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Veröffentlicht am 15.04.2024

Übergrifflichkeit, Mord und verzwickte Familienverknüpfungen

Ostseefinsternis
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Die Gegend zwischen Fehmarnsundbrücke und der nächsten Ortschaft auf der Festlandseite ist für mich verbunden mit Strandurlaub. Im Kriminalroman „Ostseefinsternis“ von Eva Almstädt wird dort allerdings ...

Die Gegend zwischen Fehmarnsundbrücke und der nächsten Ortschaft auf der Festlandseite ist für mich verbunden mit Strandurlaub. Im Kriminalroman „Ostseefinsternis“ von Eva Almstädt wird dort allerdings ein Mann tot aufgefunden, der vermutlich ermordet wurde. Für die Lübecker Kommissarin Pia Korittki ist es inzwischen die 19. Ermittlung in einer Serie von Kriminalfälle, die an der Ostseeküste und der Umgebung geschehen. Das Cover vermittelt einen stimmungsvollen Eindruck des Tatorts.

Pia Korittki hat nicht nur mit der Aufklärung des Todesfalls einiges zu tun, sondern auch mit einer Vergewaltigung, die kurze Zeit vorher geschehen ist. Es wird vermutet, dass die beiden Verbrechen in einem Zusammenhang stehen könnten. Pia und ihre Kolleg(inn)en stoßen bei den Ermittlungen auf verzwickte Verknüpfungen zweier Familien, die miteinander verfeindet sind. Es ist nicht einfach, hinter die Wand aus Verschweigen, Lügen, Rache und Missgunst zu sehen. Doch eigentlich hatte Pia geplant, die Herbstferien mit ihrem Sohn im neuen Haus ihres Freunds zu verbringen. Es kommt ihr sehr gelegen, dass die Unterkunft nur wenige Kilometer vom Tatort entfernt liegt.

Als Leserin habe ich zum ersten Mal ein Buch der Ostsee-Krimireihe von Eva Almstädt gelesen, weil die Geschichte dort spielt, wo ich gerne urlaube. Jedoch wurde ich von der Autorin in ausreichendem Maße mit Hintergrundinformationen zum beruflichen und privaten Umfeld Pia Korittkis informiert. Nur über Pias Freund hätte ich mir noch mehr Auskünfte gewünscht, die aber für die Ermittlungen keine Rolle gespielt hätten.

Die Autorin baut von Beginn an Spannung auf. Bei den Befragungen der Tatverdächtigen wird es für die Kommissarin nicht einfach, die familiären Verbindungen zu durchschauen. Anders als Pia hatte ich auf der vorderen Klappenbroschur einen Stammbaum zur Verfügung, bei dem ich nachschlagen konnte. Neben den beiden im Fokus stehenden Familien benehmen sich auch der neue Arzt des Dorfs und die Mitarbeitenden eines Ingenieur- und Architekturbüro in der nächsten Kleinstadt verdächtig. Es gibt mehrere Personen, die verschiedene, jedoch ein gutes Motiv für ein Verbrechen haben.

Für mich war es ein besonderes Leseereignis, weil ich die Lokalitäten kannte. Das Dorf ist überschaubar, so dass sich die Bewohner, wie in der Geschichte, vermutlich gut kennen, mal abgesehen von den Touristen. Dadurch wird Pias Arbeit und die ihrer Kolleg(inn)en nicht einfacher, denn man ist auf den eigenen Ruf bedacht. Bevor es am Ende zu einer Auflösung mit steigender Spannungskurve kommt, verharren die Ermittlungen ein wenig auf der Stelle. Währenddessen hinterfragt Pia sich selbst und ihre Arbeit. Im Umfeld ihres Privatlebens kommen ihr unerwünscht Tatverdächtige in den Blick, was zum Schluss nochmal für einen zusätzlichen Konflikt sorgt.

„Ostseefinsternis“ von Eva Almstädt hat mich gut unterhalten, denn es vermittelt das mir realistisch erscheinende Bild klassischer Kriminalarbeit in einem verzwickten Fall. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende des Genres weiter.

