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Veröffentlicht am 11.07.2021

Spannender Ausflug auf den Wiener Zentralfriedhof

Das Buch des Totengräbers (Die Totengräber-Serie 1)
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Wien, 1893: Leo von Herzfeldt lässt sein Leben als angesehener Untersuchungsrichter in Graz zurück, um bei der Wiener Polizei quasi noch mal ganz unten anzufangen. Gleich bei seinem ersten Fall eckt er ...

Wien, 1893: Leo von Herzfeldt lässt sein Leben als angesehener Untersuchungsrichter in Graz zurück, um bei der Wiener Polizei quasi noch mal ganz unten anzufangen. Gleich bei seinem ersten Fall eckt er mit seinen modernen Methoden an, der Fall einer jungen Frau scheint für die Kollegen schnell gelöst. Unerwartete Schützenhilfe erhält Leo vom eigenbrötlerischen Totengräber Rothmayer, der seinen Wiener Zentralfriedhof sonst nur selten verlässt, zu diesem und weiteren Fällen aber doch einiges zu sagen hat.
Ich habe schon einige Bücher von diesem Autor gelesen, aber dieses zählt für mich zu seinen besten bisher. Zum einen ist die Stadt Wien in bunten Farben gezeichnet, alles wirkt sehr lebendig und echt. Zum anderen wird auch die Stimmung greifbar, der Aufbruch in ein neues Jahrhundert steht bevor, nicht jeder kann da Schritt halten. Der Mordfall entwickelt sich unerwartet und spannend, die Spuren führen bis in die angesehensten Wiener Kreise und man kann als Leser herrlich miträtseln und –fiebern.
Der heimliche Star des Buches ist für mich Totengräber Rothmayer, der so authentisch und lebendig wirkt, dass man am Schluss fast enttäuscht ist, weil es sich „nur“ um eine fiktive Figur handelt. Jedem Kapitel ist ein Zitat aus Rothmayers „Almanach für Totengräber“ vorangestellt, das zugleich kurios wie auch informativ ist. Ich hoffe sehr, dass Rothmayer auch in weiteren Bänden eine Rolle spielen wird, bisher mag ich ihn mehr als Leo. Dieser hat eine, wie er selbst gerne feststellt, schnöselige Art, trotzdem aber auch eine empathische Seite. Sein Interesse an der noch so neuen Kriminalistik gibt dem Leser einen guten Einblick in die Anfangszeit dieser Fachrichtung. Diese Mischung aus spannendem Kriminalfall, informativen Fakten zur Polizeiarbeit, Ausflug ins historische Wien und dem perfekten Zusammenspiel der so unterschiedlichen Charaktere ist für mich rundum gelungen. Ein toller Auftaktband, der mich die nächsten Bände sehr ungeduldig erwarten lässt.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Meinem Leserherz auf den Leib geschneidert

Der gekaufte Tod
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Vor einem Jahr hat August in seiner Heimatstadt Detroit alle Zelte abgebrochen, um mit seinem neu gewonnen Reichtum die Welt zu sehen und alles hinter sich zu lassen. Jetzt ist er zurück, doch noch bevor ...

Vor einem Jahr hat August in seiner Heimatstadt Detroit alle Zelte abgebrochen, um mit seinem neu gewonnen Reichtum die Welt zu sehen und alles hinter sich zu lassen. Jetzt ist er zurück, doch noch bevor er sich wieder eingerichtet hat, holt ihn die Vergangenheit ein. Nicht nur ist quasi der gesamte Polizeiapparat schlecht auf ihn zu sprechen, sondern eine alte Bekannte begeht zudem Selbstmord, kurz nachdem sie August um Hilfe bat. Der ist jetzt erst recht skeptisch, und so kämpft er nicht nur gegen den Verfall seines Viertels, sondern auch für die lückenlose Aufklärung ihres Todes.
Stephen Mack Jones hat mich mit seinem Krimidebüt umgehauen, alles, aber auch wirklich alles war wie perfekt auf mich und meinen Lesegeschmack zugeschnitten. Angefangen mit August Snow, der als Hauptfigur sicherlich nicht aus der 08/15-Kiste gezogen wurde. Halb Afroamerikaner – halb Mexikaner, aufgewachsen in Mexicantown, einem eher ärmlicheren Stadtteil Detroits, das prägt. August hat zwar ein liebevolles Elternhaus, aber er ist auch ein Kind seines sozialen Umfelds, das merkt man in seiner grundsätzlichen Einstellung, aber auch in vielen Kleinigkeiten. Anhand seines Beispiels thematisiert der Autor viele heiße Eisen wie Rassismus, Korruption und die Annahme, dass Recht und Gerechtigkeit eben doch nicht immer identisch sind. Ich mochte Augusts freche, aber kluge Art von Anfang an. Detroit als Handlungsort ist ebenfalls gut gewählt, der Verfall der Autostadt spiegelt sich in allen Schichten des Romans wieder. Die Handlung entwickelt sich rasant und brutal, Jones‘ Stil ist schnell und trotzdem nicht leichtlebig. Er legt mit „Der gekaufte Tod“ einen wirklich packenden Krimi vor, der mich die Übersetzung der nächsten Snowfälle kaum erwarten lässt.

