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Veröffentlicht am 28.06.2018

Damals als wir Freunde waren

Wenn wir wieder leben
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In Zoppot der 1920er Jahre erlebt Gundi Frieböse eine glückliche Kindheit bei ihrem Großvater Paul Otto Peter Frieböse genannt Pop. Sie leben in Danzig, aber im Sommer verbringen sie die Wochenenden in ...

In Zoppot der 1920er Jahre erlebt Gundi Frieböse eine glückliche Kindheit bei ihrem Großvater Paul Otto Peter Frieböse genannt Pop. Sie leben in Danzig, aber im Sommer verbringen sie die Wochenenden in Zoppot, dem vornehmen Ostseebad. Dort fühlt Gaudi sich als das glücklichste Kind von der Ostseeküste.
Mit siebzehn träumt sie am Strand von Zoppot mit ihren beiden Freunden Erik und Julius und ihrer Halbschwester Lore eine erfolgreiche Band zu werden. Das gelingt ihnen auch und schon bald tingeln sie nicht nur in Zoppoter Kneipen, sondern fahren mit dem Luxusliner Wilhelm Gustloff über die Meere. Es fällt ihnen nicht schwer den Band-Namen zu ändern und sich fortan die Vier aus Zoppot zu nennen, auch sind sie plötzlich keine Band mehr, sondern eine Tanzkapelle. Viel zu spät erkennt Gundi, wie extrem die Welt sich verändert hat, dass ihre polnischen und jüdischen Freunde verfolgt werden und dass der Mann, den sie liebt, im polnischen Widerstand kämpft.
Jahre später verfolgt die junge Wanda Gundis Spur um zu ergründen, was damals passiert ist.

Mein erster Eindruck von diesem Buch ist die pastellfarbene Weichzeichnung des Covers. Beim Lesen habe ich mich dann sofort in den Schreibstil und die Sprache verliebt. Ich empfinde die Sprache honigsüß oder nach Hagebuttentee riechend wie die Autorin sie beschreibt. Die melancholische Beschreibungen des Ostseebades oder Danzigs Straßen zeugen von einer großen Liebe und Sehnsucht nach der alten Heimat. Meine Schwiegereltern stammen aus dieser Gegend. „Noch ist Polen nicht verloren“ und „unsere alte ferne Heimat“ waren Sätze, die ich oft von ihnen hörte. Sie hätten auch ihre Freude an diesem Buch gehabt.
Mich hat sprachlich besonders überrascht, dass Begriffe wie Kaschemme, Matka. pieschern, Schisslaweng, krakeelen, verhohnepiepeln, die ich für Umgangssprache des Ruhrgebiets und Niederrheins gehalten habe, aus Polen beziehungsweise aus Danzig stammen. Die meisten dieser Begriffe hab ich vorher noch nie geschrieben gesehen.

Frau Roth hat eine wunderschöne, traurige und tragische Familiengeschichte geschrieben, die Zeitgeschichte aus einer anderen Sicht beleuchtet. Dieses Mal sind es nicht die Opfer und auch nicht die Verbrecher, die den Niedergang und Untergang der Deutschen schildern. Gundi ist eine, die glücklich mit ihrem Leben und ihrer Umgebung ist, die glücklich ist, ihre Musik machen zu können. Sie bekommt die Veränderung um sie herum nicht mit. Erst sehr spät drängen sich ihr die Ereignisse auf, aber in ihrer Naivität meint sie, dass alles wieder gut wird.

Der Roman lässt mich nachdenklich und vielleicht auch etwas wehmütig zurück. Der letzte Abschnitt „Noch ist Polen nicht verloren“ tut da sein übriges und erinnert mich an meine Oma Sonntag aus Meiderich, die zwar nicht aus Danzig stammt, aber sicher einiges mit ihrer Oma Lita gemein hat.

Veröffentlicht am 21.06.2018

Spannend und lehrreich!

Das Jahrhundertversprechen (Jahrhundertsturm-Serie 3)
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Berlin 1921: Der Erste Weltkrieg wirft noch immer lange Schatten, auch auf die Familie von Briest. Otto und Hermine von Briest stehen vor dem Bankrott. Ihre Tochter Louisa träumt trotz der Notlage ...

Berlin 1921: Der Erste Weltkrieg wirft noch immer lange Schatten, auch auf die Familie von Briest. Otto und Hermine von Briest stehen vor dem Bankrott. Ihre Tochter Louisa träumt trotz der Notlage von einer Karriere als Filmschauspielerin. Der persönliche Kontakt mit dem Regisseur Fritz Lang, der die Unterstützung von Otto von Briest bei verschiedenen Drehbuchüberarbeitungen hoch zu schätzen weiß, ermöglicht Louisa ein Stipendium für das Max Reinhardt Institut. Louisa liebt Max Brandow, einen ehemaligen Gassenjungen. Otto von Briest hat diesen Jungen aus der Gosse geholt und für seine Detektei arbeiten lassen. Seitdem Max Weihnachten 1918 Louise das Leben gerettet hat, gehört er zur Familie. Ihm wird eine große Zukunft als Rennfahrer vorausgesagt.

