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Veröffentlicht am 15.09.2016

Zwischen den Zeilen gibt es viel zu entdecken

Die Grammatik der Rennpferde
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Für ihre ausländischen Studenten ist die Deutschlehrerin Salli Sturm ein tägliches Highlight, doch privat glänzt bei Salli wenig. Verabredungen mit Kollegen und einsame Videoabende trösten sie über die ...

Für ihre ausländischen Studenten ist die Deutschlehrerin Salli Sturm ein tägliches Highlight, doch privat glänzt bei Salli wenig. Verabredungen mit Kollegen und einsame Videoabende trösten sie über die Einsamkeit hinweg bis Sergey, ein russischer Stallarbeiter, als Privatschüler in ihr Leben tritt. Die Grammatikstunden gestalten sich schwierig und der verschlossene Russe mit seinen eingefahrenen Satzstellungen macht es Salli nicht leicht. Doch langsam entwickelt sich zwischen Lehrerin und Schüler ein besonderes Gefühl, mit dem beide nicht mehr gerechnet hätten.

Angelika Jodl ist von der ersten Seite an ihre Leidenschaft für Sprache und Grammatik anzumerken. Alle Kapitelüberschriften beginnen mit einer grammatikalischen Einleitung. Dabei ist der Schreibstil so fesselnd und unterhaltsam, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen mag. Das Zusammenspiel zwischen der lehrplanorientierten regelgerecht lebenden Salli und dem spröden, verschlossenen und pragmatischen Sergey macht Spaß zu lesen. Ganz nebenbei erfährt man auch viel über den Rennsport und Pferdehaltung. Die Stute Katka hat eine nicht unerhebliche Schlüsselfunktion im Roman.

Salli muss man sofort ins Herz schließen. Sie lebt für die Sprache, umgibt sich mit Wortart-Tieren, wie Nomen-Elefanten und Pronomen-Äffchen, die sie gedanklich ständig begleiten. Obwohl sie von ihren Studenten geliebt wird, fühlt sie sich selbst unter all ihren promovierten Kollegen minderwertig. Heimlich hofft sie auf eine Gefühlsregung ihres Kollegen Anselm, der aber auch von anderen Kolleginnen hofiert wird. Der Unterschied zwischen der selbstsicheren Lehrerin und der fast schon hilflosen Salli im Alltag macht sie so liebenswert.

Sergeys Sprache ist herrlich, die Mischung aus Muttersprache, Satzverdrehern und urigem Dialekt hört man richtig beim Lesen. Manche Worte habe ich laut gelesen, dann ist es noch besser.
Sergey ist als Ex-Jockey sehr kompetent im Umgang mit Pferden. Trotzdem wird seine harte Arbeit schlecht bezahlt und er muss viele Demütigungen einstecken. Man wird richtig wütend auf die arroganten Pferdebesitzer und den ausbeutenden Stallbesitzer. Seine Sprachschwierigkeiten kosten ihn sogar eine Anstellung, dennoch behält er bewundernswerter Weise seine Würde:
"Ein Mann zeigt nicht, was in seiner Seele passiert. "

Salli sieht durch Sergeys Unterricht eine Change, doch noch einen Doktortitel zu erhalten. Sergey wird uneingeweiht zum Studienobjekt und Salli zieht zu ihm von Schwabing nach Daglfing. Doch das anfängliche Ziel verliert sich und aus der Lehrerin wird eine staunende Schülerin.

"Und sagst du immer, das soll ich lernen! No, heute du musst. Oder geht net bei dir mit Lernen?"

Kulturelle Unterschiede, Sprachschwierigkeiten, Missverständnisse stehen zwischen Salli und Sergey, aber die Liebe setzt sich trotzdem durch. Gesellschaftskritik wundervoll umgesetzt. Warmherzig, leise, mit liebenswerten, sympathischen Protagonisten.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannende Zeppelin-Geschichte mit tollen Technik-Details

Mit dem Zeppelin nach New York
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Mit einem Mützenfund auf einem Daboden fängt alles an. Für seinen Enkel erzählt der Großvater wie sein eigener Vater Besitzer der Uniform-Mütze der "Hindenburg" wurde: Für den 14-jährigen Werner Franz ...

