Kombiniere: Packende Mischung aus Doyle Biografie, Krimi und Unterhaltungsroman
Der Mann, der Sherlock Holmes töteteNew York im Jahre 2010:
Jedes Jahr, am 6.Januar, kommen die Sherlockians zusammen, um dem fiktiven Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Gedenken, dessen geistiger Schöpfer, Sir Arthur Conan Doyle war. Der ...
New York im Jahre 2010:
Jedes Jahr, am 6.Januar, kommen die Sherlockians zusammen, um dem fiktiven Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Gedenken, dessen geistiger Schöpfer, Sir Arthur Conan Doyle war. Der berühmte Schriftsteller, ließ seinen berühmten Detektiv schließlich an diesem Tag das Licht der Welt erblicken. Doch in diesem Jahr will Alex für Furore sorgen, denn er hält ein ganz besonderes Mitbringsel für seine Mitstreiter parat. Angeblich ist er im Besitz, des seit vielen Jahrzehnten verschollenen Tagebuchs von Sir Arthur Conan Doyle.
Besagtes Tagebuch schließt die Lücke der Schaffensperiode des Autors, zwischen Sherlock Holmes Tod an den Reichenbachfällen, der einige Jahre andauernden Schreibpause von Doyle und der triumphalen Auferstehung von Holmes, in „Der Hund von Baskerville“. Doch immer schon wunderten sich die Sherlockians, wieso Sherlock Holmes, nach seiner literarischen Wiedergeburt, plötzlich so völlig anders gestrickt war. Der neue Holmes, war zynischer, egozentrischer und vor allem skrupelloser, als zuvor. Auch seinen Mitmenschen und vor allem der Polizei gegenüber.
Als Harold, frischgebackener, aber bereits ausgezeichneter Sherlockianer, von Alex Fund erfährt, ist er wie elektrisiert. Denn genau wie alle anderen Mitglieder der Vereinigung, erhofft er sich durch das Tagebuch Aufklärung. Als er Alex im Foyer des Hotels in New York dann begegnet, bemerkt er überrascht, dass Alex sich verfolgt fühlt. Er glaubt, dass ihm jemand das Tagebuch abspenstig machen will und zieht sich, bevor Harold oder andere Sherlockianer überhaupt Fragen über das Buch stellen können, früh zurück auf sein Zimmer.
Am nächsten Morgen, als Alex das Buch vorstellen möchte, glänzt der Sherlockianer allerdings durch Abwesenheit.
Nur wenig später entdecken Harold, die freie Journalistin Sarah und ein anderes Mitglied der Vereinigung, Alex erdrosselt im Hotelzimmer auf. Harolds detektivischer Spürsinn ist geweckt. Er versucht wie Holmes zu denken und findet tatsächlich etwas. Mit Blut hat jemand das Wort „Elementar“ unterhalb des Schreibtisches, an die Wand geschrieben. Auch in einem Fall von Holmes wurde besagtes Szenario bereits geschrieben. Harold will unbedingt herausfinden, wer Alex ermordet hat und wo sich das Tagebuch befindet. Finanzielle Unterstützung bekommt er von seinem Auftraggeber Sebastian, einem Urenkel des berühmten Schriftstellers Doyle und von Sarah. Eine obskure Schnitzeljagd beginnt, die sie über den großen Teich führt. Und nicht nur Harold und Sarah suchen fieberhaft nach Alex Mörder und dem verschollenen Tagebuch. Und diese Gegenspieler scheinen äußerst entschlossen zu sein, sich ihnen in den Weg zu stellen…
London 1893:
Der Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle, hat seine Schöpfung, den, wie er findet, unsympathischen Detektiv Sherlock Holmes dermaßen satt, dass er ihn regelrecht hasst. Von seinem Hass erzählt er auch seinem engen Freund Bram Stoker, der sich insgeheim über Doyles Frust amüsiert. Doch nur wenig später reicht es Doyle- er lässt seinen Romanhelden sterben. Anfangs ist er erleichtert, froh darüber, dass er nun Zeit hat, etwas anderes schreiben zu können. Doch die Holmes Fangemeinde ist groß und erstreckt sich auf alle Bevölkerungsschichten. Sie gängeln und nerven Arthur dermaßen damit, Sherlock Holmes wiederauferstehen zu lassen, dass Arthur dringend Ablenkung benötigt. Als eine, an ihn adressierte Briefbombe, in seinem Arbeitszimmer explodiert- kurz zuvor konnte er dem Paket noch einen Papierschnipsel entnehmen, ist seine Neugierde geweckt. Da die Polizei sein Anliegen nicht ernst nimmt, will er auf eigene Faust herausfinden, wer ihm kürzlich die Bombe geschickt hat und was das alles mit mehreren Frauenmorden zu tun hat, die sich kürzlich in London ereigneten. Unterstützung erhält er dabei von seinem geschätzten Freund, Bram Stoker, der allerdings keinesfalls so einfach gestrickt ist, wie Holmes Kompagnon, Dr. Watson…
Schon von Kindesbeinen an, liebe ich den „Sherlock Holmes“ Stoff, aber vor allem die sehr eigenen, genialen Ermittlungsmethoden des wohl, berühmtesten Detektivs der Romangeschichte und schaue auch heute noch gerne die alten in schwarz-weiß abgedrehten „Sherlock Holmes“ Filme und Serienfolgen. Ich finde, einen Großteil macht, neben den Ermittlungsmethoden, die besondere Atmosphäre aus, das gewisse Flair, das aus allen Poren der Geschichten dringt.
