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Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Schriftstellerei als Therapie

Die Falle
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Linda Conrads lebt seit einigen Jahren zurückgezogen in ihrem kleinen Haus. Sie wurde bekannt durch ihre Romane, die sie berühmt gemacht haben. Zurzeit schreibt sie wieder einen Roman, in dem die Protagonistin ...

Linda Conrads lebt seit einigen Jahren zurückgezogen in ihrem kleinen Haus. Sie wurde bekannt durch ihre Romane, die sie berühmt gemacht haben. Zurzeit schreibt sie wieder einen Roman, in dem die Protagonistin Sophie im Mittelpunkt steht. Charlotte unterstützt Linda im Alltag, und ist somit die gute Seele im Haus – auch für Lindas Hund Bukowski. Linda kann sich deshalb ganz und gar ihrer Schriftstellerei widmen. Aber dieses zurückgezogene Leben birgt Schattenseiten, die eines Tages sich verstärken als Linda einem Mann im Fernsehen sieht, dem sie vor einigen Jahren schon einmal begegnet ist. Sie kann sich nur noch an die Augen des Mannes erinnern. Diese Augen gehören angeblich dem Mörder Lindas Schwester Anna. Anna und Linda waren zu Lebzeiten nicht immer ein Herz und eine Seele, aber dennoch möchte Linda den Mörder ihrer Schwester nach den vielen Jahren finden. Da bietet sich ihr eine Gelegenheit. Wird Linda den Mörder ihrer Schwester überführen können?
Melanie Raabe gelang mit ihrem Debüt „Die Falle“ ein raffinierter und hervorragender Thriller, bei dem sie die Leserschaft manches Mal auf die falsche Fährte führte. Ihr Schreibstil ist nachvollziehbar und einfach verständlich geschrieben. Beim Schreibstil fällt vor allem die Psychologie ins Gewicht, die die Geschichte somit spannend erzählt bis (fast) ans Ende der Geschichte. Linda stellt die einsam lebende Hauptprotagonistin in diesem Thriller dar, die sehr zurückgezogen lebt. In Rückblenden lernt man Lindas Schwester Anna anhand von Lindas Gedanken über die damalige Zeit kennen. Anna stellt dagegen eine Frau dar, die ihr Leben ausgiebig und lebensbejahend genoss. Genau das gegenteilige Leben von Linda. Der angebliche Mörder von Anna soll der Journalist Victor Lenzen sein. Er arbeitete einige Jahre im Ausland – besonders in Krisengebieten – doch plötzlich taucht Victor Lenzen in der Öffentlichkeit auf. Als Linda diesen Moment erlebt, erwacht sie aus ihrer Lethargie, und will nun nach über zehn Jahren herausfinden, wer ihre Schwester umgebracht hat, denn der Mörder ist seit damals aufgrund von Mangel an Beweisen „noch“ nicht gefasst worden. Die Autorin schrieb ihren Thriller in zwei Teilen. Der eine Teil stellt die Gegenwart von Linda dar, die manches Mal gedanklich in die Vergangenheit zurückschweift. Und der andere Teil des Thrillers stellt das Buch im Buch dar, indem Ausschnitte aus Lindas aktuellem Roman dargestellt werden. Lindas Roman erzählt eine ähnliche Geschichte wie Lindas eigenes Leben. Mit dieser Raffinesse spielt die Autorin auf die Psychologie der Hauptprotagonistin Linda und der Hauptprotagonistin Sophie in Lindas Roman an. Die Leserschaft wird somit mit psychologischen Häppchen ausgestattet, die die Leserschaft unter Hochspannung mitfiebern lässt.
Nach diesem tollen Thriller wünsche ich mir weitere spannende und psychologische Geschichten von Melanie Raabe. Gerne dürfen wieder starke und schwache Frauen im Mittelpunkt stehen. Dieses Buch darf in keinem Thriller-Regal fehlen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein faszinierender Jugendroman für Jugendliche und Erwachsene

Der Junge im gestreiften Pyjama
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Die Geschichte handelt von dem neunjährigen Bruno, der mit seinen Eltern und seiner zwölfjährigen Schwester Gretel in einem Herrenhaus in Berlin lebt. Brunos Eltern scheinen viel Geld zu besitzen da sie ...

