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Veröffentlicht am 15.09.2016

Heinrich mir graut's vor dir

Als Gott schlief
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Wien, 2011: Jutta Stern hat vor einigen Monaten ihren Mann verloren und kann das kaum verkraften. Trotzdem muss sie ihre Trauer zurückstecken und in einem grausigen Mordfall ermitteln. Ausgerechnet in ...

Wien, 2011: Jutta Stern hat vor einigen Monaten ihren Mann verloren und kann das kaum verkraften. Trotzdem muss sie ihre Trauer zurückstecken und in einem grausigen Mordfall ermitteln. Ausgerechnet in der Osterwoche wird ein Weihbischof grausam gefoltert und anschließend ermordet. Noch bevor ihr Kollege Tom Neumann aus Quantico anreisen kann, liegt schon die nächste Leiche in der Pathologie. Diesmal ein Pfarrer. Wo findet sich da der Zusammenhang?

Jennifer B. Wind hat sich für ihr Thrillerdebut nun wirklich kein leichtes Thema ausgesucht. Im Gegenteil, der Leser kann nur erahnen welche Abgründe sich da bei der Recherche aufgetan haben. Da erfreulicherweise auf dem Klappentext nicht genau verraten wird worum es geht (Lob an den Verlag: ich hasse Klappentexte, die sich als Inhaltszusammenfassung des Buches verstehen), bleibe ich hier bewusst schwammig. Nur so viel: dem Leser wird der Atem stocken. Und das nicht wie bei anderen Thrillern aufgrund der schön-schaurigen Atmosphäre einer fiktiven Geschichte, die einem Autorenhirn entsprungen ist. Sondern wegen der Tatsachen, der unfassbaren Gräueltaten, der abartigen Unmenschlichkeit, die Ursprung dieser fiktiven Geschichte sind. Zartbesaitete Leser seien also hiermit gewarnt.

Dieses Buch liest sich seltsamerweise trotz seines ernsten Hintergrunds leicht und flüssig, ich hatte es ruckzuck ausgelesen. Die Autorin versteht es sehr gut, die Story am Laufen zu halten und Spannung aufzubauen. Selbst bei beklemmenden und grausigen Szenen findet sie das richtige Maß, es wird nichts beschönigt, aber auch nichts sensationslüstern ausgewalzt. Diese Gratwanderung ist wirklich sehr gut gelungen.

Die Charaktere, die das Buch bevölkern, haben mir im Großen und Ganzen gut gefallen, bis auf eine Ausnahme. Die Figur Tom Neumann ist der Autorin leider nicht gelungen, denn dieser ist so wahnsinnig perfekt, geradezu wie aus dem Männerkatalog entsprungen. Gutaussehend. Hyperintelligent. Supercharmant. Bibliophil. Klavierspieler. Ein liebevoller Freund. Und aus irgendeinem Grund scheint es extrem wichtig (weil außergewöhnlich?) zu sein, dass er fähig ist seine Wohnung zu putzen. Ach ja, er hat ein BlackBerry. Ein BlackBerry, ein BlackBerryeinBlackberryeinblackb… Dieses Wort hatte ich fast so schnell satt wie er darauf tippen kann.

Es sind nur Kleinigkeiten, die mich gestört haben, die dann aber in der Summe doch zum Punktabzug geführt haben; eine Mutter, die alles über die Krankheiten ihres Sohnes weiß, dann aber nachfragen muss ob das wirklich Laktose-Intoleranz heißt, so als ob sie dieses (nun wirklich nicht allzu seltene) Wort im Leben noch nie gehört hat. Eine Person schüttelt ihre ach so schwere Tablettensucht so schnell ab, dass sich Leute, die tatsächlich mit dieser Krankheit kämpfen eigentlich nur veräppelt fühlen können. Es ist bei vielen Büchern nicht ungewöhnlich, dass der Leser auch mal schneller schaltet als die Ermittler, hier wurde das aber an einer Stelle auf die Spitze getrieben und das wirkte dann schnell lächerlich; dass noch nicht mal der superschlaue Tom kapieren soll wie der Hase läuft, das habe ich der Autorin nicht abgekauft. Gerade gegen Ende des Buches wurde zudem das natürliche Tempo unnötig gedrosselt, zusätzliche mühsam hinzukonstruierte Dramen waren mir zu abgeschmackt und haben das Geschehen unnötig aufgebauscht. Im Hinblick auf die nächsten Bände gab es so einige lose Fäden, auch hier wäre weniger mehr gewesen. Nicht jeder Leser lässt sich gerne bei so vielem auf die nächsten Bände vertrösten. Ich zum Beispiel ; )