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Veröffentlicht am 13.03.2021

Coming-of-Age mit Tiefgang

Der Junge, der das Universum verschlang
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Elis Kindheit und Jugend im Brisbane der `80er ist wirklich nicht einfach. Der Vater hat sich schon vor Jahren abgesetzt, die Mutter und ihr Lebensgefährte versinken in einem gefährlichen Dealermilieu. ...

Elis Kindheit und Jugend im Brisbane der `80er ist wirklich nicht einfach. Der Vater hat sich schon vor Jahren abgesetzt, die Mutter und ihr Lebensgefährte versinken in einem gefährlichen Dealermilieu. Wäre da nicht Elis schweigsamer Bruder Gus und ihr quasi-Kindermädchen Ex-Häftling Slim, auch Eli wäre schnell versumpft. Doch so schlagen sich die zwei Brüder durch, und werden schneller erwachsen als manch anderer.

Eli und Gus‘ Geschichte hat mich wirklich gepackt. Die beiden erfahren viel Schlechtes, wachsen in bestenfalls seltsamen Verhältnissen auf, und doch zeigen sie viel Empathie, Gerechtigkeitssinn und den festen Willen, das Richtige zu tun. Elis Figur steht klar im Vordergrund, nicht zuletzt deswegen, weil sein Bruder beharrlich seit Jahren schweigt. Die Beziehung der beiden ist sehr eng, mit kleinsten Gesten können sie sich verständigen, und doch hat Gus als der Ältere seine Geheimnisse. Der Alltag hat für die beiden einige Fallstricke bereit, immer wieder gibt es Rückschläge, wenn es für die Brüder gerade einen Hauch von besser zu laufen scheint. Wie sie, v.a. Eli danach immer noch weitermachen können, mit Witz und Verstand, fand ich sehr beeindruckend. Slim, der ja nun wahrlich kein Paradebeispiel ist, kann Eli trotzdem mit seinen subtilen Ratschlägen und der Tatsache, dass er einfach für ihn da ist, aus so mancher Klemme helfen. Ich mochte Slim sehr, und fand ihn für die Handlung sehr bereichernd. Der Roman wird von Figuren dominiert, die nicht aus der 08/15-Trickkiste stammen, was die Geschichte erst recht interessant macht. Auch der Stil ist nicht von der Stange, wer geradlinige Erzählungen mag, wird sich hier sicherlich schwer tun. Ich mochte die Ausschweifungen sehr, und war auch vom Erzählstil an die Seiten gefesselt. Dalton hat in diesem Roman seine eigene Kindheit und Jugend verarbeitet, was diesen Roman noch wertvoller und interessanter machte. Ich mochte ihn sehr.

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Veröffentlicht am 03.02.2021

Ende gut, alles gut?

Die Rache des Lombarden
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Noch keine zwei Jahre ist es her, dass Aleydis nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes nicht nur dessen Geldwechselstube, sondern auch seine zwielichtige Schattenwelt geerbt hat. Die möchte Aleydis eigentlich ...