Mich interessierte im Vorfeld zunächst, ob es dem Autor dieses Romans, der gleich auf zwei Zeitebenen spielt, gelingen würde, dieses besondere Flair einfangen zu können, wenn er Holmes Schöpfer ermitteln lassen würde, im London um die Jahrhundertwende. Und in der Tat ist Graham Moore, der Filmfans sicherlich bereits seit seines prämierten Drehbuches zu „The Imitation Game“ (seinerzeit verfilmt mit u.a. Benedict Cumberbatch), ein Begriff sein dürfte, das auf ganzer Linie gelungen.
Neben der Tatsache, dass der Autor einen sehr ansprechenden, mitreißenden und bildhaften Schreibstil besitzt und es versteht, seinen Figuren nicht nur intelligente, sondern auch nachdenklich machende Dinge in den Mund zu legen, mochte ich es, als kleiner Histo-Roman- Pingel sehr, dass sich Graham Moore im Vorfeld sehr viel mit Sir Arthur Conan Doyles Leben und Schaffen auseinander gesetzt hat und sich die Protagonisten in der Vergangenheit zeitgemäß und gehoben ausdrücken, so dass das historische Flair gewahrt bleibt.
Amüsanterweise finde ich, dass Harold, der in der Gegenwart ermittelt und nach dem verschollenen Tagebuch von Doyle fahndet, auf eine gewisse Art und Weise, ein wenig altmodisch gestrickt wirkt und so fühlt sich der Gegenwartshandlungsstrang nicht wirklich nach der Jetztzeit an. Dennoch finde ich, dass die Geschichten beider Zeitebenen, unglaublich packend erzählt werden, selbst wenn es in dem Buch nicht wirklich an Spannungsmomenten wimmelt. Ich tue mich auch schwer damit, diesen Roman als übliche Krimilektüre anzupreisen. Ich würde eher dazu tendieren, „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“, als unterhaltsame Romanlektüre zu bezeichnen, für alle diejenigen, die Spaß an kniffligen Rätseln besitzen oder immer schon Einblicke in das spannende Leben von Sir Arthur Conan Doyle gewinnen wollten. Der Schriftsteller scheint ein vielschichtiger und interessanter Zeitgenosse gewesen zu sein; übrigens wird hier auch seine Freundschaft mit Oscar Wilde kurz angerissen, obwohl dieser jedoch leider keinen Auftritt hat in diesem Roman und ich fand die Einblicke in Doyles komplexe Gedanken und Gefühlswelt (selbst wenn diese ja leider auch nur Graham Moores Vorstellungskraft geschuldet und rein fiktiv ist) sehr spannend.
Sir Arthur Conan Doyle und Bram Stoker bekommen in diesem Roman Konturen, bleiben nicht nur blasse Abziehbildchen; man merkt mir sicherlich meine Begeisterung an, während ich diese Zeilen tippe.
Interessant fand ich das Nachwort des Autors, in dem er verrät, was an seinem Roman wahr, und was Fiktion ist. In der Tat hat Graham Moore da eine mysteriöse, wahre Story aufgestöbert und diese in einem, atmosphärisch dichten, sehr komplexen, freilich größtenteils fiktiven Unterhaltungsroman verarbeitet.
Eine Warnung an Schnellleser, die lieber einen leichten Lesestoff vor sich haben, der sich ohne Probleme und ohne größeres Nachdenken weglesen lässt- Für diejenigen ist „Der Mann, der Sherlock Holmes tötete“, definitiv das falsche Buch! Graham Moore fordert durchaus seine Leser, lädt sie dazu ein, sich die Szenerien bildhaft vorzustellen, die er manches Mal beinahe poetisch beschreibt und zu meiner Freude, findet sich vor jedem neuen Kapitel entweder ein Zitat aus diversen Holmes Romanen/Geschichten oder Zitate von Sir Arthur Conan Doyle selbst.
Für mich war dieser Roman ein absolutes Lesehighlight; bislang sogar das Lesehighlight in 2019.
Kurz gefasst: Kombiniere: Packende Mischung aus Doyle Biografie, Krimi und Unterhaltungsroman. Ein lohnenswertes Buch, für das man sich Zeit beim Lesen nehmen sollte, um alle interessanten Details und Fakten aufzugreifen. Nicht nur für Fans des berühmten fiktiven Meisterdetektivs zu empfehlen.