Insgesamt will ich gar nicht so viel meckern, sondern nur klar machen wo es noch gehakt hat und warum trotz des sehr harten und berührenden Themas keine volle Punktzahl bei rumgekommen ist. Wenn ich in entsprechenden Bücherforen richtig aufgepasst habe, dann sind weitere Bücher mit dem Ermittlerpärchen geplant. Da muss ich ehrlich sagen: bitte nicht; außer Saubermann Tom stirbt möglichst bald den Heldentod. Ansonsten warte ich lieber auf ein Buch ohne die beiden, denn spannend war das Buch allemal und schreiben kann die Autorin auch. Sehr gut sogar.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mittelmäßige Thrillerkost

Der Augenjäger
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Alina Gregoriev, ihres Zeichens Medium, wird von der Polizei um Mithilfe gebeten. Der Augenjäger geht um. Er entführt Frauen, entfernt ihnen die Augenlider, vergewaltigt und quält sie um sie dann wieder ...

Alina Gregoriev, ihres Zeichens Medium, wird von der Polizei um Mithilfe gebeten. Der Augenjäger geht um. Er entführt Frauen, entfernt ihnen die Augenlider, vergewaltigt und quält sie um sie dann wieder freizulassen. Ein Verdächtiger sitzt schon in Untersuchungshaft, doch ihm kann nichts nachgewiesen werden, weil die Hauptzeugin nicht mehr aussagen will bzw. kann. Alina soll nun mit ihren medialen Fähigkeiten Licht ins Dunkel bringen.

Mit diesem Buch knüpft Fitzek fast nahtlos an die Handlung von „Der Augensammler“ an und ich möchte hier auch sofort dem Vorwort widersprechen. Es gibt so viele Anspielungen und Verknüpfungen zum vorherigen Buch, dass ich es sehr wohl für zwingend halte, das vorher gelesen zu haben. Auch wenn der Autor das im Vorwort anders zu sehen scheint ; )

Mir hat dieser zweite Band etwas besser gefallen, doch auch hier tun sich meiner Meinung nach doch einige Mängel auf. So mancher medizinische Fakt hätte noch mal ordentlich recherchiert gehört, wer macht sich bei massivem Blutverlust schon Sorgen, dass er stattdessen an einer Sepsis sterben könnte? Innerhalb der nächsten Minuten wohlgemerkt. Eine Figur ist wochenlang in jeglicher Hinsicht total kaputt und kann nach spontaner Wunderheilung quasi problemlos wieder auf Verbrecherjagd gehen. Auch mit Alina hatte ich so meine Probleme, schon allein deswegen, weil ich mich mit dem „Funktionsprinzip“ ihrer Visionen immer noch nicht anfreunden kann. Realistisch ist an diesem Buch also fast nichts. Es mag am persönlichen Lesegeschmack liegen ob man über sowas hinwegsehen kann, mir liegen spontane Wunderheilungen einfach gar nicht.

Ich hatte oft das Gefühl, dass dem Leser durch allgegenwärtige Cliffhanger, Andeutungen was noch alles passieren sollte (ohne Ausnahme Schreckliches natürlich) u.ä. quasi per Holzhammermethode die Spannung eingeprügelt werden sollte. Bei mir wollte das nicht so recht gelingen, ich fand das Buch zwar flüssig zu lesen, aber große Spannung kam nicht auf. Trotz der Tatsache, dass ein unrealistischer Twist den nächsten zu jagen scheint. Insgesamt habe ich immer das Gefühl, dass es mir eine Prise zu viel war: zu viel Mystik, zu viel Drama, zu viele Cliffhanger, zu viele Twists, zu vieles an den Haaren herbeigezogen… Dafür blieb mir dann die Charakterentwicklung auf der Strecke und auch die aus dem ersten Band rübergerettete Rahmenhandlung war einfach nicht für meinen Geschmack gemacht. Für mich wäre weniger definitiv mehr gewesen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Reise mit dem gestohlenem Wohnmobil

Die Reise mit der gestohlenen Bibliothek
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Bobby Nusku hat es nicht einfach. Seine Mutter hat ihn und den saufenden Vater alleine gelassen, in der Schule wird Bobby gemobbt und auch sein einziger Freund Sonny kann ihm nur bedingt helfen. Seine ...

