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Veröffentlicht am 01.12.2023

Die dritte Generation

Keine Reue
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Benjamin Maienfeld, ältester Sohn einer RAF-Anwältin und eines Journalisten, Sympathisanten der 3. RAF-Generation, beobachtet, wie ein Mann auf eine Frau einsticht. Als er der Frau zur Hilfe kommen will, ...

Benjamin Maienfeld, ältester Sohn einer RAF-Anwältin und eines Journalisten, Sympathisanten der 3. RAF-Generation, beobachtet, wie ein Mann auf eine Frau einsticht. Als er der Frau zur Hilfe kommen will, wird auch auf ihn eingestochen. Die Frau war die Ehefrau eines Clan-Chefs. Obwohl Ben sich an nichts erinnern kann, muss er vor den Killern des Clan beschützt werden.
Das ständige Arbeiten an seinem Erinnerungsvermögen, lässt plötzlich Erinnerungen aus seiner Kindheit in seinem politischen Elternhaus auftauchen, die ganz tief vergraben waren und die nie mehr auftauchen sollten.

Dies ist wieder ein herausragender, gut recherchierter Familienroman, der unsere reale Vergangenheit der letzten dreißig Jahre mit einer wahrscheinlich fiktiven Familie abbildet.
Ich bin dieses Mal etwas schwer in die Geschichte, insbesondere in die RAF-Geschichte, reingekommen. Ich habe schon einige Romane, keine Dokumentationen oder Sachbücher, über RAF-Vergangenheit gelesen und konnte mich nicht mit den relativ kurzen Erinnerungsfetzen von Barbara in die Zeit hineinversetzen. Von außen betrachtet habe ich die Zeit miterlebt, aber bei der 3. Generation waren die Medien nicht mehr so präsent.
Beeindruckend fand ich, wie präzise Frau Sandberg die unveränderliche innere Haltung von Barbara und Gernot beleuchtet hat. Über Jahrzehnte hat sich einstellungsmäßig nichts geändert bei den Beiden, obwohl sie vom Erbe verachtenswerter Kapitalisten sehr gut lebten. Da raubten RAF-Mitglieder der 3. Generation Supermärkte und Banken aus, da wurden Menschen getötet, aber Verantwortung übernehmen oder Reue zeigen ….
Auch die Antiautoritäre Erziehung der drei Kinder war einfach Desinteresse und Vernachlässigung der Kinder. Ich denke, da können einige Kinder von Politikern mitreden. Je größer das politische Engagement desto geringer sind die familiäre Bindungen und Zuwendungen.
Die Vergangenheitsbewältigung, Bens Erinnerungslücken und Charlys Schutzmaßnahmen sind glaubwürdig und spannend erzählt und haben mich immer mehr gefesselt, so dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.
Mein einziger Kritikpunkt, ich gebe zu, es ist Kritik auf hohem Niveau, ist: Für mich ist die Identität des Messerstechers und desjenigen, der den vermeintlichen Zeugen letztendlich stellt, nicht glaubwürdig und nachvollziehbar.
Aber hey, ich wurde bestens unterhalten und wieder etwas für unsere Geschichte der vergangenen 30 Jahre sensibilisiert. Danke!

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Veröffentlicht am 20.10.2023

Menschenhandel auf höchster Ebene

Die Villa
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Die Polizeischülerin Johanna Böhm beabsichtigt ihren Urlaub für die Suche nach ihrem untergetauchten, leiblichen Vater zu opfern. Vor ihrer Abfahrt erreicht sie ein Hilferuf ihrer besten Freundin Alice ...

Die Polizeischülerin Johanna Böhm beabsichtigt ihren Urlaub für die Suche nach ihrem untergetauchten, leiblichen Vater zu opfern. Vor ihrer Abfahrt erreicht sie ein Hilferuf ihrer besten Freundin Alice aus Hamburg. Alice hat ihre Cousine Faith zufällig in Begleitung zweier Bodyguards in Hamburg gesehen, obwohl diese sich laut ihrem Vater wohlbehalten in Nigeria im Haus ihrer Eltern aufhalten soll.
Johanna reist sofort zu ihrer Freundin nach Hamburg, um Faith zu suchen. Beide befürchten, dass Faith in die Fänge skrupelloser Menschenhändler geraten sein könnte.
Unterstützung finden die Beiden in Rasmus Falk, Ex-Geheimdienstler.