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Das Für und Wider eines Medikaments zur Verjüngung - unterhaltsam dargestellt

Wir werden jung sein
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Möchten wir jünger werden, wenn wir die Gelegenheit dazu erhalten würden? Diese Frage diskutiert Maxim Leo in seinem Roman „Wir werden jung sein“, wobei er die Umkehrung des Alterungsprozesses an der Regeneration ...

Möchten wir jünger werden, wenn wir die Gelegenheit dazu erhalten würden? Diese Frage diskutiert Maxim Leo in seinem Roman „Wir werden jung sein“, wobei er die Umkehrung des Alterungsprozesses an der Regeneration von Zellen verankert. Der Protagonist Martin ist Studienleiter eines Projekts, das ein Medikament mit dem Ziel entwickelt, chronische Herzmuskelschwächen erfolgreich zu behandeln, indem es Zellen erneuert und eventuell auch neue Zellen generiert.

Die Studie hat bisher nur eine kleine Anzahl von vier Probanden mit schlechten Heilungschancen. Der sechszehnjährige Schüler Jakob, der achtzigjährige Bau- und Immobilienunternehmer Karl Wenger, die 34-jährige, bei früheren Schwimmwettkämpfen erfolgreiche Verena und die Lehrerin Jenny nehmen seit einiger Zeit die aussichtsreiche Arznei, von der sie rasch nicht nur eine Besserung verspüren, sondern die ihre Körperfunktionen auf einen Fitnessstand bringt, den sie vor mehreren Jahren erreichten. Martin erprobt das Medikament auch an sich selbst und verfüttert es an seinen alten Hund.

Maxim Leo hat mit seinen Testpersonen eine gute Auswahl getroffen, um die Annehmlichkeiten der Arznei ebenso aufzuzeigen wie die Schattenseiten. Bei Wenger steht bereits der Nachwuchs bereit, das Unternehmen weiterzuführen und Verena erntet für ihre aktuellen sportlichen Leistungen nicht nur Ruhm. Ein Wunsch geht für Jenny in Erfüllung, aber Jakobs jugendlicher Körper entwickelt sich in einer Phase der Verliebtheit auf den Stand eines Kinds zurück. Doch der Autor führt nicht nur an, welche Konsequenzen die Verjüngung für die Proband(inn)en und ihr Umfeld haben können, sondern er verweist ebenfalls auf ethische Konsequenzen und wirft die Frage auf, wer Zugang zu dem erprobten Verjüngungsmittel haben sollte. Zum Ende hin steigerte er meine Zweifel als Leserin, ob ein solches Medikament sinnvoll ist, indem er Bedenken auf die Zukunft einer Welt ausstreut, deren Bewohner nicht mehr zwangsläufig sterben müssen.

Maxim Leo hat sich für die authentische Gestaltung seines Romans fachkundige Hilfe geholt. Die Geschichte ist trotz der Auseinandersetzung mit einem ernsten Thema von heiteren Momenten durchzogen. Durch die Auflistung immer weiterer Auswirkungen des verjüngenden Präparats entwickelt sich eine hintergründige Spannung, die mich nicht nur rasch weiterlesen ließ, sondern schließlich auch ins Grübeln brachte. Durch eine kurze Recherche erfuhr ich, dass das Szenario des Autors nicht mehr allzu weit von der Realität entfernt ist. Noch bin ich mir unklar, ob ich das beängstigend oder beruhigend finden sollte.

In seinem Roman „Wir werden jung sein“ setzt sich Maxim Leo auf eine lesenswerte, vielfach heitere und unterhaltende Weise mit dem Für und Wider eines Medikaments zur Verjüngung unserer Körperzellen auseinander. Ohne sich selbst zu positionieren, wirft er in diesem Zusammenhang zahlreiche Fragen moralischer Natur auf, die unsere Gesellschaft in die Verantwortung nehmen wird. Ich empfand die Geschichte nicht nur als interessante Lektüre, sondern sie ließ mich auch nachdenklich zurück. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 09.04.2024

Stimmungsvolle Urban-Fantasy

Nightowls
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In ihrer Urban Fantasy „Nightowls – Boten der Dämmerung“ wirft Kathrin Tordasi einen besonderen Blick auf die Nacht, in der Nyx, James und Leon ihre Fähigkeiten ausleben können. Die drei haben verschiedene ...