Bobby Nusku hat es nicht einfach. Seine Mutter hat ihn und den saufenden Vater alleine gelassen, in der Schule wird Bobby gemobbt und auch sein einziger Freund Sonny kann ihm nur bedingt helfen. Seine Tage verbringt er damit sich vor dem Vater und dessen neuer Flamme zu verstecken und sein zurückgezogenes Leben für die Mutter zu dokumentieren. Eines Tages trifft Bobby das Mädchen Rosa, deren Mutter Val den örtlichen Bücherbus putzt. Die drei verbindet bald eine wunderbare Freundschaft, die schnell seltsame Blüten treibt.

Dieses Buch hat mich überrascht, berührt, erheitert und großartig unterhalten. Bobbys Geschichte ist sehr traurig und anrührend, sein Charakter nicht so schnell zu durchschauen. Zunächst wirkt er einfach nur seltsam, ein Nerd der seine Tage damit verbringt Haare seiner Mutter zu archivieren? Freak. Doch schnell wächst er dem Leser ans Herz und man kann z.T. nur fassungslos zusehen wie er mit seiner Einsamkeit umgeht und dabei auch mal über die Stränge schlägt. Auch Val und Rosa sind sehr gut gelungen, auch wenn man beim Verhalten der Mutter manchmal eine Augenbraue hochziehen möchte, weil sie doch sehr unreif handelt.

Es ist schade, dass die Bücher im Bücherbus keine große Rolle spielen. Die Protagonisten lesen sich zwar fleißig durch die Regale und ab und an wird mal in einem Nebensatz erwähnt welches Buch gerade aktuell ist, trotzdem hatte ich doch etwas mehr erwartet. Im Endeffekt hätte es auch „Die Reise mit dem gestohlenen Wohnmobil“ heißen können. Aber das verzeiht man dem Autor schnell, denn die Story entwickelt sich so skurril und irrwitzig, dass man nichts vermisst. David Whitehouse hat eine tolle Art zu erzählen, die Story wirkt manchmal regelrecht märchenhaft ohne dabei ins Kitschige abzudriften und hält immer mal wieder inne um die Kleinigkeiten des Lebens zu betrachten.

Fazit: eine sehr schöne Geschichte, auch ohne große Bezüge zur Literatur.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Hotelleben

Hotel Alpha
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„Finde heraus, was die Leute wünschen. Erfülle ihre Wünsche. Dazu ist das Alpha da.“ (S. 26)

So lautet Howard Yorks Maxime, nach der seine Mitarbeiter im 5-Sterne-Hotel Alpha arbeiten. Graham ist einer ...

„Finde heraus, was die Leute wünschen. Erfülle ihre Wünsche. Dazu ist das Alpha da.“ (S. 26)

So lautet Howard Yorks Maxime, nach der seine Mitarbeiter im 5-Sterne-Hotel Alpha arbeiten. Graham ist einer der ersten, der in diesem Londoner Hotel seine berufliche Heimat als Concierge findet. Doch auch der kleine Junge Chas strandet nach dem Tod seiner Mutter im Alpha.

Über mehrere Jahrzehnte hinweg erstreckt sich die Handlung. Kleine und große Dramen spielen sich im Alpha ab, aktuelle Ereignisse werfen ihre Schatten, Leben werden gelebt, die Zeit wandelt sich. Doch das Alpha bleibt einem Fels in der Brandung gleich bestehen und mit ihm seine liebenswerte „Stammbesetzung“. Watson erzählt in einem ruhigen Ton, eher bruchstückhaft ergeben einzelne Episoden das große Ganze. Die Geschichte wird abwechselnd aus zwei Perspektiven (Graham & Chas) erzählt, die sich recht gut ergänzen. Insgesamt liegt der Fokus jedoch vor allem auf der Charakterentwicklung dieser Personen. Grahams Charakter hat mir sehr gut gefallen: ein sehr höflicher und zuvorkommender Mensch, der in seiner Arbeit völlig aufgeht, ja geradezu nur für seine Arbeit zu leben scheint. Doch zwischendurch lässt er hinter die eigene Fassade blicken und da sieht es doch manchmal etwas anders aus als erwartet. Mich hat er oft an den Butler aus „Was vom Tage übrig blieb“ erinnert. Chas blieb mir die meiste Zeit doch eher fremd, er lebt ein relativ realitätsfernes Leben und das habe ich dem Autor einfach nicht so recht abkaufen können. Howard ist da der krasse Gegenpol, ein extrovertierter Lebemann, der so dem Alpha seinen ganz besonderen Stempel aufdrückt.