Ein fulminanter Abschluss der Jahrhundert-Trilogie!
Wieder gelingt es Richard Dübell anhand der Lebens-und Leidensgeschichte der Familie von Briest die politischen und gesellschaftlichen Veränderung in Deutschland der 20er Jahre zu beschreiben und den Finger in die Wunde zu legen.

Die Geschichten neben den exzellent recherchierten politischen Ereignissen beschreiben, dass es nicht immer nur die Agitatoren, Rädelsführer und Politiker waren, die das Volk in den Untergang und die Arme der NSDAP getrieben haben. Es sind vor allem Dingen, die Verzweiflung, die Ausweglosigkeit, Neid und Schwäche. Es sind die kleinen Katastrophen, Zusammenbrüche und Demütigungen, die von den neuen Machthabern genutzt wurden.

Sinnbildlich kann man das Schicksal derer von Cramm ansehen. Sie haben mit der Verfolgung und Tötung von Juden ihren eigenen Untergang besiegelt, genau wie das deutsche Volk. Ich weiß nicht, ob das vom Autor beabsichtigt war, aber der Gedanke drängt sich mir als Leser auf.
Max Brandows Versprechen: „Alles wird gut. Versprochen. Großes Ehrenwort“ zieht sich durch den ganzen Roman und bezieht sich leider nur auf die Familie von Briest.

Für die Deutschen wird alles immer schlimmer.
Der Roman endet vor der Machtergreifung. Die Geschichte der von Briest in Deutschland ist zu Ende erzählt. Was bleibt? Eine interessante und unterhaltsame Geschichtsstunde, in der dem Leser die Ursachen und die Entstehung des dritten Reiches aus Sicht des Autors näher gebracht wurden.
Meiner Meinung nach ist es ihm sehr gut gelungen.

Veröffentlicht am 10.05.2018

Zu gut, um wahr zu sein?

The Wife Between Us
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Zwei Frauen – die Eine bereitet sich auf die Hochzeit mit ihrem Traummann vor, die Andere hat ihre Ehe mit ihrem Traummann gerade hinter sich. Ist oder war es wirklich ein Traummann?

Die New York Times ...

Zwei Frauen – die Eine bereitet sich auf die Hochzeit mit ihrem Traummann vor, die Andere hat ihre Ehe mit ihrem Traummann gerade hinter sich. Ist oder war es wirklich ein Traummann?

Die New York Times schreibt über diesen Roman: „Ein atemberaubender Roman mit faszinierenden Figuren – ein Pageturner, den man lesen muss!“

Ich habe diesen Roman (442 Seiten) in zwei Tagen gelesen und kann der New York Times nur beipflichten. Selten hat mich ein Buch so in den Bann gezogen.
„Ein teuflisch kluger Katz-und-Maus-Thriller,“ noch ein Zitat aus der New York Times. Für mich ist es auch ein Thriller, und zwar einer von den guten, einer in dem kein Blut fließt, der dem Leser aber ständig Gänsehaut bereitet. Zum Inhalt möchte ich gar nicht viel sagen. Man muss es lesen.
Den beiden Autorinnen ist es gelungen auf 442 Seiten eine viele Jahre währende Tragödie aufzudröseln, die jahrelange Erniedrigungen, seelische und körperliche Verletzungen beinhaltete. Anfangs war es etwas verwirrend aus welcher Perspektive die Rückblicke und Gegenwartssituationen erzählt werden. Doch mit zunehmender Seitenzahl klärt sich alles. Die Geschichte durchläuft einige überraschende Wendungen und dem Leser offenbaren sich viele schockierende Enthüllungen, die ihn gefangen nehmen bis zum Schluss. Besonders gelungen finde ich die starke Charakterisierung der Frauenfiguren, die innerlich wie äußerlich mehrere Wandlungen durchlebt haben.
Man merkt, ich stehe noch ganz im Bann dieses Buches. Ich werde es mit einer unbedingten Leseempfehlung an eine gute Freundin weitergeben und freue mich schon auf das nächste Buch dieser beiden Autorinnen.

Veröffentlicht am 18.04.2018

Beichtgeheimnis!?

Tiefer denn die Hölle (Ein Martin-Bauer-Krimi 2)
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Martin Bauer, Polizeiseelsorger, vollauf damit beschäftigt, die Folgen seines letzten Falls auszubügeln, die Risse in seinem privaten Leben zu kitten, wird überraschend an einen Tatort gerufen. Eigentlich ...

