsgärtner, von dem Max viel gelernt hat. Ihre Heimat. Ihr bescheidenes Vermögen. Er sieht nur einen Ausweg: die Flucht zur Schwester seiner Mutter nach Brandenburg. Doch die beiden Schwestern haben sich einst überworfen, und alte Wunden sitzen tief. Ist ein Neuanfang möglich?
Nach dem Bau der Amsterdamer Grachten und dem Hamburger Michel, lässt sich im dritten Teil der Reihe nun einiges über Gartenanlagengestaltung lernen. Klingt vielleicht für den ein oder anderen altbacken und langweilig, aber das vermittelte Wissen über Prunk- und Prachtgärten fand ich sehr spannend. Die Anlagen sind teilweise ja noch heute zu bewundern, haben die Zeit überdauert, sodass der Lektüre der ein oder andere Ausflug folgen kann. Mit welchen Mitteln und Tricks gearbeitet werden musste, aber auch welche Mühen und Wege auf sich genommen wurden, um kleinste Pflänzchen und Samen vom anderen Ende der Welt zu beschaffen, vieles davon hätte ich mir so nicht vorgestellt. Sabine Weiß erzählt sehr ansprechend und lebendig; gerade die Gartenanlagen, Blumen und Pflanzen für den Leser zu beschreiben ohne dröge zu klingen, aber trotzdem ein exaktes Bild zu schaffen war sicherlich nicht immer leicht. Auch sonst liest sich der Roman sehr unterhaltsam. Der Übergang von Max zu Paulus war für mich manchmal etwas abrupt, die Handlungsstränge laufen über lange Zeit nebeneinander her ohne sich zu berühren. Das fand ich etwas schade, und es hat dem Lesefluss ab und an Steinchen in den Weg gelegt. Die Figuren und ihre Entwicklung haben mich trotzdem immer mitgerissen und begeistert, von kleinen Ausnahmen wie der etwas stereotypen Annabelle abgesehen. Max‘ Erzählstrang und seine Familie haben mich meist mehr interessiert als das Geschick Paulus‘, doch dank dessen Einsatz an vorderster Front (in mehr als einer Hinsicht) wird der geschichtliche Hintergrund perfekt mitgeliefert. Die Mischung aus historischem Geschehen und Fiktion funktioniert sehr gut, und so war „Blüte der Zeit“ für mich ein Lesegenuss, den man sich trotz kleiner Abstriche nicht entgehen lassen sollte.

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  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
Veröffentlicht am 01.11.2021

Opfer? Täter?

Die Kampagne
7

Maggie Costello hat gerade ein verlockendes Jobangebot vom (vielleicht) zukünftigen US-Präsidenten erhalten, da wird sie an anderer Stelle dringender gebraucht. Anwältin Natasha Winthrop tötet in Notwehr ...

Maggie Costello hat gerade ein verlockendes Jobangebot vom (vielleicht) zukünftigen US-Präsidenten erhalten, da wird sie an anderer Stelle dringender gebraucht. Anwältin Natasha Winthrop tötet in Notwehr einen Eindringling, der sie in ihrem eigenen Haus überfallen und vergewaltigt hat. Doch schnell kommen Zweifel auf, hat sie ihn etwas absichtlich ermordet? Da Winthrop ebenfalls als Geheimtipp auf das höchste Amt gehandelt wird, muss Maggie schnell Licht ins Dunkle bringen.
Sam Bournes neuer Thriller hat es wirklich in sich, und das liegt nicht nur an seiner fiktiven Handlung, sondern am Umgang mit der Problematik an sich. Aufgeführte Statistiken und Fakten sorgen für Betroffenheit (milde ausgedrückt) oder auch eine Stinkwut (ehrlich ausgedrückt). Wenn von 100 angezeigten sexuellen Übergriffen (man denke sich die Dunkelziffer hinzu), wirklich nur 1 zu einer Verurteilung führt, ja dann folgert der Autor ganz richtig, wenn er eine Art geduldete Legalisierung anprangert. Immer wieder untermauert er das an Beispielen, und dem Leser geht dabei mindestens genauso die Hutschnur hoch wie dem Autor. Doch auch die Handlung an sich verspricht jede Menge Spannung und Unerwartetes, Spekulieren lässt sich reichlich. Natasha ist eine tolle Figur, sie birgt viele Geheimnisse und lässt sich von niemandem in die Karten schauen. Nicht einmal Maggie, die von ihr engagiert wurde und nun wahrlich nicht auf den Kopf gefallen ist, kann ihr 100%ig vertrauen. Dadurch wird enorme Spannung aufgebaut, weiß man doch nie, wann die nächste Informationsbombe platzt, Schwarz zu Weiß wird (oder umgekehrt). Natasha ist einfach unmöglich zu durchschauen. Bourne hält so die Spannung ständig auf einem hohen Niveau, seinen Erzählstil mochte ich sowieso schon in den vorherigen Bänden, und so fällt es sehr schwer das Buch aus den Händen zu legen. Die ein oder andere Kleinigkeit erschien mir nicht ganz so logisch, auch hätte ich die Zuhilfenahme des Standard USA-Feindes nicht gebraucht, doch insgesamt ist „Die Kampagne“ ein wirklich runder, mitreißender und thematisch wichtiger Thriller.