Der zweite Thriller in der Johanna Böhm und Rasmus Falk Reihe ist wieder spannend, rasant und voller Geheimdienst-Tricks.
Auch wenn mich die Blauäugigkeit und Naivität von Johanna und Alice leicht genervt hat, war ihre Herangehensweise dann doch nachvollziehbar.
Überrascht hat mich, wie hilflos der gesamte Polizeiapparat bei Menschenhandel in dieser Dimension ist. Es war nicht nur die Diplomatische Immunität, die ihnen Fesseln anlegte. Sie hatten auch keine Kenntnis von den Hintermännern beim Menschenhandel.
Leon Sachs hat ausgesprochen gut recherchiert und das Ganze in einen spannenden Thriller verarbeitet. Vielleicht kann er damit die Nicht- Wisser-Fraktion, zu der ich auch gehöre, aufrütteln und das Thema präsent machen. Menschenhandel hatte ich bis jetzt nur (schlimm genug) in der Zwangsprostitution verortet, aber nicht als Sklavenarbeiterinnen in europäischen Haushalten.
Mit spannenden, unterhaltsamen Thrillern brisante Themen aufzugreifen, scheint sich bei immer mehr Thriller Autoren durchzusetzen. Das ist richtig gut.

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Veröffentlicht am 17.10.2023

Komplexe Geschichte mit vielen Wendungen

Die Affäre Alaska Sanders
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Alaska Sanders, ehemalige Schönheitskönigin, wird in kleinen unbedeutenden Mount Pleasant tot am Strand aufgefunden. Die Polizei geht von einer Beziehungstat aus. Nach dem Geständnis eines Verdächtigen ...

Alaska Sanders, ehemalige Schönheitskönigin, wird in kleinen unbedeutenden Mount Pleasant tot am Strand aufgefunden. Die Polizei geht von einer Beziehungstat aus. Nach dem Geständnis eines Verdächtigen und dessen Selbstmord schließt die Polizei schnell den Fall ab.
Elf Jahre später erhält Perry Gahalowood, der seinerzeit auch von der Schuld des Verdächtigen überzeugt war, eine verstörende Nachricht. Der Täter soll nach wie vor auf freiem Fuß sein. Gemeinsam mit seinem Freund, dem Schriftsteller Marcus Goldmann, rollt er den Fall neu auf.


Ich glaube, ich habe noch nie ein Buch gelesen, in diesem Fall ein Hörbuch gehört, in dem so viele Wendungen und Gabelungen in der Ermittlungsarbeit vorkamen, wie in diesem. Immer wieder habe ich auf dem Display meines Handys verwundert feststellen müssen, dass noch 120 Minuten, später dann noch 60 Minuten zu hören sind, obwohl der Fall doch gelöst ist.
Joel Dicker bröselt jede Aussage, jedes Alibi und jede vage Erinnerung auf. Jede Unstimmigkeit wird hinterfragt und ausgelotet. Nichts wird als gegeben gewertet. Manchmal hat es genervt, aber meistens war es einfach spannend und interessant. Wobei die Spannung sich keinesfalls auf Action und Verfolgungsjagden bezog.
Ruhig, leise und nachdenklich kommt die Geschichte daher. Dementsprechend ruhig und mit unaufgeregter Stimme wird das Buch gelesen von Torben Kessler. Torben Kessler, der bisher alle Bücher von Joel Dicker gelesen hat, passt sehr gut zu dessen Geschichten.
Zum Inhalt, zur Affäre der Alaska Sanders, möchte ich nicht mehr erzählen. Ich fürchte, es würde mir auch gar nicht gelingen ohne zu spoilern.
Große Leseempfehlung von mir, vielleicht wird das Hörerlebnis das Ganze noch toppen. Jeder so wie er es mag.

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Veröffentlicht am 03.10.2023

Tragik im Theater

Böses Licht
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Tragödien tragen sich im Wiener Burgtheater nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter den Kulissen zu. Während einer blutigen Aufführung von Shakespeares Richard III wird der Garderobier Ulrich Schneider ...