Martin Bauer, Polizeiseelsorger, vollauf damit beschäftigt, die Folgen seines letzten Falls auszubügeln, die Risse in seinem privaten Leben zu kitten, wird überraschend an einen Tatort gerufen. Eigentlich wäre sein katholischer Kollege Polizeidekan Vaals zuständig gewesen, aber dieser erlitt einen Herzanfall als er einem Polizisten am Tatort beistehen wollte. Bauer begleitet seinen Kollegen ins Krankenhaus und wird auf verstörende Art und Weise von seinem Kollegen um Hilfe gebeten. Der Tatort bzw. der Fundort der Leiche befindet sich in einem stillgelegten Bergwerk. Die Leiche ist von Stichwunden übersäht und mit Honig übergossen worden. Bauer ist sich nicht im Klaren was Vaals derart entsetzt hat und warum er einen alten Freund oder Bekannten des Dekans suchen soll. Hat dieser Fall etwas mit der Vergangenheit des Polizeidekans zu tun?

Wenn man den ersten Kriminalroman mit Polizeiseelsorger Martin Bauer gelesen hat, ist es wie ein nach Hause oder ins Haus guter Freunde kommen. Es ist alles wie gehabt. Martin Bauer ist nicht nur Polizeiseelsorger, sondern auch eine Seele von Mensch. Die Rede, die er zu Beginn der Geschichte für die Polizeianwärter hält, zeigt ganz deutlich, wie er tickt und die Welt sieht. Bei seiner Seelenlage kann er sich einfach nicht teilen und es jedem Recht machen. Er kämpft um seine Ehe und macht trotzdem alles falsch, ist nie wie versprochen vor Ort, aber gibt alles um den Menschen, die ihm wichtig sind, zu helfen. An der Seite von Hauptkommissarin Verena Dohr, die um ihre Position im Kommissariat kämpfen muss, versucht er der Vergangenheit auf der Spur zu kommen.
Die Ermittlungsarbeit im Kommissariat, die Intrigen, das Ausbremsen wegen Zuständigkeitskonflikte und der Konkurrenzkampf werden eindringlich aufgezeigt.
Als Leser hat man das Gefühl mittendrin zu sein und manchmal würde man gerne die Protagonisten in die eine oder andere Richtung schupsen. Die Lösung dieses außergewöhnlichen Falls erscheint mir sehr realistisch. Ich denke, auch in der Realität führt nicht immer nur ein Weg zum Ziel. Zufall und unkonventionelle Methoden sind sicher oft von Nöten.
Dieser fiktive Krimi aus meiner realen Heimat war spannend, unterhaltsam und nachvollziehbar. Nachvollziehbar ist etwas, dass mir wichtig ist. Wenn plötzlich ein Mörder aus dem Hut gezaubert wird, finde ich das immer sehr unbefriedigend.

Bei Martin Bauer freue ich mich jetzt schon auf den nächsten Fall.

Veröffentlicht am 07.04.2018

Ein starker Auftakt

Krokodilwächter
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Polizeiassistent Jeppe Körner erholt sich überaus langsam von seinem Zusammenbruch, den er erlitt hat, nachdem er von seiner Frau Therese überraschend verlassen wurde. Nur mit Hilfe schmerzstillender ...

Polizeiassistent Jeppe Körner erholt sich überaus langsam von seinem Zusammenbruch, den er erlitt hat, nachdem er von seiner Frau Therese überraschend verlassen wurde. Nur mit Hilfe schmerzstillender Tabletten ist er in der Lage seinen Dienst gemeinsam mit seiner Kollegin Anette Werner zu verrichten.
Ausgerechnet jetzt geschieht ein grausamer Mord an der jungen Julie. Schnell stellt sich heraus, dass dieser Mord in einer Romanvorlage der im gleichen Haus lebenden Hauseigentümerin Ester di Laurenti genau beschrieben wurde. Die beiden Ermittler glauben an schnelle Aufklärung, aber da geschieht ein zweiter Mord........


Dieses Buch ist der Beginn einer neuen dänischen Thriller-Serie und hat mir sehr gut gefallen.
Direkt zu Anfang wird eine gute Hintergrundgeschichte der Ermittler aufgebaut, die sich wahrscheinlich durch alle künftigen Fälle ziehen wird. Der verletzliche, reichlich angeschlagene, empathische Jeppe, der sich schnell als Versager sieht und immer um Hygiene bemüht ist und im Gegensatz dazu, die glückliche, zufriedene, etwas rundliche und burschikose Anette. Sie bilden zusammen ein optimales Team, auch wenn sie selber davon nicht überzeugt sind.

Der Fall selbst ist verzwickt. Viele menschliche Tragödien und psychopatischer Abschaum werden offengelegt. Jeppes und Anettes Intuitionen werden gefordert, von den Kollegen wieder und wieder angezweifelt, aber letztlich haben sie immer die richtige Spürnase.
In typisch dänischer oder auch skandinavischer Art werden die Zweifel oder auch die Verzweiflung der Ermittler, die kleinen Fortschritte wie auch Rückschritte beschrieben. Der Leser bekommt immer wieder neue Fakten an die Hand um sich seine eigenen Gedanken zu machen und mit zu ermitteln.
Ich fand diese Serieneröffnung spannend und fesselnd und freue mich auf neue Fälle.