Die Geschichte handelt von dem neunjährigen Bruno, der mit seinen Eltern und seiner zwölfjährigen Schwester Gretel in einem Herrenhaus in Berlin lebt. Brunos Eltern scheinen viel Geld zu besitzen da sie sich einen Kellner und ein Dienstmädchen leisten können in der Zeit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Eines Tages verlässt die Familie – außer die Eltern von Brunos Vater - das Haus und Berlin, und zieht in ein Haus an einem anderen Ort. Gretel und Bruno lassen ihre Freunde in Berlin zurück, was vor allem Bruno besonders schwerfällt, denn er kann nicht spielen und vermisst seine Freunde. Bruno weiß nicht wo dieser Ort ist, und seine Eltern und seine Schwester klären ihn nicht auf. Sein Vater ist ein vielbeschäftigter Kommandant. Tag für Tag gefällt das Haus Bruno weniger. An dem Grundstück grenzt direkt ein großer langer Zaun entlang. Bruno beobachtet von seinem Zimmerfenster aus, dass hinter dem Zaun ganz viele Menschen sich aufhalten. Und alle Menschen hinter dem Zaun tragen die gleiche Kleidung. Bruno versteht das alles nicht. Und er versteht es immer noch nicht als er den gleichaltrigen Jungen Schmuel kennenlernt. Bruno möchte gerne mit Schmuel spielen auf der anderen Seite des Zauns. Aber irgendetwas hindert ihn daran.

John Boyne schrieb die Geschichte eines Jungen, der sich in einer neuen Welt zurechtfinden muss. Die Welt an dem Zaun auf seiner Seite, und die Welt hinter dem Zaun möchte er gerne kennenlernen. Aber es existieren unsichtbare Hürden. Dem Autor ist anhand von Sprache, nebulösen Schilderungen und Ereignissen gelungen, ein Stück Geschichte der Menschheit zu erzählen, die man trotzdem versteht. Boyne kann Ereignisse umschreibend auf einer verständnisvollen Sprache ausdrücken, die auf Einfachheit und Emotionalität fundiert.

Dieser Jugendroman – vom Autor auch Fabel genannt - müssen Jugendliche und Erwachsene unbedingt lesen, weil er einen beim Lesen mit Faszination in den Bann zieht, was man zu Beginn der Geschichte nicht erwartet. Dieser Roman wird erst nach dreißig bis vierzig Seiten lebendig und inhaltsreich, um zu verstehen, worum es in der Geschichte geht. Erst denkt man, es handelt sich um eine wohlhabende Familie mit militärischen Berufslaufbahnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aber der Autor führt die Leserschaft sanft an die Thematik, die hinter der Geschichte steckt. Für Jugendliche sollte dieser Roman eine Pflichtlektüre im Deutsch- und Geschichtsunterricht sein. Und jedem Erwachsenen kann ich ebenso diesen Roman empfehlen aufgrund der Umsetzung des Inhalts und der Erzählweise.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein Roman mit Höhen und Tiefen

Morgen kommt ein neuer Himmel
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Brett Bohlinger arbeitet erfolgreich als Werbefachfrau in dem Unternehmen ihrer Mutter Elizabeth. Leider kann Elizabeth aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mit in dem Unternehmen arbeiten. Als Elizabeth ...

Brett Bohlinger arbeitet erfolgreich als Werbefachfrau in dem Unternehmen ihrer Mutter Elizabeth. Leider kann Elizabeth aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mit in dem Unternehmen arbeiten. Als Elizabeth stirbt, hinterlässt sie ihre letzten Wünsche in einem Testament. Bretts Schwägerin Catherine soll das Unternehmen leiten, obwohl Brett fest damit gerechnet hat, dass sie das Unternehmen nach dem Tod ihrer Mutter übernimmt.
Als Brett vierzehn Jahre alt war, schrieb sie eine Liste mit verschiedenen Lebenszielen, die sie in ihrem Leben noch erreichen wollte. Zwanzig Jahre später hat Brett diese Lebensziele längst vergessen, aber ihre Mutter nicht. Denn Elizabeth fand damals diese Liste im Mülleimer, und hat sie aufgehoben, weil ihrer Meinung nach diese Lebensziele realistisch wirkten. Nach dem Tod von Elizabeth erfährt Brett, dass Elizabeths‘ Bedingung ist, dass Brett diese Lebensziele nun endlich umsetzen soll mit dem Ziel, dass sie am Ende ein Erbe erhält.
Brett muss binnen zwölf Monaten zum Beispiel heiraten, ein Pferd anschaffen, ein Kind bekommen, eine eigene Wohnung mieten. In diesen zwölf Monaten erlebt Brett Höhen und Tiefen, mit denen sie wächst und sich verändert.