Mit einem Mützenfund auf einem Daboden fängt alles an. Für seinen Enkel erzählt der Großvater wie sein eigener Vater Besitzer der Uniform-Mütze der "Hindenburg" wurde: Für den 14-jährigen Werner Franz wird 1936 ein Traum wahr. Er darf 1936 als Kabinenjunge auf dem Zeppelin Hindenburg arbeiten. Eine anstrengende und aufregende Zeit an Bord des Zeppelins beginnt, in der er mehrmals nach Südamerika reist. Die letzte Fahrt Richtung New York endet dramatisch.

Der Autor Stephan Martin Meyer und der Illustrator Thorwald Spangenberg haben eine gelungene Mischung aus Geschichts- und Sachbilderbuch für Leser ab 8 bis 10 Jahren geschaffen. Aber auch erwachsene Leser können viele neue Informationen gewinnen. Bunte Gouache-Bilder und ruhige Comicelemente wechseln sich mit Kartenmaterial und technischen Zeichnungen ab. Der besondere Reiz liegt in der Mischung aus der wahren Geschichte von Werner Franz und den vielen tollen Informationen rund um die Zeppelin-Technik. Der Schreibstil ist flüssig und ist auch für Selbstleser geeignet. Lustige Elemente, wie die Äquatortaufe von Werner, lockern die Geschichte auf.

Die Zeit um 1936 wird durch die besondere Gouache-Technik sehr gut eingefangen und fesselt auch junge Leser. Besonders überrascht hat uns die unvorstellbare Größe des Zeppelins. Der abgebildete Airbus A380 wirkt gegenüber dem 245 Meter langen Luftschiff fast winzig.

Der Absturz der Hindenburg wird bildlich und sprachlich kindgerecht behandelt. Man bekommt anhand der Bilder eine gute Vorstellung, wie furchtbar der Feuerball ausgesehen haben muss und ist erleichtert, dass Werner Franz sich retten konnte.

Die Mischung aus Geschichte und Technik hat uns besonders angesprochen und uns neugierig auf mehr Informationen über Zeppeline gemacht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Bewegende Lebensgeschichte einer selfmade Unternehmerin

Die Königin der Orchard Street
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Wie so viele andere auch kommt 1913 die kleine Malka aus Russland nach New York. Aber statt goldener Straßen gibt es Hunger und Leid. Durch einen Unfall mit einem Pferdefuhrwerk wird sie schwer verletzt ...

Wie so viele andere auch kommt 1913 die kleine Malka aus Russland nach New York. Aber statt goldener Straßen gibt es Hunger und Leid. Durch einen Unfall mit einem Pferdefuhrwerk wird sie schwer verletzt und von der Familie verlassen. Eishersteller Salvatore Dinello nimmt sie bei sich auf und ebnet ihr damit den Weg in eine andere Welt. Der langsame und harte Aufstieg einer ehrgeizigen kleinen Person zur "Eiskönigin von Amerika" beginnt.

Susan Jane Gilman erzählt in ihrem Debütroman die Lebensgeschichte vom amerikanischen Traum aus der Sicht der 70-jährigen Eiskönigin Lillian Dunkle. Der Leser wird in eine andere Welt entführt. Man ist mitten in New York Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen dicht gedrängten engen Mietskasernen und schmutziger, dunkler Straßen voller Leben, Leid und Hoffnungslosigkeit. Man hört die Straßenhändler rufen und fluchen. Dank eines kleinen Lesezeichen-Vokabulars sind jiddische Begriffe wie "tsuris" oder "schlemiel" schnell zugeordnet. Schnell schließt man die kleine Malka ins Herz und bewundert ihren Lebensmut und ihren Ideenreichtum, um schlicht zu überleben.

"Auf den Straßen von Lower Manhattan erhielt ich meine erste Marketing-Ausbildung: Sei schamlos. Sei anders. Und appelliere an die Gefühle - nie an den Kopf."