In ihrer Urban Fantasy „Nightowls – Boten der Dämmerung“ wirft Kathrin Tordasi einen besonderen Blick auf die Nacht, in der Nyx, James und Leon ihre Fähigkeiten ausleben können. Die drei haben verschiedene Eltern, die verstorben sind, als sie noch Kinder waren. Deswegen wurden sie von Diane Harling adoptiert und auf deren Wohnsitz gebracht, bevor der Orden des Ersten Tages auf ihre speziellen Fähigkeiten aufmerksam werden konnte.

Die Adoptivgeschwister verfügen über paranormale Talente. Diane möchte die drei davor bewahren zum Chaosträger zu werden. Ihrer Meinung nach wird es dazu kommen, wenn sie ihre speziellen Begabungen vernachlässigen oder undiszipliniert damit umgeht. Dennoch kommt es zu einem tragischen Vorfall mit weitreichenden Konsequenzen. Einige Jahre später rettet James eine Zivilistin vor den Übergrifflichkeiten eines Boten des Tages. Bald wird deutlich, dass es in London jemanden geben muss, der die Stadt mit Chaos füllt. Diese oder dieser Unbekannte muss aufgehalten werden, damit der dadurch vermutete Weltuntergang verhindert werden kann.

In ihrer ersten Fantasy für erwachsene Lesende erschafft Kathrin Tordasi eine Welt voller Mythen, die ineinandergreifen. Nyx kann Träume zu sich locken, doch mit ihrem zunehmendem Alter fühlt sie Unstimmigkeiten darin anwachsen. Außerdem ist es ihr eigen, eine Tür zur Nacht zu öffnen. Dagegen kann James Dunkelheit erzeugen und er spürt das Chaos in anderen Menschen. Ihre Talente ergänzen sich im Kampf gegen das Böse, das in der Geschichte immer mächtiger wird und schließlich zu einem furiosen Finale führt. Bis dahin jedoch versorgte mich die Autorin als Leserin mit zahlreichen Mysterien rund um die Nacht und dem drohenden Chaos. Die Erklärungen sind komplex, wodurch das Ausmaß des drohenden Grauens erst langsam bewusst wird.
Ebenso wie bei ihrer Kinderbuchserie „Brombeerfuchs“ geht es in der Geschichte darum, dass man durch den gemeinsamen Einsatz seiner Fähigkeiten eher zu einer Lösung gelangt. Jedoch scheinen die Widersacher gute Gründe zu haben, das Chaos auf ihre Weise zu verhindern. Die Autorin versucht redensartlich die zwei Seiten einer Medaille sichtbar zu machen. Selbst Nyx und James sind sich nicht immer klar darüber, ob sie auf der Seite des Guten stehen, was die Lektüre zu einem abwechslungsreichen Leseerlebnis macht, obwohl die Begründungen auch zu gewissen Längen führen. In „Nightowls“ sind die Gefühle der Protagonistinnen und des Protagonisten tief, manchmal zwiespältig und konfliktbehaftet. Ihre Handlungen sind von Freundschaft, Liebe, Hass, Furcht und Trauer getrieben.
„Nightowls – Boten der Dämmerung“ von Kathrin Tordasi ist eine Geschichte über die Rivalität zwischen Nacht- und Tagboten. Die Autorin schlägt sowohl laute wie auch leise Töne an, wenn sie das Chaos wirbeln lässt, beziehungsweise die entsprechenden Erklärungen dazu beschreibt. Gerne vergebe ich eine Leseempfehlung für diese stimmungsvolle Fantasy.