Mit diesem ersten Roman schrieb die amerikanische Autorin Lori Nelson Spielman eine Geschichte mit Herz, sozialer Empathie und Rückschlägen, die beim Lesen teilweise sehr berührt. Die Hauptprotagonistin Brett Bohlinger stellt eine sympathische, herzensgute, aber manchmal auch eine naive Frau dar. Naiv in dem Sinne, dass sie sich in der Liebe keinen Ruck gibt, um konkrete Entscheidungen bei Beziehungen zu treffen. Die Sprache der Autorin ist einfach und emotional geschrieben, so dass man gut der Geschichte folgen kann. Das Wechselspiel von Vergangenheit, Gegenwart und verloren geglaubte Personen sind stimmig in der Geschichte eingebunden worden.

Besonders berührte mich bei diesem Roman die Situation als Brett von heute auf morgen mit einem kleinen Mensch konfrontiert wird, und als Brett sich für sozial benachteiligte junge Mädchen und Frauen engagiert. Dieser Roman lässt einen nachdenken, welche Lebensziele man sich selbst gestellt hat, und fragt sich dabei, ob man immer die Ziele erreicht, die man sich gesetzt hat. Lori Nelson Spielman gelang ein Roman, den man nicht eben nach dem Auslesen wieder in das Bücherregal stellt, sondern gerne auch darüber nachdenkt und kommuniziert. Ein sehr gutes und unterhaltsames Buch für Abende oder verregnete Wochenenden auf dem Sofa.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ernsthafte Geschichte über Straßenkinder

Das Mädchen mit dem Fingerhut
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Zwei Jungen und ein Mädchen versuchen Tag für Tag zu überleben. Anfangs lernt man ein Mädchen kennen, das nicht weiß, welchen Namen ihre Eltern ihr gegeben haben. Sie nennt sich selbst Yiza. Irgendwo in ...

Zwei Jungen und ein Mädchen versuchen Tag für Tag zu überleben. Anfangs lernt man ein Mädchen kennen, das nicht weiß, welchen Namen ihre Eltern ihr gegeben haben. Sie nennt sich selbst Yiza. Irgendwo in einer namenlosen Stadt lernt Yiza einen sogenannten „Onkel“ kennen, der ihr Ratschläge gab wie sie überleben kann. Für einige Tage erhält Yiza Brot, Wurst und Käse von einem Mann auf dem Markt. Doch diese Art von Unterstützung ist von kurzer Dauer. Eines Tages begegnet sie den beiden Jungen Schamhan und Arian. Gemeinsam kämpfen die drei fast unbemerkt von der Bevölkerung für jeden Tag des Überlebens, an dem sie Lebensmittel bekommen können. Keine Eltern, keine Geschwister. Yiza redet nicht viel außer, dass sie bei einem bestimmten Wort schreit: Polizei.
Der österreichische Autor Michael Köhlmeier schrieb mit wenigen Zutaten von Inhaltselementen einen kurzen, aber intensiven Roman, der aufgrund seiner Geschichte einen Teil der gegenwärtige Weltsituation erzählt. Kurze Sätze, die manchmal einfache Momente des Erlebens beschreiben, aber wodurch banale Momente stark zur Geltung kommen. Das Mädchen Yiza symbolisiert ein x-beliebiges Kind, das ohne Eltern und einem Dach über dem Kopf auf der Straße lebt. Vielleicht ist es ein Flüchtlingskind, vielleicht auch nur ein Großstadtkind, das von zu Hause wegegelaufen ist. Ebenso leben die beiden Jungen Schamhan und Arian in diesem desolaten Zustand. Anhand deren Sprachbarrieren stellt man fest, dass diese Kinder unterschiedliche Herkunftshintergründe haben. Michael Köhlmeier griff ein Thema auf, das die Schwachen der Gesellschaft in den Vordergrund rückt.
Ein Roman, der einen nachdenklich zurücklässt. Die Figur Yiza steht für viele andere Kinder und Jugendliche, die Grenzen überqueren ohne Eltern, Großeltern oder Geschwister. Nicht das Mädchen an sich ist bedeutsam, sondern ihre Rolle. Ihr Rolle als Flüchtling, Obdachlose und Verwaiste. Sie steht symbolisch für viele Schicksale auf dieser Welt. Ein Roman abseits von Politik, Medien und Diskussionen, der seine Anerkennung aufgrund der Thematik verdient hat.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn die Vergangenheit bis in die Gegenwart Spuren hinterlässt

