Ein solider King-Roman der für mitreißende Unterhaltung sorgt
SpäterBeschreibung
Von klein auf kann Jamie Conklin die Geister verstorbener Menschen sehen und mit ihnen reden, bevor diese allmählich verblassen. Seiner alleinerziehenden Mutter Tia steht Jamie sehr nahe ...
Beschreibung
Von klein auf kann Jamie Conklin die Geister verstorbener Menschen sehen und mit ihnen reden, bevor diese allmählich verblassen. Seiner alleinerziehenden Mutter Tia steht Jamie sehr nahe und ist die einzige Person, die von seiner Begabung weiß und dieses Geheimnis gut hütet. Doch als die Finanzkrise Tias Literaturagentur in Bedrängnis bringt und all ihre Hoffnung auf dem Abschlussband der Saga ihres rentabelsten Autors ruht, stirb dieser ohne das Buch vollendet zu haben. Tia weiht ihre Lebensgefährtin Liz Dutton, die bei NYPD arbeitet, in das Geheimnis ein und zusammen mit Jamie gelingt es ihnen die Details der Geschichte in Erfahrung zu bringen, denn die Geister müssen Jamies Fragen immer ehrlich beantworten. Zwar sind Jamie und Tia nun dem finanziellen Ruin entkommen, doch ›später‹ wird die Offenbarung von Jamies Gabe ungeahnte Ereignisse nach sich tragen…
Meine Meinung
Der neue Roman »Später« von Schriftsteller-Legende Stephen King zählt mit gerade einmal dreihundert Seiten zu seinen dünneren Werken und wirkt wie eine moderne Mischung aus einer klassischen Gothic Novel und einem nervenaufreibenden Thriller. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive des neunjährigen Jamie Conklin, der mit seiner lockeren Jugendsprache einen besonderen Touch beisteuert.
Die Geschichte über einen Jungen der Geister sehen und mit ihnen reden kann ist an sich nichts grundlegend neues und erinnerte mich sogleich an den erfolgreichen Psychothriller »The Sixth Sense« aus dem Jahre 1999. Doch Stephen King wäre nicht Stephen King, wenn er eine ganz eigene abgefahrene Mystery-Geschichte zu Papier bringen würde.
Der große Star von »Später« ist in meinen Augen der unvergleichliche Erzählstil, denn durch diesen hat man das Gefühl direkt in der Haut des jungen Hauptprotagonisten zu stecken. Einfach grandios, wie King es immer wieder gelingt solch authentische Charaktere zu erschaffen und sich in diese hineinzuversetzen, denn sogar im Erzählstil merkt man das Älterwerden des Ich-Erzählers an.
Der Horror von »Später« setzt sich aus subtilen Andeutungen und schockierenden Ereignissen zusammen, wobei King nicht an brutalen Einzelheiten spart, wenn z. B. Jamie von Liz dazu gezwungen wird, mit einem toten Bombenleger zu sprechen, um den Ort seines letzten deponierten Sprengkörpers in Erfahrung zu bringen. Diese Begebenheit hat zwar auf den ersten Blick das edle Ziel Leben zu retten, doch die Beweggründe dahinter sind von menschlichen Sorgen und Ängsten geprägt.
Die enge Beziehung zwischen Jamie und seiner Mutter ist ein zentraler Punkt, denn ich bin mir sicher, dass sich der Junge ohne den starken Rückhalt nicht ganz so souverän mit seiner Gabe und der brutalen Entwicklung der Geschichte geschlagen hätte. So ist sie zu etwas ganz natürlichem geworden, mit dem ohne Angst umgegangen werden kann, bis aus einem Geist plötzlich mehr wird…
Sicherlich hätte King noch viel mehr aus dieser Geschichte herausholen können und nur zu gerne hätte ich noch weitere hundert Seiten an der Seite des sympathischen Jungen, der mit den Toten reden kann, verbracht, doch auch in dieser Kürze hat der Autor wieder einmal Themen angeschnitten, die einen noch nach dem Lesen beschäftigen. Welches Recht nehmen sich z. B. Menschen heraus, die jemanden für ihre Zwecke benutzen, und wo ist die Grenze? Außerdem wird hervorragend aufgezeigt, dass der Missbrauch von Alkohol und Drogen niemals eine Lösung sein kann.
Fazit
Ein solider King-Roman der für mitreißende Unterhaltung sorgt, aber gerne noch etwas ausschweifender daherkommen hätte können.
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© Bellas Wonderworld; Rezension vom 09.04.2021