Der vermeintlich große und dramatische Höhepunkt der Geschichte war für mich dann doch eher unbedeutend, sodass die Handlung für mich gegen Ende etwas dahinplätscherte. Im Großen und Ganzen fühlte ich mich aber trotzdem immer gut unterhalten. Ergänzend zum Roman veröffentlicht Watson weitere Kurzgeschichten rund um das Alpha unter www.hotelalphastories.de, einige davon sind als Appetithäppchen am Ende des Buches abgedruckt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Zeitenwandel

Der Palast der Meere
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England, 1560. Isaac of Waringham ist entsetzt: sein Bruder Francis eröffnet ihm, dass wohl ER der nächste Earl werden soll, da der eigene Sohn eher nicht in Frage kommt. Doch ein Leben mit so viel Verantwortung ...

England, 1560. Isaac of Waringham ist entsetzt: sein Bruder Francis eröffnet ihm, dass wohl ER der nächste Earl werden soll, da der eigene Sohn eher nicht in Frage kommt. Doch ein Leben mit so viel Verantwortung ist nichts für Isaac und so sucht er sein Heil in der Flucht. Er landet auf einem Schiff, und entdeckt, dass die Welt noch viel mehr zu bieten hat als das kleine idyllische Kent.

Ganz anders da seine Halbschwester Eleanor. Seite an Seite ist sie mit Königin Elisabeth aufgewachsen, hat mit ihr die schwierige Kindheit verbracht, die dunkelsten Stunden durchlebt. Jetzt steht sie ihr mit Rat und Tat zur Seite, ist ihr „Auge“ am Hof, eine der engsten Vertrauten und Weggefährten.

Endlich wieder Waringham! Über den Mönchskopf wandern, den Rosengarten bewundern, im Gestüt herumstrolchen. Doch diesmal befinden wir uns oft weit weg von altbekannten Gefilden; zu Anfang etwas ungewohnt, doch dann umso packender, wenn man sich einmal „eingewöhnt“ hat. Ein Waringhamband, der anders ist als seine Vorgänger.

Die Geschehnisse um El und Isaac könnten unterschiedlicher nicht sein, sodass man zwischenzeitlich fast das Gefühl hat zwei Bücher gleichzeitig zu lesen. Das ist einerseits sehr spannend, abwechslungsreich und informativ, andererseits kommen so manche Aspekte etwas kurz. Eben weil zwei so unterschiedliche Lebenswege zwischen zwei Buchdeckel passen müssen. Obwohl El der Königin so nahe steht, hatte ich so zuweilen das Gefühl, dass die politischen Entscheidungen Elisabeths an mir vorbei gingen. Oder zumindest hätte ich mir manches einfach ausführlicher erzählt gewünscht, wie etwa die Geschehnisse um Maria Stewart. Isaacs Weg fand ich recht abenteuerlich, ab und an jedoch etwas uninteressant. Die großen Freibeuterromane waren noch nie so meins.

Die Charaktere – allen voran natürlich die der beiden Hauptfiguren - sind (wie immer möchte ich fast sagen) sehr schön herausgearbeitet, selbst die kleinsten Nebenrollen sind mit viel Leben gefüllt. Man trifft auf allerlei historische Personen, denen mit Anekdoten und Anekdötchen wunderbar Leben eingehaucht wird. Das Elisabethanische Zeitalter ist auch ein Zeitalter des Aufbruchs, man merkt wie klein die Welt auf einmal geworden ist. Gablé versteht es sehr gut, diese Aufbruchsstimmung rüberzubringen, die Renaissance ist definitiv auch in Waringham angekommen.

Die Autorin erzählt auf gewohnt hohem Niveau, geschichtliche Fakten sind ansprechend verpackt, Zusammenhänge verständlich erklärt, die fiktive Handlung sehr schön entwickelt. Mir hat bei diesem Buch einfach das berühmte Tüpfelchen auf dem I gefehlt. Und vielleicht ein Schuss mehr Waringham.

Fazit: ohne Zweifel wieder ein hervorragendes Buch. Auch Band 5 kann sich also sehen lassen. (4,5/5 Sternen)