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Veröffentlicht am 02.04.2024

Berührende Geschichte über das Leben der Großtante des Autors

Annas Lied
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Der Debütroman „Annas Lied“ von Benjamin Koppel, einem dänischen Jazz-Saxophonisten, Komponisten und Musikproduzent, ist eine Hommage an seine Großtante, deren Leben er darin beschreibt. Beruhend auf Fakten ...

Der Debütroman „Annas Lied“ von Benjamin Koppel, einem dänischen Jazz-Saxophonisten, Komponisten und Musikproduzent, ist eine Hommage an seine Großtante, deren Leben er darin beschreibt. Beruhend auf Fakten und ergänzt mit Fiktion erzählt er von seiner Familie, die Ende der 1920er Jahre in Kopenhagen lebte. Damals war Hannah, die Schwester seines Großvaters, acht Jahre alt. Sie hatte vier ältere Bruder. Die Wurzeln ihrer Eltern lagen in Polen, doch inzwischen lebten weitere Verwandte in der Nähe. In der dänischen Hauptstadt hatte Hannahs Vater sich als Schneider niedergelassen.

Der Autor lässt den Alltag in der quirligen Familie lebendig werden. Er beschreibt die jüdischen Riten, die Hannahs Eltern befolgen und darauf achten, dass dabei ihre Kinder eingebunden sind. Klassische Musik spielt eine große Rolle. Drei der vier Brüder von Hannah wurden Musiker. Der Wunsch der Mutter, dass ihre Söhne Frauen heiraten, die ihrer Religion angehören, ging jedoch nicht in Erfüllung, obwohl erbetene Ehevermittlungen erfolgreich versprechend waren. Aufgrund ihres musischen Talents ist Hannahs großer Traum, Pianistin zu werden, doch ihre Eltern haben eine ganz andere Zukunft für sie geplant.

Hannahs Mutter Bruche erweist sich als Matriarchin, die ihren Willen unter Umständen mit Wutanfällen durchzusetzen vermag. Das Verhalten ihres Ehemanns wirkt ausgleichend auf sie, aber auch er kann es ihr nicht immer recht machen. Bruche ist stolz auf ihre Kinder, jedoch spürt Hannah auch ihre tiefe Enttäuschung über die Abkehr der Söhne von den religiösen Gepflogenheiten. Sie will sie nicht ebenfalls enttäuschen und ordnet sich unter. Im Weltkrieg flieht Hannah mit ihren Eltern nach Schweden, doch nachdem Frieden eingekehrt ist, führt das Schicksal sie nach Paris, wo der von den Eltern Ausgewählte auf sie wartet.

Benjamin Koppel hatte das große Glück, seine Tante noch im hohen Alter kennenzulernen und vieles aus ihrem Leben aus erster Hand zu erfahren. Hannahs Leben hatte einige tragische Tiefen, aber sie hat nie den Mut aufgegeben, obgleich ihr vieles versagt blieb. Ihr sind kritische Ansichten zu ihrem Lebensstil angetragen worden, doch sie ist immer treu geblieben, was manchem unverständlich sein mag. Vor allem auf den ersten beiden Dritteln des Buchs passiert ständig etwas Unvorhersehbares. In den späteren Dekaden von Hannahs Leben verweilt der Autor nur noch bei einzelnen Szenarien und schreitet dadurch in der Handlungszeit schnell voran. Erst im hohen Alter erfüllt die Protagonistin sich einen langgehegten Wunsch.

Im Roman „Annis Lied“ beschreibt der Autor Benjamin Koppel den Lebensweg seiner Großtante Hannah Koppelmann, die einer jüdischen Familie mit religiösen Traditionen angehörte. Ihr Leben wird gestreift von der Geschichte der Judenverfolgung, ebenso ist es verknüpft mit der Liebe zur Musik. Mit dem Bewusstsein, dass man hier über ein tatsächlich gelebtes Leben liest, wird das Geschriebene zu einem berührenden Lesegenuss, den ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 28.03.2024

Erschütterndes, tief bewegendes Leseereignis

Geordnete Verhältnisse
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In ihrem Roman „Geordnete Verhältnisse“ betrachtet Lana Lux die toxische Beziehung zwischen Philipp und seiner besten Freundin Faina. Die beiden lernen sich in der Schule kennen, nachdem Faina im Alter ...