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  • Spannung
Veröffentlicht am 13.04.2022

Zehn Jahre danach

Verweigerung
5

„Sie machten alle einen recht anständigen Eindruck. Als würden sie alle ihr Bestes tun, um einem Mädchen Gerechtigkeit zu verschaffen,… Sie wollten nur helfen.“
Vor zehn Jahren entschieden vierzehn Menschen ...

„Sie machten alle einen recht anständigen Eindruck. Als würden sie alle ihr Bestes tun, um einem Mädchen Gerechtigkeit zu verschaffen,… Sie wollten nur helfen.“
Vor zehn Jahren entschieden vierzehn Menschen darüber, ob der Lehrer Bobby Nock seine Schülerin Jessica Silver umgebracht hat. Sie glaubten an seine Unschuld – im Gegensatz zum Rest des Landes. Seitdem sieht sich v.a. Anwältin Maya immer wieder mit dem alten Fall konfrontiert, war sie es doch, die die anderen maßgeblich überzeugt hatte. Nun soll für eine TV-Sendung alles wieder ausgegraben werden, doch noch bevor alles richtig ins Rollen kommen kann, stirbt einer der vierzehn. Tatverdächtige Nr. 1: Maya.
Recht und Gerechtigkeit sind nicht immer dasselbe, und Moores Roman lässt den Leser diesen Satz spürbar erleben. Auch Schuld und Unschuld spielen eine große Rolle und damit meine ich nicht nur den vermeintlichen Mörder Bobby. Moore versteht es ganz hervorragend dieses Thema von allen möglichen und unmöglichen Seiten zu beleuchten, neben den spannenden Entwicklungen gibt es also reichlichst Stoff zum Nachdenken. All diese Bälle in der literarischen Luft zu halten, könnte etwas bemüht wirken, aber die Geschichte ist mehr als rund. Der Autor wechselt zudem zwischen den Perspektiven, jede/r Geschworene kommt mal zu Wort, gleichzeitig wird zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin- und hergewechselt. Kling kompliziert, liest sich aber sehr flüssig und macht die Handlung noch einmal einen Ticken fesselnder. Ich war von dem ganzen Konstrukt sehr begeistert, der sehr angenehme Schreibstil tut dazu sein Übriges. „Verweigerung“ ist der etwas andere Justizthriller, der nicht nur Schwachstellen im amerikanischen Rechtssystem aufzeigt, sondern auch die Fehler jedes Einzelnen selbst beleuchtet. Ein wirklich toller Roman.

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Veröffentlicht am 01.12.2021

Toller Roman mit viel historischem Input

Gold und Ehre
4

Seinen Vater hat Benjamin schwer enttäuscht und so darf er zwar weiter in dessen Namen als Architekt tätig sein, wird dafür aber von Amsterdam nach Hamburg geschickt. Auch sein Cousin Theo muss sein Glück ...

Seinen Vater hat Benjamin schwer enttäuscht und so darf er zwar weiter in dessen Namen als Architekt tätig sein, wird dafür aber von Amsterdam nach Hamburg geschickt. Auch sein Cousin Theo muss sein Glück in der Ferne suchen, denn dessen Vater sähe ihn gerne in die eigenen Seebärenfußstapfen treten. Ihr Verwandter Samuel setzt sich stattdessen selbst unter Druck: er möchte in allerhöchste politische Kreise aufsteigen.
Gold und Ehre ist bereits das zweite Buch, welches sich um die Architektenfamilie Aard aus Amsterdam dreht. Es ist nicht zwingend notwendig den Vorgänger zu kennen, auch wenn man so natürlich das ein oder andere Wiedersehen mit bekannten Figuren feiern kann. Die Handlung selbst ist aber unabhängig und auch für Neuleser absolut nachvollziehbar. Über niederländische Geschichte weiß ich recht wenig, über diese Epoche sowieso. Obwohl sehr viel verständlich erklärt wird, fiel es mir doch gerade zu Beginn schwer da den Überblick zu behalten. Das liegt aber nicht am Geschick der Autorin sondern an der Materie. Schlauer bin ich nach der Lektüre allemal, denn historischen Fakten werden sehr gut aufbereitet und wie nebenbei in die fiktiven Handlung eingeflochten. Ich muss sagen, dass ich nach dem Klappentext etwas mehr Michelbau erwartet habe; der spielt natürlich eine Rolle, aber keine ganz soooo tragende. Doch auch die anderen Schauplätze machen viel Spaß und sind spannend, gerade Theos Part hat mir unerwartet gut gefallen. Die Figuren sind liebevoll ausgearbeitet, auch wenn ich z.B. Lucia überraschend anstrengend fand. Ihr Dickkopf und ihre fehlende Weitsicht konnte ich irgendwann nicht mehr nachvollziehen. Die Handlung wechselt gerade im letzten Drittel sehr kurzfristig zwischen Benjamin, Theo und Samuel; z.T. bleibt nur eine knappe Seite bevor der nächste Wechsel eintrat. Mir war das irgendwann zu abgehackt, zu kurz der Fokus auf der neuen Szene, der Lesefluss unterbrochen, weil man sich ständig neu sortieren musste. Zuvor hat mich der Erzählstil wirklich begeistert, nicht zuletzt deswegen, weil Stimmung und Bilder so gut transportiert wurden. Insgesamt mochte ich Gold und Ehre wirklich gerne, auch wenn für mich der Roman nun eben mit einem kleinen Dämpfer geendet hat. Ich empfehle ihn trotzdem gerne weiter, da ich meist wunderbar unterhalten wurde und dabei noch einiges gelernt habe. Ganz wie es bei einem guten historischen Roman sein sollte ; )