Im italienischen Viertel merkt sie schnell, dass sie als Jüdin keine Chance haben wird und ändert Konfession und Namen. Malka wird zu Lillian. Doch Mitglied ihrer Ziehfamilie wird sie nie werden. Ihre Hoffnung auf Liebe und Anerkennung bleibt unerfüllt. Die Eisherstellung befindet sich noch in den Kinderschuhen und der Konkurrenzkampf ist groß. Durch ihre Gewitztheit und Beobachtungsgabe stellt Lillian selbst Eiscreme her. Zusammen mit der Erfindungsgabe ihres Mannes Albert revolutioniert sie die Eisherstellung und bietet erstmals Softeis an. Dennoch gelingt es Lillian nicht, wirklich glücklich zu werden. Sie fühlt sich immer von der Konkurrenz verfolgt, hat einen Gefühlspanzer um sich gelegt, den selbst ihr liebenswerter Ehemann Albert kaum durchbrechen kann. Ihr Sohn Isaack bleibt ihr fremd, für Familie hat sie einfach keine Zeit.

Am Ende führt sie im Alter einen Kampf gegen Einsamkeit, Medien, die eigene Alkoholsucht und ihre Familie. Ihre Bitterkeit wird durch ihr ständiges "verklagt mich doch" verdeutlicht, dass leider am Ende auch den Leser etwas nervt.
Versüßt wird die Story durch unbeschreiblich kreative, aber auch bekannte Eissorten, die Lillian erfindet. So intensiv hat sich sicherlich kaum jemand mit Eiscreme beschäftigt. Interessante wahre Details, wie die Eisherstellung des Militärs im 2. Weltkrieg überraschen zusätzlich.

Mir hat diese bewegende Geschichte sehr gefallen. Der American Way of Life ist hier sehr deutlich erlebbar.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannende Detektivgeschichte

Max und die wilde 7 3. Die Drachen-Bande
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Keine Zeit zum Ausruhen für Detektiv Max. Sein geliebter Kater Motzkopf wird von Tierfängern direkt vor seinen Augen geraubt. Schnell stellt sich heraus, dass nicht nur Motzkopf verschwunden ist, sondern ...

Keine Zeit zum Ausruhen für Detektiv Max. Sein geliebter Kater Motzkopf wird von Tierfängern direkt vor seinen Augen geraubt. Schnell stellt sich heraus, dass nicht nur Motzkopf verschwunden ist, sondern viele Haustiere gesucht werden. Ein klarer Fall für Max und die Wilde Sieben.

Auch der 3. Band aus der Reihe "Max und die Wilde Sieben" ist von den Autoren Lisa-Marie Dickreiter und Winfried Oelsner spannend, humorvoll und rasant umgesetzt worden. Leser ab 8 Jahren haben ihren Spaß an kurzen Kapiteln und lustigen Bildern von Ute Krause.

Durch die kurzen Rückblicke auf die vorherigen Bände der Buchreihe kommt man schnell in die Geschichte hinein. Vorkenntnisse sind deshalb nicht erforderlich.

Max wohnt zusammen mit seiner Mutter im Seniorenheim Burg Geroldseck und hat dort am Tisch 7 drei wundervolle Freunde im betagten Alter. Zusammen mit Vera, Horst, und Kilian (der Wilden 7) ist er ein wahrer Meisterdetektiv. Am Anfang des Buches findet man lustige Such-Steckbriefe, die das Thema einleiten.

Tolle Charaktere mit herrlichen Spitznamen, wie Oma Schlimmi, Biber-Dieter oder Dackel Thorsti, machen das Buch zu einem Lesevergnügen. Besonders Kater Motzkopf hat uns sehr gefallen. Max ist pfiffig und steckt voller Überraschungen. Trotz Stress in der Schule mit Lehrern und Schulkameraden verliert er seinen Humor nicht. Spannend wird es als Max erkennt, dass es sich um eine Tierräuberbande handeln muss. Nicht immer handelt er umsichtig und gerät dadurch auch in Gefahr. Aber seine Wilde Sieben steht ihm immer zur Seite.