In ihrem Roman „Geordnete Verhältnisse“ betrachtet Lana Lux die toxische Beziehung zwischen Philipp und seiner besten Freundin Faina. Die beiden lernen sich in der Schule kennen, nachdem Faina im Alter von zehn Jahren mit ihren Eltern aus der Ukraine ins Ruhrgebiet gezogen ist. Dagegen ist Philipp als Kind eine Weile bei Verwandten aufgewachsen, bevor er wieder bei seiner Mutter wohnen darf, die gegen ihren Alkoholismus ankämpft.

Philipp wird schnell wütend, manchmal schlägt er dann zu oder schreit. In der Freundschaft zu Faina findet er eine Aufgabe, denn er hilft ihr beim Deutschlernen und erklärt ihr deutsche Angewohnheiten. Durch Faina lernt er eine andere Mentalität kennen. Fünfzehn Jahre nach der ersten Begegnung wohnen Philipp und Faina zusammen, sind aber kein Paar. Philipp entwickelt keine Anziehung zu anderen Personen, fühlt sich jedoch auf besondere Weise mit seiner langjährigen Freundin verbunden. Doch nach einem Streit kommt es zum Bruch der Freundschaft und Faina zieht nach Berlin. Nach mehreren Jahren sucht sie verzweifelt die Nähe von Philipp, der sie wieder bei sich aufnimmt. Aber seine Hilfe fordert einen hohen Preis von Faina.

Lana Lux erzählt den Beginn der Freundschaft zunächst aus der Sicht von Philipp. Erst als Faina nach ihrer Rückkehr aus Berlin Aufnahme bei ihrem besten Freund sucht, wechselt die Erzählperspektive zu ihr. Nach einem erneuten zeitlichen Sprung und einem erklärenden Kapitel, das beide in den Fokus nimmt, lässt die Autorin beide im Wechsel, den sich zuspitzenden Konflikt bis zum tragischen Ende erzählen.

Eine große Stärke der Autorin besteht in der Figurengestalten. Philipp ist ein verstörtes Kind, dessen größter Wunsch ein bester Freund ist. Er beharrt meist auf seiner Meinung, erweist sich als besitzergreifend und hält gern an Ritualen fest, die er sich ausgedacht hat. Fainas Verhalten ist zunächst von ihrer Herkunft beeinflusst. Da die Autorin selbst ukrainisch-jüdische Wurzeln hat, gelingt es ihr, diese authentisch darzustellen. Später versucht Faina sich aus den an sie gestellten Erwartungen zu befreien und zu einer eigenen Identität zu finden. Ohne die Interventionen ihrer Eltern und Philipps fühlt sie sich frei und lotet ihre Grenzen aus. Die Protagonisten entwickeln sich auf ihre Weise jeweils unerwartet weiter, was zu einem hohen Reiz des Weiterlesens führt.

In einem großen Bogen vom Kindes- zum Erwachsenenalter beschreibt Lana Lux tiefgründig und ergreifend die großen Gefühle ihrer Hauptfiguren, die zum Verständnis dessen beitragen, was zum Abschluss der Geschichte geschieht. Als Leserin spürte ich Wut und Verzweiflung ebenso wie Hoffnung und Zuneigung. Von Anfang an war die Beziehung von Philipp und Faina von dunklen Wolken umweht, die sich schließlich zu einem Gewittersturm auswuchsen.

Im Roman „Geordnete Verhältnisse“ konfrontiert Lana Lux den Lesenden mit starken Empfindungen, die für die beiden Protagonisten genauso erleichternd wie auch schmerzlich sein können. Es ist ein realistisch vorstellbares Szenario, das die Autorin beschreibt und für mich zu einem erschütternden, tief bewegenden Leseereignis führte. Sehr gerne vergebe ich eine Leseempfehlung.

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