Noch keine zwei Jahre ist es her, dass Aleydis nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes nicht nur dessen Geldwechselstube, sondern auch seine zwielichtige Schattenwelt geerbt hat. Die möchte Aleydis eigentlich gerne zerschlagen, doch das ist gar nicht so einfach, wird ihre Aufmerksamkeit doch an ganz anderer Stelle gebraucht. Ihre Mündel werden entführt, das Sorgerecht ihr streitig gemacht. Zum Glück stehen ihr nicht nur ihr Gesinde, sondern auch der Gewaltrichter Vinzenz van Cleve zur Seite.
Mit diesem Band endet die Reihe um Aleydis, die Witwe des Geldwechslers Golatti. Leider, möchte ich sagen. Doch Petra Schier hat mit diesem letzten Band der Trilogie das berühmte I-Tüpfelchen verpasst, sodass ich die Lektüre trotz Abschied sehr genossen habe. Wie schon bei den Vorgängern erwartet den Leser eine gelungene Mischung aus Spannung, Historie und ein kleines bisschen Romantik. Köln im Jahre 1424 wird sehr lebendig und detailreich dargestellt, in vielen Kleinigkeiten wird deutlich welch Recherchearbeit im Roman steckt. Viele der Figuren kennt man schon aus den vorherigen Bänden (die man schon vorher gelesen haben sollte), aber es gibt natürlich neue Seiten zu entdecken. Gerade Vinzenz lässt Blicke auf den weichen Kern hinter der harten Schale zu, sodass einiges in ein neues Licht gerückt wird. Ich fand die Handlung bis auf wenige Ausnahmen sehr stimmig; dass Aleydis die Entführung ihrer Mündel zwar entsetzt, sie aber dagegen vergleichsweise wenig unternimmt, passte für mich nicht so recht zu der taffen und sonst sehr tatkräftigen jungen Frau. Ihre quirlige Art mochte ich natürlich trotzdem und so bin ich mit dem Ende für diese sehr sympathische Protagonistin mehr als zufrieden ; ) Der sehr angenehme Erzählstil sorgt zusätzlich zur abwechslungsreichen Handlung dazu, dass sich das Buch schwer aus den Händen legen lässt. Dank des Nachworts hat man als Leser noch etwas länger zu grübeln und so ist der Abschied doch nicht ganz so hart. Sollte es allerdings doch irgendwann einmal Neues von Aleydis und Vinzenz geben – ich wäre sofort dabei.

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Veröffentlicht am 13.01.2021

Großartiger Krimi

Böses Blut
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Vor vierzig Jahren ging die Ärztin Margot eines Abends in ihren wohlverdienten Feierabend; doch zum Treffen mit ihrer Freundin ist sie nie aufgetaucht. Auch nach all den Jahren gibt es kein Lebenszeichen ...

Vor vierzig Jahren ging die Ärztin Margot eines Abends in ihren wohlverdienten Feierabend; doch zum Treffen mit ihrer Freundin ist sie nie aufgetaucht. Auch nach all den Jahren gibt es kein Lebenszeichen von ihr, und so bleibt ihre Tochter Anna im Ungewissen. Die wendet sich nun an Robin und Cormoran, vielleicht können die beiden ja doch noch eine Spur finden. Kein leichter Fall für die zwei Ermittler.

Dieser fünfte Band aus der erfolgreichen Strike-Reihe hat mich vollends begeistert. Trotz der beachtlichen Dicke kommt nie Langeweile auf. Die Autorin zeigt ganz hervorragend, dass Ermittlungen eben Zeit brauchen, gerade nach 40 Jahren. Spuren verlaufen im Sand, Zeugen sind verstorben oder nicht mehr auffindbar. Zudem haben Robin und Strike ja auch noch andere Fälle zu bearbeiten. Diese lockern das Geschehen immer wieder auf, genau wie Einblicke in das Privatleben der Ermittler. Hier hat mich einzig und allein ihr z.T. etwas teeniehaftes Verhalten genervt. Die beiden dürfen für mich gerne ein Paar werden, oder auch gute Freunde bleiben. Aber das seitenlange Hin und Her fand ich doch sehr nervig, gerade im Hinblick auf ihr Alter. Doch das ist wirklich der einzige Kritikpunkt am Roman. Die Ermittlungen sind spannend und schlüssig, die Auflösung mehr als rund. Ich mag Galbraiths/Rowlings Schreibstil sehr, es bleibt immer viel Zeit für Details, ohne dass die Handlung darin erstickt. Auch die Figurenzeichnung ist sehr glaubhaft, viele kleine Episoden wie der Besuch von Robins Bruder mit anschließendem, desaströsem Abendessen sind wie aus dem Leben gegriffen. Ich mochte diesen Krimi wirklich sehr, und kann jetzt Band 6 schon kaum erwarten.

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