Geschickt eingeflochten und kindgerecht umgesetzt sind Informationen über Tierhaltung zu finden. Aber auch über Probleme alleinerziehender Mütter und ihrer Kinder. Streit, Missverständnis und Versöhnung gehören zum Alltag dazu und werden sehr verständlich beschrieben.

Wir hatten viel Spaß beim Lesen und können kaum das nächste Abenteuer abwarten. Zu Recht wird die Reihe jetzt verfilmt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Im The Cliffs steht die Zeit still

Frühstück mit den Borgias
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Der wichtige Informatik-Kongress in Amsterdam muss ohne den Bostoner Professor Ariel Panek stattfinden, denn dichter Nebel lässt seinen Flug schon in Suffolk enden. Seine heimliche Geliebte Zeva wartet ...

Der wichtige Informatik-Kongress in Amsterdam muss ohne den Bostoner Professor Ariel Panek stattfinden, denn dichter Nebel lässt seinen Flug schon in Suffolk enden. Seine heimliche Geliebte Zeva wartet unterdessen bereits voller Unruhe in Amsterdam auf eine Nachricht von ihm. Doch so sehr Ariel sich auch bemüht, aus dem düsteren Küstenhotel eine Außenverbindung herzustellen, sein Handy bleibt netzlos.

DBC Pierre hat einen fast schon gefährlich fesselnden Schreibstil, der einen direkt in die skurrile und einsame Welt des Hotels The Cliffs an der englischen Küste entführt. Der Autor spielt mit dem Leser, verschleiert, experimentiert und erschreckt. Manche Szenen waren so verwirrend absurd, dass ich überlegte, das Buch zur Seite zu legen, doch die Neugier auf Auflösung war größer. Großartige Charaktere werden so deutlich gezeichnet, dass man sich selbst mit deren Neurosen konfrontiert sieht. Man kann sich diesem Spuk nicht entziehen.

Der junge Professor Ariel scheint seinen Aufenthalt in Amsterdam minutiös geplant zu haben. Dank allgegenwärtiger technischer Möglichkeiten bleibt die Verbindung seiner Geliebten Zeva zu ihm auch über die Kontinente hinweg bestehen. Fahrpläne, Ankunftszeiten, Treffen, alles ist abgesprochen. Doch dann reißt die Verbindung ab und er verzweifelt an seiner Handlungsunfähigkeit.

"Und draußen war es grau und totenstill. Er blickte in den Nebel und sah nur ein Universum, das aus Partikeln bestand; und in dieser Nacht waren sie zur Bewegungslosigkeit gefroren."

Gleiches wiederfährt Zeva, die förmlich an ihr Handy gefesselt, auf eine Nachricht von Ariel wartet:

"Zeva hielt das Handy wie ein Gebetsbuch in ihren kleinen behandschuhten Händen. Es schien, als habe es noch nie zuvor geklingelt. Trotz der fehlenden Nachrichten warf es einen Lichtschimmer auf ihr Gesicht, und allein das war ein so wohltuendes Versprechen, dass sie ihren Blick nicht von dem Display lösen konnte. "

Man bekommt einen Spiegel unserer digitalen Zeit vorgehalten. Immer online und erreichbar. Was passiert, wenn man sich nur noch mit der direkten Umgebung auseinandersetzen kann.

Für Ariel bedeutet das, sich mit der im Hotel logierenden Familie, der Borgias, zu arrangieren. Ihr Verhalten und ihr exzentrisches Auftreten sind so unvorhersehbar, dass man ständig überrascht oder schockiert wird. Für Ariel ist es eine Achterbahnfahrt zwischen Wirklichkeit und Fiktion mit ungewissem Ausgang.

Dieser Roman stiftet Verwirrung, überrascht mit einem absolut unerwartetem Ende und zeigt, wie hilflos wir plötzlich ohne unsere scheinbar lebensnotwendigen Helferlein sind.

Ein ungewöhnliches Leseerlebnis für Leser, die es etwas spooky mögen.


Die Themen: Liebe und Tod, Spuk und Wirklichkeit im digitalen Zeitalter.