Heimweh
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Jesse Berg arbeitet als Kinderarzt in Berlin, war verheiratet mit Sandra, mit der er die gemeinsame Tochter Isabelle – auch Isa genannt – im Wechsel betreut. Jesse lebte einst im Allgäu als Heimkind in ...

Jesse Berg arbeitet als Kinderarzt in Berlin, war verheiratet mit Sandra, mit der er die gemeinsame Tochter Isabelle – auch Isa genannt – im Wechsel betreut. Jesse lebte einst im Allgäu als Heimkind in einem privaten Internat Adlershof. Der damalige Heimleiter Artur Messner lebt heute noch im Adlershof, allerdings als pensionierter Mann. Mittlerweile führt sein Sohn Richard das Internat und die Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Sandra gehörte damals auch zu den sogenannten Homies – Kinder aus vernachlässigten oder schwierigen Elternhäusern. Jesse wuchs nach dem Tod seiner Mutter beim Vater weiter auf. Als sein Vater aber immer mehr Alkohol trank und seinem Sohn dieses psychisch wie physisch spüren ließ, wurde Jesse vom Vater entzogen. Somit kam er 1981 mit dreizehn Jahren nach Adlershof.
Heute in der Gegenwart lebt Jesse als Arzt und Familienmensch ein beschauliches Dasein bis zu einem einschneidendes Erlebnis. Isa wird entführt und Sandra tot im Wohnzimmer aufgefunden. Jesse läuft die Zeit davon, denn er muss Isa finden, sonst wird auch sie sterben müssen.
Marc Raabe legt mit diesem Psychothriller sein drittes Buch vor. Beim Lesen merkt man, dass der Autor gut recherchiert hat, was mich manchmal beim Lesen an die öffentliche Auseinandersetzung mit der Odenwaldschule erinnerte. Besonders spannend ist der Wechsel zwischen der Vergangenheit 1981 in Adlershof und der Gegenwart in Berlin und Garmisch-Patenkirchen. Jesse muss seine Tochter finden, was hier zu einem Katz-und-Maus-Spiel wird zwischen Jesse, Mitglieder seiner damaligen Clique und dem damaligen Heimleiter Artur Messner. Jesse als Jugendlicher und Erwachsener stellt eine klare Figur dar, allerdings kann man es bei den anderen Figuren nicht immer feststellen, denn sie haben alle ihre Geheimnisse, damals wie heute. Das macht eben die Spannung und die psychologischen Effekte in diesem Thriller aus. Sehr sympathisch fand ich die kleine achtjährige Isabelle, die die ganze Zeit eine kleine Kämpferin darstellte.
Seit einiger Zeit habe ich nicht einen solchen grandiosen und psychologisch spannenden Thriller gelesen. Oft hatte ich Herzklopfen und konnte das Buch nicht an die Seite legen. Unter den deutschen Thriller-Schriftstellern gehört Marc Raabe nun zu meinen Favoriten. Bis zum Schluss hielt der roten Faden mit purer Spannung und Überraschungen. Man bekommt seine Verdachtsmomente, aber man wirft sie schnell wieder über Bord, und muss die Würfel neu mischen, wer nun der oder die Verdächtigen der unterschiedlichen Figuren nun ist. Von Marc Raabe möchte in Zukunft noch mehr solcher Stories lesen.