Tragödien tragen sich im Wiener Burgtheater nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter den Kulissen zu. Während einer blutigen Aufführung von Shakespeares Richard III wird der Garderobier Ulrich Schneider blutüberströmt auf Richards Thron sitzend auf die Bühne hydraulisch erhoben.
Die junge Wiener Kommissarin Fina Plank wird mit der gesamten Wiener Kripo an den exponierten Tatort gerufen. Es ist Eile geboten, da bald fast das ganze Ensemble zu den Salzburger Festspielen wechselt.
Ohne dass die Ermittler ein Motiv für den Mord gefunden haben, geschieht ein zweiter Mord und einige Mitglieder des Ensembles erhalten Drohbriefe.

Ich liebe Thriller von Ursula Poznanski. Habe sie fast alle gelesen, aber mit „Böses Licht“ hatte ich einige Probleme.
Die Einschübe des vermeintlichen Täters, immer beginnend mit Zitaten aus Dantons Tod, haben mich immer wieder aus der Spannung, beziehungsweise aus dem Lesefluss gerissen. Außerdem haben mir die Einschübe, insbesondere die letzten, suggeriert, dass der wahre Täter, vielleicht auch ein zweiter Täter, noch gar nicht gefasst und überführt wurde. Deshalb war das Ende für mich auch sehr abrupt und noch nicht abgeschlossen.
Sollte es da vielleicht noch einen dritten Band geben?
Das Gefühlschaos der Bühnenschauspieler wurde sehr gut herausgearbeitet. Ihre Leidenschaft, ihr Ehrgeiz und vor allem was sie bereit sind für ihre Karriere zu opfern war beeindruckend.
Gut gefallen hat mir die Entwicklung von Fina Plank. Sie fängt endlich an sich zu wehren, ihre eigene Position zu finden und diese auch zu verteidigen. Das unverhoffte Wiedertreffen von Beatrice und Florin aus Salzburg weckte kribbelnde Erinnerungen an ihre ehemaligen Fälle. Es war ein Genuss ihre harmonische Zusammenarbeit untereinander, aber auch Fina gegenüber zu beobachten.
Mehr davon, bitte!

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Veröffentlicht am 26.09.2023

Spannend, aber auch schwierig

Skorpion
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Der Schweizer Bundesermittler David Keller und der DIA Carabinieri Andrea Monti finden sich zu einem Treffen mit einem von Montis Informanten in einer Kirche in Palermo ein. Der Informant, der ihnen wichtige ...

Der Schweizer Bundesermittler David Keller und der DIA Carabinieri Andrea Monti finden sich zu einem Treffen mit einem von Montis Informanten in einer Kirche in Palermo ein. Der Informant, der ihnen wichtige Dokumente übergibt, wird anschließend auf offener Straße erschossen. Wer den Auftrag zu dem Mord gegeben hat, weiß man, aber es beweisen kann niemand.
Unverrichteter Dinge kehrt Keller in die Schweiz zurück um gemeinsam mit dem FBI gegen die Al Kaida zu ermitteln. Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Ein riesiger Kokain-Fund in Antwerpen, der Selbstmord eines Piloten und die Dokumente des erschossenen Padre aus Palermo ergeben einen gemeinsamen Hintergrund, alle Hinweise deuten auf den Ex-Banker Baumann.


Anfänglich glaubte ich einen Mafia-Thriller zu lesen, spannend und wichtig, immer wieder die Mafiastrukturen aufzudecken. Schwierig wurde es meiner Meinung nach, als der Schweizer Bundesermittler David Keller gemeinsam mit der DIA gegen DEA, FBI, CIA und den kümmerlichen Rest der Welt kämpfen musste.
Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, dass der Skorpion gar nicht der Bösewicht ist, sondern
die Mafia und all die politischen (vielleicht auch polizeilichen) Organisationen, die den Skorpion für ihre Ziele einsetzen.
Das Bild der Weltpolitik und Weltkriminalität, das Matt Basanisi und Gerd Schneider in diesen Thriller zeichnen, spiegelt leider sehr die Realität wider. Dieses Buch lässt mich daher ziemlich verstört und ratlos zurück, weil die Fiktion sich nur auf Namen und bestimmte Orte bezieht.
Das Nachwort und Interview am Ende des Buches unterstreichen noch einmal die beschämende Realität und die Machtlosigkeit der ermittelnden Behörden.
Der Thriller war äußerst spannend, aber unterhalten, nein köstlich unterhalten fühlte ich mich nicht, eher verängstigt, weil der vermeintlich Gute, immer wieder ausgebremst und bedroht wurde, und zwar von der eigenen Regierung.

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