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Veröffentlicht am 29.09.2020

Herrliche Ich-Erzählerin

Weit weg von Verona
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Jane Gardams Debüt aus dem Jahre 1971, das 2018 endlich auf Deutsch erschien, ist das erste Buch der Autorin, das ich gelesen habe – aber bestimmt nicht das letzte. Die 13-jährige Ich-Erzählerin Jessica ...

Jane Gardams Debüt aus dem Jahre 1971, das 2018 endlich auf Deutsch erschien, ist das erste Buch der Autorin, das ich gelesen habe – aber bestimmt nicht das letzte. Die 13-jährige Ich-Erzählerin Jessica ist wirklich einfach herrlich. Erfrischend ehrlich und gewitzt erzählt sie aus ihrem Alltag in einer chaotisch-liebevollen Familie in einem englischen Küstenstädtchen während des Zweiten Weltkrieges. Sie und ihre Familie habe ich lieb gewonnen und hätte gerne noch weiter von ihrem Leben während und nach dem Krieg erfahren. Das andere Personal des Buches blieb für mich etwas blass, was aber auch ok ist, wenn der Roman "nur" 238 Seiten hat.

Der Krieg ist da, wird aber von Jessica relativ gelassen hingenommen, was man mit ihrem Alter erklären kann. Ich fand das eine interessante Darstellung: weder zu düster noch zu unbeschwert.

Auch wenn der Verlag nicht müde wird, darauf hinzuweisen, dass Jessica immer die Wahrheit sagt, verschweigt sie aber scheinbar manches. Das wird in eher unauffälligen Nebensätzen klar, wo auf einmal auf etwas angespielt wird, von dem vorher nie die Rede war – etwas mysteriös. Der Hintergrund blieb für mich leider unklar, tat dem Lesegenuss aber keinen Abbruch.

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Veröffentlicht am 26.09.2020

Identitätssuche einer Familie

Die zitternde Welt
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Tanja Paar hat die Geschichte einer ungewöhnlichen Familie aufgeschrieben. Offenbar ist es die Geschichte ihrer eigenen Familie – oder zumindest von dieser inspiriert –, denn die Familie trägt den gleichen ...

Tanja Paar hat die Geschichte einer ungewöhnlichen Familie aufgeschrieben. Offenbar ist es die Geschichte ihrer eigenen Familie – oder zumindest von dieser inspiriert –, denn die Familie trägt den gleichen Nachnamen wie die Autorin.

Das österreichische Paar Maria und Wilhelm lebt um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Anatolien. Dort erleben sie die Umbrüche rund um das Ende des Osmanischen Reiches. Das war durchaus interessant und spannend zu lesen. Anlässlich des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges kehrt die Familie mit ihren drei Kindern nach Österreich zurück. Auch die Identitätssuche zwischen den Kulturen, die alle Familienmitglieder prägt, fand ich sehr interessant.

Insgesamt konnte mich das Buch dennoch nicht restlos überzeugen. Erzählt wird manchmal sehr sprunghaft, sodass ich das Gefühl hatte, dass manches auf der Strecke blieb.

Veröffentlicht am 21.09.2020

Enttäuschend

Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch
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Dieses Buch strotzt vor Klischees, Vorurteilen und dazu noch Längen in der Erzählung. Auf Spannung oder eine überraschende Wendung wartet man vergebens.

Einziger Lichtblick waren die Rückblicke in die ...

Dieses Buch strotzt vor Klischees, Vorurteilen und dazu noch Längen in der Erzählung. Auf Spannung oder eine überraschende Wendung wartet man vergebens.

Einziger Lichtblick waren die Rückblicke in die bewegte Familiengeschichte vor der Migration von der Sowjetunion nach England, die von der Autorin aber kurz, fast beiläufig abgehandelt wurden.

Veröffentlicht am 17.09.2020

Aufbereitung einer Ehe

Unter uns das Meer
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Amity Gaige nimmt den Leser in "Unter uns das Meer" mit auf einen Segeltörn in die Karibik. Das Ehepaar Juliet und Michael steigt für ein Jahr aus vom gewohnten Alltag in Connecticut. Südsee, Unabhängigkeit, ...

Amity Gaige nimmt den Leser in "Unter uns das Meer" mit auf einen Segeltörn in die Karibik. Das Ehepaar Juliet und Michael steigt für ein Jahr aus vom gewohnten Alltag in Connecticut. Südsee, Unabhängigkeit, Zeit für die Familie – das klingt wie ein Traum, offenbart aber auch bald seine Schattenseiten in Gegenwart und Vergangenheit.
Die Autorin lässt die beiden Protagonisten Juliet und Michael die Geschichte im Wechsel erzählen und zwar so, dass sich trotzdem eine flüssige Story entwickelt. Während Juliet die Geschichte rückblickend erzählt, erfahren wir Michaels Sichtweise anhand des Logbuchs, das er während des Segeltörns geführt hat. Dieser Blick auf die Geschichte von zwei Seiten ist abwechslungsreich und durch die teils rasanten Perspektivwechsel baut sich ein richtiger Sog auf, der den Leser mitzieht. Auf diese Art und Weise bereiten Juliet und Michael jeder für sich ihre Ehe auf. Nach und nach wird einiges an gemeinsamen oder persönlichen Problemen aufgedeckt.

Zwischendurch etwas langatmige Beschreibungen der Segeltechnik und auch den "Anhang" nach dem eigentlichen Schluss hätte ich nicht gebraucht, ansonsten aber sehr gut erzählt.

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Veröffentlicht am 09.09.2020

Sympathische Außenseiterin

Das Seidenraupenzimmer
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Wie schon in "Die Ladenhüterin" zeichnet die japanische Autorin Sayaka Murata wieder liebevoll eine Außenseiterin, die mit der modernen Welt, den gesellschaftlichen Normen nicht zurecht kommt. Auch wenn ...

Wie schon in "Die Ladenhüterin" zeichnet die japanische Autorin Sayaka Murata wieder liebevoll eine Außenseiterin, die mit der modernen Welt, den gesellschaftlichen Normen nicht zurecht kommt. Auch wenn "Das Seidenraupenzimmer" in Japan spielt und sich auf eine Gesellschaft bezieht, die noch mehr auf Normen und Konformität basiert, als in anderen Ländern, ist das, was die Protagonistin beschreibt, auch für westliche Leser gut nachvollziehbar – und auf europäische Lebenswelten beziehbar.
Natsuki, die der Leser als 12-Jährige kennenlernt, ist auf eine sympathische Art so naiv und unbedarft, dass sie einem sofort ans Herz wächst und ihre von Lieblosigkeit und Missbrauch geprägte Kindheit umso mehr schockiert. Teilweise mag das von der Autorin überzeichnet sein, aber Natsukis Schicksal blieb für mich immer glaubhaft.
Nachdem sich der erste Teil auf Natsukis Kindheit bezieht, macht der zweite Teil einen Sprung in ihr Erwachsenenleben. Immer noch besteht bei ihr der innere Konflikt zwischen Konformität und einem Leben nach eigenen Vorstellungen – in ihrem Cousin und ihrem Ehemann findet sie zwei Schicksalsgenossen. Das ganze gipfelt in einer skurrilen Szenerie.

Während ich bei "Die Ladenhüterhin" zwischendurch auch mal grinsen musste, blieb mir das Lachen bei "Das Seidenraupenzimmer" im Halse stecken, auch wenn manche Szenen mit der naiven Natsuki komisch wirken mögen. Ich fand es düsterer als den vorherigen Roman.