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  • Geschichte
Veröffentlicht am 13.10.2019

Digital-detox-frei

Offline - Du wolltest nicht erreichbar sein. Jetzt sitzt du in der Falle.
4

Das neue Konzept eines Reiseveranstalters läuft unter dem Schlagwort Digital detox. In einem verschneiten Hotel in den Bergen sollen sich die Teilnehmer fernab von Smartphone, Internet & Co ganz auf sich ...

Das neue Konzept eines Reiseveranstalters läuft unter dem Schlagwort Digital detox. In einem verschneiten Hotel in den Bergen sollen sich die Teilnehmer fernab von Smartphone, Internet & Co ganz auf sich und ihre Kollegen konzentrieren. Doch die Lage spitzt sich zu als ein Schneesturm über sie hereinbricht; und noch ein bisschen mehr als der erste Teilnehmer schwer misshandelt aufgefunden wird.

Was hatte es mir der Klappentext angetan. Ehrlich. Und dann kam Arno Strobel daher, und bastelt aus der Idee ein Buch, das mir so gar nicht gefallen wollte. Ich hatte ja in meiner jugendlichen Naivität gedacht, dass es neben der angekündigten Folter durchaus auch um (ebenfalls angekündigt) Digital detox geht. Stimmt aber nicht. Schon lange vor Smartphone und Internet hätte man diesen Thriller quasi identisch schreiben können, der Schneesturm als Ausrede für Isolation und eine zerstörte Telefonleitung hätten denselben Ausgangspunkt für die Story geschaffen. Keine Rede von Internetsucht, Abhängigkeit von sozialen Medien, oder was man sonst noch hätte thematisieren können (und sollen). Stattdessen eine kurze lahme Gesprächsrunde à la „Ich konnte gar kein Selfie machen“ und fertig ist der Autor mit dem Thema. Aber vielleicht verkauft sich das Buch mit dieser Masche besser. Die Figuren sind auch nicht so recht gelungen, führen hölzerne Dialoge, in denen es hauptsächlich darum zu gehen scheint, wer mit wem wohin gehen/bleiben/reden wird. Einzig David fand ich amüsant, weil er mit seiner Art gezielt provoziert und damit wenigstens etwas frischen Wind in die Handlung bringt. Auch die Einsichten in den Kopf einer der Gefolterten fand ich nicht so schlecht. Mal abgesehen von der Tatsache, dass sie gefühlte 300x denkt „Was hat mir dieses Monster nur angetan? Ich darf nicht an den Namen denken, sonst wüsste ihn der Leser ja viel zu früh.“ Was soll das? Entweder ich will als Autor realistisch die Gedanken einer Gefolterten darstellen, die dann auch über die Person nachdenkt, die ihr all das Elend angetan hat. Oder ich will die Leser hinhalten und gehe ihnen damit unerhört auf die Nerven, wenn ich solche Sätze schreibe. Ich war beim Lesen unendlich genervt, muss ich das extra erwähnen? Die Handlung hat sich also nicht so recht nach meinem Geschmack entwickelt, Spannung wird hauptsächlich durch Gewalt erzeugt, die dann auch diverse Logiklöcher überdecken muss. Den Erzählstil fand ich ok, sonst allerdings nicht so sonderlich viel.

Fazit: Arno Strobel schreibt Bücher, die viele Leute zu mögen scheinen. Erkenntnis: ich bin nicht viele.